Zur Heeresdebatte

Weil schasaugat war ich „7-er-tauglich“. Mittels Vitamin P kam ich zu den Kraftfahrern, leider bei der Garde. Wie mühsam das werden sollte, konnte ich bei meiner Einrückung noch nicht erahnen. Eigentlich hätte ich kein Kraftfahrer werden dürfen, weil ich eine Brille hatte. Mein Wunsch war es jedoch den LKW-Schein beim Bundesheer zu machen und ihn dann auf einen Zivilführerschein umzuschreiben. Das war damals möglich.
Leider steckten sie mich dann zu den PKW-Fahrern und ich wurde Kommandantfahrer. So habe ich alle Arschlöcher in weitem Umkreis persönlich kennen gelernt: Sadisten, Kriecher, Dummköpfe.
Und ich habe einiges gelernt:
Ich kann ohne Zurückrollen am steilen Berg anfahren, mit einem alten Typ-2-VW-Bus und in riesigen Militärstiefeln.
Ich kann Betten machen und Häusel putzen.
Ich kann ein Fahrwerk abschmieren und weiß, was eine 15er-Klemme ist. Und wo sie ist. Und dass ein Auto nach einiger Zeit abstirbt, wenn hinterhältige Kameraden die Klemme gelöst haben.
Ich konnte ein 58er Sturmgewehr zerlegen, putzen und wieder zusammenbauen. Das kann ich heute nicht mehr, es geht mir aber auch nicht ab. Ich zerlege, putze und baue lieber Vespas zusammen. Das erscheint mir wesentlich sinnvoller.

Ansonsten habe ich nicht viel gelernt in den acht Monaten. Ich habe keine Ahnung von Landesverteidigung und war nur einmal schießen. Das war ein Glück damals, weil man nach dem Schießen das Gewehr putzen musste und später aus der Kaserne kam.
Und das war das Schlimmste, was passieren konnte: Am Wochenende in der Kaserne bleiben müssen, wenn (fast) alle anderen nach Hause fahren dürfen.

Ich war ein äußerst ungezogener Soldat. Und musste mit sehr vielen Wochenenden in der Kaserne dafür bezahlen. Sehr vielen. Gehorsam lernte ich nicht, sondern eher die Verachtung von Vorgesetzten. Insofern habe ich doch was für mein Leben gelernt, nämlich Menschen, die mir unterlegen sind, nicht als Autoritäten bzw. Chefs zu akzeptieren.
Die einzigen Vorgesetzten, vor denen ich Respekt hatte, waren die Fahrlehrer in der Heeresfahrschule. Die konnten mir etwas beibringen und die mussten auch nicht ständig den Sadisten raushängen lassen, weil sie respektiert wurden. Alle anderen Offiziere ohne Ausnahme taten das. Zumindest bei der Garde.
Seitdem habe ich für Offiziere entweder Spott, Mitleid, Verachtung oder Geringschätzung übrig. Ich habe keine anderen kennen gelernt. Leider? Vielleicht. Ich verachte seitdem zutiefst Menschen, die andere quälen, nur weil sie selbst eine höhere hierarchische Position haben. Und ich habe eine ganze Menge davon kennen gelernt.
Die Quälereien hatten immer nur den einen Sinn: Gehorchen, egal was befohlen wurde. Etwa eine Stunde in einer Ecke stramm stehen. Das hat keinen Sinn für irgend etwas, außer um zu lernen, das zu tun, was ein anderer sagt, weil er es sagt. Egal ob das gescheit oder blöd ist. Und ganz definitiv auch dann, wenn es klarerweise blöd ist. Gerade dann zeigt sich blindes Gehorchen. Deswegen heißt es ja so.
Heute wird gerne argumentiert, dass junge Männer den Wehrdienst brauchen um irgendwie für das Leben was zu lernen oder reif oder zum Manne zu werden oder so ähnlich. „Zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit.“ Ich weiß jetzt, was diese Leute (derzeit etwa der Spindelegger) damit meinen: Sie brauchen Menschen, die blind gehorchen, egal was man von ihnen verlangt.
Das dürfte das Menschenwunschbild der ÖVP sein, oder zumindest das vom Spindelegger.

Das lehne ich aus obigen Erfahrungen heraus zutiefst ab. Mein Menschenwunschbild ist das von freien Menschen, die lernen, wie man sich zwischen zwei Alternativen entscheiden kann und was man dafür tun muss. Das ist das exakte Gegenteil von blindem Gehorsam. Es gibt übrigens Militärsysteme, in denen diese andere Form auch schon praktiziert wird, etwa in den USA. In Situationen, die schnelle Entscheidungen verlangen, werden diese auch durch einen Kommandant getroffen. Nur vertrauen ihm seine Kameraden, weil sie ihn kennen und wissen, dass hinter seinen Entscheidungen genaue Überlegungen stehen, die auch in ihrem Sinne sind.

Eigentlich will ich weder ein Milizheer (das habe ich kennen gelernt) noch ein Berufsheer, sondern gar keines. Da das aber nicht zur Debatte steht, will ich ein Heer, in dem die Soldaten ihren Vorgesetzten vertrauen können, weil diese keine Sadisten sind.
Die Sadisten, die ich kennen gelernt habe, waren übrigens alles Berufssoldaten. Beim österr. Bundesheer sind das ja heute schon alle außer den Präsenzdienern. Und die kann man sich getrost sparen. Sie wären in einem Ernstfall nichts als Kanonenfutter. Sie lernen normalerweise nicht mehr als ich gelernt habe. Und das war punkto Landesverteidigung genau gar nichts. Null, nicht einmal die grundlegendsten Dinge. Ein wenig im Schlamm kriechen und Exerzieren, das war es. Und blind gehorchen, damit ich im Ernstfall drauf los stürme. Wohin eigentlich? Normalerweise ausschließlich in den Tod. Zumindest lehren mich das die Geschichtsbücher, wo im Krieg die einfachen Soldaten stets willkürlich verheizt wurden. Wie Spielfiguren hin- und hergeschoben und dann geopfert. „And the Anzio Bridgehead was hold for the price of a few hundred ordinary lifes. singen Pink Floyd (When the tigers broke free).

Berufssoldaten bekommen eine militärische Ausbildung, die denen der Milizsoldaten automatisch überlegen ist, weil die haben gar keine. Vielleicht lassen sie sich dann nicht blindlings opfern, weil sie selbst eine Ahnung von der Sache haben.

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