Unsere Zukunft und die Drake-Gleichung

Wir kümmern uns um Plastiksackerln und ob sie verboten werden sollten oder nicht. Und natürlich um Parkplätze für unsere Autos. Das sind zwar auch interessante Fragen, aber wenn wir uns eine oder mehrere Stufen höher begeben, tauchen andere, noch wichtigere auf.

Die Astrophysiker etwa haben das schon 1961 getan und ein junger Physiker namens Frank Drake hat daraufhin die „Drake-Gleichung“ erstellt:

N = R x fp x ne x fl x fi x fc x L

Diese Gleichung soll helfen auszurechnen, wie hoch die Anzahl außerirdischer intelligenter Lebensformen ist, mit denen wir in Kontakt treten könnten.

Die Gleichung liest sich wie folgt:
„N“ ist die auszurechnende Zahl
„R“ ist die mittlere Sternentstehungsrate pro Jahr in unserer Galaxis
„fP“ ist der Anteil an Sternen mit mindestens einem Planeten
„ne“ ist die Anzahl der Planeten innerhalb der habitablen Zone
„fI“ ist der Anteil an Planeten, auf denen sich Leben entwickelt hat
„fi“ ist der Anteil an Planeten mit intelligentem Leben
„fc“ ist der Anteil an Planeten, auf denen intelligentes Leben mit uns in Kontakt treten kann und will
„L“ ist die Zeitdauer des Überlebens solcher Lebensformen

Am spannendsten ist für uns der Faktor „L“, denn er betrifft uns direkt.
Damals, im Jahr 1962, war die Gefahr eines atomaren Weltkrieges die größte, die „L“ beeinflussen konnte. Heute ist es wohl die Klimakrise, in der wir gerade stecken. Sofern wir bereit sind, uns auf die Ebene zu begeben, die Zukunft jenseits von Plastiksackerln und Parkplätzen zu betrachten, stoßen wir wohl zwangsläufig auf dieses „L“ als unbekannten Faktor.

Auf der Suche nach außerirdischem Leben ist er deswegen so interessant, weil die Wahrscheinlichkeit Kontakt aufzunehmen, stark von der Lebensdauer anderer intelligenter Lebensformen abhängt. Es kann durchaus sein, dass wir einen Planeten entdecken, auf dem es so etwas gab, aber eben nicht mehr gibt. Und das gilt natürlich auch umgekehrt, also wenn wir von Außerirdischen entdeckt werden, selbst aber bereits ausgestorben sind.

Vielleicht sollten wir uns darum kümmern, unseren Planeten nicht so zu zerstören, dass wir selbst darauf nicht mehr leben können. Das liegt nämlich in unserer Hand, wir haben die Wahl. Wir können das als Chance sehen oder einfach so weiter tun wie bisher und die eigene Bequemlichkeit über alles stellen.

Es gibt wichtigere Dinge als den Griff zu den Sternen, aber auch der wird nur möglich sein, wenn unsere Zivilisation so lange existiert, dass wir überhaupt die Zeit dazu haben.

Quelle: TV-Doku „Leben im All“, gesendet auf Arte am 18. August 2019

„Kann ich hinein?“

Ich marschiere gerade aus den Räumlichkeiten der Bezirksvorstehung hinaus, als ich sehe, dass gerade jemand hinein will. Also öffne ich die nach außen aufgehende Türe ganz langsam, damit die Person draußen reagieren und zurück treten kann. Es ist eine nette Dame, die mich überrascht anschaut, als ich ihr die Türe aufhalte, und meint: „Kann ich hinein?“
Meine normale Reaktion wäre gewesen „Ich weiß nicht, ob Sie können, aber dürfen tun sie natürlich.“
Ich habe sie aber nur freundlich angelächelt und gemeint „Selbstverständlich“ – unter anderem, weil mir das so selbstverständlich ist.
Die spannende Frage ist aber, warum es für sie nicht selbstverständlich ist. Der Eingangsbereich wurde neu gestaltet, es ist hell und freundlich und es handelt sich um eine Glastüre. Während der Bürozeiten braucht man sie nur aufmachen und kann eintreten. Zu dem Zeitpunkt war auch drinnen alles hell erleuchtet.

Vielleicht wäre mir das sonst nicht aufgefallen, aber als Philosoph wurde ich auch ausgebildet auf Sprache zu achten. Und die Dame hat nicht etwa „Darf ich hinein?“ gesagt, sondern „Kann ich hinein?“
„Können“ ist ja eine körperliche oder psychische Eigenschaft. Sie war sich also nicht sicher, ob sie dazu überhaupt befähigt ist. Da sie kräftig genug wirkte, um die Türe problemlos aufzubekommen, finden wir hier keine Antwort auf die Frage.
Und doch hat es mit dem Körper zu tun.
Meine Hypothese dazu: Gesellschaften formen die Menschen und autoritäre Gesellschaften nehmen den Menschen die Kraft – durchaus körperlich gemeint – um sich gegen die Autorität aufzulehnen. Sie greifen also sehr tief in unser Wesen ein.

Wenn an einer Türe ein Verbotsschild hängt oder sonst irgendwie angedeutet wird, dass hier nur Berechtigte eintreten dürfen, dann ist es nicht verwunderlich, wenn Menschen sich daran halten.
Weshalb jedoch reagieren Menschen bei der frei zugänglichen Türe zur Bezirksvorstehung so, als ob es so unglaublich verboten wäre einzutreten, so dass sie sich sogar körperlich nicht mehr dazu in der Lage sehen?

Ich glaube, dass wir hier die österreichische Seele sehen, die ein seltsames Verhältnis zur Autorität haben dürfte. Der Kaiser ist zwar schon lange tot, lässt aber irgendwie immer noch grüßen. Es gab in Österreich nie so etwas wie eine gesellschaftliche Revolution gegen autoritäre Regime. Selbst das autoritärste war uns genau genommen nicht suspekt und Hitler war schließlich Österreicher, auch wenn wir das nicht mehr ganz so gerne hören wie unsere Großeltern (nein, natürlich nicht alle, aber doch die meisten).
Wer sich gegen Autorität nicht auflehnt, muss sich mit ihr arrangieren. Das funktioniert am besten indem man das tut, was die Autorität möchte. Um dem Problem zu entgehen, dass die Autorität etwas will, das man selbst nicht will, verändert man seinen Willen so, dass er mit der Autorität konform geht. Wenn ich das will, was die Autorität will, habe ich es bequem. Österreicherinnen und Österreicher haben es gerne bequem und daher funktioniert das gut.
Da die Autorität aber vorgibt, was ich wollen soll, muss ich wollen können was ich wollen soll. Zu diesem Zweck muss ich eigenen, abweichenden Willen unterdrücken, verleugnen oder empört ablehnen. Dabei ist es hilfreich, wenn mich niemand in meinem Wollen-sollen stört, also anspricht, dass ich das doch auch anders wollen könnte, etwa weil er es auch anders will.
Solchen Menschen weicht man besser aus und umgibt sich mit denen, die das gleiche wollen sollen.
Besonders schwierig ist das dann, wenn der andere, der Umbequeme, das andere Wollende, damit mehr Erfolg hat als ich. Aber auch dafür gibt es eine Lösung: Ich definiere den Erfolg um, und zwar so, dass sein Erfolg eigentlich ein Misserfolg ist. Dabei hilft mir die Unterstützung anderer, Gleichgesinnter (eigentlich: Gleichgeschalteter).
Das ist z.B. überall dort erforderlich, wo die eigene Bequemlichkeit durch das autoritätskonforme Verhalten leidet und jemand anderer, der sich der Autorität widersetzt, es eigentlich bequemer hat. Dann muss ich entweder meine eigene Bequemlichkeit modifizieren oder seine Bequemlichkeit verringern.
Das funktioniert durch die Zuhilfenahme des Internets viel einfacher als noch vor einigen Jahren, da ich für alles, was ich glauben möchte, irgendwo in den unendlichen Weiten des Netzes jemand finde, der das bestätigt.
Realität, Wirklichkeit, Wahrheit werden dann zu leeren Begriffen, die man genau genommen entsorgen kann. Schwieriger wird es, wenn jemand die Quelle meiner Information hinterfragt. Dann kann man aber immer noch so antworten, wie das ein Bekannter getan hat, als ich ihn darauf aufmerksam gemacht habe, dass seine Quelle unseriös ist:

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Bild: Ausschnitt aus einer Facebook-Diskussion. Es ging um einen Bericht, der angeblich von der Polizei stammt und in dem geschildert wird, dass eine Mutter angeblich mit einem Messer drei Bösewichte erstochen hätte.

So einfach ist das und schon kann man glauben, was man gerne glauben möchte.
Im nächsten Schritt wird es noch etwas spannender, denn in der heutigen Zeit kann man sich die Autoritäten aussuchen, zumindest auf der virtuellen Ebene. Das ist ausgesprochen praktisch, denn jetzt kann man sich genau die Autorität aussuchen, die das verspricht, was meine Bequemlichkeit maximiert. Man wird im Internet immer jemand finden, der die gleich Meinung hat und so kann man sich auf diese virtuelle Gemeinschaft berufen. Die vermeintliche Freiheit besteht nun darin, die Autoritäten, denen man glaubt, jederzeit wechseln zu können.

An der Autoritätshörigkeit ändert das freilich nichts und so können sich die echten Autoritäten, die uns genau so mögen, wie wir sind, beruhigt zurücklehnen. So lange wir in unserer Bequemlichkeit nicht gestört sind, reicht ein wenig panem et circenses und schon tun wir, was verlangt wird.

Brombeeren

Manchen meiner LeserInnen ist bekannt, dass ich ein Marmeladefreak bin – genauer gesagt, ich mache sie selbst, seit ca. 12 Jahren. Begonnen hat alles mit einem übervollen Marillenbaum in Greifenstein und dem Wunsch, qualitativ hochwertige Marmelade zu essen. Seitdem pflücke ich und koche ein, durchaus zur Freude vieler Menschen, die ich damit beschenke: meinen Freundeskreis, aber auch Kunden oder wer mir gerade einfällt.

Es steckt aber noch mehr dahinter und das möchte ich heute schildern.
Konkreter Anlass ist die Brombeermarmelade, die ich gerade fertig bekommen habe. Vor drei oder vier Jahren habe ich schon einmal 3-4 Gläser gekocht, gerade mal für den Eigenbedarf.
Da mir das aber nicht reicht, konnte ich letztes Jahr auf die Brombeeren meiner Mutter (kleiner Strauch) und die vom burgenländischen Haus meines Vaters zurückgreifen, was schon ca. 10 Gläser ergeben hat.
So richtig gut funktioniert das aber nur mit einem wirklich großen Brombeerschlag, den ich seit vielen Jahren suche. Letztes Jahr fuhr ich dann über einen kleinen Güterweg in der Nähe von Hintersdorf im Wienerwald. Links und rechts Brombeerbüsche und schon war die Idee dort heuer einmal vorbei zu schauen.
Auf die mögliche Ausbeute konnte ich mich den ganzen Winter und Frühling lang freuen.

Am Samstag war es dann soweit, im Zuge einer Vesparunde fuhr ich den Güterweg, der genau genommen für Kraftfahrzeuge gesperrt ist. Die Suchmission ergab: ja, Brombeeren. Wie viele ich genau würde pflücken können, war nicht klar, aber ich beschloss gleich am nächsten Tag in der Früh mit der Honda hinaus zu fahren, mehrere größere Plastikgefäße und ausgesprochene Pflücklaune mit dabei.
Am Sonntag kam ich genau bis Weidlingbach, dann machte mir das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Also um einen Tag verschieben und die verfahrene Stunde unter „leider nicht“ abbuchen.
Der Montag begann mit strahlendem Sonnenschein und ich starte wieder die Honda. Die Fahrt dauert ca. 30 Minuten und ich parke den Roller an der Hauptstraße, um mich zu Fuß Richtung Brombeeren zu begeben.

An dieser Stelle muss ich ein wenig ausholen. Marmelade ist etwas feines. Man kann sie aus einer Vielzahl verschiedener Früchte machen, von süß bis säuerlich, von dünnflüssig bis fest, pur oder gemischt und noch vieles mehr. Ich selbst mische nie, auch wenn das gerade der Trend ist. Kiwi-Stachelbeere-Mango brauche ich nicht, Marille oder Kriecherl schmecken mir besser.
Mit Marmelade erhalte ich den Sommer für den Winter und bringe süß in so manch saures Leben. Nicht ohne Grund handelt es sich auch um eine Kulturspeise, die es schon seit sehr langer Zeit gibt. Wenn man früher keinen Zucker hatte, so musste man halt besonders reife und süße Früchte einkochen und in Zeiten noch nicht erfundener Supermärkte war die Marmelade gemeinsam mit dem Honig die Zuckerreserve für einen langen Winter.
Es geht aber nicht nur um das fertige Produkt, Marmelade ist immer auch ein Ergebnis eines mehr oder weniger aufwändigen Herstellungsprozesses. Sie selbst herzustellen gibt ihr noch eine zusätzliche, persönliche Note, ganz abgesehen davon, dass man weiß, was drin ist. Ich schreibe das auch auf die Etiketten drauf: Früche, Quittin, Zucker. Mehr ist nicht notwendig.

Wir sind wieder zurück bei den Brombeeren. Sie gehören zu den Marmeladefrüchten, die sich dir nicht selbst schenken, Brombeermarmelade will erarbeitet sein, zumindest diejenige, die gut schmeckt.
Am einfachsten sind Erdbeeren: pflücken, in den Topf schmeißen, aufkochen, Zucker hinein – fertig. Dann folgen Marillen, die muss man nur entkernen und dann ist der Rest einfach.
Schwieriger wird es mit anderen Steinobstsorten. Weichseln muss man blanchieren, damit sie vom Kern gehen, Kriecherln ebenso und Zwetschken brauchen ohnehin eine eigene Art der Verarbeitung. Die Königin aller Steinobstsorten sind die Dirndln. Enorm viel Arbeit, dafür gehört Dirndlmarmelade zum feinsten, was sich der Marmeladeliebhaber vorstellen kann.

Mit Beeren ist es wieder anders. Hier liegt der erste Aufwand im Pflücken. Die Königin ist hier die Walderdbeere, von der man nahezu nie genügend findet, damit sich Marmelade auszahlt. Gleich dahinter rangieren Heidelbeeren, Himbeeren und Brombeeren, die letzten beiden halten noch die Herausforderung vieler kleiner Kerne bereit.
Ich liebe alle diese Beeren, konnte aber bisher eben nur Brombeeren verarbeiten. Was übrigens nicht funktioniert ist das Kaufen von Beeren. Die industriell hergestellten haben nur einen Teil des Geschmacks und genau der geht dann meist bei der Verarbeitung noch verloren, ganz abgesehen davon, dass es viel teurer wird als diese Marmelade zu kaufen.
Also selbst pflücken. Dazu muss man nicht nur wissen, wo eine ergiebige Quelle ist, sondern auch noch das Glück auf seiner Seite haben, damit nicht kurz vorher jemand den Brombeerschlag abgeerntet hat. Da Brombeeren nicht alle zugleich reif werden, kann man zwar ein paar Tage später wiederkommen, das ist aber irgendwie nicht so spannend.

Übrigens funktionieren auch die stachellosen Brombeeren nicht, denn mit den Stacheln wurde ihnen auch der Geschmack weggezüchtet, und genau um den geht es bei den Brombeeren.
Sie ergeben sich übrigens nicht kampflos und so zieht man besser Gewand an, das einigermaßen dornenfest ist. Auch gutes Schuhwerk ist zu empfehlen und vielleicht eine Kappe gegen die Sonne, die ich leider nicht dabei hatte.

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Bild 1: Brombeerhecken haben Dornen

Ich marschiere also los und nach ein paar Minuten entdecke ich die erste, kleine Hecke. Sie trägt nur ganz wenige reife Beeren und ich rechne hoch, was meine Gesamtausbeute wird, wenn sich das nicht bessert. Zudem entdecke ich das, was ein Freund als „Tschernobyl-Brombeeren“ bezeichnet hat. Ein Großteil der Beeren einer Hecke besteht aus kleinen Früchten, die aus nur ganz wenigen „Perlen“ bestehen, die dafür aber riesig groß sind. Sie sehen wirklich aus wie Mutanten, wie pervertierte Brombeeren, und sie schmecken nach nichts. Da man sie zudem auch nur sehr schwer ernten kann, beschließe ich weiterzusuchen.
Ich marschiere auf dem Güterweg, auf dem nur von Zeit zu Zeit ein Mountainbiker vorbei kommt, in der heißen Augustsonne entlang und pflücke links und rechts immer wieder ein paar Beeren, die vor allem auf Hecken im Straßengraben wachsen. Das ist gar nicht so leicht, denn wenn man den entscheidenden Schritt nach vorne macht, um die 3-4 Beeren des Verlangens zu pflücken, steht man auf einmal im Graben und wird unsanft von Dornen aufgefangen.
Dazu kommt, dass so eine Brombeerhecke ein äußerst lebendiges Gebilde ist. Überall summt und brummt es, Fliegen, Wespen, Wanzen, Käfer aller Art plus Ameisen bevölkern in großer Zahl die Hecken und sind über Störung nicht allzu erfreut.
Ich habe nach einer Stunde gerade mal 20% meiner Behälter voll und rechne mit einem mittelprächtigen Desaster, da es immer mehr Tschernobyl-Hecken gibt und immer weniger mit guten Brombeeren. Dazu kommt noch, dass die wilden Brombeeren zwar gut schmecken, aber recht klein sind, was den Pflückaufwand noch einmal erhöht.
Durst hätte ich auch, leider aber kein Wasser mit. Dafür juckt es überall und ich bin schon ziemlich zerstochen, vor allem an den Unterschenkeln und Unterarmen. Die Hände sind längst pickig und tiefviolett von den Beeren. Dafür ist das Wetter schön und es ist so richtig Sommer, mit vielen Blumenwiesen und der warmen, würzigen Luft.
All das gehört zum Marmelade machen und steckt dann in jedem fertigen Glas.

Glücklicherweise entdecke ich eine längeren Abschnitt mit relativ guter Ausbeute. Die Hecke ist unter großen Bäumen und auf den ersten Blick nicht zu sehen. Erst wenn man näher kommt, offenbaren sich die Beeren in ihrer großen Zahl und Reife. Man braucht die nicht ganz reifen nicht zu pflücken, selbst wenn sie tiefschwarz sind, muss man vorher zupfen, um zu erkennen, wie reif sie sind.
Eine Marmelade aus reifen Brombeeren ist komprimierte Sonne mit Geschmack. Du kannst die heißen Sommertage auf der Zunge spüren und speziell die Brombeermarmelade hat immer einen sehr feinen Geschmack, den man sich erst erarbeiten muss.

Ich pflücke weiter und bin einigermaßen zuversichtlich, dass ich ca. 3/4 der Gefäße voll bekommen werde. Das ist nicht berauschend, aber kein Debakel. Inzwischen sind 2,5 Stunden vergangen und ich bin schon ein wenig matt. Eine Hecke mache ich noch.

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Bild 2: Ein Gefäß ist schon halbvoll

Und genau das ist die Hecke mit dem Hattrick. Sowohl vorne als auch hinten hängen große Mengen an reifen und auch sehr großen Brombeeren. Hier dürfte schon 2-3 Tage niemand geerntet haben und ich kann in einer halben Stunde so viel pflücken wie in den zwei Stunden zuvor. Meine Körpergröße kommt mir jetzt zugute und ich erreiche ausgesprochen exponierte Heckenteile. Zudem spare ich mir noch mindestens eine Yoga-Einheit, denn die Verrenkungen sind wahrhaft meisterlich (und werden sich noch zwei Tage später spüren lassen).
Brombeeren pflücken ist echte Arbeit und geht der anderen echten Arbeit – einkochen – immer voraus. Brombeeren wollen erobert sein, dafür hat mir der Kosmos zum Schluss die reichhaltige Hecke geschenkt. Ein fairer Deal.

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Bild 3: Brombeerhecke

Mit mehreren Kilo Beeren mache ich mich auf den Heimweg, verschwitzt und durstig, aber glücklich ob der fetten Beute.
Leider ist es damit nicht getan, die nächste Herausforderung wartet beim Einkochen. Wie schon erwähnt, haben Brombeeren Kerne, und zwar nicht zu wenige. Manchen Genießern ist das egal, die meisten jedoch mögen keine Kerne, weil sie immer in den Zähnen stecken bleiben und außerdem ein wenig angenehmes Esserlebnis bewirken.
Also müssen sie raus, was wiederum das Problem ergibt, dass dann der Geschmack ebenfalls draußen ist. Also gehe ich einen Mittelweg und koche die Brombeeren auf, um sie dann einmal durch die flotte Lotte zu jagen. Dieses Gerät ist für Marmeladeköche unabdingbar, man braucht es für fast alle Marmeladesorten.
Ein kleiner Tipp: beim Kauf einer flotten Lotte nicht sparen, hier wirkt sich Knausrigkeit auf jeden Fall über lange Jahre negativ aus.
Die guten Geräte sind aus Edelstahl und haben Einsätze mit verschiedenen Lochgrößen. Für Brombeeren nimmt man die kleinste und passiert die Beeren einfach durch. Das spritzt meist ein wenig und verursacht äußerst hartnäckige Flecken überall in der Küche.

Wichtig ist, dass man die Brombeeren nur 1x durch die flotte Lotte reibt, was ca. 3/4 der Kerne entfernt. Mit dem letzten Rest an Kernen muss man leben, denn wenn man die auch noch entfernen will, geht auch der Geschmack verloren. Man kann dann noch Brombeergelee machen, das gibt aber nicht viel her – das einzige Gelee, das funktioniert, ist Ribiselgelee, weil dort der Geschmack intensiver ist.

Die nächste Herausforderung ist die Zuckermenge. Brombeeren haben einen einigermaßen hohen Eigenpektinanteil, trotzdem braucht man Geliermittel. Ich verwende Quittin. Dabei ist wichtig, dass man zuerst die Früchte samt Quittin aufkocht und erst dann den Zucker hinein gibt. Ich bevorzuge 2:1, also zwei Kilo Früchte und ein Kilo Zucker. Das ist keine Garantie, dass die Marmelade ordentlich ausgeliert, aber meistens funktioniert es. Gibt man mehr Zucker hinein, dann geliert sie deutlich leichter, verliert aber auch deutlich an Geschmack.

Der letzte Tipp betrifft das Abfüllen. Ich verwende am liebsten gebrauchte Gläser, die ich aus meinem Bekanntenkreis zusammensammle. Die perfekten Gläser sind diejenigen mit Klick-Verschluss, der im Deckel eingebaut ist. Ich persönlich mag das gerne empfohlene Umdrehen der Gläser gar nicht. Erstens erhöht sich die Schimmelbildungswahrscheinlichkeit, weil die Deckel am schwierigsten sauber zu bekommen sind und zweitens ist das dann eine Schweinerei beim ersten Öffnen, ganz abgesehen davon, dass es grauslich aussieht.
Ich koche am liebsten am frühen Abend ein. Wenn ich dann in´s Bett gehe, höre ich wie ein Glas nach dem anderen dicht macht: Plopp… plopp… plopp.
Am nächsten Tag kommt noch ein Etikett drauf und dann harren die Gläser ihrer Verschenkung an Menschen, die gute, selbstgemachte Marmelade zu schätzen wissen.
Der Zeitaufwand ist beträchtlich, bei der Brombeermarmelade betrug er diesmal 20 Minuten pro Glas. Dafür halte ich ein selbst gemachtes Produkt in den Händen, biologisch einwandfrei und aus lokalem „Anbau“.

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Bild 4: Die fertigen Gläser

Ein Haus voller Idioten

Medhat ist Trafikant und betreibt mit seiner Frau eine gut gehende Trafik. Neulich wurde bei ihm eingebrochen und das Geschäft wurde fast komplett ausgeräumt. Die Diebe nahmen Waren im Wert von weit über 100.000 Euro mit, selbst die Lochzangen für die Autobahnvignetten sind weg.

Das alleine wäre noch nicht erwähnenswert, aber die Art und Weise, wie die Täter vorgingen, lohnt einen näheren Blick auf die Tat. Die Trafik befindet sich in einem Gründerzeithaus mit dicken Ziegelmauern. Sie besteht aus einem Geschäftsraum mit dahinter liegendem Mini-Büro. Dahinter wiederum befindet sich eine der dicken Mauern und dahinter ein leerer Raum. Die Einbrecher stemmten in stundenlanger Arbeit zwischen ca. zwei und vier Uhr in der Früh ein Loch in die Mauer, kletterten in die Trafik und räumten alles aus.
Sie installierten für die Tatzeit einen Störsender, so dass die Funkverbindungen in der näheren Umgebung (also ca. im gesamten Haus plus noch was) unterbrochen waren und niemand mit dem Handy die Polizei hätte rufen können. Auch die Kameras im Geschäft legten sie lahm.
Das klingt schon sehr verdächtig nach Profis, die das logistisch erstklassig geplant hatten. Da fast niemand mehr ein Festnetz besitzt, hatte ihr Plan gute Chancen aufzugehen.
Der Lärm im Haus war enorm und bis zum Dachgeschoß deutlich hörbar. Trotzdem tat niemand etwas. Kein einziger Hausbewohner ging nachschauen, was der irre Krawall mitten in der Nacht bedeutet.

In diesem Haus leben scheinbar nur Idioten. Ich glaube, ich muss an dieser Stelle das Wort „Idiot“ ins Deutsche übersetzen, es heißt nämlich „Vereinzelter“, also ein Mensch, der sich außerhalb der Gemeinschaft befindet.
So eine Hausgemeinschaft gibt es im Haus mit der netten Trafik offensichtlich nicht, denn dann wäre die Sache anders ausgegangen.

Wieso kann das passieren? Was ist da schief gelaufen und warum? Bei uns im Haus wäre so etwas vollkommen undenkbar, außer alle Parteien sind gerade gemeinsam im Urlaub, was nahezu nie vorkommt. Der Unterschied liegt darin, dass wir eine funktionierende Hausgemeinschaft haben, wo jeder ungefähr weiß, wie es dem anderen geht. Wir sind untereinander in Kontakt, haben den Wohnungsschlüssel des Nachbarn, plaudern regelmäßig miteinander oder sitzen am Abend bei einem Glas Wein einmal hier und einmal dort.
Auch in unser Haus wurde schon ein paar Mal eingebrochen und auch da konnten die Täter unerkannt entkommen. Allerdings war entweder niemand von den Nachbarn daheim (Vormittag unter der Woche) oder die Täter gingen so leise vor, dass es nicht zu hören war.

Das Haus mit der Trafik hat etwas mehr Parteien als unseres, aber es ist kein riesiger Wohnblock, wo es durchaus verständlich ist, dass nicht jeder jeden kennt. Ich glaube, dass es hier mehrere Ursachen für die Vereinzelung gibt:

1.) Der moderne urbane Wohnbau der letzten Jahrzehnte hat auf zentrale Orte, an denen man sich begegnen kann, wie etwa einen nützbaren Hof oder Gemeinschaftsräume, fast komplett verzichtet. Die dafür notwendigen Räume wurden kommerzialisiert, also mit zusätzlichen Wohnungen verbaut oder für Garagen genützt. Auch Hausmeister gibt es keine mehr, dafür kommt 2x pro Woche eine Facility-Managementfirma, die anonyme Menschen schickt, die ständig wechseln.

2.) Durch die Rahmenbedingungen der Wirtschaft werden die Menschen zusehends zur Idiotie gezwungen. An jeder Ecke liest man eine Werbung, die meistens Individualisierung zum Inhalt hat. Selbst wenn das Produkt das genaue Gegenteil ist, wird es als „individualisiert“ verkauft: das Handy, das Auto…
Über Jahrzehnte haben sich die Menschen diese Individualisierung als einen Wert indoktrinieren lassen, der über dem Wert der Gemeinschaft steht. Etwas überspitzt formuliert: der Einzelne ist alles, die Gemeinschaft ist nichts.
Irgendwann haben es die Menschen geglaubt und sich in ihrem Verhalten danach gerichtet. Seitdem gibt es in einem Haus mit zehn Parteien auch zehn Bohrmaschinen oder mehr. Die werden zwar nicht gebraucht, aber besessen. Man sitzt drauf und braucht sie auch nicht herborgen, weil der Nachbar auf einer eigenen sitzt. Das ist idiotisch, also vereinzelnd.

3.) Leider ist die Entwicklung hier noch nicht zu Ende. Unser Wirtschaftssystem braucht die Idioten, weil nur so kann es ständiges Absatzwachstum generieren. Das wird als absolut notwendig für den Erhalt des Wohlstands verkauft. Dieser besteht letztlich darin, dass die Menschen vereinzelt in ihren Wohnungen auf Einzelbesitz sitzen, den sie möglichst oft erneuern sollen. Deswegen schreibt die Industrie ein „Ablaufdatum“ auf viele Gegenstände, vor allem Lebensmittel, obwohl die Haltbarkeit der Dinge zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht abläuft. Die meisten Menschen richten sich danach und werfen die Waren dann folgsam weg und kaufen neue. Auch das ist, mit Verlaub, ziemlich idiotisch.

Was passiert nun, wenn die Menschen sich dagegen wehren, wenn sie diese Entwicklung nicht gut finden und nach Alternativen suchen? Sie bekommen es ziemlich bald mit der Härte des Systems zu tun, das an drei Punkten eingreift:

a.) Die Gesetze werden entsprechend angepasst, so dass Gegenstände weggeworfen werden müssen: in der Automobilindustrie hat man das vor einigen Jahren bereits umgesetzt und seit 2016 dürfen bestimmte Autos nicht mehr in der Stadt gefahren werden. Da nahezu jeder Autofahrer auch hin und wieder oder sogar regelmäßig in die Stadt fahren muss, können diese Autos nicht mehr verwendet werden und landen auf dem Schrottplatz. Die BesitzerInnen sind gezwungen, sich neue oder zumindest neuere Autos zu kaufen.

b.) Die Menschen werden in eine bestimmte Richtung gedrängt: das geschieht im schon erwähnten KFZ-Bereich z.B. durch Prämien für den Tausch des alten gegen ein neues Auto. Es geschieht im Bereich der Weißware (Waschmaschinen, Kühlschränke, Trockner etc.) mit Stromverbrauchsetikettierung (A, AA, AAA+ etc.). Diese sind nachweislich das, was man auf Wienerisch als „Schmäh“ bezeichnet, weil sie aufgrund unrealistischer Testzyklen festgelegt werden. Mit anderen Worten: die modernen Geräte verbrauchen nicht weniger als die alten.
Wer sich darüber näher informieren will, findet die Infos beim RUSZ (Reperatur- und Servicezentrum, www.rusz.at, in 1140 Wien). Ein genialer Ort, an dem man gute Qualität kaufen kann

c.) Die Industrielobbys setzen ihre Macht ein und bekämpfen etwa Food-Coops, also Nahrungsmittelkooperativen. Die Wirtschaftskammer etwa hat etwas gegen solche Kooperativen, wie in folgendem Artikel ausgeführt wird: http://ooe.orf.at/news/stories/2768804/
Wer also eine Gemeinschaft gründet, bekommt schnell mächtige Feinde, die ihn in die Idiotie, also in die Vereinzelung zurück drängen wollen. Sehr schnell hat man auch den Vorwurf am Hals, man wäre „Kommunist“ und würde das hart erarbeitete Eigentum, den Besitz der Menschen, „sozialisieren“ wollen. Man merke: „sozial“ ist böse, a-sozial ist gut, Individualbesitz ist gut, Gemeinschaftsbesitz ist schlecht. Daher gibt es auch die Versuche, das, was alle besitzen, zu enteignen und in Privateigentum umzuwandeln. Um diese Enteignung zu verschleiern, wirft man seinen Gegnern vor, dass sie enteignen wollen. Man merke: die Enteignung von Individuen ist schlecht, die Enteignung von Gemeinschaften ist gut.

Widerstand entsteht

Glücklicherweise funktioniert das alles nicht so, wie sich die Lobbys das wünschen. Es entstehen ständig neue Kooperationsformen und Gemeinschaften. Zwei sehr spannende darf ich herausgreifen:

http://fragenebenan.com
Das ist eine Internetplattform, auf der ich einen bestimmten Radius rund um meinen Wohnort angebe und dann von Menschen, die sich innerhalb dieses Radius befinden, Nachrichten bekomme, und zwar jeglicher Art. Manche suchen einen Katzensitter für das kommende Wochenende, andere haben einen Weidenkorb zu verschenken und wieder andere bieten Klavierstunden an, manchmal auch im Tausch gegen etwas anderes.
Hier bilden sich nicht-kommerzielle Netzwerke, die von den staatlichen Institutionen nicht erfasst werden können und das gefällt ihnen gar nicht. Hier wird getauscht, gehandelt, verschenkt und vor allem kommuniziert. Fragnebenan ist binnen kurzer Zeit enorm gewachsen und wenn man eine Anfrage ins Netz stellt, erhält man meist binnen weniger Minuten eine Antwort: Wer einen guten Zahnarzt sucht, hat quasi sofort eine Handvoll Vorschläge, mit Referenzen und Bewertungen, einfach so, ohne dass er/sie dafür etwas zahlen oder sich weiter anstrengen muss.

www.imgraetzl.at
Ebenfalls eine spannende Internetplattform, auf der man Initiativen für das eigene Grätzl setzen kann. Im Gegensatz zu fragnebenan sind hier die Gemeinschaftszentren quasi vordefiniert, wenngleich es keine engen Grenzen gibt.

Selbstverständlich sind diese Plattformen nicht perfekt, aber sie zeigen meiner Ansicht nach den Weg in eine neue Zeit, in der sich neue Gemeinschaften bilden. Diese Netzwerke werden sicher da und dort auch missbraucht werden und sie werden sich weiterentwickeln müssen, aber all das spricht nicht gegen die gute Idee. Ich bin auch gespannt, was die mächtigen Institutionen dagegen unternehmen werden, das wird ein interessanter Kampf, nicht nur auf der politischen Ebene. Und ich hoffe, dass nicht die Idioten gewinnen.

Kennen Sie Romans-sur-Isère?

Das macht nichts, denn die Trends gegen die Beschleunigung sind schwer zu erkennen, sie sind nicht so grellbunt und schreien nicht so laut. Aber es gibt sie und sie werden mehr. Sie entstehen aus dem Bedürfnis dem Wahnsinn zu entkommen, sich Inseln der Ruhe und Beschaulichkeit zu suchen, und zwar im Alltagsleben.
In dieser kleinen französischen Stadt gibt es jetzt eine Komplementärwährung. Sie heißt „Mesure“ und man kann damit nur in kleinen, innerstädtischen Geschäften bezahlen, nicht in den großen Shopping-Malls am Rande der Stadt.
Diese Währung wurde von einer Bürgerinitiative ins Leben gerufen und das ist wohl bei vielen Entwicklungen, die „von unten“ kommen, der Fall. Menschen mit einem Bedürfnis suchen sich Gleichgesinnte und versuchen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Sie bilden Gemeinschaft und suchen nach Lösungen für ihre Probleme.
Von „oben“ gibt es solche Trends nicht, die Gemeinde oder der Staat kämen nie auch nur auf den Gedanken so etwas einzurichten, zu erfinden, umzusetzen. Sie sind nie aktiv, sondern immer nur reaktiv.
Entwicklungen wie Komplementärwährungen sind den Gemeinden und dem Staat suspekt, weil sie an ihrer Zentralmacht rütteln. Machtsysteme investieren viel Geld und Energie in den Erhalt ihrer eigenen Macht.
In Romans-sur-Isère interessiert das die Bürgerinitiative nicht. Sie vergrößern ihr Netzwerk und haben Freude daran, ihre kleinen Strukturen selbst aufzubauen und zu pflegen.
Die lokale Währung funktioniert, weil sie an Kriterien gebunden ist: Man kauft damit nicht irgendwas irgendwo bei irgendwem, sondern in einem regionalen Verbund, einem so genannten „Lebensbecken“.
So lernt man lokale Strukturen wieder zu schätzen und denkt nicht mehr so intensiv an Großbanken, Shopping-Malls und Lebensmittelindustrie.
Durch die Lokalwährung wird die Wirtschaft re-lokalisiert und aktiviert. Ganz automatisch fördert das die guten Strukturen wie Qualität, Gemeinschaft und Sorgsamkeit. Man achtet plötzlich genauer darauf, wer etwas herstellt und wie es gemacht wird. Die Umgebung bekommt wieder einen Wert, der durch die Dis-Lokalität großer Strukturen zerstört wurde. Damit bekommen auch die Dinge wieder einen Wert.
In der Gemeinschaft bekommen auch die Menschen, die Bürger wieder einen Wert und eine Aufgabe. Sie müssen jetzt die Wirtschaft selbst steuern und sich überlegen, wie man das am besten macht.
Das Ergebnis ist fast ein Paradigmenwechsel: Die Wirtschaft dient jetzt wieder den Menschen und ihrer Versorgung mit notwendigen Gütern – und nicht umgekehrt. „Geht es der Wirtschaft gut, dann geht es den Menschen gut“ – dieser seltsame Werbespruch ruft in Romans-sur-Isère nur Kopfschütteln hervor: hier stehen die Menschen im Vordergrund und an erster Stelle, nicht die Wirtschaft als abstraktes Gebilde, das nur sich selbst und seine eigene Macht zu perpetuieren pflegt, genau genommen parasitär am Wohl der Menschen hängend.
Die Menschen machen dort die Wirtschaft und werden aktiv – ganz im Gegensatz zur passiven Rolle, die wir gemeinhin gewohnt sind, wo wir uns der Wirtschaft gegenüber als klein und machtlos empfinden, ihren Gesetzen scheinbar schutz- und machtlos ausgeliefert. Wir erschauern vor Ehrfurcht oder Angst, wenn wir hören, was „der Markt“ schon wieder will und dass die „Gesetze des Marktes“ über allem stehen.
Das ist „merde“, wie die Franzosen zu sagen pflegen.