Guido und Thomy am Ende der Welt – eine Reise in die Mondberge des Ruwenzori / Tag 10

Tag 10 – von der Bujuku-Hut zur Kitandara Hut

Auch an diesem Tag hatten wir große Verspätung beim Abmarsch. Thomy hatte durchblicken lassen, dass er gerne zwei Etappen an einem Tag machen würde, um schneller wieder unten im Tal zu sein. Da wir die bisherigen Tage nur 4-5 Stunden gegangen waren, rechnete er sich gute Chancen aus.

Doch Stephen kam nicht und nicht daher. Wollte er uns nur eine Etappe schaffen lassen, etwa weil er plus die anderen Leute nach Tagen bezahlt werden und ein Tag kürzer für ihn weniger Geld bedeutet? Wir fanden das nicht heraus. Er meinte, sein Frühstück hätte sich verzögert, weil sie zuwenig Kohle zum Kochen gehabt hätten.

Der Scott-Elliot-Pass hatte es in sich, war aber letztlich nicht wirklich schwer. Zuerst im Kessel noch ein Sumpf und dann ein steiler Aufstieg. Auf der anderen Seite ging es bergab und Thomy ging mit unserem Koch Ambrose ein Eiltempo, während ich in normalem Tempo weiter ging. So war er nach insgesamt drei Stunden bei der Hütte, während ich vier brauchte. Wir waren aber beide am frühen Nachmittag schon am Ziel und Thomy drängte darauf, noch eine Etappe zu machen. Ambrose und Stephen beratschlagten, aber Stephen meinte letztlich, das wäre nicht zu schaffen.
Wie wir am nächsten Tag erfuhren, wäre es tatsächlich zumindest sehr knapp geworden, wenn auch theoretisch machbar.

So gingen wir noch ein wenig an dem malerischen See spazieren, an dessen Ufer die Hütte liegt. Auf einer kleinen Anhöhe waren wir dann im Kongo, denn genau dort verläuft die Grenze. Die Kitandara-Hütte ist alt, aber genauso ausgestattet wie die anderen. Obwohl sie auf 4.000 m liegt, ist es es dort etwas wärmer als auf der Bujuku-Hut. Man schläft auch ganz gut, weil nach einem Abstieg die Luft etwas dicker ist.

Am Nachmittag kamen auch die Italiener, ziemlich kaputt und gezeichnet von einer harten Gipfelbesteigung. Sogar Paolo hatte es geschafft und alle vier krochen sie in ihre Schlafsäcke. Das Wetter oben war mies, aber ich bewundere ihre Leistung, Respekt!

Die Träger schlafen hier auf uralten zerrissenen Schaumgummimatten unter einem Felsvorsprung. Laut eigenen Angaben ist es wärmer als in der Blechhütte, die ihnen sonst noch zur Verfügung steht. Sie machen sich ein Feuer und versuchen so die Nacht über etwas Wärme zu ergattern. Sie haben meist keine warmen Jacken und keine Schlafsäcke, und es hat in der Nacht um die Null Grad oder auch darunter.

Als wir diesen Felsen besichtigten, stellte sich die Frage, warum die Träger so schlecht ausgerüstet sind. Die Antwort ist nicht allzu kompliziert: Es gibt insgesamt 1500 Träger, also ein deutliches Überangebot bei wenig Nachfrage, vor allem außerhalb der Hauptsaison. Daher kann das RMS die Preise bestimmen und die sind niedrig: 6 Dollar bekommt ein Träger pro Tag (manche meinen: 4). Er könnte sich vom RMS einen Schlafsack oder eine Jacke mieten, aber das schmälert den ohnehin nicht gerade üppigen Verdienst. Deswegen sind die Träger auch nur im Nebenerwerb tätig und sonst Bauern oder was auch immer. Die Jobs sind begehrt und so gibt es einen Wettbewerb darum.
Wieso die Träger lieber erbärmlich frieren? Das wenige Geld spielt dort eine noch wesentlich größere Rolle als wir gemeinhin annehmen. Die meisten Menschen leben ohne Ersparnisse, sie brauchen alles, was sie einnehmen, sofort auf. Sie können keine Rücklagen machen und müssen für Anschaffungen lange sparen.
Das Problem ist jetzt nicht nur das Frieren, sondern dadurch sind die Träger auch anfälliger für Höhenkrankheit, weil der Körper noch stärker unter Stress steht. Dazu kommt noch die schwere Last und die enorme Geschwindigkeit, die sie gehen. Daher sterben auch hin und wieder Träger, wenngleich es darüber keinerlei Zahlen gibt. Einer von 1.500, was macht das schon, könnte man sagen.

Wie eng das RMS kalkuliert kann ich nicht sagen, aber der durchschnittliche Tourist zahlt ca. 1000 Dollar für die 6-Tage-Tour. Wenn man 35 Dollar mal 5 Nächte nimmt, so sind das 175 Dollar Nationalpark-Eintrittsgebühr. Pro Tourist braucht man 3-4 Personen als Träger, Führer, Koch. Wenn jeder 8 Dollar am Tag im Schnitt bekommt, so sind das 48 x 3 – sagen wir 150 Dollar. Weitere 140 Dollar zahlt man für das Essen, ich schätze die Hälfte davon wird wirklich für die Einkäufe ausgegeben, sagen wir 75 Dollar. Dann sind wir in Summe bei 400 Dollar von 1.000. Das RMS muss dann noch die Hütten erhalten und die Wege sowie diverse Büros mit Angestellten.

Wenn man nun eine Sammlung macht und dem RMS einige Dutzend Schlafsäcke und Jacken zur Verfügung stellt, was wird passieren? Sie werden die Gaben dankend annehmen, sofern man sie durch den Zoll durch bekommt. Dann werden sie die Ausrüstung in ein Lager bringen und entweder verkaufen oder an Touristen vermieten. Ich kenne Ostfrika seit 28 Jahren und weiß, dass Hilfe nur funktioniert, wenn sie genau dorthin gebracht wird, wo sie gebraucht wird. Zu groß ist der Anreiz für den Missbrauch.

Daher werde ich folgendes machen: Mein Netzwerk ist groß genug um jede Menge von den Ausrüstungsgegenständen sammeln zu können, die dort gebraucht werden. Das sind:
Schlafsäcke
warme Jacken
Regenjacken, Windjacken bzw. Ponchos
Warme Pullover bzw. Sweater
Hauben
Handschuhe
Rucksäcke

Thomy hat natürlich auch mitbekommen, was dort los ist und wird mich – vielleicht sogar im Rahmen seiner Firma – unterstützen. Von der Post werde ich die Portokosten schnorren. Sie schreiben immer „Die Post bringt allen was“. Ich sage: Und was ist mit den Ugandesen?
Einen Geldgeber für die hoffentlich wirklich große Kiste werde ich auch noch auftreiben. Dann mache ich daraus eine gute PR-Aktion für die Hauptsponsoren. Ich werde auch versuchen, das Zollproblem zu lösen, das ist in Ostafrika immer ein Problem, da an den entsprechenden Stellen meist bereicherungsempfängliche Bürokraten sitzen.

Die Kiste schicke ich an Stephen, unseren Führer, und Ambrose, unseren Koch. Sie erscheinen mir vertrauenswürdig und werden die Verteilung organisieren, wobei wir da auf ein neues Problem stoßen: Wie erzeugen wir das notwendige Mindestmaß an Gerechtigkeit? Wenn dort eine Kiste ankommt mit Gratis-Equipment, gibt es Mord und Totschlag – schon als wir nur eine Handvoll T-Shirts verteilt haben, war das ein Problem. Aber auch dafür wird mir eine Lösung einfallen. Vielleicht lässt sich sogar ein Gratis-Verleihsystem organisieren, wo immer diejenigen Träger was bekommen, die es gerade brauchen.

Alle, die diesen Blog lesen, sind herzlich aufgefordert nachzuschauen, ob sie altes Zeug daheim haben, das sie nicht mehr brauchen und das in obige Liste passt. Es wird den Menschen am Ende der Welt viel Freude bereiten und sie warm halten, wenn sie es gerade dringend brauchen. Ab April 2012 sammle ich die Sachen ein und möchte noch im Frühjahr (also vor Beginn der dortigen Sommersaison, wenn die Touren wieder losgehen) die Aktion abschließen.

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