Guido und Thomy am Ende der Welt – eine Reise in die Mondberge des Ruwenzori / Tag 9

Tag 9: John-Matte-Hut bis Bujuku-Hut

Der dritte Tag beginnt wie der zweite, da ich wieder mitten in der Nacht aufwache und nicht mehr einschlafen kann. Hier ist es schon deutlich kühler, die Hütten haben nicht nur keine Heizung, sondern sie sind auch recht zugig gebaut, also auf Betonpfeilern und der Boden besteht aus einer Lage Holzbrettern, durch deren Fugen es durchpfeift. Der einzig warme Ort ist der Schlafsack, denn auch in der Hütte hat es in der Nacht nur wenige Plusgrade.

Wir befinden uns jetzt auf ca. 3.300 Metern und ich habe das Glück, dass mir diese Höhe nichts ausmacht und ich daher prinzipiell ganz gut schlafen kann. Die Höhenangaben der verschiedenen Orte im Ruwenzori schwanken übrigens beträchtlich, bis zu mehreren hundert Metern. Ich habe es noch nicht geschafft eine wirklich verlässliche Quelle (GPS-Messung) zu finden – andererseits ist es eigentlich egal. „Hoch oben“ reicht hier auch.

Zum Frühstück gibt es Fried Chicken und den obligaten Toast mit Honig. Und eine Erkenntnis: zu viel Tee macht deppat. Da wir keinen Kräutertee mit haben, sind wir nach einigen Bechern Schwarztee mit Teein vollgepumpt, was auch den kurzen Schlaf erklärt und sonst noch einige kleinere Beschwerden. Daher beschließen Thomy und ich den Tee wegzulassen und ab jetzt das zu trinken, was da ist: heißes Wasser. Geschmacklich ist das kein Aussereisser, aber wir befinden uns im Ruwenzori und da ist alles ein wenig anders.

Der Lower Big Bog, einer der gefürchteten Sümpfe, beginnt gleich nach der Hütte und ist komplett mit einem Steg versehen. Man muss höllisch aufpassen, denn die Bretter sind in einem Abstand aufgenagelt, dass man mit dem Fuß dazwischen passt. Wenn es wirklich nass ist, ermöglicht der Steg jedoch die mühelose Überwindung des Sumpfes.
Danach beginnt ein steiler Aufstieg, gefolgt vom Upper Big Bog. Dieser hat keinen Steg bzw. nur mehr Reste eines alten, aber die sonst üblichen Baumstämme und Bretter in Längsrichtung, über die man balancieren kann. Das berühmte „Grasbüschelhüpfen“ um dem tiefen Morast zu entkommen, konnten wir uns bis auf wenige Ausnahmen ersparen. Wir sanken nie tiefer als bis zum Knöchel ein und das ist ein Privileg, das man hier nur in der Trockenzeit hat.

Unsere italienischen Freunde hatten an diesem Tag einen wesentlich weiteren Weg, sie stiegen direkt zur Elena Hut auf 4.600 m auf, während wir nur bis zur Bujuku-Hütte gingen, die auf 3.900 m liegt. Aber auch diese Hütte ist eine gewisse Herausforderung, denn sie liegt in einem Talkessel, in dem sich die Kälte sammelt. So hatte es in der Hütte in der Nacht Minusgrade und wir waren froh, warme Schlafsäcke zu haben.
Vor allem Paolo, unser Wegbegleiter am Vortag hatte es schwer. Er war langsamer als die anderen und kam in den Schneeregen. Er erzählte uns am nächsten Tag, dass das eine sehr schwierige Angelegenheit war, erstens der lange Aufstieg, zweitens die Mischung aus Schneefall, Schneeregen, Regen und Graupelschauer und drittens hatte einer der Träger nur drei T-Shirts, die er übereinander trug, im Schneesturm, ohne Jacke und ohne Handschuhe. Zu diesem Problem werde ich später noch mehr berichten.
Am Vorabend hatten die Italiener noch den Geburtstag von Graziano gefeiert und wir konnten mit einer Runde Uganda Waragi beisteuern, sie bedankten sich mit erstklassigem Parmesan.

Wir waren froh „nur“ den Central Circuit Trail zu machen und nicht den Gipfel auf dem Mt. Stanley, den wir übrigens nie zu Gesicht bekamen, da er am Abend, an dem wir auf der Bujuku-Hütte waren, in dichten Wolken verborgen war.

Nach dem Upper Bigger Bog folgt ein weiterer Anstieg, es beginnt der Bereich der Riesensenezien, die dort ganze Wälder bilden. Das Tal, das man nun bis zum Talkessel und dem darin befindlichen See durchquert, erinnert mich ein wenig an das Teleki-Valley am Mt. Kenia und befindet sich auch auf ca. der gleichen Seehöhe. Ich bekomme eine Unterzuckerung und während wir eine kleine Essenspause machen, fängt es zu regnen an. Diesmal ordentlich und der erste Einsatz der Ponchos wird notwendig. Am Seeufer erfahren wir dann, wie es aussieht, wenn die Sümpfe wirklich nass sind. Man muss sich den Weg suchen, jeder Tritt will wohlüberlegt sein und oft muss man eine Route aufgeben und ein paar Meter weiter links oder rechts sein Glück suchen. Das ist anstrengend und kostet enorm viel Zeit. So erklären sich auch die Zeitangaben für die Tagesetappen, die wir jeweils ordentlich unterbieten konnten. Sie sind auf nasse Bedingungen ausgerichtet und dann kommt man nicht um 14 sondern erst um 17 Uhr auf die Hütte und ist entsprechend fertig. Wir brauchen auch für diese Etappe nur 4 Stunden und obwohl wir spät (um 09.50) weg kamen, sind wir doch um 13.50 auf der Hütte. Dann folgt wieder ein langer Nachmittag und ein noch längerer Abend, vor allem weil es draußen immer wieder regnet und saukalt ist. Das ist der Zeitpunkt, an dem Thomy ein kleines Motivationstief bekommt, denn wir haben erst Halbzeit und ihn begeistern die Berge weit weniger als mich. Ihm ist kalt, weil er einen Fleece-Sweater zu wenig mit hat und mein alter Kaputzensweater hilft zwar, ist aber nur eine Notlösung. Ich muss zugeben, ich habe das auch unterschätzt, obwohl ich die Bedingungen gut kenne. Es ist das stundenlange Herumsitzen, das auskühlt und auch eine kühle Stimmung erzeugt. Wir überlegen, ob wir noch auf einen angrenzenden Stuhlman-Pass hinaufsteigen sollten, einfach um die Zeit zu vertreiben und weil wir noch genügend Kraft haben, aber das miese Wetter lässt uns diese Gedanken schnell vergessen.

Hier zeigt es sich erst richtig, wie wichtig warme Kleidung und vor allem trockenes Equipment ist. Was hier nass ist, wird nicht wieder trocken. Glücklicherweise habe ich ein zweites Paar warme Schuhe mit, die ich auf der Hütte anziehen kann. Am nächsten Tag werden sie wieder verpackt und für die nächste Hütte auf die Reise geschickt. Besser in der Früh in kalte, nasse Schuhe schlüpfen, denn die sind nach ein paar hundert Metern wieder erträglich. Aber auf der Hütte braucht man ein Paar trockene Schuhe.

So geht der dritte Tag zu Ende. Und es sollte noch einiges folgen.

Für alle Bergsteiger, die den Ruwenzori machen wollen, hier ein paar Tipps, kurz zusammengefasst:

1.) Der wichtigste Tipp: Alle Kleidungsstücke einzeln in Plastiksäcke verpacken und dann in den Rucksack. Die warme Jacke und der Schlafsack haben dabei Priorität. Bitte nicht darauf verlassen, dass der moderne und teure Rucksack wirklich wasserdicht ist!

2.) Ein Buch für die langen Nachmittage mitnehmen. Bis zum Sonnenuntergang ist genügend Licht um zu lesen vorhanden.

3.) Teleskopstecken. Das RMS achtet zwar darauf und man kann sich welche ausborgen, aber man sollte sich eigene Stecken mitnehmen. Die besten sind die mit zwei Handgriffen untereinander, denn dann kann man auf Steilpassagen den Griff wechseln (Tipp der Italiener). Die größte Gefahr im Ruwenzori ist das Umknöcheln bzw. die entsprechenden Verletzungen. Bergrettung ist weit, es gibt zwar zwei Tragen und man zahlt für die Bergrettung einen gewissen Betrag automatisch mit, aber wie das in der Praxis aussieht, ist eine andere Frage.

4.) Ein paar wasserdichte Stiefel. Das ist schwierig, denn die meisten Herstellerangaben halten nicht, was sie versprechen. Das war z.B. bei meinen Haix-Schuhen so. Eine Alternative sind Gummistiefel. Etliche Bergsteiger berichteten uns, dass man damit gar nicht so schlecht gehen könne. Alle Führer und Träger gehen ausschließlich mit Gummlern. Ich selbst hatte Angst vor Blasenbildung, aber meine Variante war letztlich auch keine optimale. Geschwitzt habe ich in meinen tollen Goretex-Schuhen auch nicht weniger als in Gummistiefeln.

5.) Kopftaschenlampe. Heute haben die alle LED und halten mit einer Batteriegarnitur ewig. Die kosten bei uns ca. 5 Euro und sind auch tolle Geschenke für Führer oder Träger.

6.) Ein zusätzlicher alter Schlafsack oder eine alte Jacke als Geschenk. Dazu später noch mehr.

7.) Ein desinfizierendes Handgel (z.B. Ombia Med von Hofer/ALDI). Nicht nur für Hygienefanatiker. Ein paar Tropfen auf die Hände, verreiben, passt.

8.) Ein Waschlappen. Für die kleine Wäsche, man glaubt gar nicht, was ein Schaffel mit warmem Wasser alles bewirken kann, für Körper und Seele. Der Waschlappen ist dabei ausgesprochen hilfreich.

9.) Bei der Ankunft bzw. Abreise bei Otto und Monika einkehren. Ca. 2 km vor dem RMS auch auf der rechten Seite bergauf. Sehr sauber, nett, nicht teuer und es gibt eine tolle heiße Dusche.

10.) Pole Pole. Das gilt für alle hohen afrikanischen Berge und darf hier noch einmal gesagt werden. Zu schnell gehen ist keine gute Idee. Zeit lassen, der Berg verlangt das, manchmal lässt er die zu Schnellen nicht hinauf. Selbst unser Führer mit 20 Jahren Erfahrung war manchmal zu schnell. Das ist übrigens ein Tipp von Otto: brems den Führer ein, er passt sich dann deiner Geschwindigkeit an.

11.) Viel trinken. Darauf hat Stephen, unser Führer, sehr genau geachtet. Man vergisst es einfach und fühlt sich gar nicht durstig, aber eine Regel sagt: Wenn Du Durst hast, ist es zu spät. Gerade dort oben braucht der Körper viel Wasser. Wir hatten stets zwei Flaschen mit. Man kann sie regelmäßig an den Bächen und Flüssen auffüllen, das Wasser ist bedenkenlos trinkbar. Ganz oben, am vierten und fünften Tag haben wir heißes Wasser in Thermoskannen getrunken. (Kräutertee wäre die Alternative gewesen). Thermoskanne mitnehmen! Zu wenig Flüssigkeit kann die Höhenkrankheit verstärken.

12.) Ab dem dritten Tag Handschuhe in den Tagesrucksack. Es wird kalt und das Wetter ist komplett unberechenbar.

13.) Kopfbedeckung und zwar immer. Ich bevorzuge einen breitkrempigen Hut, weil der Ohren und Hals schützt. Ideal ist auch ein langärmeliges Hemd, bei dem man den Kragen aufstellen kann. Auf den Händen bekam ich trotz Dauerbewölkung einen Sonnenbrand, die Sonne ist auf 4.000 m direkt am Äquator kein Spaß und ein Sonnenstich bedeutet das Ende der Tour oder zumindest eine beträchtliche Erschwernis.

14.) Bescheidenheit. Man lernt sie ohnehin am Berg, sollte aber schon eine gewisse Portion davon mitbringen. Essen, Wärme, Hygiene, Platz – am Ende der Welt gilt es nichts zu beweisen und es ist auch nicht luxuriös. Wer lieber im klimatisierten 5-Sterne-Hotel einen Drink schlürft, sollte nicht in den Ruwenzori gehen. Sechs Tage keine Dusche – noch Fragen?

15.) Schwindelfreiheit und ein guter Gleichgewichtssinn. Viele Stellen sind ausgesetzt, wenngleich keine echte Kletterei (außer man geht auf die Gipfel, aber diese Leute brauchen meine Tipps wahrscheinlich eh nicht).

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