Guido und Thomy am Ende der Welt – eine Reise in die Mondberge des Ruwenzori / Tag 5

Tag 5: Chimpanzee Habituation Experience

05.20 Tagwache, da ist es stockfinster am Äquator, die Scheinwerfer unseres Toyotas durchschneiden die Nacht, als wir zur Station der UWA (Uganda Wildlife Authority) fahren, von wo es zu den Schimpansen geht.
Das Lunchpaket ist geschnürt, genügend Wasser und Foto- sowie Filmausrüstung sind dabei. Das Toastbrot mit Peanut-Butter musste ich jedoch schnellstens herschenken, nicht alles führe ich ohne Not meinem Magen zu. Passender waren da schon die Bananen.

Die Spannung steigt – werden wir wilde Schimpansen sehen? Laut Führer beträgt die Erfolgsquote 85%, aber was heißt das schon und wer hat die überhaupt festgelegt? Es gibt nur eine einzige Garantie: unsere 220 Dollar, die wir pro Person im voraus gezahlt haben, bekommen wir nicht wieder.

Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten hier im Kibale-Nationalpark: 1.) Chimp-Tracking, das bedeutet man sucht die Schimpansen und hat dann eine Stunde Zeit, sie zu beobachten. Wenn man sie findet.
2.) Die Habituation Experience: man findet die Schimpansen und kann sie einen Tag lang beobachten, auf den Spuren von Jane Goodall, genau das, wovon Thomy schon seit längerer Zeit träumt und wofür er top-motiviert ist. Also ziehen wir im Morgengrauen los, gemeinsam mit einem griechischen Profi-Fotografen und seiner Freundin plus einem Führer und zwei „Trackern“, die uns die Schimpansen aufspüren sollen.

Im Gegensatz zu den Gorillas, bei denen man immer weiß, wo sie gerade sind und es daher die Garantie gibt, dass man sie zu Gesicht bekommt, ist das mit Schimpansen anders. Sie bewegen sich schnell und selbst wenn sie sich ganz langsam bewegen, ist das immer noch doppelt so schnell wie wir. Das sollten wir an dem Tag noch zu spüren bekommen.

Aber unser Führer ist einer der besten und die Griechen, die das schon den dritten Tag machen, versichern uns, dass es die beiden Tage davor sensationell war, am zweiten Tag hatten sie die Schimpansen schon nach fünf Minuten gefunden.
Wir sind zuversichtlich und starten ins Gebüsch. Nach einiger Zeit entdeckt der Führer bereits Schlafnester und wir ahnen es – gleich ist es soweit, gleich haben wir sie.

Seit der Erfindung des Handys für Ugandesen sind diese nicht nur ganz narrisch auf Mobiltelefone, sondern verwenden diese auch für sehr sinnvolle Dinge, wie etwa die Koordination der Schimpansen-Suche. Ständig fliegen SMS hin und her und wir wissen: gleich haben wir sie! Komisch nur, dass sie so leise sind. Schreien und streiten die nicht die ganze Zeit? Das hört man angeblich meilenweit und kann unsere nächsten Verwandten daher leicht aufspüren.

Wie spürt man sie jedoch auf, wenn sie nicht schreien, ja wenn sie sich mucksmäuschenstill verhalten, so wie heute? Die sorgenvollen Gesichter der Tracker verraten uns: das wird doch nicht so leicht.

Nach zwei Stunden geben sie auf und wir verlassen dieses Stück Wald und marschieren zur Station zurück. Dort käme bald ein Jeep und brächte uns in einen anderen Teil des Waldes, wo wir angeblich mehr Chancen hätten. Immerhin haben wir schon eine Menge Urwald durchstreift und dabei unzählige Ladungen Spinnweben abbekommen. Genauer gesagt: Ich habe sie abbekommen, denn Thomy hielt sich schlauerweise immer zufällig hinter mir auf und der Führer vor mir war einen Kopf kleiner. Ja, das macht viel aus, spinnwebentechnisch.

Neuer Wald, neues Glück. Wir starten wieder zuversichtlich und ich hole mir die restlichen Spinnweben ins Gesicht, wahrscheinlich alle, die dieser Wald zu bieten hat. Wäre ich auf Spinnensuche, ich wäre der glücklichste Mensch auf Erden.

So aber bin ich das nicht, weil es wird Mittag und wir haben noch keine Schimpansen gesehen. Doch plötzlich kommt Unruhe auf, es wird hektisch und wir krachen durchs Unterholz, um in eine kleine, sumpfige Senke zu gelangen. Und tatsächlich, da ist einer! Er sitzt auf einem umgestürzten Baum, oder besser gesagt, er saß dort, denn er zog es vor, gleich wieder im Unterholz zu verschwinden.

Schimpansen sind fast schwarz und hervorragend getarnt, in diesem dichten Wald, in dem es vor Schimpansen angeblich nur so wimmelt und 85 von 100 Touristen ein Erfolgserlebnis haben. Derzeit waren wir 4 von den restlichen 15. Wir hasteten in die Richtung, in die der Schimpanse verschwunden war und tatsächlich erhaschten wir noch ein paar Blicke auf einige dieser interessanten Tiere, aber immer nur von weit weg, zu wenig für gute Fotos.

Dann waren sie ganz verschwunden, was für Schimpansen eine einfache Sache ist. Sie sind etwa halb so hoch wie wir Menschen und können sich elegant und flink durchs Unterholz bewegen, ganz im Gegensatz zu uns. Wir krachen taumelnd durch den Wald, ungelenk, laut und langsam. Und fluchend, wegen den Spinnweben.
Also Mittagspause und dann weiter. Am Nachmittag sollte es klappen, die Führer und Tracker diskutieren eifrig, wo die verflixten Schimpansen sein könnten und warum wir sie noch nicht gesehen hätten. Das Ergebnis: Wahrscheinlich waren die Männchen der Gruppe an diesem Tag auf Reviergrenzenkontrolle. In so einem Fall verhalten sich die zurück gebliebenen Weibchen und Jungen ganz ganz leise, um nicht von einer fremden Gruppe entdeckt und attackiert zu werden.

Leider bedeutet das auch, dass wir sie nicht finden. Sie können 10 Meter neben dir im Wald sein, eine ganze Horde, und du bekommst keinen einzigen davon zu Gesicht – wer nicht laut ist, wird nicht gefunden. Gut für die Chimps, schlecht für uns.

Stunden vergehen, wir rennen quer durch den Wald, Hügel hinauf, durch Bäche durch, Hügel hinunter, immer getrieben von neuen SMS und Anrufen der Tracker. Nach einiger Zeit habe ich das Gefühl, dass wir schon jeden verdammten Baum in diesem Wald gesehen hätten. Immer wieder der Blick hinauf, in die Kronen der Urwaldriesen – irgendwo müssen sie doch stecken!
Wir sehen Unmengen an wunderschönen Schmetterlingen und bleiben von Zeit zu Zeit an einer Dornenranke hängen, die den passenden Namen „Wait a minute“ trägt. Der Wald ist toll, ein perfektes Habitat für Schimpansen und ein echter Urwald, so wie es ihn bis vor einiger Zeit in ganz Uganda gab. Jetzt sind nur mehr einige kärgliche Reste vorhanden, die aufgrund ihres Status als Nationalpark noch nicht abgeholzt wurden und daher noch Schimpansen beherbergen. Also theoretisch zumindest. Und wir hatten Wetterglück, es war an diesem Tag trocken und sonnig. Perfekt zum Schimpansen-Beobachten.

Dann wird es Abend. Wir kehren langsam zur Straße zurück, auf der unser Jeep wartet. Dort finden wir eine ganze Horde Touristen, die tatsächlich Schimpansen gefunden haben, in einem hohen Baum gleich neben der Straße. Und wir sind an diesem Tag elf Stunden lang insgesamt 17 km durch den Wald gekoffert, schwitzend und mit ersten Blasen auf den Füßen. Und die hängen da in den Bäumen genau neben der Straße. Es ist zum Heulen, aber andererseits: jetzt haben wir sie, die gesuchten Kerle!
Also zücken auch wir unsere Kameras und filmen drauf los. Oben im Baum spielen zwei Junge und drei ältere Schimpansen suchen nach Früchten und Blättern. Dann wird es Zeit zu gehen, die Dämmerung ist nicht mehr fern. Aber unser Führer raunt uns zu noch ein wenig zu bleiben, obwohl wir schon etwas geschlaucht sind. Die Schimpansen am Baum sind hoch oben und schwierig zu filmen und runterkommen tun sie auch nicht.

Also ziehen die Touristen ab und wir bleiben allein zurück. Doch auf einmal, wie durch ein Wunder kommen sie aus dem Wald heraus – erst einer, dann noch einer, und sie haben es nicht eilig und trotten über die Straße zu den anderen. Und einer bleibt da, er hockt sich neben die Straße und lässt uns nahe heran. Wir filmen und knipsen was das Zeug hält. Es handelt sich um ein 25 Jahre altes Männchen, um eines der friedlichsten Geschöpfe unter den habituierten (also an Menschen gewöhnten) Schimpansen in diesem Wald. Und er posiert freiwillig und ganz ohne Scheu, mindestens 15 Minuten lang. Ich freue mich, als ich seinen Namen erfahre, er heißt „Herr Schwarz“ und ist ein sehr sympathischer Bursche, dieser entfernte Vetter von mir. Und es is ein magischer Moment, diesen Geschöpfen in die Augen zu schauen. Hat was!

Dann trollt auch er sich zu den anderen auf einen hohen Baum. Im Überschwang verwandtschaftlicher Gefühle versuche ich auch auf den Baum zu klettern, scheitere aber kläglich an meiner mangelhaften Technik. Bei den schwarzen Kerlen schaut das so spielerisch einfach aus!

Es wird Zeit sich zu verabschieden. Ich wünsche all diesen freundlichen Wesen, dass sie ihren Urwald noch lange haben und sich nicht zu sehr von ihnen nachkletternden Touristen beeindrucken lassen. Leider stehen die Chancen denkbar schlecht, denn die ständig wachsende Bevölkerung übt enormen Druck auf die letzten noch verbliebenen Wälder aus. Man will das Holz, man will das Land, eine Bananenplantage oder eine Teepflanzung bringt Profit, ein Wald nicht, vor allem, weil die Bevölkerung trotz diesbezüglicher Pläne und Verordnungen nicht an den Einnahmen der Parks beteiligt wird. Korrupte Verwaltungsbeamte stecken das Geld lieber in die eigene Tasche und wenn die Schimpansen dann in die Felder der Bauern eindringen, werden sie erschossen, vergiftet oder verenden in Drahtschlingen.

Für uns war es noch schön. Die 220 Dollar haben sich letztendlich ausgezahlt, der Dank gilt auch unserem Führer, der den richtigen Riecher hatte und mit uns noch genau die richtige Zeit geblieben ist. Und Spinnweben sind angeblich gesund.

Ein Gedanke zu „Guido und Thomy am Ende der Welt – eine Reise in die Mondberge des Ruwenzori / Tag 5

  • 22. März 2012 um 22:10 Uhr
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    Merke: bei Waldwanderungen immer hinter Guido gehn – das schützt vor Spinnweben ;-)

    Ansonsten: tolles Erlebnis – toll beschrieben!
    Danke!

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