Mein Dutzend Gründe für politisches Engagement: 10 – Moderne Sklaven

Politik ist die Kunst der Gesellschaft. Menschen leben nur dann friedlich in Gemeinschaften, wenn ihre unterschiedlichen Interessen ausbalanciert werden. Diese Vermittlungstätigkeit nennt man meinem Verständnis nach „Politik“. Sie regelt das Zusammenleben der Menschen.
Ich habe ein Dutzend Gründe gefunden um mich politisch zu engagieren. Heute ist der zehnte Grund an der Reihe, es geht diesmal um die Sklavenarbeit für die Rohstoffgewinnung.

Wieder einmal ist eine Arte-Doku Auslöser für meine Überlegungen. „Sklavenarbeit“ heißt der Film von Tillman Achtnich und beschreibt den Weg der Rohstoffe, die wir in unseren elektronischen Geräten haben. Ich übrigens auch.
Geschätzt 100 Millionen Menschen arbeiten weltweit in kleinen Minen, die meisten davon unter sehr schlechten Bedingungen. Sie sind als Tagelöhner beschäftigt, haben keinerlei soziale Absicherung und verdienen so wenig, dass sie gerade mal überleben können. Sie schuften dazu noch unter extrem gefährlichen Bedingungen, weil bei all diesen Minen am Thema Sicherheit gespart wird. Außerdem ist die Arbeit fast zur Gänze manuell und ohne Maschinen zu erledigen.

Okay, das ist jetzt nichts Neues und wenn man voller Vorfreude zwischen Android und iPhone gustiert, dann möchte man nicht wissen, woher die darin verbauten Rohstoffe kommen.
Und genau da gilt es anzusetzen. Wieso ist die Ausbeutung der Menschen in diesem Bereich weniger schlimm als in der Landwirtschaft? Sie arbeiten unter gleich schlechten oder noch schlechteren Bedingungen.

Ich wage mich an die Ursachen, die natürlich schwer beweisbar sind, aber die Indizien sprechen dafür:
1.) Die elektronischen Geräte wecken Begehrlichkeit. Sie sind schön, man kann sie verwenden und sie schaffen gesellschaftlichen Status. Wer das neueste Handy hat ist der tollste Hecht im Teich, das gilt vor allem bei den jeweiligen Zielgruppen.
2.) Die Sklaven sind weit weg, im Falle von Bolivien fast am anderen Ende der Welt. Man kennt sie nicht und wer sich nicht spätabends die Doku ansieht, erfährt auch nichts von ihnen.
3.) Es ist nichts zu essen, daher geht es uns körperlich nicht so „nahe“ wie Lebensmittel. Die Gifte oder Problemstoffe, die in elektronischen Geräten enthalten sind, gelangen nicht offensichtlich in mich hinein. Daher ist mir die Herstellung auch nicht so wichtig.
4.) Vielfach handelt es sich um Gebrauchsgegenstände, die wie selbstverständlich zu unserem Leben gehören. Niemand möchte auf seine Waschmaschine verzichten. Man achtet eventuell noch auf den Stromverbrauch oder – selten – auf die Haltbarkeit, eher schon auf das Design und die Marke, mit der man am Stammtisch punkten kann. Niemand interessiert sich für das Zehntelgramm Gold, das drinnen auf einer unsichtbaren Platine verbaut ist.

Der interessanteste Aspekt ist für mich die Verbindung vom Käufer zum Sklaven. Was steckt da dazwischen?
Die Antwort ist auch hier eigentlich gar nicht so schwer: der Markt bestimmt die Regeln. Ob ein Hersteller elektronischer Geräte das Wolfram aus einer modernen Industriemine in den USA bezieht oder aus der Kooperative in Bolsa Negra, Bolivien, ist ausschließlich eine Frage des Preises. Da den Kunden die Herstellungsbedingungen egal sind und der Hersteller ein ausschließlich profitgetriebenes Unternehmen ist, fallen die Entscheidungen nicht schwer. Die Konkurrenzsituation sowie die Gier der KonsumentInnen nach billigeren Geräten ist der Motor für die immer weiter drehende Spirale: Wer auf die sozialen Bedingungen achtet, kauft teurer, produziert teurer und hat somit einen höheren Preis. Das macht man maximal ein Mal, wenn man es überhaupt überlebt.
Die Arbeiter und Arbeiterinnen sind übrigens echte Lohnsklaven, Menschenmaterial, das man nach Gebrauch entsorgt. Sie halten die Arbeit nur aus indem sie Koka-Blätter kauen und Schnaps trinken. Sie werden oft und schnell krank oder sterben bei bzw. durch die Arbeit. Es gibt keine Krankenhäuser, keine warme Kleidung, keine Pension und keine Arbeitslose. Es gibt nur die tägliche Arbeit bis es nicht mehr geht. Daher versuchen diese Menschen so viel zu arbeiten, dass zumindest ihre Kinder diesem Schicksal entrinnen.
Und wir freuen uns, dass es das neue iPhone jetzt im Sonderangebot gibt. Und ja, die direkte Verbindung zu den leidenden und als Sklaven schuftenden Menschen ist gegeben, auch wenn uns das nicht gefällt.

Ein zweiter Antreiber ist die Suche nach Kostenminimierung: Wo bekomme ich etwas, das ich für meine Geschäfte brauche, billig oder gratis? Ein Großteil der Wirtschaft lebt von der Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Das ist auch im Bergbau nicht anders. Meistens gehören diese Ressourcen eigentlich allen, aber einige wenige bekommen (wie auch immer und woher auch immer) das Recht sie auszubeuten, abzubauen oder zu ernten. Eigentlich würden die Gewinne auch allen gehören, aber die wenigen Menschen, die davon reich werden, verwenden diesen Reichtum, um dafür zu sorgen, dass die Allgemeinheit nichts davon bekommt.
In Süd-Kivu hat etwa die Kanadische Bergbaugesellschaft die Schürfrechte und streift somit alle Gewinne ein. Süd-Kivu liegt aber nicht in der Provinz Alberta und auch nicht in der Nähe von Ottawa, sondern im Kongo. Wem bringt es etwas, dass die Rohstoffe somit nicht den Kongolesen, sondern einer kanadischen Firma gehören? Die Antwort ist einfach: einigen korrupten Politikern sowie den Eigentümern der kanadischen Firma. Das war es auch schon, denn die Bevölkerung im Kongo profitiert nicht davon. Hier zählt auch nicht das Argument, dass die Kanadier Arbeitsplätze schaffen würden, denn die gäbe es ohne die Kanadier auch, da diese hier nichts investieren, sondern nur ausbeuten und abkassieren.

Warum wehren sich die Leute nicht, vertreiben die Kanadier samt Politikern und bauen selbst einen florierenden und sicheren Bergbau auf? Die Antwort besteht aus mehreren Faktoren, die zusammen kommen:
1.) Es fehlt den Menschen an Bildung um sich professionell zu organisieren.
2.) Sie sind in einer Schuldenspriale und können nicht einfach aufhören, weil sie sonst von korrupten Polizisten oder Militärs verprügelt oder umgebracht werden. Somit fehlt es ihnen auch an Geld um sich zu wehren. Wer nicht genug zu Essen hat, ist auch zu schwach um sich zu wehren.
3.) Es gibt in all diesen Ländern keine Demokratie und wenn, dann ist sie nicht echt. Die Menschen haben entweder kein Wahlrecht oder keine Wahl.

Das ist diesmal meine politische Forderung: Was allen gehört, soll auch allen was bringen. Wer Ressourcen abbaut oder erntet, hat ein Recht auf ordentliche Entlohnung.

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