Mein Dutzend Gründe für politisches Engagement: 8 – noch einmal Essen

Politik ist die Kunst der Gesellschaft. Menschen leben nur dann friedlich in Gemeinschaften, wenn ihre unterschiedlichen Interessen ausbalanciert werden. Diese Vermittlungstätigkeit nennt man meinem Verständnis nach „Politik“. Sie regelt das Zusammenleben der Menschen.
Ich habe ein Dutzend Gründe gefunden um mich politisch zu engagieren. Heute ist der achte Grund an der Reihe, es geht noch einmal um´s Essen.

58 Millionen Schweine werden jedes Jahr in Deutschland
Davon landet ca. ein Drittel auf dem Müll (Quelle: 3sat-Doku „Schweine für den Müllcontainer“, von Edgar Verheyen). Ich habe inzwischen verstanden, warum das so ist. Und ich bin damit nicht einverstanden.

Jeden Tag Fleisch am Tisch plus ein niedriges Einkommen – diese Kombination ist für die unfassbaren Schweinezuchtbedingungen verantwortlich. Ich weiß nicht genau, warum es sich in unserer Gesellschaft durchgesetzt hat, dass Menschen darauf bestehen jeden Tag Fleisch essen zu können, auch wenn sie es sich nicht leisten können. Aber vielleicht liegt hier ja die Ursache: Weil Fleisch Jahrhunderte lang Luxus war, den man maximal einmal pro Woche, meist aber noch seltener am Tisch hatte. Und jetzt kann man sich auch mit wenig Geld diesen Luxus leisten. Das riecht nach gesellschaftlichem Aufstieg und der ist in einer hierarchisch strukturierten Gesellschaft immer noch Motivator Nr. 1.

Daher muss das Fleisch billig erzeugt werden. Das führt dazu, dass die Schweinemäster als einziges Kriterium den Preis kennen. „Es geht ausschließlich darum, wie viele Schweine kann ich auf einem Quadratmeter erzeugen“, so ein Fachmann aus Deutschland. Der Quadratmeter muss billig sein, also möglichst maschinell und mit wenig Personalkosten.
Es geht darum die Kosten zu senken und den Profit zu erhöhen. Je billiger das Futter, desto höher der Profit. Je enger die Schweine zusammenstehen oder -liegen, desto höher der Profit. Je weniger Ausfälle, desto höher der Profit. Daher müssen entsprechend viele und starke Pharmazeutika und Chemikalien zum Einsatz kommen.

Das Endprodukt muss weder schadstofffrei sein noch gut schmecken. Der Geschmack wurde den KonsumentInnen inzwischen abtrainiert.

Ist das alles legal? Dürfen die Schweine auf Betonspaltboden in ihrem eigenen Dreck stehen, ohne Möglichkeit sich zu bewegen? Da sie sensible und reinliche Tiere sind, leben sie in offensichtlicher Qual. Wenn man ein solches Schwein auf eine Wiese lässt, fängt es sofort mit seinem natürlichen Verhalten an. Das zeigt, dass sich die Tiere an ihr Dasein in der Massentierhaltung nicht gewöhnen können. Sie haben also die Hölle von der Geburt bis zum Tod.

Ist das alles legal? Nur fünf Prozent aller Betriebe werden in Deutschland kontrolliert. Die Strafen, wenn man bei besonders übler Haltung erwischt wird, sind minimal. Es wird also vom System nicht nur akzeptiert, sondern sogar gefördert, denn ein Gesetz ist nur dann gültig, wenn es überwacht wird. Ansonsten gilt einzig und allein das Gesetz, das immer überwacht wird: das der Profitmaximierung. Hier ist der „freie Markt“ die Kontrollinstanz. Ihr gegenüber steht die Gesetzesinstanz. Wenn nun zweitere versagt, etwa weil sie durch politisches Lobbying seitens der Schweineindustrie kein Geld für Kontrollen hat, gilt nur mehr das Gesetz des Marktes, und der kennt keine Qualitätskriterien, wenn nicht der Konsument sie selbst hat.

Wer in den Supermarkt geht, sieht die Menschen auschließlich auf den Preis schauen. Ganz abgesehen davon, dass man die Qualität von Schweinefleisch in der heutigen Verpackungsform nicht erkennen kann, ist sie den meisten Menschen komplett egal. Das ist zumindest meine Erfahrung. Bier bitte ohne Biergeschmack, Fisch darf nicht nach Fisch riechen und schon gar nicht danach schmecken (daher Pangasius), Chili bitte mild, also ohne Chili – da wundert es mich nicht, dass auch beim Schweinefleisch der Geschmack vollkommen egal ist.

Es geht auch anders. Schweine können artgerecht gehalten werden. Dann ist aus meiner Sicht gegen Fleischkonsum nichts einzuwenden, denn wir alle würden – wieder – zu Großteilsvegetariern, denn ordentlich gehaltene Schweine leistet man sich dann eben nur als Sonntagsbraten. Der würde dann auch wieder ganz anders schmecken.

Was ich bis jetzt nicht herausfinden konnte: Was kostet solch ein Schweinefleisch tatsächlich und wie kann ich es erkennen? Ich kenne leider keinen Bauern, der seine Schweine artgerecht hält und von dem ich das kostbare und köstliche Fleisch bekommen könnte. Das liegt auch daran, dass Bauern heute mit speziellen Verordnungen daran gehindert werden selbst zu schlachten. Die Industrie hat mit eigenen Gesetzen dafür gesorgt, dass es kleine Bauern schwer haben oder es für sie sogar unmöglich ist, selbst Schweine in hoher Qualität zu züchten.
Das Problem wird noch dadurch verschärft, dass es keine glaubhaften Gütesiegel gibt. „Bio“ kann jeder drauf schreiben. Selbst wenn er nicht bio macht, bei fehlenden Kontrollen und geringen Strafen ist das Risiko vernachlässigbar.

Dazu ein paar Fakten: In Deutschland (und in Ö wird das nicht viel anders sein) gibt es seit 2006 eine Überproduktion (derzeit etwa 115%). Dadurch sank der Preis, die Futtermittel wurden aber teurer. Das zwingt in die Rationalisierung, um bei schlechteren Verkaufspreisen den gleichen oder überhaupt einen Profit machen zu können. Das bedeutet:
– noch mehr Schweine auf weniger Platz
– schlechtere Bedingungen weil keine Investitionen
– sinkende Qualität
– Drang zu expandieren

44 % der Viehzüchter mussten in den letzten zehn Jahren zusperren, denn eine Schweinemast dauert ca. 120 Tage und bringt dem Bauern pro Schwein zwischen 5 und 10 Euro Gewinn. Wer kann sich da einen neuen Stall bauen oder teures und besseres Futtermittel kaufen?
Übrigens kann ein Schweinemäster auch sonst von 5 bis 10 Euro nicht leben. Das geht nur mittels Förderungen, Subventionen und Ausgleichszahlungen. Diese zahlen wir KonsumentInnen über den Umweg der Steuern.
Das bringt die perverse Situation, dass wir ständig mehr zahlen um immer schlechtere Qualität zu bekommen. Gut, dafür sinken wenigstens die Fleischpreise.
Und die Bauern und Viehzüchter werden von diesen Zahlungen abhängig und damit Spielball der Interessen starker Industrielobbys.

Was passiert mit dem Überangebot? Erstens gibt es großzügige Exportförderungen und zweitens wird es entsorgt. Das passiert normalerweise nicht beim Schweinezüchter, sondern
1.) im Handel
2.) in Kantinen und Restaurants, besonders durch Buffets
3.) in privaten Haushalten

In letzter Zeit werden auch mehr Schweine direkt beim Züchter entsorgt, weil die schlechten Bedingungen zu erhöhten Ausfällen führen. In Deutschland werden jedes Jahr 20 Millionen Schweine gezüchtet, die nicht gegessen werden.
Wir zahlen also dafür, dass industrielle Schweinezüchter Produkte erzeugen, die wir zu einem Drittel wegwerfen.

Was wäre die Lösung des Problems?
Eine Idee besteht darin, die Art der Schweinezucht zu kennzeichnen. Dann könnten die KonsumentInnen sich beim Kauf entscheiden, was derzeit nicht möglich ist. Davor hat die Industrie Angst, denn sie weiß nicht, wie sich das auswirken würde. Und da die Industrie der Politik sagt, was Sache ist, wird es so eine Kennzeichnung nicht geben.

Ich bin daher für eine Aufhebung der Agrarsubventionen und somit für einen freien, transparenten Markt, in dem die KonsumentInnen das Recht haben Informationen über die von ihnen gekauften Produkte zu bekommen.

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