Zur Demokratie

Zwei Volksbegehren sind gescheitert – ein guter Anlass um über Demokratie nachzudenken.

Sind wir müde, lasch und in Folge undemokratisch? Überlassen wir die Macht und die Regierung den falschen Leuten? Diese und ähnliche Fragen gibt es zuhauf. Ich kann sie nicht alle beantworten, sondern möchte eher Eindrücke niederschreiben.

Auch ich bin da nicht gerne hingegangen. Für das Demokratiebegehren konnte ich gar nicht unterschreiben, weil da habe ich irgendwann vor einem Jahr schon irgendwo eine Petition oder etwas ähnliches unterschrieben und das gilt bzw. galt für das jetzige Begehren.
Genau hier liegt das Problem. Ich bin jemand, der noch relativ viel engagiert ist und auch ich wusste letztlich nicht mehr was ich wann und wogegen ich wann und wie unterschreiben habe.
Gehen wir das Punkt für Punkt durch:

1.) Es herrscht Themenvielfalt und das irritiert.
Es gibt Begehren gegen die Kirchenprivilegien und für die Bienen. Es gibt Aufrufe die armen Hunde in der Ukraine zu retten. Oder sind es die armen Katzen in Tschetschenien? Und gegen Monsanto, stimmt, das ist gerade aktuell. Oder ist das identisch mit dem gegen die Bienen? Nein, das war für die Bienen und gegen… gegen wen eigentlich?
Ich kenne mich nicht mehr aus und kann das nicht unterscheiden. Was ist ernst gemeint und was ist ein lebender Hoax, wie im Internet? Welches süße Hündchen wird wirklich umgebracht und welches Arme Kind ist tatsächlich verschwunden?
Und ich kann und will mir die Infos nicht mehr holen. Ich brauche zwei bis drei Tage um nur die Texte der Begehren zu lesen, die ich gerade unterschreiben soll. Das sind sie mir nicht wert. Daher unterschreibe ich nur mehr, wenn mich jemand persönlich dazu auffordert, dem ich vertraue, dass das Begehren in meinem Sinne ist, auch ohne dass ich es genau gelesen habe.
Die Begehren sind somit nur erfolgreich, wenn sie in genügend großen Netzwerken mit Nachhaltigkeit und Engagement betrieben werden. Dazu gehört auch positive mediale Berichterstattung.

2.) Es ist quantitativ zu viel.
Erstens ist es in Summe einfach zu viel. Genauso wie es derzeit und schon seit einigen Jahren zu viele Veranstaltungen gibt, zu denen ich abends hingehen sollte. Und eigentlich oft gar nicht mehr will. Vernissagen, politische Veranstaltungen jeglicher Art, Parties, Kinobesuche, Eislaufen im Winter und Rad-Demos im Sommer. Und die Freunde treffen. Und die Stammtische. Am Mittwoch etwa ist unser alter Stammtisch der Greifensteinrunde. Und genau da ist auch die Laufrunde der Grünen Währing angesetzt.
Ich kann mich nicht vierteilen und ich will es auch nicht. Also wähle ich aus und hoffe, dass ich nicht vergesse den anderen abzusagen. Selbst Gratis-Buffets locken mich nicht mehr, weil die bekomme ich überall. Einen Abend ausschnaufen, einfach nichts tun? Das spielt es nur sehr selten.
Ich habe das Gefühl, dass nicht mehr ich als Person begehrt bin, sondern ich als Füllperson, damit die vielen Veranstaltungen nicht aussehen als ob sich keiner dafür interessieren würde.
In der Politik bin ich nicht Füllperson sondern Stimmvieh. Gibt es genügend UnterschreiberInnen für ein Begehren? Soll man noch schnell auf der Straße jemand abfangen um eine Unterschrift zu bekommen? „Bitte, bitte, uns fehlt noch irgendwer. Wer Sie sind ist uns egal, Hauptsache Sie unterschreiben!“
Was ist das für ein Begehren, das nur auf Quantität geht? Schon Sokrates hat in seiner Abschiedsrede der Nachwelt den Tipp gegeben die Suche nach der Wahrheit nicht durch die Suche nach der Mehrheit zu ersetzen.
Die Menge schwächt die Kraft jeder einzelnen Initiative. Das ist wie mit dem Geld und der Inflation.

3.) Ich bin satt.
Wofür oder wogegen unterschreibe ich wirklich? Ein paar Promis werden zu einem Fotoshooting geholt und – wie eigentlich? – überredet oder überzeugt ihr Gesicht für oder gegen etwas zur Verfügung zu stellen. Ein Volksbegehren braucht scheinbar ein Marketing, damit es funktioniert. Wie schwach muss ein Anliegen sein, wenn es beworben werden muss? Kein Wunder, dass niemand hingeht. Wir sehen täglich Unmengen an Werbung und wollen nichts mehr kaufen. Die Volksbegehren sind zusätzlicher Konsum und ich bin satt.
Hier darf ich auch die Theorie der „Verhausschweinung des Menschen“ meines Vaters nicht unerwähnt lassen:
Er war seinerzeit bei einem Bekannten südlich von Nairobi auf dessen brandneuer Farm zu Gast. Diese Gegend grenzt an den Nairobi-Nationalpark und hat somit quasi direkten Kontakt zur Wildnis (das ist heute auch in Kenia nur mehr eher selten der Fall). Seine tolle Geschäftsidee: Er brachte schöne fette rosa Hausschweine aus Europa mit nach Afrika. Wie sich herausstellte, war die Geschäftsidee doch nicht ganz so toll, weil in einer der ersten Nächte kamen Löwen in die Nähe der Farm und rochen die fetten, auch für Löwen wohlschmeckenden Schweine. Und die Schweine rochen die Löwen. Dann brüllten die Löwen und die Hälfte der Schweine fiel tot um. Vor Schreck an Herzinfarkt gestorben.

Kurz danach machte mein Vater eine Safari ins Wildreservat Masai Mara und beobachtete bei einem „Game Drive“ eine Familie Warzenschweine, die von einem Rudel Löwinnen ins Visier genommen wurden. Die Löwinnen kreisten die Schweine ein, mussten aber eine Öffnung frei lassen, weil von dort der Wind kam. Dann stürzten sie auf die Schweine los. Die Bache hielt kurz inne und rannte dann mitsamt ihren Ferkeln blitzschnell durch die Lücke. Die Löwinnen gingen leer aus.

Hausschweine halten nichts aus, zumindest im Vergleich mit Warzenschweinen, die sich in der Wildnis behaupten müssen. So ähnlich ergeht es uns Menschen, die wir in den „reichen Industriestaaten“ leben, die eigentlich schon keine mehr sind, denn die Industrie ist längst nach Asien abgewandert. Wir sind auch fett geworden und diskutieren, ob Android oder iOS das bessere Betriebssystem für unsere Smartphones ist und ob der neue Audi Q3 besser ist als der Q5. Oder vielleicht doch der X3 von BMW?

Wir haben unsere Ruhigsteller (American Pizza, Flatscreen, Handy, Auto, Bierchen) und sie funktionieren hervorragend. Die Schwelle schwappt auf einer Fettwelle immer höher, auch geistiges Fett ist dabei. Warum soll ich zum Gemeindeamt rennen, was habe ich davon? Ich greife statt dessen zum Handy und rülpse „noch eine Big Pizza mit doppeltem Käse“ hinein. Das ist einfacher und den Effett spüre ich sofort.

4.) Kein klares Ziel
Was ist das Ziel des Volksbegehrens und wie wird es sich auswirken? Wir sehen die Zusammenhänge nicht mehr, denn wir sehen statt dessen die Folge 238 von „Julia im Tal der wilden Pferde mit weißen Rosen“ (oder weiße Pferde mit wilden Rosen, das ist egal). Dass der Meeresspiegel in Bangladesh ansteigt interessiert uns nicht, denn wir leben nicht am Meer.
Auch hier bietet sich ein archaischer Vergleich an: Unsere Vorfahren vor 30.000 Jahren wussten, dass sie den Winter nicht überleben, wenn sie im Herbst nicht genügend Vorräte sammeln und jagen. Wir haben vor der Türe das Auto und können jederzeit in den nächsten Supermarkt fahren. Dort bekommen wir rund ums Jahr alles und davon jede Menge, ununterscheidbar nach Jahreszeiten oder Konjunktur. Nicht nur Big Pizza ist immer reichlich vorhanden.

5.) Was wird es bewegen?
Wird es überhaupt etwas bewegen und wenn ja, dann was? Viele Menschen meinen derzeit, dass es sowieso nichts bringt, denn die bisherigen Volksbegehren haben auch nichts gebracht. 2,5 Mio. Menschen haben gegen das Konferenzzentrum unterschrieben und es wurde trotzdem gebaut. Das gilt für fast alle, vielleicht sogar für alle Volksbegehren. Wenn es mehr als 100.000 Unterschriften hat, muss sich das Parlament damit beschäftigen. Und? Wenn der Rechnungshof ein Unternehmen heftig und scharf kritisiert, was ändert sich dann dort? Wir haben gelernt: nichts. Gar nichts. Das Parlament will sich damit nicht beschäftigen und daher tut es das auch nicht. Es gibt dann eine Alibi-Diskussion und als einigermaßen gelernter Österreicher weiß ich, dass die Beschlüsse woanders gefasst werden und sicher nicht im Parlament.
Ich bin es leid meine Zeit zu verschwenden.
Und ich mag auch die Frage nicht, ob sich das klassische Volksbegehren links oder rechts außen selbst überholt hat und wir statt dessen „online voten“ wollen. Soll das Engagement so leicht sein wie die Bestellung der oben genannten Pizza? Reicht ein Rülpser ins Handy? Wahrscheinlich finden demnächst honorige Wissenschafter heraus, dass jeder Mensch eine eindeutig individuelle Rülpssignatur hat, viel genauer als ein Fingerabdruck. Dann bekommst Du bei der Identifikation am Flughafen keine Tinte auf die Finger sondern eine Cola.
Das Ergebnis ist dann so verbindlich und eindeutig wie eine telefonische Meinungsumfrage oder wie ein „Gefällt mir“ auf Facebook. Die fixen Zusagen zu unseren Veranstaltungen brechen wir heute schon medienspezifisch herunter. Facebook-Zusagen gelten zu 50%, Tendenz fallend.

Vielleicht muss es uns erst weh tun. Und der Stachel wird dick und lang sein müssen, um unsere geistigen und körperlichen Schichten durchdringen zu können. Am schwierigsten wird die letzte, sehr harte Schichte sein: die der Gewohnheit.

Clean Tech – ein Zukunftsmodell?

In einer spannenden Folge des Zukunftsmagazins über:morgen ging es um „Clean Tech“ als Modell der Zukunft. Auf den ersten Blick sah das etwas abgedroschen aus. Saubere Technologie ist ja gut und schön, aber ersten teuer und zweitens ein Luxus-Nebenprodukt, das nicht massenmarkttauglich ist.

Die Erläuterungen waren jedoch spannend, weil sie bis auf die soziologische Ebene reichten. Es geht etwa darum, dass das Wohl der Gemeinschaft höher als das Wohl des Einzelnen anzusiedeln ist, damit die Menschheit in Zukunft existieren kann.
Das deckt sich mit meinen bisherigen Erkenntnissen, dass der Wohlstand einiger weniger Menschen nicht den Wohlstand aller garantiert. Reiche sind nicht sozial, sondern geben maximal Überschüsse ab, die wie Reste von einem übervollen Tisch zu den Armen hinunterfallen. Manchmal fällt mehr runter, dann wieder weniger, ganz nach Belieben derjenigen, die sich oben vollfressen.
Die Menschen unten wollen paradoxerweise nicht, dass die oben runterkommen, sondern sie wollen selbst hinauf. Die „five minutes of fame“ sind ein gutes Beispiel dafür. Die meisten Menschen wollen einmal im Licht stehen, sich nach oben abheben von Ihresgleichen, etwas Besonderes sein. Deswegen himmeln sie den Adel an und beten Gott an.
Immer dann wenn viele nach oben kommen, führt das zum Kollaps, weil oben nur Platz für ganz wenige ist – zumindest wenn man die Welt stark nach oben und unten streckt, sie sozusagen nicht breiter sondern höher macht. Das passiert, wenn eine Gesellschaft sich dehnt und auseinanderklafft wie die sich öffnende Schere. Ein „hoch oben“ (Menschen, die Abermilliarden an Geld zur freien Verfügung haben) gibt es nur, wenn es auch ein „ganz unten“ (Menschen, die ums Überleben kämpfen, hungern, frieren etc.) gibt. Ein „hoch oben für alle“ ist nicht denkbar, zumindest nicht mit den Ressourcen einer Erde.

Jetzt kommen die Chinesen ins Spiel. Seit Jahren haben wir Angst vor ihnen: Es gibt weit über eine Milliarde und wenn die dort so eine Dichte an privaten PKW haben wie wir, so vermuten selbst hartgesottene Verweigerer jeglicher Umweltproblematik dass es doch Probleme geben könnte – selbstverständlich global, allein schon wegen des Klimas.

Daher – und das ist eines der interessanten Ergebnisse der ORF-Sendung – werden die Chinesen die Clean Tech in die Welt tragen müssen. Europa oder die USA werden hier keine große Rolle spielen. Auch das zentral organisierte Staatsmodell Chinas lässt dies zu, da es geballte Kräfte mobilisieren kann und somit die Möglichkeit hat, die (übertriebenen?) Individualbedürfnisse besser abzudämpfen als das bei uns möglich ist.
Hier treffen sich zwei Weltanschauungen:
1.) Wenn es mir gut geht, dann geht es allen gut – oder anders: Wenn es der Wirtschaft gut geht, dann geht es allen gut.
2.) Wenn es allen gut geht, dann geht es mir gut – wenn es allen gut geht, dann geht es auch der Wirtschaft gut.

Das ist nicht mehr der Kampf links gegen rechts oder Kapitalismus gegen Kommunismus. Es geht um weitaus mehr, nämlich um das grundlegende Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, um einen der zentralen vier Widersprüche des menschlichen Lebens: Eines vs. Vieles.

Wenn etwa ein 3D-Printer ganze Häuser ausdrucken kann und das noch mit Rohstoffen, die der Boden hergibt, auf dem die Häuser dann stehen werden, so verschiebt sich das Machtverhältnis von einigen wenigen Steuernden zu vielen autarken und somit auch autonomen Menschen.
Eine niederländische Firma hat hier die Konsequenzen gezogen und ihre (sonst eigentlich immer geheim gehaltene) Technologie einfach mit den Chinesen geteilt. Sie meinen, dass sie so das eigentliche Ziel (Verbreitung der Technologie möglichst weit und schnell) viel besser wenn nicht überhaupt erst erreichen können. Ihre erste Sorge gilt nicht der Erhaltung des Wissensmonopols (in Zeiten des World Wide Web möglicherweise sowieso eine Illusion, darüber werden Google und Facebook stolpern) oder dem eigenen Gewinn, sondern dem übergeordneten Ziel der maximalen Verbreitung notwendiger Technologien. Sie haben durchschaut, dass ihr Wissensvorsprung in einer kaputten Welt nichts mehr wert ist.

In Ländern wie China oder Indien hat man schon durchschaut, dass nicht jeder Mensch immer alles und das sofort haben kann. Dieses Denken fehlt uns noch.

Wo die Sendung aufhört zu denken, fange ich an: Noch einen Schritt weiter in der Entwicklung kommen wir nach Clean Tech nur mit dem, was Afrika zu bieten hat, nämlich den Schritt in die Postwachstumsökonomie. Dort ist gutes Leben nicht von Wachstum abhängig oder zumindest nicht von dem, was bei uns unter Wirtschaftswachstum verstanden wird. Unsere Genügsamkeit wird wachsen müssen, unser Sozialempfinden braucht dringend Wachstum. Unsere Autos hingegen brauchen kein Wachstum mehr und unsere Anzahl an Baguettesorten auch nicht.
Der „Konsument“ ist übersetzt der „Verbraucher“. Ich kann aber nur Dinge verbrauchen, die für mich verbrauchbar sind – und die Anzahl derer ist endlich. Unser vielfach beschworenes und als Allheilmittel bejubeltes Wirtschaftswachstum benötigt jedoch KonsumentInnen, die nicht nur verbrauchen, sondern auch in steigender Zahl Dinge kaufen, die sie gar nicht verbrauchen können. Wir alle haben hunderte oder sogar tausende dieser Dinge zuhause liegen. Hin und wieder gebrauchen wir eines davon und manchmal verbrauchen wir auch, aber in Summe haben die meisten von uns zu viel. Wir horten die Dinge und wenn wir keinen Platz mehr haben, schmeißen wir sie weg.
Wir entsorgen sie dorthin, wo wir sie nicht mehr sehen. Sie sind dann jedoch nicht weg, sondern nur woanders. Sie werden manchmal einer Wiederverwertung zugeführt, meist jedoch deponiert oder verbrannt oder in die dritte Welt verschifft.

Irgendwo hat jedoch jeder Mensch genug. Dann ist alles so vollgeräumt und das ständige Wegwerfen erfüllt uns auch zunehmend nicht mehr mit Freude, weil die stattdessen gekauften neuen Dinge meist von schlechterer Qualität sind als ihre Vorgänger. Sie sind meist auch teurer und ihre Funktionen brauchen wir nicht oder nur einen Teil davon. Wir kaufen zunehmend Müll, den wir möglichst schnell wieder entsorgen um neuen Müll zu kaufen. Irgendwann fühlen wir uns selbst wie Müll, in den ganzen Müllbergen, die uns umgeben und die wir nicht einmal alle sehen oder spüren – siehe Plastikstrudel in den Weltmeeren. Wir machen langsam das kaputt was uns ernährt und einige von uns haben dabei auch kein gutes Gefühl mehr. Sie spüren die Verkrampfung, die sich immer schwerer lösen lässt. Sie spüren das noch leise aber doch hörbar Ächzen unserer Erde, die vielen sterbenden Tier- und Pflanzenarten und die Menschen, die mit zunehmend leeren Augen durch die immer buntere Plastikwelt staksen.

Ganz langsam beschleicht diese Menschen der Verdacht, dass ein Ende mit Schrecken vielleicht sogar einem Schrecken ohne Ende vorzuziehen ist. Den Preis müssen wir sowieso zahlen – warum nicht bald und dann mit neuer Perspektive starten?
Wir haben aber auch aus gutem Grund Angst unsere Entwicklung mit einem scharfen Schnitt zu beenden. Zu lange leben wir schon in dieser bunten Konsumwelt, als dass wir sie aufzugeben bereit sind. Zu gut schmecken die Schnitzel und zu bequem ist die Couch vor dem Breitbild-Flachfernseher (oder so ähnlich).

Hoffen wir, dass diese Entwicklung gut für uns endet.

Meine Wünsche an den neuen Papst

Ich wurde vor langer Zeit zwangsverpflichtet, konnte mich aber dann daraus befreien. Nun habe ich keine Ansprüche oder Forderungen an die größte Organisation der Welt zu stellen, weil ich nicht mehr Mitglied bin.
Aber ich erlaube mir ein paar Wünsche an den neuen Chef.

Die erste Kategorie sind einfache Wünsche. De facto wird das schon überall gelebt, es sollte endlich offiziell klargestellt werden:
a.) Priester dürfen heiraten und Kinder bekommen. Ihre Frauen müssen nicht länger „Pfarrersköchin“ heißen.
b.) Die Pille plus andere Verhütungsmittel sind okay.
c.) Homosexualität unter Priestern ist gestattet.
d.) Geschiedene dürfen wieder kirchlich heiraten.
e.) Die Erde ist älter als 10.000 Jahre und es gibt eine Evolutionsgeschichte.
f.) Ministrantinnen dürfen offiziell existieren und nicht nur geheim.

Die zweite Kategorie zeigt schon weit größere Herausforderungen, da es hier um echte Neuentwicklungen ginge:
a.) Frauen dürfen alle Ämter in der kath. Kirche ausüben.
b.) Giordano Bruno wird rehabilitiert.
c.) Die Heilige römische Inquisition wird abgeschafft (heißt heute irreführend „Katholische Glaubenskongregation“).
d.) Die Taufe wird freiwillig.

Ich glaube, ich wäre schon zufrieden, wenn wenigstens EINER dieser Punkte unter Franzi dem Ersten in Erfüllung ginge.

Was wir vom Oman lernen können

Der Oman ist ein Wüstenstaat auf der arabischen Halbinsel und kaum jemand von uns war je dort. Es gibt viel Interessantes zu entdecken, ich möchte mich hier auf ein Thema beschränken, das bei uns auch gerade aktuell ist.

Wasser ist im Oman extrem wichtig. Sie haben daher eines der ältesten und schlauesten Systeme erfunden. Erstens funktioniert ihr Wassersystem ohne zusätzliche Energie, d. h. mit dem natürlichen Gefälle.
Zweitens gibt es dort eine wichtige Berufsgruppe, die „Wasserwächter“. Die meisten Männer, die diesen Job ausüben, haben ihn von ihrem Vater gelernt. Man kann so etwas nicht studieren, weil man nicht nur die Gesetze der Hydraulik beherrschen muss, sondern auch die sozialen Gesetze des Ortes. Der Wasserwächter muss etwa wissen, wie groß die Familien sind, wie viel Wasser sie wofür benötigen, wann sie was anbauen und wo sie gerade viel oder wenig Wasser brauchen.
Mit Wasser wird auch gehandelt, man kann es kaufen, verkaufen oder auch ersteigern, auf einer Art Börse.

Das funktioniert schon so lange, dass das Wassersystem des Oman als ältestes ökologisches System der Welt gilt. Im Gegensatz zu unserem für solche Dinge verwendeten Leistungsprinzip funktioniert das dortige nach dem Bedürfnisprinzip: Wer mehr Dattelpalmen hat, bekommt mehr Wasser. Wenn es wenig Wasser gibt, wird jedoch alles zu gleichen Teilen aufgeteilt, damit alle genug haben.

Das Wassersystem funktioniert unter anderem schon deswegen so lange, weil die Omani nichts ändern, was gut ist. Wozu auch? Sie tragen keine Jeans, weil ihre traditionellen Gewänder für das heiße Klima viel besser geeignet sind. Für manche Zwecke sind Geländewägen gut, daher haben sie welche, als Ergänzung zu den Eseln. Sie können etwas, das wir verlernt haben: Mit dem Optimum zufrieden sein. Wir können das nicht und streben immer nach einem Maximum.

Im Oman stimmen Tradition und Moderne zusammen. Junge Menschen bekommen eine gute Schulausbildung, lernen Englisch etc. – und doch arbeiten sie auch als Viehhirten. Das ist im Oman nämlich ein geschätztes und ehrenvolles Gewerbe. Die Menschen sehen hier keinen Widerspruch und wirken nicht so zerrissen wie unsereins.

Was ich am Pferdefleischskandal interessant finde

Lidl nimmt ein Produkt aus den Regalen, und zwar „Combino Penne Bolognese 750 Gramm“.

Ich zitiere aus medianet, die wiederum von der APA zitieren: Die Sperre sei aber vorausschauend geschehen, da der betroffene Artikel „ins Profil passt“, sagte ein Lidl-Sprecher der APA. Ob es sich beim betroffenen Produkt um dasselbe handelt wie „Tiefkühl Penne Bolognese 750 g“ des deutschen Diskonters Aldi Nord, in dem bereits Pferdefleisch gefunden wurde, war vorerst unklar. „Derzeit werden alle relevanten Artikel überprüft“, betonte der Lidl-Sprecher.

Jetzt kommt heraus, dass quasi eh überall das gleiche drin ist – oft ist nur die Verpackung anders. Das betrifft einen durchaus erklecklichen Anteil unserer „Consumer goods“ wie das im Fachchinesisch so schön heißt. Ich weiß persönlich von zwei Herstellern, die verschiedene „Marken“ auf ein und derselben Produktionsstraße erzeugen. Das wird natürlich geheim gehalten und auch die MitarbeiterInnen unterliegen der Verschwiegenheitspflicht. Es dürfte auch eine Art Abkommen mit den Medien geben, die darüber nahezu nie berichten.

An eine Folge dieser Produktions- Marketing- Produkt- und Werbestrategie denkt man dabei als Konsument meist nicht, bekommt sie aber zu spüren: Allgemeine Verwirrung. Was auf dem Etikett abgebildet ist, hat oft nichts mit dem zu tun, was dahinter enthalten ist. Die Produktbeschreibung und selbst die Auflistung der Inhaltsstoffe lassen keinerlei Rückschlüsse auf Herkunft, Qualität, Produktionsprozess und eben auch auf die Inhalte zu – weder Mengen noch Zusammensetzung. Die Industrie verteidigt diese Nicht-Information mit „notwendigem Betriebsgeheimnis“ – sonst könnte es ja jeder nachmachen und das wäre ein Wettbewerbsvorteil.

Das ist wahre Chuzpe – es ist sowieso überall das gleiche drin. Wer sich länger damit beschäftigt, dem vergeht der Appetit, ganz abgesehen davon, dass es extrem zeitaufwändig ist und oft in einer Sackgasse endet.

Im Laufe der Jahre haben sich die KonsumentInnen daran gewöhnt. Sie kaufen ein Produkt, auf dessen Etikett „mit neuer, verbesserter Rezeptur“ gedruckt steht. Worin diese Verbesserung besteht, wird ausnahmslos nicht hinterfragt. Es gibt auch keine gesetzliche Regelung, die konsumentenfreundlich unterstützt, daher ist es völlig egal, ob das Rezept jetzt anders ist. Und die meisten KonsumentInnen wollen das auch nicht wissen, sei es aus Bequemlichkeit, sei es aus Zeit- oder Motivationsmangel. Viele sind dort angelangt, wo die Industrie sie gerne haben will: Sie kaufen ohne jegliche Überprüfung und schauen maximal noch auf den Preis. Auch der Geschmack spielt meist keine Rolle, maximal die Konsistenz, fast immer jedoch Form und Farbe der Verpackung.

Ich werde das nicht ändern können, aber ich wünsche mir die Wahlmöglichkeit zwischen Mist und guter Qualität – also genau das, was die Industrie um jeden Preis verhindern will. Sie versucht sogar die letzte Lücke zu schließen, die es derzeit noch gibt: Direktkauf am Bauernhof. Nur wenn ich den Bauern kenne und ihm vertraue, kann ich noch einigermaßen sicher sein, dass ich das bekomme, was ich will. Das gilt aber auch nur, wenn er wiederum nicht selbst getäuscht wurde, etwa beim Einkauf seiner Rohstoffe.

Wenn einmal ausnahmsweise eine der zahlreichen Täuschungen bekannt wird, dann gilt das als „Skandal“. Damit werden die eigentlichen Skandale gut verschleiert und die Industrie kann in Ruhe genau so weitermachen wie bisher. Zu stark ist ihre Lobby, als dass sich die Politiker widersetzen würden.

Die Politiker vertreten in diesem Fall die Interessen der Industrie statt der WählerInnen.
Diese lassen sich das gefallen.
Dadurch sinkt die Qualität der Nahrungsmittel. Dem Betrug wird Tür und Tor geöffnet.
Das wiederum fällt den Menschen nicht auf oder ist ihnen egal.

Und das ist der eigentliche Skandal.