Purkersdorf, oder zumindest Hawei

Ein herrlicher Sommertag und Volker hat mir geflüstert, dass auf dem Baum in seinem Garten noch jede Menge reife Kriecherln hängen. Mein zweiter Vorname „Marmelade“ motiviert mich spontan zu einer Vespa-Tour zwecks Pflückorgie.
Dazu wähle ich aus meinem gut bestückten Fuhrpark die gerade eben frisch restaurierte Vespa GS 150, Baujahr 1960. Die will sowieso an die frische Luft und bei solchen Fahrten kann man gut die kleinen Kinderkrankheiten (Quietschen, Scheppern…) erkennen und in Folge beseitigen.
Es ist zwar erst 10 Uhr Vormittags, aber die Sonne knallt schon ordentlich runter. Das macht aber nichts, denn Vespas stammen aus dem Süden und sind das gewohnt, und so nehme ich zügig Fahrt auf. Jeder Kilometer bestätigt mir: Da hast Du gute Arbeit geleistet, auch die heiklen Bereiche der GS 150 (Elektrik wegen Batteriezündung, Motor sowie der gesamte Rest des Fahrzeugs) funktionieren tadellos. Nur der Lenker sitzt ein wenig schief, nachdem wir ihn „geradegerichtet“ haben.
Der Schottenhof geht mit Schwung, der Volkersberg mit der Zweiten und schon geht es über die Brücke von Hütteldorf nach Hadersdorf-Weidlingau (auch „Ha-Wei“ genannt). Die Vespa schnurrt (wobei das Schnurren will aus dem Klappern, Scheppern, Quietschen und Rasseln mit einiger Erfahrung herausgehört werden), Purkersdorf naht, der Guido ist glücklich.
Bis hinter der Brücke. Dann nimmt die Kiste kein Gas mehr an. Standgas ja, mehr nicht. Dann stirbt sie ganz ab und ich rolle am Straßenrand aus. Kopf (Hoffentlich nicht wieder das Polrad, das mir den Keil abgerissen hat. Vielleicht ja auch was anderes. Mal überlegen.) kämpft gegen Bauch (Scheiss-Kracksn, das gibts doch nicht, so ein Schaas, ned scho wieder, Ich verkauf den Krempel).
Dann steige ich ab und entdecke eine nette, schwarze, stinkende Rauchwolke, die mir aus der linken Backe entgegenkommt. Ein Schweißtropfen von meiner Stirn macht „Zisch“, als er die Backe trifft.
Dann entdecke ich das Malheur: die Batterie sitzt bei der GS in einer kleinen, schalenartigen Befestigung, die man eigentlich eher als Tablett bezeichnen kann. Dort festgehalten wird sie mit einem Gummiband. Und genau dieses Band hat sich gelockert. Bei einer der zahlreichen Bodenwellen ist die Batterie dann rausgehüpft, umgefallen und der Pluspol kam auf Masse. Was dann passiert, kann man am ehesten mit dem Warp-Kern-Bruch beim Raumschiff Enterprise vergleichen. In wilder Eile versucht Käptn Kirk dann das Raumschiff zu evakuieren, bevor es in einer unglaublichen Explosion in den Weltraum verdampft, nicht ohne vorher noch drei feindliche Klingonenschiffe mit sich in den Untergang zu reissen.

Ich fühle mich auch ein wenig dem Untergang nahe. Der Gleichrichter pulsiert rotglühend (zumindest in meiner Phantasie unter der Abdeckung, die ich wegen zu großer Hitze nicht abnehmen kann). Das Massekabel der Batterie ist komplett durchgeschmort und hat andere Kabel mit in den Tod gerissen, nämlich diejenigen, die zum Gleichrichter gehen.

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Bild: Verschmortes Kabel

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Bild: Verschmortes Kabel, Detail

Kurzes Bereuen („Geh, wegen dem Stück nach Purkersdorf mit einer frisch restaurierten Vespa räum ich nicht das ganze Werkzeug von einem Roller in den anderen“) mischt sich mit einer leichten Andeutung von Verzweiflung („Hilffeeee!“). Dann entsteht ein Plan:
1.) Abwarten, auskühlen lassen und auf das Glück des Tüchtigen hoffen.
2.) Oliver anrufen. Wir leisten uns des öfteren Erste-Vespa-Hilfe.
3.) Volker anrufen und Bescheid geben, dass die Kriecherln wohl noch auf dem Baum bleiben werden.
4.) Umsehen, ob es irgendwo eine Möglichkeit gibt, die Vespa diebstahlsicher unterzustellen.
5.) Italienische Flüchesammlung aktivieren und gegen den deppaten Guido richten, der den blöden Batteriefachgummi nicht stark genug angezogen hat.
6.) Längeren Fußmarsch und noch längere Busfahrt mental vorbereiten.
7.) Es irgendwie schaffen, dass ich nicht vor lauter Ungeduld ständig versuche zu starten, so lange, bis der Motor endgültig abgesoffen ist.

Dann setze ich den Plan konsequent in die Tat um:

1.) Trotz Kickstartertreten vergeht Zeit.
2.) Oliver hat die Mailbox.
3.) Volker hat die Mailbox.
4.) Nein, daneben ist nur ein Billa und Freunde wohnen auch keine in der Nähe.
5.) Ja.
6.) Ungern.
7.) Nein, chancenlos.

Doch dann springt sie plötzlich an. Ich jubiliere, ziehe die Jacke an, setze den Helm auf, ziehe die Handschuhe an, wuchte mir den Rucksack auf den Rücken, warte ungeduldig den gerade vorbeifahrenden Verkehr ab und starte durch. On the road again! Fahrtwind!
Leider kann mich der Fahrtwind nicht kühlen, weil ich nur bis zum benachbarten Billa komme. Dann steht die Kiste wieder. Immerhin, 50 Meter weit ist sie gelaufen.
Was ist jetzt schon wieder los? Batterie doch am Ende? Gleichrichter endgültig kaputt? Irgendein anderes Kabel auf Masse?

Nun beginnt der quasi auflösende Teil der Geschichte, daher der Sprung in die Vergangenheit:

Vespas haben stets noch eine kleine Zusatzüberraschung bereit. Diesmal bestand diese darin, dass exakt als die Zündung kaputt ging, auch das Benzin auf Reserve sprang. Das zweite Absterben hatte also einen gänzlich anderen Grund und war durch Umlegen des Hebels auf Position Reserve zu lösen. Tricky, very tricky!

Dann fuhr ich mit eher zittrigen Gliedmaßen und Stoßseufzern alle gefühlten 100 Meter bis Purkersdorf, um den Kriecherln den Garaus zu machen. Und ich kam sogar ohne Verrecken wieder bis nach Hause. Es geschehen noch Zeichen und Wunder!

Guido träumt! Heute Traum 4 von 12: Vorsorge wird gratis

Es passiert meist in der Nacht und hin und wieder erinnere ich mich an meine Träume. Daher kann ich sie auch berichten. Heute gibt es den vierten von zwölf Träumen:

Mir träumte von einem Bericht in einem bekannten Nachrichtenmagazin, in dem der Präsident der Ärztekammer gemeinsam mit dem Gesundheitsminister folgende Stellungnahme abgibt:

„Da es in vielen Bereichen des Lebens zu Veränderungen kommt, wollen wir dem nicht nachstehen. Ab sofort bekennen wir uns zur Vorsorge im medizinischen Bereich. Das war bis jetzt ein sehr stiefmütterlich behandeltes Thema, weil wir der Meinung waren, mit den Krankheiten so richtig viel Geld verdienen zu können. Nun wissen wir aber – bzw. gestehen es uns ein -, dass die Kosten so explodiert sind, dass sich die Menschen das Gesundheitssystem nicht mehr leisten können, bis auf ein paar reiche vielleicht.
Krankheiten vermeiden kommt wesentlich billiger und ist für die Betroffenen auch noch angenehmer als Krankheiten zu behandeln und zu therapieren.
Daher ist Vorsorge ab jetzt gratis und wird von uns medial und finanziell unterstützt. In den letzten Jahren haben wir versucht hier ordentlich zu sparen und wichtige Vorsorgeuntersuchungen gestrichen oder teuer gemacht. Das ist jetzt vorbei. Entsprechende Anreizsysteme werden die Menschen dazu bewegen, unserer Richtung zu folgen. Das wird mittelfristig bereits ordentlich Geld in die Kassen spülen, langfristig aber einen wirklich gewaltigen Effekt haben.
Unterstützt wird diese Initiative noch durch eine zusätzliche Anerkennung einiger Heilmethoden, gegen deren Wirkung wir uns bisher taub und blind gestellt haben. Dazu gehört etwa die Kinesiologie und die Akkupunktur, aber auch noch einige andere. Die gut ausgebildeten und kompetenten HeilerInnen werden sich demnächst ihre Gewerbeberechtigung abholen können, ohne bürokratischen Aufwand und ohne tief in die Tasche greifen zu müssen. Wir werden es auch schaffen, die Scharlatane hier von den Profis zu trennen.“

Schade, dass auch das wieder nur ein Traum war und sich die Mächtigen im Medizinbereich standhaft den notwendigen Reformen verweigern.

Guido träumt! Heute Traum 3 von 12: Österreichs Energie wird grün

Es passiert meist in der Nacht und hin und wieder erinnere ich mich an meine Träume. Daher kann ich sie auch berichten. Heute gibt es den dritten von zwölf Träumen:

Mir träumte, dass sich die OMV, alle großen Energiekonzerne (Verbund, EVN, Wienstrom) plus die alternativen Energieerzeuger plus die Landeshauptleute plus der Wirtschaftsminister zu einer großen Pressekonferenz einfinden, auf der sie Folgendes bekannt geben:

„Wir haben uns gemeinsam dazu entschlossen, Österreich bis 2030 energieautark zu machen. Das ist ein großer, ein sehr großer Schritt, der uns nicht leicht gefallen ist, den wir mussten erkennen, dass unsere Bemühungen bisher eigentlich eher Nicht-Bemühungen, begleitet von eher alibihaften Aktionen waren.
Wir haben uns in einem ersten Schritt von dem Knebelvertrag getrennt, den wir noch vor kurzem erneuert haben und der uns verpflichtet hat, den Russen 25 Jahre lang Gas abzukaufen und dieses auch dann zu bezahlen, wenn wir es gar nicht mehr nehmen. Das ist auch zugleich unser erster Schritt, mit dem wir zeigen, dass wir uns nicht mehr von der Öl-, Gas-, Kohle- und Atomlobby für dumm verkaufen lassen.
Es ist nämlich durchaus möglich, im Land genügend Strom umweltfreundlich zu erzeugen, um sowohl die Wirtschaft als auch alle Privathaushalte zu versorgen, inklusive dem Verkehr.
Wir setzen auf eine massive Förderung lokaler und regionaler alternativer Stromerzeugung, die für uns in Zukunft nicht mehr alternativ, sondern ganz normal sein wird. Wir fördern die Autarkie und somit auch die Autonomie der Gemeinden und fordern sie auf, nach einem weiterentwickelten Güssing-Modell ihren Strom selbst zu erzeugen und in ein gemeinsames Verbundnetz einzuspeisen. Wir werden extrem attraktive Einspeistarife für private Stromerzeuger anbieten und so bei den Menschen ein Bewusstsein schaffen, dass Strom wertvoll ist, dass man ihn selbst erzeugen kann und dass man aber auch sparsam damit umgehen sollte. Durch Sparen und Erzeugen können wir den Bedarf decken und sogar noch etwas exportieren, um unsere Nachbarn in eine ähnliche Richtung zu lenken.
Wir werden auf Solarkollektorenergie setzen und auf kleine Wirbelstromkraftwerke, die die Natur nicht schädigen und in einem direkten Partizipationsmodell mit der Bevölkerung errichtet werden. Wir sind der Ansicht, dass Windräder weniger hässlich sind als Kohle- und Gaskraftwerke und weniger stark strahlen als Atommeiler.
Die bisher versteckte Förderung fossiler Energien wird mit sofortiger Wirkung gestoppt, und zwar zur Gänze. Das ist ein Schritt, mit dem wir uns nicht nur Freunde machen, aber es ist ein Schritt im Sinne unserer Bevölkerung, der jahrelang erzählt wurde, dass sie nur mit Öl überleben kann.“

Schade, dass das nur ein Traum ist.

Guido träumt! Heute Traum 2 von 12: SPAR bietet österreichisches Obst an

Es passiert meist in der Nacht und hin und wieder erinnere ich mich an meine Träume. Daher kann ich sie auch berichten. Heute gibt es den zweiten von zwölf Träumen:

Mir träumte von einem Flugblatt, in dem der Lebensmittelhandelsriese SPAR folgendes bekannt gibt:

„SPAR kauft bei österreichischen Bauern! Wir sind uns unserer Verantwortung für die Umwelt und die Gesundheit der ÖsterreicherInnen bewusst und wollen außerdem die heimische Wirtschaft unterstützen. Daher verzichten wir ab jetzt auf den Import und Verkauf von Obst aus dem Ausland. Selbstverständlich gibt es weiterhin Bananen und Orangen, aber wir verzichten auf dasjenige Obst, das ohnehin bei uns wächst. Wir werden jetzt zur jeweiligen Saison Erdbeeren aus Österreich anbieten, ebenso Marillen, Birnen, Zwetschken, Pfirsiche, Ringlotten, Äpfel, Kirschen und Weintrauben. Alles das, was wir bisher aus der ganzen Welt haben liefern lassen, ohne uns um die dortigen Anbau- oder Arbeitsbedingungen zu kümmern. Es wird nicht mehr vorkommen, dass wir im Herbst 32 Traubensorten anbieten und es ist keine einzige österreichische dabei.

Wir lassen ab jetzt auch nicht mehr gelten, dass der Kunde das so haben will. Bei uns hat ein Umdenken stattgefunden, wir denken, dass der Kunde das kauft, was wir ihm anbieten. Wenn wir ihm Kirschen aus Österreich anbieten statt wie bisher aus Südafrika, dann wird er diese auch kaufen. Wir glauben nicht, dass er dann sofort zur Konkurrenz läuft, weil dort die Kirschen um ein paar Cent billiger sind. „Wir müssen uns nach dem Markt richten“ – das gibt es ab jetzt nicht mehr, denn WIR sind der Markt. Wir haben genügend Filialen und Marktkraft, dass wir die Maßstäbe setzen können. Das ist auch Zeichen unseres Umdenkens und unseres neuen Bewusstseins: Ab der nächsten Ölkrise wird der Transport sowieso zu teuer – wir wollen heute schon die heimischen Alternativen stärken, so dass sie uns dann zur Verfügung stehen.“

Schade, dass dies nur ein Traum ist. Ich war gestern wieder beim SPAR – bis auf ein paar Äpfel ist alles ausländische Ware. Und beim Gemüse sieht es nur wenig besser aus.

Guido träumt! Heute Traum 1 von 12: A1 ändert nix

Es passiert meist in der Nacht und hin und wieder erinnere ich mich an meine Träume. Daher kann ich sie auch berichten. Heute gibt es den ersten von zwölf Träumen:

Mir träumte, dass der Chef der Telekom, ein gewisser Herr Ametsreiter, eine Pressekonferenz gibt, bei der er folgendes berichtet:

„Im Zuge der Umstrukturierung standen wir vor der Frage, ob wir auch unser Marketing ändern müssen. Es stand etwa zur Debatte, den Namen „A1“ in etwas Neues umzuändern, oder auch nur das Logo leicht zu verändern und aus dem alten A1 quasi ein neues A1 zu machen. Aber dann fiel uns auf, dass das erstens jede Menge Geld kosten würde und zweitens den Kunden herzlich egal wäre. Die würden den Unterschied vom alten zum neuen A1 nicht einmal bemerken, sie wollen Leistung und Service. Das wissen wir, weil wir das erste Mal etwas gemacht haben, was sonst total unüblich ist: Wir haben unsere Kunden gefragt! Sie haben gesagt: „Das ist uns wurscht“.
Bisher haben wir uns das entweder gar nicht getraut oder Alibi-Umfragen gemacht. Diesmal haben wir ihnen wirklich zugehört und ihre Meinung ernst genommen. Das war intern gar nicht so einfach durchzusetzen, aber auch bei uns gibt es eine Gruppe junger MitarbeiterInnen, die sehr engagiert und mutig sind und bereit, neue Wege zu gehen.

Also haben wir beschlossen, gar nichts zu ändern und das Geld zu sparen. Das hat uns auch jede Menge Umstellung erspart: den Austausch aller Logos in ganz Österreich, den Austausch aller Drucksorten, die Umprogrammierung der Websites etc. Das wäre in die Millionen gegangen und niemand hätte was davon gehabt, außer der Werbeagentur.
Zudem wurde uns das erste Mal so richtig bewusst, dass wir auch eine gewisse Verantwortung der Umwelt gegenüber haben. Tonnen Papier, Farbe, Energie – all das haben wir gespart. Das ist auch Ausdruck unseres neuen Selbstverständnisses, das wir hier das erste Mal in die Tat umsetzen: nicht nur uns selbst beweihräuchern, sondern an das Außen denken, an die Umwelt, an die Kunden, an die Welt.
Ich freue mich, dass wir nicht den falschen Weg gegangen sind und bin stolz auf uns.“

Schade, dass das nur ein Traum war. Wahrscheinlich wird noch viel Wasser die Donau hinunter fließen, bis der Riese Telekom in die Zukunft aufbricht.