Rom mit einer 39 Jahre alten Vespa – Tag 10

Ich habe herrlich geschlafen und bin motiviert für den vorletzten Tag (zumindest wenn alles klappt wie geplant). Das erste Mal schmeckt mir das Frühstück, Helga hat köstliche selbstgemachte Marmeladen und frische Zwetschken aus dem eigenen Garten.
Es ist wieder etwas kühler und sehr angenehm zu fahren. Ich habe zwei pannenfreie Tage hinter mir, vielleicht kann ich ja einen dritten anhängen.
Motiviert rollere ich durch die langen Alleen zwischen Cavallino und Jesolo – allerdings nicht allzu schnell, ein paar holländische Wohnmobile haben es nicht sehr eilig und der Verkehr ist auch um 08 Uhr schon beachtlich.
Dann bin ich wieder auf der S 14 Richtung Triest. Diesmal werde ich Monfalcone auslassen und direkt nach Gorizia fahren, das erspart mir ca. 30 Minuten und einige Kilometer. Allerdings kann ich noch keine Entscheidung treffen, ob ich mich traue über Slowenien zu fahren und der Vespa den Predil-Pass anzutun. Andererseits läuft sie gut und das Soca-Tal ist wunderschön.
Die Fahrt verläuft ruhig und ich komme sehr gut voran.
An der entscheidenden Kreuzung entscheide ich mich für die schönere Strecke. Allerdings scheitere ich an der Umfahrung von Gorizia, da schon wieder nur die Autobahn nach Triest angeschrieben steht. So muss ich mich durch den Ort durchquälen, aber mit zwei Mal Fragen ist es dann geschafft.
Ich ziehe vorbei an dem Stausee, als die Kupplung plötzlich seltsame Geräusche macht. Sie trennt gut und greift auch gut, aber beim Einkuppeln gibt es ein hässliches Schnarren und ich entdecke, dass der Hebelweg auf einmal sehr lang ist.

An einem schattigen Rastplatz bleibe ich stehen, auch um einen der köstlichen Äpfel von Helga zu essen und um meinen Nacken ein wenig zu entspannen. Ich rufe Ronny an, um ihn um seine technische Meinung zu fragen, erreiche aber das Tonband. Christian ist erreichbar und gemeinsam rätseln wir, was da sein könnte. Abgefahrene Beläge? Vielleicht hätte ich das Getriebeöl in Rom wechseln sollen. Oder habe ich gar zu wenig drin? Das lässt sich jetzt nicht feststellen und Reserve-Getriebeöl habe ich keines dabei. Ich habe zudem keinerlei Lust jetzt zu schrauben und da wir auf keine wirklich eindeutige Lösung kommen, beschließe ich einfach weiterzufahren. Was soll schon passieren? Okay, ein kapitaler Kupplungsschaden mit anschließendem Motorschaden. Nicht sehr wahrscheinlich, aber ich habe auf dieser Reise schon so viele Pannen erlebt, die alle nicht sehr wahrscheinlich waren, dass sich daraus nichts ableiten lässt. Es wäre sehr fein, wenn es die Kupplung bis Österreich schafft, denn dann wäre der Pannendienst wesentlich leichter zu organisieren.

**** ERGÄNZUNG 13. SEPTEMBER 2013 ****

Mehr als ein Jahr nach der Romreise war es Zeit den Motor auszubauen und einer Revision zu unterziehen. Dabei musste ich entdecken, dass das Entlüftungs-Schwammerl des Kupplungsdeckels fehlt. Hier ein Bild des 2011 frisch zusammen gebauten Motors, bei dem das Schwammerl gut zu erkennen ist – ich habe also nicht vergessen es zu montieren:

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Und hier ein Bild ohne Schwammerl (das ist nicht leicht zu erkennen – mitten im Dreck ist ein kleines Loch):

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Beim Einschrauben eines neuen Schwammerls entdeckte ich, dass es nur ganz locker im Gewinde sitzt – warum auch immer. Das alte dürfte sich irgendwann auf der Fahrt nach Rom oder vielleicht auch erst bei der Rückfahrt verflüchtigt haben. Durch das nun offene Loch kam wahrscheinlich Dreck oder auch ein kleines Steinchen in die Kupplung. Bis es zerrieben war, trat die beobachtete Störung auf. Normalerweise saut es auch Öl aus dem Loch und verdreckt Motor und Reifen. Das dürfte bei mir glücklicherweise nicht passiert sein, warum auch immer. Oder das ausgetretene Öl fiel lange Zeit gar nicht auf, weil der Motor durch die Vergaserprobleme sowieso fürchterlich dreckig war.

**** ENDE DER ERGÄNZUNG ****

Glücklicherweise ist mein Sprit-Management inzwischen sehr ausgereift und wird noch dazu unterstützt durch die Kenntnis der Tankstellen. Es gibt eine in Bovec und eine in Kobarid, beide sind groß und geöffnet. Wenn ich in Bovec tanke, müsste ich sogar bis Klagenfurt und weiter kommen.

Ich fahre mit etwas mulmigem Gefühl weiter und erinnere mich an die Alaska-Methode, die mir schon einige Male weitergeholfen hat. Und an das mulmige Gefühl, dass mit dem Motor was nicht in Ordnung ist, habe ich mich schon gewöhnt. Auf den langen Geraden, wenn man nichts zu tun hat, kommen die seltsamsten Gedanken, wahrscheinlich ausgelöst durch die doch massiven Vibrationen. Oder sie werden durch diese so durcheinander gerüttelt, dass so was dabei herauskommt:

Das biomorphe Verbindungsmodell von Fahrer und Maschine
Aus der qualitativen Motivforschung wissen wir, dass der Mensch technische Gegenstände gerne nach einem biomorphen Modell entwirft. Ich habe im ersten Vespa-Buch schon darüber geschrieben. Das biomorphe Modell bedeutet: nach menschlichem Vorbild. Deswegen haben Autos zwei Scheinwerfer und nicht drei, weil der Mensch zwei Augen hat.
Wenn ich mir jetzt die Geschichte meiner Pannen und die meines Körpers ansehe, dann ergeben sich interessante Verbindungen. Am Tag vor meinem Reifenplatzer hatte ich starke Schmerzen im linken Fuß. Sie kamen unerwartet und hatten keinen ersichtlichen Auslöser, so wie das plötzliche Ende des Reifens absolut unerwartet kam. Der linke Fuß entspricht also dem Hinterrad, denn laut biomorphem Modell sind die Füße die Räder.
Aber wie ist das dann mit dem kaputten Vergaser? Im Nachhinein betrachtet weiß ich, dass die Probleme schon früh während der Fahrt begannen, eigentlich parallel zu meinem fehlenden Hunger in der Früh. Es ist also der Magen, der das Äquivalent zum Vergaser ist. Im Magen werden die verschiedenen Nahrungsmittel zur Verbrennung gemischt und dann weitergeleitet und genau so passiert es im Vergaser.
Ob es möglich ist, herannahende Pannen bei der Vespa am eigenen Körper quasi vorauszusehen? So weit würde ich in meiner Analyse nicht gehen, wenngleich der Gedanke natürlich seinen Reiz hat. Und entstanden ist er, wie schon gesagt, aus zahllosen Vibrationen.

Die Vespa zieht trotz des Kreischens beim Einkuppeln gut und ich ziehe durch das Soca-Tal.

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Bild: Die Soca, die in Italien dann Isonzo heißt

Dann geht es hinauf zum Predil-Pass, auf dieser Seite ist er noch steiler und die Straße ist sehr eng.

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Bild: Auffahrt zum Predil-Pass

Ich schone die Vespa und fahre teilweise im zweiten Gang recht gemütlich hinauf. Jetzt so kurz vor der Heimat möchte ich nichts risikieren.
Dann ist die Passhöhe erreicht, aber auf einmal funktioniert der Tachometer nicht mehr. Die Nadel rührt sich nicht und jetzt wird mir klar, dass das Vibrieren der Nadel den Schaden schon seit einiger Zeit angekündigt hat. Ich kann leider nicht feststellen, ob die Welle kaputt ist oder der Tacho, tippe aber auf den Tacho und weiß, dass ich das sowieso jetzt nicht reparieren kann.

Es ärgert mich aber, denn ich führe ein genaues Fahrtenbuch und das wird jetzt bis Wien eine große Lücke aufweisen. Bei der Weiterfahrt fällt mir auf, wie oft ich sonst auf den Tacho schaue, auch um die Geschwindigkeit zu kontrollieren. Und natürlich muss ich mein Spritmanagement komplett umstellen. Ich kann jetzt mehr oder weniger nur mehr warten, bis der Benzinhahn auf Reserve springt (Bei der Vespa stirbt einfach der Motor ab. Dann greift man hinunter und stellt den Benzinhahn auf Reserve. Wenn man noch viel Schwung hat, geht sich das während der Fahrt aus. Sonst heißt es stehenbleiben, die Vespa auf den Ständer heben und neu starten.).
Da ich ja meinen Reservekanister mit habe, kann nichts passieren.

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Bild: der Predil-Pass mit Kriegsdenkmälern aus der Monarchie

Ich fahre weiter, vorbei an geschichtsträchtigen Monumenten und später an dem Haus mit der netten Dame und den kläffenden Hunden und erreiche Tarvis.
Zwei Mal habe ich die Karte studiert und bin dann erst recht falsch gefahren. Das blöde italienische Straßenhinweissystem sollte mich noch ein letztes Mal erwischen. Auf einmal war ich auf der Autobahn und ärgerte mich fürchterlich, denn ich hatte keine Ahnung, in welche Richtung ich aufgefahren war. Vielleicht war ich ja Richtung Udine unterwegs, das wäre besonders blöd, denn dann gäbe es für viele Kilometer keine Abfahrt und somit keine Möglichkeit umzudrehen.
Nach einigen mulmigen Kilometern voller Ärger kam ich an die österr. Grenze und wusste, dass ich wenigstens in die richtige Richtung fuhr. Also Gas geben und durchziehen in der Hoffnung, keine Kontrolle zu haben. Dann die erlösende Ausfahrt in Arnoldstein. Auf einmal ändert sich alles. Die Bundesstraßen sind wieder breit und angenehm ruhig zu fahren, die Heimat hat mich wieder.

Ich fahre wieder ins schöne Rosental und bleibe in Finkenstein bei einem Supermarkt stehen, um mir ein paar Wurstsemmeln zu kaufen.

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Bild: die erste Wurstsemmel seit längerem

Das ist quasi das Symbol für meinen Magen: Du bist wieder daheim! Oder zumindest in Kärnten, wo der ÖAMTC flink zur Stelle ist und ich jede Menge Leute kenne, bei denen ich übernachten kann, wenn es notwendig ist.

Es passiert aber nichts und ich erreiche um 14:55 Klagenfurt, wo mich Rudi schon erwartet. Ich habe es mit nur zwei Pannen geschafft, wobei beide die Weiterfahrt nicht behindert haben. Man könnte nun spitzfindig sein und sagen, eine Panne ist nur eine Panne, wenn man mit dem Fahrzeug nicht weiterfahren kann, aber ich sehe das anders. Mit einem kaputten Tacho oder einem ausgefallenen Licht kann ich auch noch weiterfahren, aber das Fahrzeug ist nicht mehr wirklich verkehrstauglich. Ein Pickerl (bundesdeutsch: TÜV-Prüfplakette) würde ich so nicht mehr bekommen. Ich bezeichne es auch als Panne, wenn die Weiterfahrt entsprechend eingeschränkt ist, etwa weil sich ein Schaden ankündigt und es eher Zufall ist, wie viele Kilometer man noch kommt. Was aber am Schluss zählt, ist die Frage, ob man es auf eigenen Rädern bis nach Hause schafft oder nicht.

Ich bin auf jeden Fall froh, es bis Klagenfurt geschafft zu haben. Jetzt fehlt nur mehr ein Tag bis Wien, das müsste zu schaffen sein.

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Bild: Die Sprint hat durchgehalten und das Handtuch hat meinem Hintern die lange Fahrt erst möglich gemacht

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