Rom mit einer 39 Jahre alten Vespa – Tag 11

Dunkle Wolken hängen über den Bergen in der Richtung, die ich nehmen werde. Ich hatte zehn Tage Wetterglück, aber heute könnte sich das Blatt wenden. Davor hatte ich ein wenig Angst, weil hinten der Reservereifen oben ist, ein sechs Jahre alter Michelin S1, der sich auf der Fahrt überhaupt nicht abgenützt hat, also hart wie Holz ist. Damit wäre jede Regenfahrbahn eine Rutschpartie.
Ich nahm mir vor, bei beginnendem Regen sofort einen Unterschlupf zu suchen. Im schlimmsten Fall würde ich einen Tag zusätzlich brauchen, das wäre okay. Und es wäre fein, wenn es mich nicht gerade mitten auf der Pack erwischt.

Aber noch bin ich nicht so weit und noch regnet es nicht. Klagenfurt habe ich schnell hinter mich gelassen und steuere auf der Bundesstraße Richtung Völkermarkt. Ich kenne diese Straße gut, auch wenn ich sie lange nicht mehr gefahren bin. Zu meinen Studienzeiten an der Uni Klagenfurt gab es in den ersten Jahren noch keine Autobahn und man musste ab Wolfsberg über den Griffen und dann über Völkermarkt nach Klagenfurt fahren.
Das ist über zwanzig Jahre her und für mich so eine Art Nostalgieroute. Auch über die Pack bin ich vor knapp zehn Jahren das letzte Mal gefahren, mit der Aprilia Pegaso, einer Straßenenduro.

Ein paar Kilometer vor Völkermarkt ist es dann soweit. Der Motor fängt wieder an zu stottern und nimmt kein Gas mehr an. Also fahre ich rechts ran und beginne in bewährter Manier zu zerlegen. Jetzt weiß ich immerhin schon, wo ich suchen soll und ziehe die Schrauben des Schwimmerkammerdeckels noch einmal nach. Das hilft zwar nur mehr bedingt, weil die eine Schraube komplett ins Leere fährt, aber die andere lässt sich noch etwas fester ziehen. Sie geht nachher noch eine Zeit lang schlecht, dann aber bessert sich die Gasannahme und ich hoffe, dass der Motor bis Wien durchhält.

Die Pack ist von der Südseite noch steiler als auf der Nordseite und ich fahre recht gemächlich hinauf, schließlich habe ich es nicht sehr eilig, da ich schon um 07:55 aus Klagenfurt abfahren konnte. Es ist auch nicht mehr heiß und ich habe wieder die Windjacke übergezogen.
Dann ist es geschafft, die letzte ernstzunehmende Steigung ist erledigt, ich mache auf der Abfahrt in Edelschrott eine Pause. Dort ist ein Supermarkt und ich decke mich mit einem Vorrat Wurstsemmeln ein plus Wasser.
Ich merke, dass es hier empfindlich kühler ist und außerdem leicht zu nieseln beginnt. Unten im Tal scheint die Sonne und ich beeile mich mit der Weiterfahrt.

Das nächste Problem wird die Umfahrung von Graz. Ich möchte mich nicht quer durch die Stadt quälen müssen und eine echte Umfahrung gibt es nicht, außer auf der Autobahn.
Abgehärtet von Italien beschließe ich bei Unterpremstätten auf die Autobahn zu fahren und bis Gleisdorf durchzuziehen. Kontrollen sind erfahrungsgemäß selten und ich bin es gewohnt zu riskieren. Blöd wäre es nur dann, wenn mir die Kiste auf der Autobahn eingeht. Dann wäre ich in Erklärungsnot, aber ich hoffte, dass das nicht passiert.
Nacken und Hintern schmerzen unvermindert und lassen das Ziel Wien ausgesprochen erstrebenswert erscheinen.

Alles geht gut und ich fahre in Gleisdorf unerwischt von der Autobahn ab. Die 25 Kilometer haben mir mindestens eine halbe Stunde gebracht und die Sprint hat die Lassnitzhöhe locker und mit viel Durchzug in der Vierten genommen.

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Bild: Noch 141 Kilometer, Endspurt quasi

Jetzt geht es über die mir schon bekannte Bundesstraße durch die hügelige Steiermark weiter. Eine Mittagsrast lege ich noch ein und dann ziehe ich bis zum Wechsel durch. Das ist quasi die letzte Steigung, der letzte Berg, den es zu überwinden gilt.
Auch hier zeigt sich: Hinweg ist nicht gleich Rückweg. Der Anstieg bis Mönichkirchen erscheint mir ewig, aber schließlich ist auch das geschafft.

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Bild: Wechsel, die letzte Steigung ist geschafft

Allerdings nicht ohne eine weitere Panne, die Scheinwerferlampe ist ausgefallen. Mir ist das jetzt komplett egal, das Standlicht brennt noch und ich werde nicht in die Dunkelheit kommen.
Noch eine Tankfüllung in Grimmenstein und dann geht es schon Richtung Wr. Neustadt, wo ich mich auch nicht lange aufhalte. Dann rückt Wien immer näher und somit das Ziel der Reise, zumindest der Rückreise. Wenn ich jetzt noch eine Panne habe, dann ist das nicht so schlimm, dann holen mich Freunde mit einem Lieferwagen samt der Vespa ab.

Doch es passiert nichts und ich fahre über die Altmannsdorfer Straße auf die Westroute in den 18. Bezirk. Am Lidlberg weiß ich, dass ich es geschafft habe, denn von hier könnte ich fast bis nach Hause rollen.

Es ist ein schöner Moment, als ich die Sprint vor meinem Haus abstelle und das letzte Foto von dieser Tour schieße.

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Bild: Sprint zuhause

Zeit für ein Fazit:

Es war ausgesprochen anstrengend, aber erfolgreich.
Ich werde so eine Gewalttour sicher nicht mehr unternehmen.
Auf der Habenseite stehen gutes Wetter, kein Sturz, kein Diebstahl und ein Motor, der im Kern gehalten hat.
Auf der Sollseite stehen 11 Pannen, die mir teilweise enorm viel Kraft geraubt haben, die falsche Sitzwahl und der stark schmerzende Nacken.
die Abkürzung der Tour beruht auf den körperlichen Schmerzen, aber auch auf der psychischen Belastung des allein Reisens sowie der zermürbenden Sucherei nach den richtigen Straßen.
Von den gesteckten Zielen habe ich fast alle erreicht, nur das Piaggio-Museum in Pontedera und die Toskana müssen ein andermal mit mir vorlieb nehmen. Das ist verschmerzbar.

So sieht die Statistik aus:
Gesamte Fahrzeit inkl. Pannen und Mittagspausen: 62,5 Stunden
Gefahrene Kilometer: knapp 2.800
Verbrauch: 103 Liter Benzin und 2 Liter Zweitaktöl
Durchschnittsverbrauch: 3,81 Liter
Durchschnittsgeschwindigkeit inkl. Pausen und Pannen: ca. 50 Kilometer pro Stunde
Fahrtage: 9
Gesamtdauer der Reise: 11 Tage
Pannen: 11, davon 8 auf der Hinfahrt
Kosten: Für Sprit und Öl habe ich etwa gleich viel ausgegeben wie für meine eigene Nahrung: je 200 Euro. Die Übernachtungskosten lagen bei ca. 275 Euro. Die restlichen Kosten betrugen etwa 200 Euro (Ersatzteile, Fähren etc.) Gesamtkosten somit ca. 850 Euro.

Deutlich auf der Habenseite stehen die vielen netten Begegnungen mit wertvollen Menschen, denen ich teilweise viel zu verdanken habe. Und es gibt reichlich Material für das Buch, das schon halb fertig ist und auf die vielen Geschichten und Bilder wartet.

Ich habe mir meinen Traum erfüllt und war mit der Vespa in Rom. Und ich war auf der Via Appia Antica und habe dort meine Panini gegessen und meine Wasserflasche getrunken.
Möge mir nie was Schlechteres passieren.

Damit ist der Reisebericht zu Ende.

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