Rom mit einer 39 Jahre alten Vespa – Tag 9

Ein traumhafter Morgen in Urbino, es ist warm, aber nicht mehr drückend heiß. Das Frühstück kann mich nach wie vor nicht locken, aber eine Kleinigkeit geht schon. Außerdem habe ich immer noch zwei Äpfel von gestern, das würde bis heute Abend reichen.
Ich hole die Vespa aus der Garage und packe fertig. 07:55 ist eine perfekte Zeit um aufzubrechen. Es geht ständig bergab und die Sprint zieht wunderbar. Nur Pesaro fängt mich ein. Die Kerle haben in die andere Richtung die Abzweigung zur Umfahrungsstraße nicht ausgeschildert und so muss ich mich durch den Ortskern quälen.
Dann aber geht es gut dahin und ich beschließe, auch heute auf die Polizei zu pfeifen. Meine Fahrweise hat sich ohnehin der italienischen schon ein wenig angenähert und so ziehe ich in gerader Linie die S 16 und dann die S 309 durch. Die Verbotsschilder kümmern mich einen Dreck, ich fahre einfach. Wenn sie mich aufhalten, habe ich Pech gehabt.
Es passiert aber nichts und ich komme ziemlich gut voran. Das bedeutet nicht, dass die Fahrt ein Genuss wird, dafür sorgt schon mein Nacken, der sich brav eine halbe Stunde nach Fahrtantritt mit heftigen Schmerzen meldet. Sie verlangen Aufmerksamkeit, gehen nicht weg und die Dehnungs- und Entspannungsübungen während der Fahrt und bei den kurzen Pausen helfen nicht mehr. Sie haben eigentlich nie wirklich geholfen, aber irgendwas muss ich ja tun.

Wenigstens läuft die Vespa und ich hoffe natürlich, dass sich das bis Wien nicht ändert. Ich hätte statistisch gesehen ja schon mehr als genug Pannen gehabt, eigentlich könnte die Rückfahrt ja pannenfrei sein. Auch wenn mir das leider sehr unwahrscheinlich erscheint, aber vielleicht sind ja alle Schwachstellen schon zutage getreten und nur mehr der stabile Rest übrig, und der müsste durchhalten.
Ich muss ja auch durchhalten, wenngleich das nicht immer leicht ist. Vor und nach Ravenna kommen die elendslangen Geraden und heute habe ich sehr viele LKW vor und hinter mir. Irgendwie sind aber die Autofahrer heute entspannter als bei der Hinfahrt und ich habe wenig unangenehme Szenen zu verbuchen.

Mein Tagesziel Cavallino rückt näher und ich freue mich schon auf Helga und Sigi und diesen so freundlichen Ort mit den kläffenden Hunden und der angenehmen Ruhe. Bis auf ein paar Pausen zum Tanken und Wasser trinken fahre ich durch bis Venedig. Dort funktioniert die Orientierung wieder einmal überhaupt nicht. Ständig versuchen alle Schilder mich auf die Autobahn zu leiten. Ich verfahre mich und bin plötzlich auf der Verbindung von Mestre nach Venedig. Ich möchte mir gerne Venedig ansehen, das hätte ich schon bei der Hinfahrt gerne gemacht, aber nicht so. Ich kann die Vespa dort nicht stehen lassen und muss daher wieder umdrehen. Außerdem bin ich sauer und mein Nacken tut so weh, dass diese Kilometer Umweg keinen Spaß machen, vor allem nicht auf dieser komischen Straße, die gerade umgebaut wird und auf der es keinen Pannenstreifen gibt. Gleich daneben ist die Lagune und die stinkt ziemlich bestialisch.

Mir reicht es und ich nütze eine Lücke in der Betonwand, um sagenhaft unerlaubt umzudrehen. Dann ziehe ich durch bis Cavallino und schaffe es bis 13:55 Uhr. Ich bin zwar fix und foxi, aber nach einer Stunde kann ich mich aufraffen und beschließe Venedig zu besuchen.

Ich war noch nie in Venedig und Helga meint, ich solle auf jeden Fall etwa zwei Stunden einplanen. Mit dem Bus käme ich nach Punta Sabione und von dort mit der Fähre direkt in die Altstadt von Venedig.
Das ist ein guter Plan und ich fühle mich fit genug für eine heiße Tour in die Lagunenstadt.
Die Fähre kostet sportliche 14 Euro hin und zurück und es gibt ein ziemliches Chaos am Ticketschalter. Die Dame dahinter ist ein wenig überfordert, weil sie hinter einer dicken Panzerglasscheibe sitzt und über einen Lautsprecher mit den Kunden quäkt. Das sind meist Menschen, die nicht Italienisch sprechen, wobei selbst Italiener mit der verzerrten und leisen Elektronikstimme so ihre Probleme hatten. Daher versuchten die Venedigaspiranten am Lautsprecher vorbei zu kommunizieren, was jedoch auch entsprechend schwierig und nutzlos war.
So versäumte ich die erste Fähre, aber schließlich geht ja alle dreißig Minuten eine und ich kaufte mir ein Sandwich plus eine Flasche Wasser.

Die Fähre selbst ist voll und fährt pünktlich ab. Nach zwei Zwischenstopps erreichen wir Venedig und ich bin schon gespannt, wie es denn so ist in dieser legendären Stadt, die ich bisher nur einmal für wenige Minuten betreten konnte. Auf einer Romreise vor mehr als zwanzig Jahren lief ich schnell zu einer Brücke und wieder zurück zum Zug, der damals noch bis nach Venedig hinein fuhr und dort Station hatte.
Das war alles, aber diesmal wollte ich mehr sehen.
Dazu musste ich mich erst durch Touristenhorden schlängeln. Nicht dass ich selbst keiner wäre, sogar mit Sandalen und Fotoapparat, fast schon klassisch. Ich schlage mich gleich rechts in die Büsche (also eher in die Gassen) und lasse mich ein wenig treiben. Ich hatte mir Venedig nicht so groß vorgestellt. Ansonsten ist es ein riesiges Freilichtmuseum mit Realbetrieb und im Prinzip so wie ich es erwartet habe. Nur ein Motorbootrennen mit einer Schießerei und in der Mitte durchgefahrenen Gondeln fehlte. Wäre Venedig in USA, so hätten die das als Attraktion schon eingebaut, jeden Tag um 10 und noch einmal um 17 Uhr.
So machte die Stadt einen eher ruhigen Eindruck, wenn auch gefüllt mit tausenden Touristen. Das Erstaunlichste für mich waren die ständig neuen Perspektiven, die hinter jeder Ecke auftauchten.

Selbstverständlich musste ich einen Cappuccino trinken, das gehört einfach dazu. Und ich wollte wissen, ob das wirklich so unglaublich teuer wäre. Also suchte ich mir ein Plätzchen vor einem Café und bestellte. In der Auslagenscheibe gab es typisch venezianische Süssigkeiten zu kaufen, Mandelplätzchen und auch Apfelstrudel, angeblich auf venezianische Art und „typico“. Sie waren wohlfeil mit 2,50 Euro, genauso wie der Kaffee, der auf 3,70 kam, Sitzplatz und WC-Besuch inklusive.

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Bild: Cappuccino in Venedig

Das Ganze fand ein paar Gassen hinter dem Markusplatz statt und ich war durchaus nicht erschüttert. So viel kann man in Wien in der Innenstadt auch an jeder Ecke zahlen.

Ich marschierte weiter und beschloss, den Markusplatz großräumig zu umrunden und mich bis zur Rialto-Brücke durchzuschlagen. Ganz leicht ist das nicht, denn es gibt jede Menge Sackgassen. Venedig ist wie ein riesiger Irrgarten, aber ich hatte eine genaue Karte und außerdem gab es immer wieder Schilder, die den Weg zur Rialto-Brücke und zum Markusplatz anzeigten.

Ich schoss jede Menge Fotos, möchte hier aber nur eine Handvoll bringen, denn Bilder von Venedig haben die meisten schon selbst gemacht und sie unterscheiden sich nicht so stark voneinander.
Auf jeden Fall gibt es diese klassischen Gondoliere und sie haben tatsächlich meist so einen Strohhut auf und ein blau-weiß gestreiftes Shirt. Stau gibt es selbstverständlich auch.

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Bild: Gondoliere mit zahlungskräftigen Gästen aus aller Welt

Dann war ich an der Rialto-Brücke. Von unten sieht man Tourismus pur:

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Bild: Standeln und dahinter die Brücke

Alle Menschen, die auf diese Brücke gehen, fotografieren. Wirklich alle. Da durfte ich keine Ausnahme machen und ließ mich von anderen Touristen auch fotografieren. Also hier bitte, der Schmähführer auf der Rialto-Brücke:

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Bild: Guido in Venedig, klassisch

Geschäfte mit dem berühmten venezianischen Glas, Andenkenläden, jede Menge Ristorante und Kaffeehäuser – Venedig ist durchkommerzialisiert, aber das ist bekannt. Die kleinen Gässchen daneben, in denen Menschen wohnen und die teilweise ein wenig verfallen wirken und es angeblich auch sind, das ist Venedig, diese unglaublich bunte Mischung aus Museum und sterbender Realstadt übt durchaus ihren Reiz aus.

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Bild: Der Nachwuchs, der sich einmal um das sinkende Erbe der Väter wird kümmern müssen

Ich hatte meine eigene kleine Rallye, ich wollte die schmalste Gasse finden. Das ist in Venedig im Prinzip nicht so schwer, es gibt schmale Gassen zuhauf und auch sehr schmale Gassen. Ich fand einpaar richtig schmale, aber immer wenn ich dachte, das wäre es jetzt, fand ich noch eine schmälere. Im folgenden Bild die Siegergasse, die sicher punkto Breite noch unterboten werden kann. Hier konnten sich jedenfalls die Nachbarn von Haus gegenüber problemlos die Hand geben:

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Bild: die schmalste Gasse

So folgte ich den Touristenströmen und ging über die Ponte Academia abermals über den Canale Grande und schließlich zum Markusplatz. Der ist wirklich riesig, vor allem für die sonstige Platznot in Venedig. Es gibt auch die berühmten Cafés, und zwar drei große. Zwei davon sind direkte Nachbarn und jedes hat eine Kapelle. Damit sie sich nicht kannibalisieren spielen sie je ein Stück und dann kommt die andere dran.

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Bild: die beiden Kapellen

Und der Kaffee ist auch (nicht mehr) so teuer wie alle gesagt haben. In Italien gilt ja fast überall die Unterscheidung, ob man den Kaffee im Stehen trinkt oder sich niedersetzt. Im Stehen bekommt man ihn manchmal schon um 80 Cent, plus Sitzplatz kostet er in so einem Fall dann 1,60 oder zwei Euro.
Im August 2012 kostete der Espresso inklusive Niedersetzen 4 Euro. Das ist das Vierfache von irgendwo anders irgendwo in Italien. Aber es ist der Preis vom Markusplatz und wer einmal im Leben dort ist, kann sich das schon gönnen.

Ich hatte meinen schon woanders getrunken und es war langsam an der Zeit, zur Mole zurück zu kehren und Venedig zu verlassen. Ich war auch schon müde und sehr hungrig.
Die Rückfahrt verlief unspektakulär und ich ging Abends wieder in die „La Lanterna“, um erneut eine Pizza zu verdrücken.
Diesmal hatten sie nicht auf Anhieb einen Platz für mich und ich kam auf eine Art Warteliste, die konsequent abgearbeitet wurde. Nach ca. 25 Minuten hatte ich meinen Platz und bestellte meine Standard-Pizza (Cardinale bei uns, Prosciutto in Italien), mit der ich die Qualität sozusagen weltweit vergleichen und einstufen kann.
Kurz und gut, es war die beste Pizza seit sicher zehn Jahren. Daher beschloss ich, mich zu belohnen und bestellte ein Tiramisu. Ich liebe Tiramisu und hatte schon in Rom in der Trattoria und am Vortag in Urbino eines gegessen. Die waren beide okay bis gut, und vor allem individuell gestaltet.
Aber diesmal war es anders. Das Tiramisu war schlichtweg der Hammer. Ich hatte schon ewig kein besseres mehr bekommen, selbst wenn man den Romantikfaktor abzieht.

Sehr zufrieden und mit vollem Bauch marschierte ich durch die warme Nacht nach Hause. Morgen würde ich Österreich wieder sehen, zumindest wenn bis dorthin mit der Vespa alles klappt. Immerhin hatte ich den zweiten pannenfreien Tag hinter mir.

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