Wie Amazon den Buchmarkt aufmischt

So heißt eine Doku, die vor ein paar Tagen auf arte lief. Das Thema ist mir zwar nicht neu, aber die Aspekte, die in der Sendung besprochen wurden, werfen doch einen neuen Blick auf ein heikles Thema: Wie entwickelt sich der Buchmarkt?

Die folgenden Ausführungen sind vor allem für AutorInnen und Bücherfreunde interessant.

Amazon bietet Menschen, die gerne Bücher schreiben, diese aber mangels Interesse der Verlage nicht publizieren können, eine neue Möglichkeit. Bisher konnten sie mehr oder weniger nur Plattformen wie Book On Demand nützen, um ihre Bücher in Eigenfinanzierung drucken zu lassen. Das wurden und werden durchaus sauber produzierte Werke, für deren Vermarktung der Autor/die Autorin jedoch selbst sorgen muss.
Meistens scheitert es daran.

Nun gibt es die Möglichkeit auf einer Internetplattform, die von Amazon zur Verfügung gestellt wird, ein Buch zu produzieren und zu veröffentlichen. Es handelt sich dabei um ein E-Book, das sich Amazonkunden runterladen und dann auf einem Reader oder Computer lesen können. Das ist relativ neu.
Sehr neu ist der Preis, der in der Bücherwelt wie eine Bombe einschlägt. Romane werden etwa um 1,49- Euro angeboten. Das ist ca. ein Zehntel des ansonsten schon billigsten Preises.

Selbst die günstigsten Taschenbücher, die mit sehr niedrigen Druckkosten weil hohen Auflagen erzeugt werden, können da nicht mithalten.

Wie sieht es aber mit der Qualität aus? Sind diese Bücher zwangsläufig schlechter als andere, die von Verlagen produziert werden? Schließlich entscheiden hier wie dort letztlich die Leserinnen und Leser und das tun sie auch online. Allerdings tut es weniger weh, wenn man um 1,49 Euro Mist gekauft hat als um 14,90 Euro.

Amazon bietet seinen Autoren bis zu 70% Rendite – ein Verlag bietet normalerweise zwischen 5 und 12%, in Ausnahmefällen bis zu 30%. Das lockt die Kunden, die in diesem Fall Autorinnen und Autoren sind.
Ein Verlag bietet eine Vielzahl von Leistungen: Lektorat, Produktion des Buches (Layout, Cover, Druck) sowie Vermarktung (Lagerung, Logistik, Versand, Werbung). Das sind meist Leistungen, die ein Autor nicht erbringen kann oder/und will.

Die meisten dieser Leistungen bieten Self-Publishing-Plattformen nicht an. Aber man braucht sie auch nicht. Gerade mal Covergestaltung und Lektorat sowie ein gewisses Layout sind notwendig, letzteres aber schon sehr eingeschränkt. Lagerung, Logistik und Versand fallen weg oder werden durch die Internetplattform von Amazon erledigt. Selbst die Covergestaltung kann man günstig kaufen oder selbst machen – vielleicht nicht in der Qualität eines Verlages, aber auch hier gibt es bessere und schlechtere und manchen Konsumenten ist das auch nicht so wichtig – Hauptsache der Preis stimmt.

Nun kann man einwenden, dass der Buchmarkt mit minderwertigen Büchern überschwemmt wird. Aber stimmt das auch? Setzen sich hier ebenfalls die guten gegen die schlechten Bücher durch?
Wie immer (oder meistens) entscheiden die Leserinnen und Leser, was sie lesen bzw. kaufen wollen und was nicht. Das Problem des klassischen Buchhandels ist tatsächlich der Preis, denn das Lesen auf einem Reader ist für viele Menschen (mich eingeschlossen) keine wahre Freude. Ich glaube, dass nicht viele Menschen E-Books kaufen, weil sie kein Buch aus Papier wollen. Sie nehmen es eher in Kauf und genießen vielleicht noch die Zusatzvorteile, etwa dass man sich sehr viele Bücher auf einem relativ kleinen Gerät speichern und dann z.B. im Urlaub auswählen kann.

Die Preissensibilität betrifft nicht nur die Bücherwelt, sondern sehr viele Bereiche. Menschen kaufen sich lieber ein billiges Auto als gar keines. Wir haben gelernt gute Konsumenten zu sein. Das trifft auch dann zu, wenn wir weniger Geld zur Verfügung haben. Wir wollen deswegen auf keinen noch so kleinen Teil des Konsums verzichten. Wir kaufen die Markenware dann im Outlet statt in der Stadtboutique, aber wir kaufen nach Möglichkeit die gleiche Menge wie früher.
Dazu kommt noch, dass wir strategisch planen: Wer bei Büchern spart, hat für andere – wichtigere – Dinge mehr Geld.

Amazon tut dies nicht aus Menschenfreundlichkeit. Sie wollen viel Geld verdienen und haben ausschließlich den Profit auf ihrer Interessenliste. Am meisten Profit macht man als Monopolist und wenn man die gesamte Wertschöpfungskette unter Kontrolle hat. Idealerweise lagert man teure bzw. komplizierte Vorgänge und Teile der Wertschöpfungskette jedoch aus: Dies schafft Amazon, indem es die Autorinnen einige Verlagsarbeiten selbst machen lässt, wie etwa die Coverproduktion.

Mit ihrem Angebot decken sie das alles ab: Der Reader „Kindle“ kann nur bei Amazon gekaufte Bücher darstellen.
Aber Amazon hat ein verlockendes Angebot für die Autoren: Viele haben schon schmerzlich erfahren, wie weh es tut, wenn man von einem oder gar vielen Verlagen abgelehnt wird, oft mit irgendwelchen standardisierten Erklärungen. Amazon lehnt niemand ab. Hier ist jede und jeder willkommen und kann mit viel Hilfe und wenig Aufwand ein Buch veröffentlichen – oft ein Traum hoffnungsfroher Schreiberlinge.

Nun geraten aber die Verlage immer mehr unter Druck. Sie sind in den letzten Jahren schon geschrumpft und mussten harte Zeiten durchmachen. Oft müssen sie mit einem erfolgreichen Buch drei oder vier Ladenhüter finanzieren. Die öffentlichen Druckkostenzuschüsse werden auch weniger und der Markt wird riskanter. Pro Jahr erscheinen allein im deutschen Sprachraum über 100.000 neue Bücher. Da wird der Weg ans Licht schon wegen der schieren Menge immer länger und der Markt wird schwieriger. Dazu kommt noch, dass eine Handvoll großer Verlage (allen voran Bertelsmann) die kleinen unter Druck setzen und sich langsam oder auch schnell einverleiben. Die Verlage sind gar nicht mehr in der Lage sich mit den zugesandten Manuskripten genau auseinander zu setzen.
All das wird durch die neue Entwicklung noch verschärft. Zudem verändert sich auch der Konsument: die gut betuchte ältere Dame, die gerne durch Buchhandlungen streift und die Empfehlungen der netten Buchhändlerin gerne und oft in Kauf umsetzt, wird seltener. Die meisten Menschen haben Internet und kennen Amazon, die Schwelle ist niedrig, hier einzukaufen. Noch dazu dient es der Bequemlichkeit, man macht einen Knopfdruck und bekommt blitzschnell ein Buch zugeschickt. Dank der Kreditkarte kann man später zahlen, was ein weiterer Vorteil ist, den nicht alle Buchhandlungen bieten können.

Als ob das noch nicht genug wäre – aber es geht weiter: über Amazon finden Autoren ihr Zielpublikum. Ich kann mich selbst als Beispiel nehmen. Vor der Publikation meines ersten Vespa-Buches stand ich vor dem Problem den richtigen Verlag zu finden. Da ich zuvor schon zehn Bücher bei sechs Verlagen publiziert hatte, war mir die Schwierigkeit bewusst: ich müsste nicht nur einen Verlag finden, der sich das Buch zutraut, sondern auch einen, der den Zugang zum Markt hat.
Verlage haben nämlich nur einen eingeschränkten Zugang, der über einige Kommunikationskanäle geht: Sie können Werbung machen und die Info über eine Neuerscheinung damit mehr oder weniger breit streuen. Sie können Kataloge für Buchhandlungen herausbringen und Agenten durch die Lande schicken. Danach wird die Suppe aber schon sehr dünn. Verlage sind darauf angewiesen, dass Buchhändler ihre Werke präsentieren und bewerben. Sie müssen darauf hoffen, dass sie mit beschränkten Werbemitteln einen Erfolg erzielen. Das wird immer schwieriger, weil die Werbebudgets ständig sinken.

Amazon ist hier viel entspannter: Sie haben eine Unzahl Kunden und keinerlei Platzprobleme bei der Lagerung, speziell bei E-Books. Sie können ein Buch über Jahre im Angebot lassen ohne ein einziges Exemplar verkaufen zu müssen, während Verlage gezwungen sind, unverkäufliche Bücher schnell auszusortieren und dann auch noch für die Vernichtung zu zahlen.
Aber Amazon hat noch ein weiteres Plus zu bieten: Sie erreichen das Zielpublikum wesentlich besser, zumindest in vielen Fällen. Nehmen wir mein Vespa-Buch. Die meisten Exemplare verkaufe ich über Amazon, weil mein Buch dort gesucht wird. Die Menschen aus dem gesamten deutschen Sprachraum loggen sich ein und suchen nach dem Stichwort „Vespa“, wenn sie einem vespa-begeisterten Menschen ein Buch über seine Leidenschaft schenken wollen. So finden sie mich. Sie könnten natürlich auch in eine Buchhandlung gehen und dort fragen und viele tun das auch. Der Buchhändler kann aber auch nur im VLB (Verzeichnis Lieferbarer Bücher) im Internet nachsehen und findet dort eine Liste. Da er selbst meist kein Spezialist ist, kann er nicht einmal eine Empfehlung geben. Bei Amazon hingegen findet man Online-Kritiken.

Amazon wirkt nicht nur übermächtig, sie sind es auch. Die enorme Größe gibt ihnen nicht nur theoretisch eine Marktmacht, sondern auch praktisch, und das auch noch weltweit. Sie können mit ihrer Kriegskasse so ziemlich jeden Gegenspieler umbringen. Das funktioniert vor allem in den USA gut, die fast durchwegs monetär gesteuert werden. Ganze Landstriche sind bereits von Buchhandlungen befreit worden und wenn Amazon etwas nicht bekommt, setzt es einfach so viel Geld ein, bis der gewünschte Erfolg vorhanden ist.
Kritiker vergleichen Amazon bereits mit Nestlé oder Monsanto, aber sie sind meiner Ansicht nach einfach ein Produkt ihrer Zeit. Wenn wir Amazon nicht wollen, dann müssen wir in Buchhandlungen gehen und Bücher aus Papier lesen. Allerdings dringt Amazon auch schon in diesen Markt ein. Und für Autoren wie mich haben der klassische Buchhandel sowie die Verlagslandschaft derzeit leider kein Angebot. Ich werde weiterhin im Eigenverlag publizieren, und zwar ausschließlich mit gedruckten Büchern. Zumindest glaube ich das derzeit.

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