Wieder in Afrika – Tag 12

Ich bin auch ohne Wecker wach, bereits um vier Uhr, genauso wie Philipp und Thomy. Wir haben bereits alles gepackt und ich marschiere ein paar Meter nach vor zum Schranken, wo der Taxifahrer bereits auf uns warten müsste.
Tut er aber nicht – okay, er hat noch fünf Minuten Zeit. Wobei, so genau darf man das mit der Zeit bei den Afrikanern nicht halten, wie ich ohnehin schon öfter berichtet habe. Andererseits halten sie es am Flughafen sehr genau mit der Zeit und weil es ein „International Flight“ ist, müssen wir zwei Stunden vorher dort sein. Da ich über die „Precision Air“ nicht allzu viel Gutes gehört und gelesen habe, möchte ich lieber kein Risiko eingehen, so à la „der Flug ist überbucht und Sie sind leider zu spät hier“.
Es wäre also sehr fein, wenn der Taxifahrer pünktlich wäre, vor allem, weil er es inzwischen ohnehin nicht mehr ist, denn es ist schon 04:40 Uhr und er ist immer noch nicht da.
Die Securities am Schranken bieten mir einen Platz auf ihrer Bank an, was sehr nett ist, mir aber auch nicht weiter hilft. Also rufe ich den Typen an. Es läutet, dann hebt jemand ab und gähnt in den Hörer. Jemand, der offensichtlich gerade tief geschlafen hat.
Mir schwant Übles und ich frage ihn, wo er bleibt. Nach ein wenig Herumgestottere meint er, dass wir doch erst für morgen ausgemacht hätten.
Meine Stimme wird etwas lauter und ich frage ihn, ob er ein klein wenig deppert ist, denn es war sicher nie von morgen die Rede.
All das hilft uns aber jetzt nicht weiter. „Wann kannst du da sein?“ ist die entscheidende Frage, denn das hängt davon ab, von wo er wegfährt.
Er meint, dass er in zwanzig Minuten hier wäre.
Ich weiß nicht, ob ich ihm das glauben kann und bestehe noch darauf, dass er blitzschnell ist und tatsächlich nur zwanzig Minuten braucht.
Die Securities grinsen und meinen, 20 Minuten können auch eine Stunde sein, oder so. Und sie fragen mich, ob ich nicht ein Uber rufen könnte. Da ich nicht einmal wusste, dass es in Nairobi Uber gibt, fällt diese Möglichkeit flach und ich überlege fieberhaft, welche Alternativen wir noch hätten, während Minute um Minute vergeht.
Unser Torwächter in den Lake View Studios meint, er hätte auch noch 2-3 Nummern von Taxlern, aber die würden ebenfalls 20 bis 30 Minuten brauchen um herzukommen. Das hilft mir auch nicht weiter, genauso wenig wie die beruhigenden Worte des Torwächters, dass sich das alles schon noch irgendwie ausgehen würde.
Entspannt ist anders, und das alles zur wohl denkbar schlechtesten Gelegenheit. Ich beschließe mich einfach in das Schicksal zu fügen und zu hoffen, dass der Fahrer tatsächlich bald auftaucht.
Ein Auto biegt unten von der Hauptstraße ab und kommt zu uns herauf. Ich will schon jubeln, da meinen die Securities, dass das leider nicht mein Taxi wäre.
Also weiter warten. Minuten verrinnen. Es ist 05:10 und um 05:30 müssen wir am Flughafen sein. Das geht sich nicht mehr aus.
Plötzlich noch ein Auto – und tatsächlich, das ist unser Fahrer. Ich überlege, wie heftig ich ihn schimpfen soll, damit er einerseits genügend Gas gibt und andererseits nicht zu waghalsig fährt.
Scheinbar treffe ich die richtige Mischung und wir starten los. Glücklicherweise sind die Straßen um diese Zeit komplett frei und wir sind in wenigen Minuten unten am Uhuru Highway, den der Taxler mit 120 nimmt – mitten in der Stadt, wohlgemerkt.
Auch die Schnellstraße zum Flughafen ist relativ unbefahren und der Taxler schlängelt sich zwischen LKW und dem einen oder anderen unbeleuchteten Ochsenkarren durch, alles mit einem gepflegten Hunderter.
Dann kommen wir zum Flughafen und ich sehe eine Art Mautstelle mit 5-7 Schaltern, an denen je eine Kolonne steht. Der Fahrer erklärt uns, dass wir hier aussteigen und durch eine spezielle Kontrolle gehen müssten. Nur der Fahrer darf im Auto bleiben.
Das ist neu und damit habe ich nicht gerechnet, andererseits haben wir bei der Fahrt gut Zeit aufgeholt.
Wir hirschen durch die Kontrolle, steigen wieder ein und fahren zum Check-in. Dann funktioniert glücklicherweise alles weitgehend reibungslos, zumindest für kenianische Verhältnisse. Gezählte sechs Passkontrollen später haben wir es geschafft und sind im Abflugbereich.
Wir haben noch fast zwei Stunden Zeit und investieren die letzten Kenia-Shillinge in ziemlich trinkbaren Kaffee der inzwischen sehr weit verbreiteten Kaffeehauskette „Java“, vergleichbar mit unserem Starbucks, nur afrikanischer. Immer wieder spannend ist die unglaubliche Vielfalt an schrägen Typen, die hier herumsitzen. Vom Käptn Iglo in voller Safarimontur über dicke Mammies mit noch dickeren Kindern bis zu einer großen Menge an Chinesen, die wohl in diesen sterilen Fabriken arbeiten, die wir des öfteren gesehen haben. Man hat das Gefühl alle schrillen Vögel dieser Welt sind am Jomo Kenyatta Airport in Nairobi, und zwar immer dann, wenn wir gerade fliegen.

Tatsächlich fliegen wir mit Kenyan Airways, weil es sich hier um einen Codeshare-Flug handelt, der leider nicht direkt nach Sansibar geht, sondern eine Zwischenlandung am Kilimanjaro-Airport einlegt.
Das stört uns aber nicht, denn jetzt sollte nichts mehr schief gehen und ob wir ein wenig länger brauchen oder nicht, ist egal.

Der Flug verläuft angenehm, Kenyan Airways erweist sich als eine durchaus brauchbare Fluglinie, zumindest bei diesem Linienflug.
Nicht ganz so angenehm ist der Blick auf den Kilimanjaro, denn was ich befürchtet habe, ist Fakt geworden: Kein Eis mehr auf einem der schönsten Berge der Welt.

kili.jpg

Bild: Der Kili ist nahezu eisfrei

Schon vor elf Jahren, als ich das letzte Mal oben war, war die verbliebene Eismenge der wenigen Gletscher bereits enorm geschrumpft, aber jetzt sind nur mehr winzige Reste zu erblicken.
Angesichts dieser Entwicklung der Klimawandel zu leugnen kann wirklich nur mehr Fanatikern einfallen. Nun könnte man ja sagen: wurscht, wozu braucht man einen Gletscher? Leider hat die Entwicklung verheerende Folgen für das Umland des Kili, das von seinen Wasservorräten am Leben gehalten wird: Land- und Forstwirtschaft, genau genommen die wirtschaftliche Existenz von sehr vielen Menschen. Ohne Gletscher wird sich hier alles verändern und zwar ziemlich schnell.
Mir ist klar, dass auch mein CO2-kompensierter Flug zu dieser Entwicklung beiträgt, diskutieren kann man maximal über das „wie viel“. Vielleicht sollte man die CO2-Kompensation einfach auf alle Flugpreise drauf schlagen, bei den Witzpreisen, zu denen man heute überall hin fliegen kann, wäre das absolut angemessen. Ob das wirklich was hilft, kann ich auch nicht sagen, es würde aber zumindest ein Bewusstsein wecken und vielleicht fragen sich dann manche, ob man wirklich für den Einkauf eines Kleides nach New York fliegen muss.

Der Aufenthalt am Kilimanjaro-Airport ist kurz und trotzdem versäume ich die Gelegenheit auf´s WC zu gehen. Als wir zur Startbahn rollen, drückt es schon ordentlich (jaja, der Cappuccino…) und ich rechne mir aus wie lange es dauern wird, bis die Reiseflughöhe erreicht wird und ich mich erleichtern kann.
In der Kenyan Airways sehen sie die Vorschriften allerdings eher locker und das Anschnallzeichen erlischt noch während wir im vollen Steigflug sind. Ich pinkle zwar etwas schief, aber das ist mir egal.

Dann das Meer und kurz danach Sansibar. Wir fliegen mitten über die Stadt und es ist gut zu erkennen, wie unglaublich verhüttelt Sansibar Town ist, von oben sieht man eine wahre Wellblechdach-Orgie.
Der Flughafen ist winzig und wir marschieren vom Flugzeug zur Ankunftshalle, die tatsächlich aus genau einer Halle besteht, mit drei Gepäckbändern und ein paar gelangweilten Securities.
Einer ist sogar so gelangweilt, dass er vergisst von Thomy die 50 Dollar Visumgebühr zu kassieren und so sparen wir gleich zu Beginn wieder etwas Geld. Eigentlich ein netter Empfang, denn man braucht zur Einreise eine gelbe Impfkarte, die ich nicht habe. Aber auch das sehen die hier locker, die Impfkarte von Thomy reicht für uns beide.
Trotz der Nähe zum Meer ist es hier unfassbar heiß, ich schätze so um die 40 Grad. Draußen vor der Halle wartet schon Pandu, unser Fahrer. Vorher marschiere ich aber noch zum Office von Precision Air, um zu fragen, ob wir nicht doch die doppelt gebuchten Flüge zurückerstattet bekommen könnten.
Das Büro ist gut klimatisiert und mir wächst eine Kältefaust ins Gesicht. Die Dame von Precision Air ist sehr nett, kann mir aber auch nicht weiter helfen. Aber sie gibt mir die Telefonnummer eines Kollegen, den ich anrufen soll. Ihm könnte ich meinen Fall schildern und er wäre genau der Richtige.
Wir ziehen von Dannen, ducken uns erfolglos vor der Hitzefaust im Freien und noch einmal vor der Kältefaust der Air Condition in unserem Bus.

Pandu ist ein witziger Typ und wird die nächsten Tage unser Fahrer sein. Sein Automatik-Minibus ist top gepflegt und ich bin mir nur nicht sicher, ob ich die Klimaanlage mag. Einerseits ist es unglaublich heiß, andererseits weiß ich, dass ich Klimaanlagen nicht vertrage. Manchmal hol ich mir eine Verkühlung schon nach wenigen Minuten. Ich kann es Thomy und Philipp aber nicht antun das Abschalten der Klimaanlage zu verlangen.
Wir fahren durch Sansibar Town und bleiben beim Gemüsemarkt stehen, um für die nächsten Tage Obst und Gemüse für unser Frühstück einzukaufen. Pandu fragt uns, was wir gerne essen und kauft das dann frisch ein.

obst.jpg

Bild: Bunte Farben an einem der Gemüse- und Obststände

tuna.jpg

Bild: Frischer Thunfisch

Danach fahren wir Richtung Süden und halten nur noch kurz um Geld zu wechseln. Das spielt sich genau so ab, wie man es sich vorstellt. Pandu schleppt uns in eine dunkle Gasse in ein noch dünkleres Geschäft, in dem ein wirklich dunkler Typ sitzt, eine Art Padrone. Bei ihm kann man nicht nur alle möglichen Waren einkaufen, sondern auch Geld wechseln, mehr oder weniger offiziell. Rechnung gibt es keine, aber wir bekommen einen ganz guten Kurs und Pandu wird schon irgendwie mitschneiden.
Es geht weiter und Philipp bekommt das erste Mal feuchte Augen. Egal wohin er schaut – hier fahren überall Unmengen an LML-Rollern herum. Dazu muss man wissen, dass Philipp selbst LML-Händler ist (ihm gehört das Rollerkabinett in der Kreuzgasse in Währing). Sansibar stellt sich als der Traum aller LML-Händler heraus, auf dieser kleinen Insel wurden wahrscheinlich mehr Roller verkauft als in ganz Europa zusammen. Pandu gibt uns später die Info, dass so eine LML hier als Neufahrzeug 1.000 Dollar kostet. Bei uns ist man mit 2.500 Euro dabei, bekommt dafür allerdings Getrenntschmierung und vorne eine Scheibenbremse.

lml.jpg

Bild: Ein paar von einer gefühlten Million LML-Roller

Sansibar ist komplett flach, die größte Erhebung wird ca. 30 Meter hoch sein. Die Insel ist ausgesprochen fruchtbar und wir fahren auf einer sehr gut ausgebauten Straße in den Süden nach Jambiani, einem Küstenort im Südosten, der uns von mehreren Freunden wärmstens empfohlen wurde. Die Fahrt dauert ca. eine Stunde und kostet uns 50 Dollar.
Dafür bekommen wir von Pandu auch jede Menge wertvolle Informationen und haben eine recht entspannte Fahrt, unterbrochen nur durch eine kurze Pause.

pause.jpg

Bild: Wir halten um ein klein wenig Stoffwechsel zu betreiben: Pinkeln im Wald, eine King-Coconut bei einer netten Verkäuferin am Straßenrand.

Schon im Verkehr zeigt sich, dass die Menschen in Sansibar ziemlich relaxed sind, man fährt nicht aggressiv und rast auch nicht wie bei uns. Bis auf einen kleinen Stau im Zentrum der Hauptstadt hält sich der Verkehr auch sehr in Grenzen. Viele grüßen einander und Pandu dürfte mit allen Polizisten der Insel gut befreundet sein.
Jambiani selbst ist ein interessanter Ort, der aus zwei Teilen besteht – die Häuser in der ersten Reihe am Meer gehören Weißen und sind meist sehr schön mit den berühmten Makuti-Dächern (Palmblätter auf Holzdachstuhl, alles sehr luftig), dahinter sieht es nicht sehr schön aus.
Unser Haus ist ein Traum und wir befinden uns schlagartig im Tropenparadies. Davon werde ich morgen noch mehr berichten.

Am Abend stehen wir noch vor dem Problem, wohin wir essen gehen sollen bzw. können. Wir befinden uns bereits in der Nachsaison und viele Restaurants haben geschlossen oder sehr eingeschränkten Betrieb. Wir entscheiden uns für ein Hotel, dessen Restaurant im 1. Stock liegt. Sie haben kaltes Bier und eine reichhaltige Speisekarte. Ich wähle Lobster Thermidor, den ich seit vielen Jahren nicht gegessen habe. Das kostet 22.000 Tansania-Shilling, was umgerechnet 10 Euro sind, das Bier kostet dafür 2 Euro – was für ein Verhältnis!

lobster.jpg

Bild: Lobster Thermidor – die Portion ist nicht sehr groß, der Preis auch nicht.

Als wir gegen 22 Uhr nach Hause gehen, ist am Strand bereits Ebbe und wir können gemütlich bis zu unserem Haus wandern. Der erste Eindruck von Sansibar und Jambiani ist ein sehr guter und als Tagesabschluss weht auch noch ein kräftiger Wind, der böse Gedanken und die größte Hitze plus die Moskitos vertreibt (auf Sansibar gibt es sowieso keine Malaria), quasi als Gute-Nacht-Geschenk, das wir gerne annehmen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert