Wieder in Afrika – Tag 15

Pandu ist tatsächlich relativ pünktlich, denn wir planen um 10 Uhr zu einer Spicefarm zu fahren. Es gibt auf der Insel nur wenige Straßen, die Hauptstraßen sind sehr gut in Schuss und wir kommen flott voran, wenngleich Pandu generell einen sehr gemächlichen Fahrstil hat. Was mich ein wenig nervt ist die ständige Blinkerei. Immer wenn etwas entgegen kommt, blinkt Pandu. Er möchte damit hinter ihm fahrende Autos darauf aufmerksam machen, dass sie jetzt nicht überholen können. Das klingt einigermaßen vernünftig und passt irgendwie auch zum Stil des hiesigen Fahrens.

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Bild: Die Straße führt durch sehr fruchtbares Gebiet

Pandu blinkt aber auch, wenn hinter uns gar niemand ist. Er macht das aber sehr bewusst und akribisch und irgendwie macht mich das ein bisschen fertig.
Es gibt wohltuend wenig Autoverkehr auf der Insel, die meisten fahren mit LML-Rollern und oft wartet jemand am Straßenrand darauf, dass er mitgenommen wird.
Pandu meint, ca. 60% der Autofahrer haben gar keinen Führerschein. Da aber alle recht vorsichtig fahren, gäbe es eher wenig Unfälle. Wir wollten uns ja auch Roller ausborgen und ich hatte sogar einen Helm mit, es wurde aber nichts daraus, weil wir dafür einen internationalen Führerschein bräuchten, den Thomy und Philipp nicht haben. Es wäre ohnehin nur mäßig lustig gewesen, denn die Straßen geben nicht wirklich was her, und man hat überall Polizeikontrollen.
Pandu ist ja ein mehr als nur gemäßigter Salafist, auch sein sehr dezenter Bartwuchs lässt vielleicht nur dezente Radikalität zu. Das trifft auch auf seinen Fahrstil zu.
Wir fahren an 200 Jahre alten Mangobaum-Alleen vorbei und sind nach ca. einer Stunde Fahrzeit bei der Spice Farm. Es gibt davon eine ganze Menge und Pandu führt uns zu einer seiner Wahl. Da wir erstens den Unterschied zu anderen nicht kennen und ihm außerdem vertrauen, passt das sehr gut.
Es gibt private und staatliche Farmen, unsere ist eine Touristen-Farm, wo zwar auch Gewürze für den Verkauf erzeugt werden, das Geschäft aber in erster Linie auf Besichtigungen bzw. Vorführungen ausgelegt ist. Der Staat hat übrigens das Monopol auf Gewürznelken, die für den Export bestimmt sind und für den Export ganz generell.
Empfangen werden wir von „Mr. Spice“, wie ihn uns Pandu vorstellt (wahrscheinlich heißen die alle Mr. Spice). Sein Vater begründete die Farm 1972 und heute führt er sie als Familienbetrieb.
Die Tour selbst ist sehenswert, wir werden von einer Pflanze zur anderen geführt und Mr. Spice lässt uns raten, worum es sich jeweils handelt. Ich errate recht viel, aber auch für Thomy und Philipp ist die Tour sehr interessant. Thomy arbeitet ja in einer Gewürzfirma und sieht hier zum ersten Mal wie die Pflanzen der Gewürze aussehen, die sie in die Firma geliefert bekommen.
Wir bekommen so viele verschiedene Früchte und Gewürze präsentiert, dass ich sie weder alle fotografieren konnte noch kann ich sie jetzt hier aufzählen oder beschreiben. Ein paar davon darf ich als Beispiel präsentieren.

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Bild: Die tollste Frucht ist „Mangostan“, die ich bisher so überhaupt nicht kannte. Sie hat nichts mit Mangos zu tun, sondern sieht eher aus wie mehrere Lychis ineinander. Der Geschmack ist sensationell, leicht säuerlich und mir vollkommen unbekannt.

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Bild: Hochinteressant ist auch der Zimtbaum. Unter anderem wird hier die Rinde verwertet. Es wird jeweils ein Drittel heruntergeschnitten, dadurch überlebt der Baum und die Rinde wächst wieder nach. Es sind übrigens alle Bäume, die interessante Früchte haben, auch ausgesprochen attraktiv anzusehen.

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Bild: Vanille ist eher rar und unglaublich aufwändig in der Erzeugung. Mr. Spice erklärt uns genau wie die unzähligen Arbeitsschritte ablaufen.

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Bild: Eines meiner Lieblingsgewürze ist Kardamon. Er wächst auf unscheinbaren Sträuchern als Kapseln knapp über dem Boden. Sehr interessant.

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Bild: Das ist die Brotfrucht, die hier tatsächlich als Brot verwendet wird. Bei uns ist sie vollkommen unbekannt und man bekommt sie auch in exotischen Läden nicht zu kaufen.

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Bild: Besonders schön sind Muskatnüsse.

Als Abschluss der Tour bekommt jeder von uns ein Armband und eine Krawatte, die vom Assistenten aus Palmblättern geflochten werden. Wir bekommen außerdem ein erstklassiges Mittagessen in einer Art kleiner Halle serviert, Am Boden sitzend essen wir verschiedene Gewürzreisgerichte mit einem Gemüse, von dem ich noch nie auch nur gehört habe. Dazu gibt es Thunfischfilets und Mineralwasser.

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Bild: Das Mittagessen

Es ist das beste Essen des Urlaubs, jeder Bissen eine Geschmacksexplosion und gesund obendrein. Genau das würde ich in Jambiani auch gerne essen, da könnte ich auf all die Calamari fritti und Pommes locker verzichten.
Leider gibt es das nur hier, es ist einheimisches Essen, in dem Sinn nichts besonderes, günstig und gut zugleich. Mir ist unbegreiflich, warum wir das in Jambiani nicht bekommen können, in keinem der Restaurants.
Möglicherweise ist es so wie an vielen Orten dieser Welt, an denen die Touristen das Sagen haben, denn die meisten haben Angst vor allem, was nicht wie daheim schmeckt. Daher wollen Sie Schnitzel und Burger und Pommes und bekommen sie auch. Was ihnen entgeht, erfahren sie meistens nie.

Wir fahren gut gesättigt weiter, nachdem wir uns eine knappe Stunde auf den Palmblättermatten ausgestreckt und dem gerade niederprasselnden Regenschauer zugehört haben. Jetzt geht es nach Stonetown, der zweiten Attraktion Sansibars.
Die Fahrt dauert nicht lange, da wir uns sowieso schon im Norden der Insel befinden. Nachdem Thomy es strikt ablehnt einen Führer zu nehmen und die Altstadt unbedingt alleine erkunden will, machen wir mit Pandu aus, dass er uns in zwei Stunden wieder abholt.
Es ist superheiß und wir starten in die schattigen Gassen von Stonetown. Hier wurde Freddy Mercury geboren (er hieß eigentlich Farrokh Bulsara), damals war die Insel noch das Sultanat Sansibar, später wurde es dann von Tansania annektiert.
Ein klein wenig erinnert die Stadt an Venedig, ist aber natürlich noch deutlich exotischer und vor allem viel lebendiger, da sie ganz normal bewohnt wird, Venedig hingegen fast schon ein reines Museum ist.
Also ziehen wir los und lassen uns einfach durch die Gassen treiben. So richtig friedlich durchwandern kann man nicht, denn ständig kommen Mopeds, Roller und Motorräder durch die engen Gassen und man muss auf die Seite springen. Fahrverbote gibt es nicht oder sie werden nicht eingehalten, ähnlich halten es die Menschen auf Sansibar mit der Helmpflicht.

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Bild: Gasse mit Roller – aber auf dem Bild sind auch die Balkone gut zu sehen, die es fast überall gibt. Sie sind oft aufwändig gestaltet und passen gut in das Stadtbild.

Alles, was mit Vorschriften zu tun hat, wird hier lockerer gesehen als in Europa, viel lockerer. Das nächste Bild zeigt die elektrische Anlage an einem Häusereck in Stonetown.

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Bild: Für jeden Elektriker schöner als jeder Horrorschocker

Die Stadt ist natürlich gewachsen, verwinkelt und sehr authentisch. Alt trifft neu und man merkt, dass es sich nicht um ein Museum handelt.

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Bild: Irgendwo in Stonetown – uralte Häuser, dazwischen eine Wassertonne und ein modernes Auto.

Aber es wird nicht alles dem Zufall überlassen, es gibt Planung und staatliche Stellen, die sich um die Erhaltung der Altstadt kümmern. Das zeigen etwa die Kanaldeckel wie der folgende:

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Bild: Die „Stonetown Erhaltungs- und Entwicklungsbehörde Sansibar“ – es dürfte sie wirklich geben.

Die Stadt spiegelt ihr eigenes Image wieder – leicht geheimnisvoll, eine Mischung aus orientalisch und afrikanisch, traditionell, ein wenig verträumt, vielseitig und alt. All das stimmt irgendwie und gibt in seiner Mischung der Stadt ein gewisses Flair, das man erleben kann, wenn man sich nicht dagegen sträubt. Ein Symbol der Vergangenheit ist das alte Fort, das seinerzeit wohl zur Verteidigung gedient hat.

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Bild: Ein Blick auf das alte Fort

Es gibt aber nicht nur alte Steine in Stonetown. Moderne und teure Hotels, die aber so gebaut wurden, dass sie stilistisch nicht negativ auffallen, zumindest von außen. Und es wird renoviert, wenn auch auf die afrikanische Art:

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Bild: Ein Haus wird renoviert. Das dazu gehörige Gerüst würde bei uns sofort zu einem Großeinsatz der Feuerwehr führen, zur Sperrung einer ganzen Straße und zu einer Lawine von Anzeigen. Hier ist das alles ganz normal.

Da die Stadt natürlich gewachsen ist, sind ihre Gassen sehr verwinkelt und da wir keinen Führer haben, gehen wir hin und wieder im Kreis. Dann hilft es einen Einheimischen zu fragen, wo denn etwa der Weg zu der großen Kirche ist, die wir suchen. Dann hat man eine gute Chance eine Zeit lang das Kreisen fortzusetzen, denn die Antwortkombi „da vorne links, dann rechts, wieder links und dann seht ihr sie eh schon“ führt genau irgendwo hin, aber nicht zum gewünschten Ort. Wir hatten aber den Eindruck, dass sich die Leute ehrlich bemühen uns den richtigen Weg zu erklären. Geschafft hat es dann eine Amerikanerin, die uns die richtige links-rechts-Kombination verraten hat.
Dazwischen spazieren wir durch Gassen, die Touristenshops enthalten. Das Angebot entspricht mehr oder weniger dem vom Blue Market in Nairobi, nur steht auf den T-Shirts halt „Sansibar“ und nicht „Kenya“. Ich kaufe mir eine kleine Schatztruhe aus Ebenholz um freundliche zehn Euro, was mich eine Viertelstunde feilschen kostet und ein paar Nerven von Thomy, der weiterziehen möchte.

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Bild: Geschäfte gibt es nicht überall, aber in ausreichender Menge um daran nicht wirklich vorbeigehen zu können.

Das nette an Stonetown ist vor allem, dass man den Eindruck bekommt, dass sich die Stadt selbst nicht so wichtig nimmt. Sie ist ein ganz normaler Ort zu leben und daher gibt es auch schönere und weniger schöne Ecken. Etwas Besonderes sind jedoch die Türen, die seit Ewigkeiten aufwändig geschnitzt werden und zu den Sehenswürdigkeiten gehören, die in keinem Reiseführer fehlen und einen guten Teil des Images von Sansibar ausmachen.

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Bild: Eine der verzierten Türen. Sie sind nicht alle in gutem Zustand und auch nicht alle gleich aufwändig, aber sie gehören zum Bild der Stadt untrennbar dazu.

Weniger schön sind die Häuser, die krampfhaft versuchen modernen Komfort mit traditionellem Aussehen zu verbinden. Das wirkt gekünstelt und schlicht und einfach schiach:

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Bild: Ein Gebäude, das mit Plastikfenstern versucht alte Fenster nachhzuahmen. Dazu die Geschwüre der Klimaanlagen.

Das wichtigste der Stadt sind jedoch ihre Menschen. Sie machen Stonetown erst lebendig und bunt und vielfältig. Als wir um eine Ecke biegen kommen uns drei junge Damen entgegen, die Rollen in der Hand tragen. Aus irgend einem Grund spreche ich sie an, was mir in dieser Sekunde als Wagnis vorkommt, denn erstens wissen wir nicht, ob das erlaubt ist, und zweitens kann ich nicht abschätzen, wie sie reagieren werden. Egal – ich frage sie, was die Rollen bedeuten und sie antworten sehr offen und freundlich, dass sie gerade ihren Abschluss einer Hochschule gemacht hätten. Ich beglückwünsche sie dazu und sie haben eine Riesenfreude.

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Bild: Als die drei weiterziehen mache ich noch ein schnelles Bild. Sie ganz normal zu fotografieren hab ich mich nicht getraut.

An dieser Geschichte können wir selbst den Kulturunterschied erkennen, aber auch, wie schnell man ihn zumindest teilweise überwinden kann. Die Brücke, die ich zu den drei jungen Damen geschlagen habe, war schmal und nicht belastbar, aber sie war da.
Leichter ist der Kontakt zu den Kindern. Es gibt sie hier in größerer Zahl und wie auf Sansibar scheinbar üblich, rennen sie hier einfach herum, stets auf der Suche nach etwas Neuem bzw. ein wenig Spaß.

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Bild: Die Kinder in Stonetown sind genauso süß wie sonst überall. Sie sind nicht verschreckt und fangen sofort an Grimassen zu schneiden und herumzutanzen, ganz wie Kinder eben. Und sie betteln nicht, wenngleich sie natürlich etwas nehmen, wenn man es ihnen gibt. Sobald sie alt genug sind, um alleine gehen zu können, sind sie auf der Straße und begleiten ihre älteren Geschwister.

Es ist sehr heiß und wir rennen schon seit gut 1,5 Stunden ohne Pause durch die Altstadt. Da kann ein kühler Drink nicht schaden und wir schlagen uns zum Meer durch, denn die Strandpromenade ist nett und dort finden wir auch ein Lokal mit ein paar Plätzen. Ich bestelle ein „Soda“ – so heißen alle klassischen Limonaden, meist mit einer Unmenge an Zucker, weswegen sie wahrscheinlich so beliebt sind.
Mein Soda ist mit Tamarindengeschmack und wird wie so viele dieser Produkte von Coca Cola erzeugt.

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Bild: Cola, nur mit anderem Aroma

Wir hängen ein wenig an der Promenade herum und beobachten drei Ausflugsschiffe, die sich dem Hafen nähern. Ihnen entsteigt eine Unmenge an Pauschaltouristen, die meisten glaube ich Italiener. Sie mieten als große Gruppe so ein Schiff und fahren damit zur Sandbank hinaus, die zwischen Ufer und Riff entstanden ist. Sie ist nicht permanent, als Ausflugsziel aber scheinbar sehr geschätzt.
Wir machen uns langsam auf den Weg zum Treffpunkt, wo Pandu auf uns warten soll. Ach ja – Katzen gibt es auch auf Sansibar und sie sind so entspannt wie die Menschen.

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Bild: eine Katze am Motorroller, nicht sehr schreckhaft.

Pandu ist pünktlich und verlässlich und so machen wir uns wieder auf den Weg nach Jambiani, voll mit einer Menge toller Eindrücke und Erlebnisse. Auf der Fahrt sehen wir LKW mit Korallenblöcken. Pandu bestätigt meinen Verdacht, dass hier sehr viel mit solchen Blöcken gebaut wird. Das gefällt mir nur bedingt, weil die Korallenriffe sind der Schutz der Insel und ich kann mir nicht vorstellen, dass die „Ernte“ dieser Blöcke sich auf uralte und abgestorbene Korallen in unwichtiger Lage beschränkt.

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Bild: Lastwägen mit Korallenblöcken als Baumaterial.

Nach einer unspektakulären Rückfahrt kommen wir am späteren Nachmittag wieder in Jambiani an und können den Rest des Tages noch nützen um ein wenig schwimmen zu gehen oder ein gutes Buch zu lesen.
Als der Abend hereinbricht machen wir uns wieder auf die Suche nach einem guten Restaurant. Die Wahl fällt auf das „Sea View“, das sich als nicht besser oder schlechter als die anderen herausstellt. So gutes Essen wie zu Mittag werden wir wohl nicht mehr bekommen.

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