Wieder in Afrika – Tag 16

Der vorletzte Tag bricht an. Die Luftfeuchtigkeit ist ziemlich hoch, irgendwie klebt alles, das Gewand und das Bett und heute Nacht gab es auch wieder vermehrt Moskitos, von denen einige einen Weg unter das Moskitonetz fanden.
Das Frühstück ist wie immer exzellent und Pandu verspätet sich ein wenig. Thomy möchte gerne einen kleinen Ausflug an die Südspitze von Sansibar machen. Das ist nicht weit und Pandu macht uns einen guten Preis, somit kommt es uns auch nicht teurer als wenn wir zwei oder drei Motorroller mieten und wir müssen uns nicht um die Strecke oder sonstwas kümmern.
Während wir auf Pandu warten unterhalten wir uns mit Asye und ich frage sie, wie das hier auf Sansibar mit den Muslimen so ist. Schließlich ist das die dominierende Religion auf der Insel.
Ihre Antworten und Ansichten sind für mich sehr interessant, weil sie das Bild, das wir von Muslimen haben, doch etwas modifiziert.
Kurz zusammengefasst:
1.) Mohammed hat gepredigt, dass die Kommunikation zwischen Menschen das wichtigste überhaupt ist. Dafür braucht man das Gesicht und die Hände. Deswegen ist es streng verboten diese zu verhüllen.
2.) Den Ramadan als Fastenmonat einzuhalten ist für sie ca. so wichtig wie es das Fasten bei uns ist. Wer es tun will – wunderbar, und wer nicht – auch kein großes Problem. Außerdem sei es jederzeit möglich das Fasten zu unterbrechen wenn man a.) krank oder b.) auf Reisen oder c.) schwanger oder d.) stillend ist oder sonst einen wichtigen Grund hat.
3.) Es ist vollkommen schwachsinnig Frauen das Autofahren zu verbieten, denn es gibt genügend Gelegenheiten, bei denen es notwendig ist, dass eine Frau das Autofahren beherrscht, etwa wenn der Mann einen Unfall hat und verletzt ist oder krank oder aus sonst einem wichtigen Grund. Dass Frauen das in Saudiarabien nicht dürfen, wusste sie nicht, findet es aber absolut daneben.
4.) Koran und Bibel sind für sie ursprünglich fast ident. Daher gibt es eigentlich keinen Grund Christen irgendwie abzulehnen oder abzuwerten.
5.) Im Koran steht, dass jeder Mensch die Pflicht hat seinem Nachbarn zu helfen, wenn dieser Hilfe nötig hat. Welchen Glauben der Nachbar hat, ist absolut egal.

Das klingt für mich alles recht vernünftig. Ich frage Asye dann noch, warum es auch in Sansibar Frauen gibt, die sich das Gesicht verhüllen (übrigens ähnlich viele wie bei uns, vielleicht einen Hauch mehr).
Sie meint, dass diese Frauen entweder leicht irre wären oder etwas Böses im Schilde führen und daher nicht erkannt werden wollen. Sonst gibt es für sie keinen Grund das zu tun.
Die Haare hat Asye allerdings auch bedeckt, das ist hier einfach Tradition und daher mache sie es. Junge Mädchen unterliegen keinerlei Bekleidungsvorschriften, erst ab der Geschlechtsreife.

Auch Juma ist schon aktiv und plant für heute eine Radtour mit einem Haufen Buben aus dem Dorf, die allesamt sehr motiviert erscheinen.

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Bild: Die Bubenpartie, die von Juma mit Helmen und anderer Ausrüstung ausgestatten werden.

Pandu taucht auf und wir starten unsere Tour. Sie führt uns an der Hauptstraße an dem mehrere Kilometer langen Ort Jambiani vorbei in den Süden. Pandu berichtet, dass jetzt immer mehr Plots verkauft werden, es entstehen neue Hotels und Ferienanlagen, aber auch Politiker aus der Hauptstadt würden sich hier das eine oder andere Haus bauen lassen.
Wir kommen in ein größeres Dorf an der Südspitze. Hier gibt es auch die berühmte „Dolphin Bay“, in der man Delphine besichtigen kann. Kaum sind wir aus dem Auto ausgestiegen, kommen auch schon mehrere junge Männer auf uns zu und wollen uns eine Delphin-Tour verkaufen. Gerade heute wäre es günstig und man könnte die Delphine tatsächlich sehen.
Wir lehnen dankend ab und besichtigen die für mich wesentlich interessantere Attraktion, einen riesigen Baobab-Baum.

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Bild: Durchmesser wie ein kleines Haus – der größte Baobab, den ich je gesehen habe.

Er ist unfassbar majestätisch und es ist Zeit für einen kleinen Exkurs über diesen phantastischen Baum.

Exkurs: Baobab – einer der afrikanischen Wunderbäume
Dieser Baum ist erstaunlich:
• Er wächst in verschiedensten Klimaten, meist jedoch tropisch
• Er wird bis zu 2.000 Jahre alt
• Er beherbergt jede Menge Leben, auf ihm, in ihm und um ihn herum, eine Art Mini-Universum.
• Er ernährt seine Umgebung und kann bis zu 140.000 Liter Wasser speichern
• Er erholt sich auch von argen Strapazen wie Elefanten-Angriffen
Ein paar Einzelheiten: (Quelle: www.safari-afrika.de/html/baobab.html)
Der Baobab kommt südlich der Sahara in ganz Afrika vor. Er ist die charakteristische Baumart der Trockensavannen, ist aber auch an der Küste und in Brackwassergebieten genauso anzutreffen wie in Höhenlagen bis zu 1500 m. Entsprechend seiner geografischen Herkunft kann er unterschiedlich in Form und Aussehen sein. In Regionen, in denen es jährlich kaum zu Niederschlägen kommt, kann er problemlos überleben, da er im adulten Stadium bis zu 140 000 Liter Wasser in seinem Stamm speichern kann. Somit ist er ein riesiges Wasserreservoir in der Trockenzeit für Mensch und Tier – quasi Ernährer und Lebensspender für seine Umgebung. Sein Holz ist daher auch als Brennholz völlig ungeeignet und sein schier unverwüstlicher Stamm widersteht sogar die Buschbrände fast unbeschadet. Ökologisch betrachtet ist diese Eigenschaft auch sein Bestandsschutz vor dem Raubbau der Menschen ihn als Brennholz zu verwenden. Bei einem mächtigen Stammumfang von bis zu 35 Metern und einer Höhe von bis zu 20 Metern käme eine Menge Holz zusammen. Mit diesem Maßen gehört der Baobab zu den mächtigsten Baumarten Afrikas.
Der sagenumwobene Baobab ist Afrikas Lebensbaum und Mythos zu gleich. Im Senegal ist er deshalb nicht ohne Grund auch im Wappen vertreten. In Kenia, Gambia und Senegal stehen noch viele Baobabs, die als Keimling heranwuchsen, als das Römische Reich in der Antike noch die Welt beherrschte. (der Baobab hat somit ein sehr langes Leben, geht also mit sich selbst sorgfältig um und hat die Langfristigkeit quasi in seiner Struktur).
In vielen Regionen ist er ein wichtiger Wasserspender und Rohstofflieferant für den täglichen Gebrauch. Seine zarte Rinde kann genutzt werden und wächst schon in kurzer Zeit wieder nach. Aus seinen Früchten kann man Heilmittel erzeugen und für die einheimischen Kinder ist die Baobabfrucht auch der Bonbon-Lieferant. Auf den Märkten in Dakar, Banjul und Mombasa kann man diese erwerben. Als Holz zum Kochen ist er durch seinen hohen Wassergehalt nicht geeignet. Die Rinde wird verwendet um Schnüre und Seile zu machen. Darüber hinaus werden daraus Netze, Matten, Gewebe, Hüte, Kanus, Tabletts, Kisten, Körbe und Papier gemacht. Die Asche der Rinde kann man noch als Dünger benutzen, und manche machen sogar noch Seife daraus. Die jungen Triebe und Blätter werden gegessen. Aus den gerösteten Samen und wird Kaffee gemacht und aus dem fleischigen Teil des Samens Bier, und man kann daraus auch Öl gewinnen.
Wie schon erwähnt, ist der Baobab von der Sahelzone in Westafrika über Zentral-, Ost- und Südafrika verbreitet, doch so viele Baobabs wie in Senegal gibt es fast nirgends. Ganze Baobab-Wälder befinden sich im senegalesischen Hinterland der Petite Côte, in der Region Kaolack sowie an der Strecke Kaolack – Tambacounda. Für jeden Senegalreisenden sind diese Regionen von besonderer Bedeutung, wenn man den Mythos Baobab erleben will. Auch in Kenia kann man in der Region um Mombasa stattliche Baobab-Exemplare sehen. So zum Beispiel den Kenyatta-Baobab bei Ukunda. Er ist ein mächtiger Baum von dem man fast annehmen könnte, dass er aus mehreren zusammengewachsenen Baobabs besteht. Doch der Schein trügt, der Kenyatta-Baobab ist nur ein Baum, benannt nach dem Staatsgründer der Republik Kenia. Wer also seinen Urlaub an der schönen Südküste Kenias verbringt, sollte unbedingt den Baobab bei Ukunda besuchen.

Mythen, Sagen und Legenden
Da die Menschen in Afrika den Baobab so vielseitig nutzen, ist es nicht verwunderlich, dass man sich vieles erzählt. Auch durch seine Heilkräfte und dem eigentümlichen Wuchs des Baumes gibt es viele Geschichten und abergläubische Weisheiten, die auf dem ganzen afrikanischen Kontinent berichtet werden.
Nach einer senegalesischen Redensart ist der Baobab unzerstörbar, je mehr man ihn auch verletzt und verstümmelt, er gräbt seine Wurzeln noch tiefer und fester in die Erde ein. Auf dem Lande erzählt man sich, dass man kein Land verkaufen darf, wo ein Baobab wächst. Er sei ein gutes Omen. Eine Legende berichtet, dass man von einem Löwen verschlungen wird, wenn man unvorsichtig ist und eine Blüte vom Baum pflückt. Eine Weisheit besagt, dass das Wasser, in dem die Samen des Baumes eingeweicht und umgerührt werden, als Schutz gegen Angriffe von Krokodilen wirken. Eine andere Weisheit besagt, wer einen Aufguss der Rinde trinkt, wird groß, stark und mächtig.
Die größte und bedeutendste Legende erzählt aber die Geschichte, wie der Baobab zu seinem Aussehen kam. Einst war der Baobab ein Baum wie jeder andere, aber er wollte anders sein und bat die Götter um mehr Platz zum wachsen. Der Wunsch wurde ihm erfüllt und er bekam seinen Platz in der Savanne. Wenige Zeit später hatte der Baobab erneut einen Wunsch. Jetzt wollte er einen mächtigeren Stamm haben um sich von jedem anderen Baum zu unterscheiden. Auch dieser Wunsch wurde erfüllt. Aber auch das reichte noch lange nicht aus und seine Wünsche wurden größer. Jetzt wollte er eine weiche und zartere Rinde haben und samtartige Früchte tragen. Auch dieser Wunsch wurde von den Göttern erfüllt. Doch die Wünsche nahmen kein Ende und der Baobab überspitzte jetzt seine Forderungen nach goldenen Blüten, um sich von allen Bäumen in der Savanne hervorzuheben. Jetzt zog sich der Baobab den Zorn der Götter zu sich und sie rissen ihn aus der Erde und setzten ihn verkehrt herum wieder ein. Von nun an schwieg der Baobab und hatte keine Wünsche mehr. Bis zum heutigen Tage können wir den Baobab beobachten, wie er sein bizarres Wurzelwerk in die Luft streckt.

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Bild: Hier der Baum in seiner ganzen Pracht. Leider gibt es davon nur ganz wenige. Und wir erleben ihn mit Blättern, was ich vorher noch nie gesehen habe.

Wir fahren weiter, durch eines der wichtigsten Dörfer der Südküste und Pandu gerät ins Schwärmen. Er berichtet wie enorm fruchtbar es hier ist und dass die Menschen ihr Dorf ständig weiterentwickeln würden. Viele Politiker kämen von hier, denn vor dreißig Jahren wurde an dieser Stelle eine Schule gebaut und das wirkt sich jetzt aus.
Die Insel ist übrigens punkto Nahrung Selbstversorger, Exportschlager sind vor allem Maniok-Knollen und Nelken. Leider gibt es wie überall so auch hier Korruption und Vetternwirtschaft.

Wir halten bei einer Frau, die aus zwei Bottichen Fische verkauft. Pandu kauft ein paar Thunfische für seine Familie und ein paar Freunde, die ihn darum gebeten haben. In Jambiani würden derzeit keine verkauft werden und deswegen würde er die Chance gleich nützen, meint Pandu.
Uns kommt eine Idee. Wir wünschen uns seit Tagen einen ganzen, großen, schönen Fisch, aber kein Restaurant konnte oder wollte uns das anbieten. Und hier gibt es auf einmal die Gelegenheit genau so einen zu kaufen.
Wir fragen Pandu ob uns Asye am Abend kochen würde – schließlich hat sie ja einen kleinen Sohn und es ist nicht sicher, dass sie eine Abendschicht einlegen möchte.
Pandu ruft sie an und sie ist einverstanden: ein ganzer Thunfisch mit einheimischem Gemüse bis wir platzen. Der Deal steht und Pandu kauft einen wunderschönen Thunfisch, der genau die richtige Größe für uns drei hat. Er kostet umgerechnet 2,80- Euro. Unglaublich, wenngleich Pandu diesen Preis bekommen hat, aber selbst etwas teurer wäre das noch spottbillig.

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Bild: Frische Thunfische, in der Nacht zuvor aus dem Meer gefischt.

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Bild: Leider wird hier auch an den Riffen gefischt, und zwar so, dass Riff-Fische herausgezogen werden. Das ist bei dem ohnehin schon stark gestörten ökologischen Gleichgewicht auf den stark unter Druck stehenden Riffen eine Katastrophe. Hier sehen wir Papageifische, die für den Großteil des Meeressandes verantwortlich sind. Sie brechen mit ihren scharfen Schnäbeln, die wie Papageischnäbel aussehen (daher ihr Name) Korallenstücke ab, zermahlen sie, verdauen die Nährstoffe und scheiden den Korallensand wieder aus. Als Taucher sieht man oft Papageifische vorbei schwimmen, die gerade eine Fontäne Sand hinten rauslassen.
Ohne Papageifische kein Sand, ohne Sand keine Strände und ohne Strände kein Schutz der Küsten – so einfach ist das.

Wir fahren zurück nach Jambiani und freuen uns, dass der Ausflug so erfolgreich war. Pandu zeigt uns noch einen schönen Baobab in Jambiani, der auch sehr toll ist, aber nicht vergleichbar mit dem anderen.
Als wir aussteigen, sind sofort ein paar Kinder da. Sie rennen hier den ganzen Tag irgendwo herum und spielen mit allem, was sich zum Spielen anbietet. Und wie alle Kinder dieser Welt sind sie neugierig und fangen sofort an uns anzustaunen, anzulächeln und anzugrapschen. Manche von ihnen sind gut angezogen, andere rennen in Lumpen herum, alle aber sind sehr fröhlich und freundlich. Sie freuen sich über „Sweets“ wenn wir welche haben und wenn nicht, dann ist es auch gut.

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Bild: Ein kleiner Bub in Jambiani

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Bild: Drei kleine Mädchen beim Baobab-Baum in Jambiani. Sie schneiden Grimassen und lachen die ganze Zeit.

Als wir zurück sind, macht sich Asye sofort an die Arbeit, und uns rinnt bereits jetzt das Wasser im Mund zusammen. Sie ist eine tolle Köchin und tatsächlich zaubert sie uns das hin, was wir in den Restaurants gerne gehabt hätten: Gewürzreis, Gemüse und exzellenten Fisch in mehreren Zubereitungsvarianten.
Vollkommen satt genehmigen wir uns noch einen guten Drink oder zwei und genießen den letzten Abend hier im Paradies.

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Bild: Das köstliche Abendessen von Asye

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