Wieder in Afrika – Tag 2

Die erste Nacht ist nie perfekt, denn mein Körper und mein Geist müssen sich beide auf Afrika einstellen. Und doch wache ich unglaublich gerne durch das Schreien der heiligen Ibisse auf, die jeden Morgen auf ihre Insel in Lake View einfliegen und ein ordentliches Getöse machen.
Wir sind heute zum Frühstück bei Louis eingeladen, unserem steirischen Mechaniker, der nur ca. fünf Autominuten entfernt in einem kleinen Haus lebt, das sich auf dem riesigen Grundstück einer alten Dame befindet. Dort treffen wir auch meinen Vater, die Frau von Louis (Marion) und deren Schwester Judy, die seit ca. zwei Jahren meinen Vater auf Safari betreut, denn er ist schließlich keine 70 mehr und braucht ein wenig Unterstützung.

Wir haben den heutigen Tag zum Ankommen und zur Vorbereitung auf die morgen startende Safari. Da wir komplett Selbstversorger sind, müssen wir gut darauf achten, das Richtige einzukaufen und einzupacken. Der Toyota Landcruiser ist seit Jahren das beste Auto, das ich mir für Afrika vorstellen kann und wir mieten ihn von meinem Vater.

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Bild: Toyota Landcruiser HZJ 78

Das Auto hat ein aufstellbares Schlafdach und sicherheitshalber die Mud-Terrain-Reifen, falls uns die Regenzeit erwischt. Wetter und Auto – das waren über Jahrzehnte die größten Unsicherheitsfaktoren bei einer Safari. (Das ist übrigens ein Wort auf Suaheli und heißt nichts anderes als Reise.)
Seit dem Toyota bleibt nur mehr das Wetter übrig, trotzdem wird der Wagen noch gründlich durchgecheckt: Wassertank voll, Batterien gut in Schuss – vor allem achte ich darauf, dass die Starterbatterie von den Campingbatterien getrennt ist, die den Kühlschrank betreiben. Wenn man die nicht trennt, kann es passieren, dass der Kühlschrank die Starterbatterie leersaugt und dann ist meist Schluss mit lustig – immer abhängig davon, wo man sich gerade befindet.

Exkurs: Campingkühlschränke
Ein eigener Exkurs für einen Kühlschrank? Ja, weil das ein seit ewigen Zeiten ungelöstes Problem für die Safari in Afrika ist. Zugegeben – es ginge auch ohne, aber am Abend nach einer anstrengenden Tour ein kühles Bier, das kann schon was. Außerdem eröffnet sich mit Kühlschrank die Möglichkeit Fleisch und Butter, Käse und Wurst mitzunehmen. Also quälen wir uns seit Beginn mit Campingkühlschränken herum. Die Menschheit kann in ferne Galaxien blicken, zum Mond fliegen und winzige Hochleistungscomputer bauen. Was sie nicht kann: funktionierende Campingkühlschränke herstellen. Oder auch verständliche Lautsprecherdurchsagen in U-Bahnstationen technisch auf die Reihe bringen. Geht einfach nicht, keine Ahnung warum.
Bleiben wir bei den Kühlschränken. Sie sehen aus wie kleine Tiefkühltruhen, sind also von oben zu befüllen, weil die Haus-Variante eines Kühlschranks (mit Schranktür) für das Camping unbrauchbar ist, da bei jedem Öffnen die kalte Luft nach unten rausströmt. Das ist daheim egal, wenn man aber Energieknappheit hat, macht das einiges aus.
Seit Jahrzehnten können diese Kühlschränke (also die besseren) sowohl mit 220 Volt (also daheim), wie auch mit 12 Volt (im Auto über den Zigarettenanzünderanschluss) und mit Gas betrieben werden.
12 Volt sind immer etwas brustschwach und kann oft nur die Temperatur halten, aber nicht ordentlich runterkühlen. Daher machen wir es meist so, dass wir den Kühlschrank vor der Safari im Haus gut vorkühlen und dann versuchen, mit der Autobatterie und mit Gas die Leistung einigermaßen hinzubekommen.
Seit Solarzellen leistungsfähiger sind, funktioniert die Kühlung mittels der Autobatterie deutlich besser, im Landcruiser meines Bruders konnten wir sehr gute Leistungen erzielen ohne mit Gas betreiben zu müssen. Das setzt aber leider voraus, dass man unter Tags viel fährt, denn dann kommt die Energie aus der Lichtmaschine und lädt die Batterie ordentlich auf, so dass man über die Nacht kommt.
Ganz schlecht ist es, wenn das Auto 2-3 Tage an einem Platz steht, vielleicht noch im Schatten. Dann funktioniert kein Kühlschrank mehr, vor allem, wenn es draußen 30 Grad oder mehr hat.
Das größte Problem war aber immer der Gasbetrieb. Man muss ausreichend Gasflaschen mitnehmen, deren Füllstand man nie wirklich überprüfen kann. Die Gewichtsprobe kann aussagekräftig sein oder auch nicht. Die Ventile müssen funktionieren, die Schläuche dicht sein und vor allem muss der Kühlschrank immer komplett waagrecht stehen. Da der Gasbrenner eine Kontrollflamme braucht, darf auch kein stärkerer Wind wehen, sonst bläst er die Flamme aus und der Kühlschrank funktioniert nicht mehr. Man muss ihn also am Abend aus dem Auto räumen, sauber aufstellen und dann unten durch ein kleines Loch mit einem langen Zündholz die Flamme anzünden und gewährleisten, dass sie brennen bleibt. Das hat viele Jahre lang bedeutet, dass wir in der Nacht immer wieder mal aufstehen und die depperte Flamme kontrollieren mussten, vor allem bei Wind und Regen. Da überlegt man sich ob es ohne knechtenden Kühlschrank nicht viel entspannter wäre. Das Bier braucht man dann um den Kühlschrankstress wieder loszuwerden.
Dem Erfinder eines einfachen und robusten Campingkühlschranks garantiere ich den Nobelpreis und den ewigen Dank aller bierdurstigen Camper weltweit.

Mein Vater hat uns schon ein großes Hauszelt eingepackt, das wir aber nur brauchen, wenn Regen in Sicht ist. Dann ist es allerdings wirklich wichtig, weil wir bei einem länger dauernden Regenguss sonst nur im Auto sitzen könnten. Falls das Wetter schön bleibt, reicht ein Kuppelzelt für Philipp und mich, Thomy schläft wie immer im Toyota oben im Aufstelldach.

Es ist sehr heiß in Nairobi und wir machen bei unserem Haus in Lake View eine kleine Pause. Mein Vater geht im See schwimmen – dieser See ist der Hauptgrund weshalb er das Haus im Jahr 2000 gemietet hat. Weil der Inder, dem es gehört, ein ziemlicher Raffzahn ist, kostet das Haus inzwischen so viel Miete, dass mein Vater es an eine amerikanische Familie untervermietet hat.

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Bild: Am See

Wir hängen ein wenig mit Louis im Garten herum und überlegen, was wir noch alles einpacken sollten und was wir nicht brauchen.

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Bild: Thomy, Philipp und Louis

Am trockenen Rasen kann man gut erkennen, dass wir noch mitten in der Trockenzeit sind und wir hoffen, dass sie noch zwei Wochen anhält.
Die Einkaufstour gestaltet sich mühsam, da in meinem alten Lieblingssupermarkt die Hälfte der notwendigen Dinge nicht zu bekommen ist. Also fahren wir in den Village-Market um den Rest zu besorgen. Wir werden uns vor allem von Gemüse und Obst ernähren, beides gibt es hier in sensationeller und mit der europäischen Ware nicht vergleichbarer Qualität.
Nach den diversen Terroranschlägen der letzten Jahre gibt es in den Einkaufszentren verstärkte Sicherheitskontrollen – oder sagen wir besser: es sollte sie geben. De facto müsste man als potenzieller Terrorist schon sehr ungeschickt sein um sich davor abschrecken zu lassen. Wir treffen aber keine Terroristen und allen künftigen Kenia-Urlaubern und Urlauberinnen darf gesagt sein, dass es sich um ein sehr friedliches Land handelt. Nairobi würde ich von der Gefährlichkeit in einer Reihe sehen mit Mürzzuschlag, Mitterstockstall am Wagram und der Axamer Lizum.

Am Weg in den Village Market kommen wir an der Baustelle für den Northern Bypass vorbei. Dort bauen sie den noch fehlenden Teil der Ringautobahn rund um Nairobi. Das wird sehr dringend gebraucht und wird (wahrscheinlich unter Mithilfe der Chinesen) auch nicht mehr lange dauern. Die Schneise wird einfach mitten durch die Gegend gezogen. Ich glaube nicht, dass Enteignungsverfahren hier lange dauern und statt dem Gericht entscheidet hier ein Weisenrat aus Caterpillar, Planierraupe und Abrissbirne. Afrika ist anders und die Umweltverträglichkeitsprüfung noch nicht erfunden.
Die Umweltzerstörung ist in und um Nairobi sowieso immens, es wird überall gebaut wie verrückt, der Wald wird gerodet und Hochhäuser werden in kürzester Zeit in die Höhe gezogen. Das verursacht in mir eine Mischung aus Wehmut und Schwindel.

Noch jongliere ich mit meinen drei Geldbörsen (Kenia-Shilling, Dollar, Euro), aber bald wird sich noch eine vierte (Tansania-Shilling) hinzugesellen.
Nach den Einkäufen sind wir etwas erledigt, gehen aber am Abend noch gemeinsam mit Louis, Marion und Judy äthiopisch essen. Das gibt es bei uns zwar auch, in Nairobi hat es allerdings eine andere Qualität. Das Lokal liegt sehr versteckt und wirkt mit seinen Plastiksesseln und Plastiktischen ein wenig uncharmant. Das Essen ist jedoch sensationell und so viel, dass wir es trotz großem Hunger nicht aufessen können.
Auf einem großen Tablett liegt eine riesige Flade, die an eine dickere Palatschinke mit vielen kleinen Löchern erinnert – sie ist übrigens sauer. Darauf werden die Zutaten verschiedenster Art gelegt und man isst sie mit der Hand, indem man ein Stück einer Flade abreisst und die Zutaten damit ergreift. Das ist gar nicht so schwierig und ein echtes Erlebnis.

Den Abschluss des Abends macht ein Besuch im Gipsys, einer Bar, die an diesem Sonntag jedoch fast leer ist. Die Getränke sind deutlich teurer als in anderen, vergleichbaren Lokalen und wir werden in Zukunft wohl woanders hinfahren.

Ein langer Tag geht zu Ende, aber morgen geht es auf Safari.

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