Wieder in Afrika – Tag 3

Die zweite Nacht war deutlich angenehmer, vor allem weil wir jetzt beginnen uns an das Klima anzupassen. Dafür steht uns wieder ein heißer Tag mit einer mittelmäßig langen Fahrt bevor.
Nach einem kleinen Frühstück packen wir das Auto fertig und starten. Da Lake View am Westrand von Nairobi liegt und wir in den Westen fahren, sind wir sehr schnell draußen aus der Stadt und am Wayaki-Way, einer Art Autobahn, die zu Beginn noch zwei Fahrspuren in jede Richtung hat. Die Straße ist Teil der Überlandroute von Mombasa nach Kampala in Uganda und entsprechend viel befahren. Sie führt hinauf in die Uplands, einem sehr fruchtbaren Gebiet, das auch dicht besiedelt ist. Da Nairobi auf 1.700 Metern Seehöhe liegt, geht die Straße bis auf fast 3.000 Meter hinauf. Dort fahren wir durch eine Gegend, die an die Alpen erinnert, mit Nadelwäldern (oder was davon noch übrig ist) und Wiesen. Nur die Erde ist rot und zeigt, dass wir in Afrika sind.

Mit unserem linksgesteuerten Toyota sind Überholmanöver immer eine spannenden Angelegenheit. Der Beifahrer hat die Oberhoheit für den Überholvorgang und steuert („fahr einmal vorsichtig raus… okay… nein, geht noch nicht,… jetzt noch drei Autos, dann raus mit dir – JETZT!“) Fehler sind nicht erlaubt, aber Thomy und ich sind ein eingespieltes Team wenn es darum geht, eine LKW-Kolonne nach der anderen zu schnupfen.
Nicht sehr beliebt ist das Ansuchen um Pinkelpause, dann ziehen nämlich die mühsam überholten Kolonnen wieder an einem vorbei. Wir lernen daher schnell zu pinkeln.
Im Rift-Valley sehen wir dann plötzlich die ersten Zebras und Warzenschweine, frech neben der Autobahn grasend interessieren sie sich nicht für uns. Ich bin etwas erstaunt, dass es das noch gibt, inmitten der Zivilisation.
Nach genau drei Stunden sind wir in Nakuru, einer großen Stadt, in der wir noch einen Supermarkt besuchen um einige fehlende Dinge einzukaufen.

Exkurs: Einkaufen in Kenia
Bei uns gibt es den Merkur und den Interspar, in Kenia den Uchumi und den Nakumatt. Dort bekommt man wirklich fast alles, von Campinggas über französisches Baguette bis zu Handywertkarten und Sonnencreme. Es gibt diese Märkte schon seit den 1980er-Jahren, aber erst seit ca. zehn Jahren sind sie riesig und vielerorts anzutreffen. Die Preise sind ähnlich wie bei uns, was bedeutet, dass nur die obere Mittelschicht und die Oberschicht dort einkaufen kann. Es gibt somit zwei voneinander komplett getrennte Marktsysteme, wobei wir als Weiße nur eines davon kennen lernen. Vor einigen Jahren wurde ich von unserem damaligen Koch einmal in die andere Welt mitgenommen, wo alles anders läuft – in kleineren Mengen, ohne klimatisierten Markt und zu vollkommen anderen Preisen.
Die internationalen Konzerne haben sich an die hiesigen Bedürfnisse angepasst und erzeugen von lebensnotwendigen Artikeln ganz kleine Verpackungseinheiten. Man kann etwa einen einzelnen Suppenwürfel kaufen oder ein paar Gramm Waschmittel – das alles in tausenden winzigen Läden überall in Kenia. Zudem gibt es auch für die armen Leute frische Ware, die jedoch nicht im LKW angeliefert wird, sondern mit Eselskarren oder auf dem Rücken über weite Strecken getragen wird.
Als Muzungu („weißer Mann“) hast du keinen Zugang zu dieser Welt, man kennt sie maximal vom Hörensagen.

Wir haben das schon vor zwei Jahren erlebt und waren damals sehr erstaunt, aber auch diesmal kommen wir in keine einzige Polizeikontrolle. Es gibt sie zwar überall, aber wir werden immer durchgewunken. Anscheinend haben die Polizisten vor längerer Zeit aufgrund der Tourismuskrise die Anweisung erhalten, uns nicht mehr zu kontrollieren. Damit fällt ein Stressfaktor weg, wenngleich auch einige Anekdoten dadurch nicht mehr zustande kommen.
Ab Nakuru geht es in Richtung Norden hinauf zum Bogoriasee. Die Straße wurde ca. 1990 einmal ordentlich gebaut und ich erinnere mich noch, dass sie 1992 gut in Schuss war. Danach verfiel sie und bei meinen Recherchen über den Lake Bogoria musste ich im Internet einige sehr negative Berichte über eine komplett zerstörte Straße lesen, auf der man für wenige Kilometer viele Stunden brauchen würde.
Umso erstaunter bin ich, als sich die Straße als brandneu und exzellent herausstellt. Das ist in Kenia immer wieder eine Überraschung und kann sich auch ständig ändern. Die Bezeichnung des Straßentyps (A = Autobahn, B = Bundesstraße, C = Landstraße, D = Schotterpiste und E = Rough Road) hilft nur bedingt, denn selbst eine A-Straße kann in miserablem Zustand sein und eine E-Piste flott und gut befahrbar.

Somit kommen wir sehr gut voran und nach 25 Kilometern erreichen wir den Ort Mogotio, wo die E 461 abzweigt, die uns zur Südseite des Lake Bogoria bringen soll. Ich bin sie vor 13 Jahren einmal in die Gegenrichtung gefahren und habe von damals noch Aufzeichnungen (Km-Stände bei Abzweigungen). Ich kann das jedoch nur zum Teil rekonstruieren und habe mir daher Ausdrucke aus Google Earth gemacht, um den Weg zu finden. Die Straße (eher Piste) führt durch riesige Sisal-Plantagen und theoretisch muss man nur der jeweils größeren Straße folgen und darf zwei wichtige Abzweigungen nicht versäumen.
Wir testen aus, wie gut die Google Earth-Ausdrucke funktionieren. Zur Sicherheit hab ich mir noch GPS-Koordinaten notiert.
Wir sind glücklich dass es trocken ist, eine E-Straße ist in der Regenzeit manchmal unpassierbar und auch jetzt kommen wir vorerst nur sehr langsam voran. Es sind insgesamt 33 Kilometer bis zum Emso-Gate, dem Eingang zum Lake Bogoria National Reserve.

Es läuft erstaunlich gut und an den wichtigen Abzweigungen stehen sogar Hinweisschilder, die Richtung Park führen. Die Piste ist okay und wir kommen gut voran. Ich kann diese Straße nur sehr empfehlen, sie ist ein echter Abkürzer zum Südzipfel des Lake Bogoria.
Am Emso Gate warten wir zuerst ein paar Minuten, bis von irgendwo ein Typ daher kommt. Es ist unglaublich heiß und ich bin gespannt, wie die Lage am See ist. Vor ca. zehn Jahren sind die Seen im Rift Valley alle angestiegen, teilweise um mehrere Meter. Das hat vor allem im Lake Nakuru und im Lake Bogoria zu enormen Verwüstungen geführt, da die teils üppigen Wälder rundherum komplett überflutet wurden und abstarben. Bei beiden Parks kann man davon sprechen, dass sie teilweise zerstört wurden.
Am Lake Bogoria hat dies auch dazu geführt, dass die Hauptattraktion, die Geysire, nicht mehr vorhanden ist. Aber auch die Straße rund um den See wurde teilweise zerstört. Ich hatte mich im Internet ausführlich erkundigt und auf der Facebook-Seite des Lake Bogoria einige Besucher angeschrieben, ob sie mir etwas über den derzeitigen Wasserstand sagen können. Ich bekam leider keine hilfreichen Antworten, die Kommentare sind sehr widersprüchlich. Einige meinen, dass es sich überhaupt nicht mehr auszahlt den See zu besuchen, andere finden ihn nach wie vor sehenswert. Es war also notwendig sich selbst zu überzeugen.

Nun war die Stunde der Wahrheit gekommen. Der witzige Game Ranger war ganz alleine am Gate, was aber durchaus Sinn ergibt, denn wir waren die Besucher Nummer 7, 8 und 9 – in diesem Jahr. Mehr Leute sind heuer noch nicht durch dieses Gate hinein oder hinaus gefahren. Das ist erstaunlich, denn unweit von dort befindet sich einer der schönsten Plätze Ostafrikas – zumindest meiner Meinung nach.
Ich spreche vom Fig Tree Camp, unter uralten Feigenbäumen direkt am See und mitten durch fließt ein klarer Wildbach, der direkt bei 2/3 Höhe des Escarpments entspringt.

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Bild: Fig Tree Camp vor der Flut

Ich war dort vor über 25 Jahren das erste Mal und der Platz hat in mir immer eine starke Sehnsucht ausgelöst. 2004 war ich das letzte Mal dort, damals war gerade mal ein einziger Baum direkt am See abgestorben, was ich sehr bedauert habe.
Dann stieg der Wasserstand um geschätzte 2-3 Meter und ein Teil des Waldes wurde überflutet. Die mindestens hundert Jahre (angeblich gab es einen ähnlichen Wasseranstieg Anfang des 20. Jahrhunderts) alten Feigenbäume starben ab und es war nicht klar, wie viel von dem idyllischen Platz heute noch übrig ist. 2015 war ich mit Thomy im Nakuru-Nationalpark und dort sahen wir die unbeschreibliche Verwüstung, die der hohe Wasserstand ausgelöst hat.
Auf dem folgenden Bild von Google Earth sieht man gut die unter Wasser gesetzte ehemalige Straße zum Camp und in der Bucht auch die Reste des ehemaligen Waldes.

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Bild: Google Earth Aufnahme vom Südufer des Sees. Links unten sieht man den kleinen Wald, in dem unser Camp liegt. Weiter rechts ist das alte FigTree Camp, die Distanz beträgt ca. 2 Kilometer

Nun stehen wir also beim Gate und der Game Ranger kämpft mit dem Papierkram für unseren Parkeintritt. Wie in Kenia üblich legt er die Dollarscheine (der Parkeintritt kann nur bar in Dollar bezahlt werden) vor sich hin und starrt sie minutenlang an. Ich weiß bis heute nicht, was diese Prozedur soll und finde sie sehr skurril. Das machen sie auch in jeder Bank so: hinlegen und anstarren, als ob sie sich dadurch verändern würden, oder vermehren oder sonst irgendwas. Vielleicht gibt es ein altes schamanistisches Ritual oder sonst etwas – ich weiß es nicht.
Nach einiger Zeit kommt er aus seinem Häuschen und versucht eine Anleitung zu lesen, die außen auf einem vergilbten Papier angeschlagen ist und bei der es um die Echtheit von Dollarscheinen geht.
Die Gebühr für das Auto darf er wiederum nur in Kenia-Shilling kassieren, was ihn vor das Problem stellt, dass er kein Wechselgeld hat. Also verspricht er uns das Geld am nächsten Tag in der Früh in unserem Camp vorbei zu bringen, das sich übrigens gleich unten am See rechts in einem kleinen Wäldchen befindet.
Ich habe im Internet schon recherchiert und das „Little Fig Tree Camp“ ist sozusagen der Ersatz für das nicht mehr erreichbare Fig Tree Camp.

Wir fahren dorthin und finden einen durchaus ansprechenden Platz mit viel Raum für Auto und Zelte, das alles direkt an einem klaren Bach, der gar nicht so viel schlechter ist als der im alten Camp. All das ebenfalls unter alten Feigenbäumen.

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Bild: ein riesiger alter Feigenbaum

Was leider auch sofort auffällt ist der penetrante Gestank – wir tippen zuerst auf ein verwesendes Tier irgendwo im Wald, entdecken aber dann recht bald, dass der Gestank vom See kommt, der sich ca. 150 Meter weiter befindet. Wir hoffen, dass wir uns daran gewöhnen können und vermuten, dass er von toten Flamingos stammt.
Eine der Attraktionen des Lake Bogoria sind nämlich die tausenden rosa Zwergflamingos, die sich dort von Zeit zu Zeit aufhalten. Schon vor Jahren gab es den Gestank, jedoch nicht so intensiv.
Später entdecken wir, dass es stark von der Windrichtung abhängt ob es Gestank gibt oder nicht. Es schmälert zwar den Aufenthaltsgenuss, ist aber aushaltbar.
Wir hasardieren und beschließen, dass es mindestens zwei Tage nicht regnen wird und wir mit dem kleineren Kuppelzelt genug haben werden. Dazu ist es wirklich heiß, nahe an die 40 Grad, und wir wissen, dass wir auch in der Nacht sicher nicht frieren werden.
Ein erfrischendes Bad im Bach ist sicher eine der Attraktionen dieses Zeltplatzes, auf dem man mit ziemlicher Sicherheit immer allein sein wird, da sich der Besucherstrom auch in den kommenden Jahren in Grenzen halten wird, vor allem hier am Südufer des Sees. Maximal andere Kurzzeitbesucher aus Nairobi wären möglich.

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Bild: Es ist zum Baden angerichtet

Der Toyota hat für diese Tour nur drei Einzelsitze, der Rest steht für Gepäck zur Verfügung, das zum Großteil in stabile Alu- bzw. Kunststoffkisten verpackt ist. Die guten alten Zarges-Boxen sind staubdicht und sehr stabil. Sie bewähren sich jetzt seit knapp fünfzehn Jahren und zeigen noch keine Schwächen.
In der Hecktüre befindet sich ein abklappbarer Tisch, den wir zum Kochen verwenden, da er einigermaßen windgeschützt arrangiert werden kann. Hinter einer Klappe an der linken Außenseite kann man einen Duschschlauch anstecken und das Wasser (über 200 Liter) reicht bei sparsamer Verwendung eine knappe Woche. So lernt man mit wenig Wasser auszukommen. An diesem Platz haben wir unser Tankwasser jedoch nicht gebraucht, denn für Dusche und Abwasch steht der Bach zur Verfügung, was sehr komfortabel ist.

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Bild: Thomy g´schaftelt gerade am Toyota herum

Nach einem erstklassigen Abendessen sitzen wir noch mit einem guten Drink (Kenya Cane plus Fruchtsaft, gut gekühlt) und lassen Philipps erste Nacht im afrikanischen Busch hereinbrechen.

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