Wieder in Afrika – Tag 7

In der Nacht gab es ein heftiges Gewitter mit starkem Regen – drei bis vier Stunden lang. Da wir in einem der großen Zelte im Camp sind, war das nicht störend. Sollte dies der Beginn der Regenzeit sein, so würde unser Besuch in der Maasai Mara buchstäblich ins Wasser fallen.
Der Morgen ist jedoch sonnig und James meint, dass dies zwar der längste Regen seit langem war, er jedoch nicht mit größeren Regenfällen in den nächsten Tagen rechnet.
Trotzdem beschäftigt uns die Frage weiter, denn von unserer Abschätzung hängt ab, ob wir auf unserem Zeltplatz in der Mara das große Hauszelt aufstellen. Wir beschließen das am Abend spontan zu entscheiden.

Heute haben wir viel Zeit, denn zum Parkeingang sind es nur zehn Minuten Fahrt und wir wollen erst gegen 10:30 dort sein, damit wir am Abreisetag uns nicht hetzen müssen. Der Parkeintritt ist teuer und wenn wir auch nur wenige Minuten zu spät am Gate sind, müssen wir einen ganzen Tag mehr zahlen.
Ich habe daher viel Zeit für eine ausführliche Plauderei mit James und bin sehr neugierig, wie es den Maasai geht.
Er bestätigt meinen Verdacht, dass es viel zu wenige Touristen und viel zu viele Camps gibt. Selbst in der Hochsaison (Juli und August bzw. Dezember und Jänner) sind die wenigsten Lodges und Camps ausgebucht. Man hat einfach viel zu viele gebaut und leider dafür auch die Genehmigungen bekommen. Jetzt gibt es einen Baustopp, aber das nützt nicht viel, weil es ohnehin hinter jedem zweiten Busch schon ein Camp gibt.
Ein Problem sind auch die außerhalb des Parks gebauten Camps. Sie unterliegen nicht der Kontrolle der Parkverwaltung und können daher in großer Zahl und letztlich einfach irgendwo hin gestellt werden. Gegenüber vom Semadep-Camp gibt es sein ein paar Jahren eine riesige chinesische Lodge. Auch hier stellt sich die Frage, ob die gut gebucht ist und ob es das überhaupt braucht.
Dazu kommt noch der generelle Einbruch, den es vor ein paar Jahren aufgrund der Terroranschläge in Nairobi gab. Seitdem reisen mehr Touristen nach Tanzania, das zwar nicht sicherer ist, aber Fakten zählen hier nicht viel. Erschwerend kommt hinzu, dass heuer im Sommer Wahlen sind und die Vorwahlzeit nahezu immer von mehr oder weniger starken Unruhen begleitet wird.

Exkurs: Der Widerspruch der Ökologie
Ich möchte mir allerdings auch nicht vorstellen was passiert, wenn alle Camps ausgelastet wären, denn die Mara ist ein ökologisch höchst sensibles Gebiet und auch nicht groß genug um den Wildtieren ein Ausweichen zu ermöglichen. Schon jetzt sind einige Tierarten stark gefährdet, an erster Stelle der Gepard, der im Gegensatz zu Löwen sehr sensibel auf Störungen reagiert. Zehn Minibusse, die ihn umlagern, sind eine massive Störung.
Von meinem Vater habe ich gehört, dass die Straße in die Mara absichtlich nicht erneuert wird, damit weniger Touristen mit Bussen und generell mit dem Auto anreisen. Die bringen nämlich weniger Geld als die reichen Säcke, die sich mit dem Flugzeug einfliegen lassen. Das Argument ist aus ökologischer Sicht zugleich verständlich und bedenklich, denn Flugzeuge sind auch nicht gerade sehr grün. Kann man „wenige Flugzeuge“ gegen „viele Autos“ aufrechnen? Die einfliegenden Touristen brauchen in der Mara dann auch wieder Fahrzeuge, um auf Game Drive zu fahren.
James erzählt mir, dass das Vertrauen der Maasai in die lokale Regierung und Verwaltung in Narok ziemlich enttäuscht wurde. Vor der Wahl wurde ihnen alles mögliche versprochen und rein gar nichts ist bisher umgesetzt worden.
Wir haben am Vortag eine Handvoll Typen gesehen, die an der Straße etwas vermessen haben. James bestätigt, dass es sich hier um die Vorarbeiten für die neue Straße handelt.
Dazu muss man wissen, dass Straßen bzw. ihr Zustand enorm viel bedeuten. Auf den ersten Blick scheint es den Afrikanern (und Afrikanerinnen) hier in Kenia und auch in den Nachbarländern vollkommen egal zu sein auf welcher Straße sie dahin rumpeln. Sie hocken oft zusammengepfercht in oder auf LKWs, fahren mit klapprigen Rädern oder gehen weite Strecken zu Fuß. Mobilität ist sowieso nicht mit Komfort verbunden und es wird erst dann schwierig, wenn in der Regenzeit eine Straße unbefahrbar wird und die Versorgungsstränge abreissen.
Das stimmt jedoch so nicht, sie lieben genauso wie wir die „Tamark Road“ und sind auch stolz, wenn sie eine solche haben. Für den Tourismus ist es ohnehin entscheidend, ob eine Gegend erschlossen werden kann oder nicht. Das wirft jedoch einen ökologischen Widerspruch auf:
– Nur mit viel Tourismus gibt es genügend Geld um die Umwelt zu erhalten.
– Viel Tourismus zerstört die Umwelt.
Beides stimmt leider, den Ausschlag gibt die Art und Weise, wie mit dem Geld und den Ressourcen generell umgegangen wird. Wenn sich korrupte Politiker alles einstecken, bringt der Tourismus nur Zerstörung und wenn Projekte genehmigt werden, die einigen wenigen Menschen auf Kosten der Umwelt hohen Profit bringen, dann funktioniert es auch nicht. Vor ein paar Jahren war im Gespräch, dass der Fluss Mara gestaut und in riesige Plantagen geleitet werden soll. Das hätte das schnelle und radikale Ende der Maasai Mara bedeutet, weil ihr die Lebensader abgeschnitten worden wäre. Glücklicherweise durfte das Projekt bis jetzt noch nicht umgesetzt werden.

Angeblich soll jetzt bald die Straße kommen. Es gab ja schon einmal ein längeres Stück Asphalt, das ca. 1990 gebaut wurde. Einzelne winzige Reste sind bis heute sichtbar.
James hofft, dass sein Semadep-Camp (das steht für Sekenani Maasai Development) bald im Lonely Planet erwähnt wird, das dazu gehörige Maasai-Dorf steht schon drin. Dort kann man ein paar Nächte in einem mehr oder weniger authentischen Maasai-Dorf leben, wahrscheinlich inklusive der Milliarden Fliegen, die es traditionell immer gibt, wenn irgendwo Maasai leben. Er zeigt mir ein paar Fotos von den Unterkünften, die einigermaßen an den westlichen Standard angepasst wurden.

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Bild: Das Team vom Wajee-Camp, James ist der freundliche, aber unfreundlich drein schauende Herr mit der Kanga (dem Maasai-Tuch)

Wer sich das geben will, hier der Link zum Camp und zum Dorf:
http://semadepmaracamp.com/index.html
http://maasaimaravillage.com/

Das Camp ist derzeit geschlossen, soll aber renoviert im Juli wieder aufsperren. Ich kann es rundherum empfehlen, genauso wie das Camp, in dem wir jetzt sind.
Hier sind die Infos drauf:

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Bild: Das Wajee-Camp

Wir brechen auf und fahren in die Mara. Der Eintritt funktioniert problemlos, da heute das Computersystem mal wieder funktioniert und wir moderne Rechnungen ausgedruckt bekommen.
Gespannt fahren wir los und finden eine sehr grüne Mara vor. Das ist erstaunlich, weil es dieses Jahr eine extrem lange und harte Trockenzeit gab, die auch vielen Rinderherden zum Verhängnis wurde, wie James erzählt hat.
Die Bilder, die mein Bruder im Jänner geschickt hat, zeigten eine vollkommen ausgedörrte Savanne. Jetzt sehen wir aber die grünen Hügel Afrikas, wie sie Hemmingway beschrieben hat. In der Mara sind sie besonders malerisch und wir biegen bald von der Hauptstraße nach links ab, hinauf zur alten und jetzt verlassenen Research-Station und dann weiter hinein in einen Abschnitt, der wenig befahren wird. Es gibt dort auch wenig zu sehen, einerseits weil es zu Mittag generell wenige Tiere zu beobachten gibt, andererseits weil in den Seitentälern Maasai-Cattles grasen. Diese dürfen bei langer Trockenheit in den Park, meist jedoch nur in die Randgebiete. Das ist ein notwendiger Kompromiss, den es schon seit Jahrzehnten gibt und der einigermaßen funktionieren dürfte.

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Bild: Groß, schwarz, stark: Kaffernbüffel

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Bild: Topi-Antilopen, sie sind in der Mara recht zahlreich

Unser Game Drive führt uns quer durch die Mara in den Süden an den Sand River, der auch die Grenze zu Tanzania und der dortigen Serengeti darstellt. Gerne würden wir den Fluß durchqueren und uns drüben die „Kopjes“ ansehen, bizarre Granitblöcke, die frei in der Savanne stehen. Leider führt der Sand River so viel Wasser, dass die Durchquerung nicht möglich ist.

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Bild: Sand River mit Furt

Wir kommen an einem unserer schönsten ehemaligen Zeltplätze vorbei, wo jetzt ein Luxuscamp steht. Dann geht es zur Keekorok-Lodge, die exakt in der Mitte des Parks liegt. Sie ist die älteste Lodge und immer noch sehr beliebt, da man innerhalb des Geländes auf einem Fußweg Wildtiere (v.a. Büffel und Elefanten) beobachten kann. Zu Fuß gehen ist in der Mara generell verboten.

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Bild: Der Blick von der Terrasse der Lodge

Da wir uns am Ende der Saison befinden, ist die Lodge nur mäßig gebucht. Die Preise schwanken je nach Saison von 300 bis 590 Dollar für das Doppelzimmer – Vollpension, aber ohne Game Drives, die mit je 60 Dollar pro Person zu Buche schlagen. Wer also in der Hauptsaison zu zweit hier ist, zahlt 710 Dollar pro Nacht, zwei Game Drives pro Tag sind nämlich ein sinnvolles Minimum. Thomy meint zu Recht, dass die Lodge sicher deutlich billiger ist, wenn man sie in einer Pauschalreise bucht.
Wir setzen uns auf die Terrasse, genehmigen uns einen kalten Drink und legen eine wahre WiFi-Orgie hin, von der ich Philipp und Thomy nur schwer wieder losreissen kann.

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Bild: Die Jungs beim Internet checken

Für mich hat die Lodge eine besondere Bedeutung, weil wir vor allem in den 1980er-Jahren auf ihre Tankstelle, ihre Werkstatt und ihren kleinen Shop angewiesen waren. Damals hatten wir noch keine Camping-Fahrzeuge und mussten das mäßig saubere Wasser von der Lodge holen. Es gab in Narok nur eine Tankstelle und bei der gab es nicht immer Benzin. Wenn wir mehrere Tage in der Mara waren und entsprechend viele Kilometer bei Game Drives abspulten, war die Keekorok oft die letzte Rettung, auch wenn man gut verhandeln musste, um etwas zu bekommen.
Hin und wieder quartierten wir uns dort auch eine Nacht lang ein, wenn uns starker Regen vom Zeltplatz vertrieb. Billig war das schon damals nicht.

Nach dieser späten Mittagspause geht es über die Plains zu unserem Zeltplatz. Dieser liegt gut versteckt in einem Galeriewald an der Biegung eines kleinen Nebenflusses zur Mara. Noch vor einer Woche war mein Vater da, bis auf eine alte Feuerstelle ist davon jedoch nichts zu bemerken und das ist kein Zufall. Wir dürfen hier nur sein unter der Bedingung, dass wir den Platz exakt so hinterlassen wie wir ihn vorgefunden haben. Es darf nicht das kleinste Futzerl Plastik oder sonstiger Müll bleiben, darauf achten wir auch penibel.
Am Weg dorthin, mitten auf den Plains, sehen wir eine Hyäne, die bei unserer Annäherung beschließt ein Bad zu nehmen. Als wir drei Tage später wieder an dieser Stelle vorbei kommen, sitzt sie schon wieder drin.

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Bild: Eine Tüpfelhyäne

Der Fluss führt Hochwasser, weil es in der Nacht stark geregnet hat. Er kommt von den Plains und ist nicht sehr lang, ich schätze 3 Kilometer. Trotzdem sieht er gerade wie ein reißender Fluss aus, obwohl die tatsächliche Steigerung zu dem kleinen Rinnsal, das er normalerweise ist, vielleicht einen Meter beträgt.
Alle Flüsse und Bäche sind hier tief in die Landschaft gegraben, es gibt also jeweils eine Uferböschung mit Einschnitten, die vor allem von Nilpferden als Trampelpfade für ihre nächtlichen Ausflüge verwendet werden.
Ich teile Thomy und Philipp mit, dass ich dann zum Fluss gehe um mir eine kleine Dusche zu verpassen. Davor setzen wir uns aber erst einmal in aller Ruhe hin und beobachten den Fluss und genießen unser Ankommen an diesem paradiesischen Platz.
Ein großer Baumstamm treibt vorbei, das Wasser gurgelt und die zahlreichen Vögel ergänzen das Szenario. Ich habe das Gefühl, dass ich erst jetzt wirklich wieder in Afrika angekommen bin.
Plötzlich bleibt der Baumstamm stehen, dreht um und treibt stromaufwärts.
Hm, seltsam. Das machen Baumstämme nicht. Bei uns nicht und auch nicht in Afrika.
Jetzt gilt es blitzschnell den Fotoapparat zu zücken, denn der Baumstamm ist ein ca. 3,5 Meter langes Krokodil, das uns entdeckt hat und jetzt stromaufwärts flüchtet. Nicht, dass es dafür einen Grund hätte, aber Vorsicht ist Vorsicht.

Wir beobachten, wie sich das riesige Tier (es geht schon noch größer, sie werden bis zu acht Meter lang) ein Stück weiter oben anhält und sich auf die Lauer legt. Man sieht gut die Nüstern und Augen, die beim Krokodil erhöht liegen, damit es genau das tun kann, was es jetzt tut. 100 Millionen Jahre gibt es diese Echsen schon in weitgehend unveränderter Form, eindeutig ein Erfolgsmodell der Evolution.

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Bild: Ein Nilkrokodil, echt nicht weit weg

Ich beschließe doch nicht zum Fluss duschen zu gehen. Wieso gibt es hier Krokodile? Ich habe bei unserem Zeltplatz noch nie eines gesehen. Okay, meist ist der Fluss nur ein Rinnsal und die wirklich großen Krokodile gibt es einen Kilometer flußabwärts in der Mara, aber ich hätte das wissen müssen. Warum hat mir mein Vater das nie gesagt? Wenn mich so ein Krokodil beim Duschen erwischt, bin ich geliefert. (In der Fachsprache heißt das glaube ich „Afrikanische Enterbung“)
Das Krokodil blieb dann ein paar Meter weiter einfach liegen bis in die Nacht hinein. Beim Hinleuchten mit der Taschenlampe konnten wir das Auge in der Dunkelheit leuchten sehen.

Wir bauen das kleine Zelt auf und hoffen, dass es keine größeren Regenfälle gibt. Dann genießen wir den Rest des Tages ohne Eile am Zeltplatz, kochen uns ein gutes Abendessen (es gibt eine Riesenportion Nudelsalat), gekrönt mit einem Sundowner (Kenya Cane mit Fruchtsaft) und freuen uns, es problemlos bis hierher geschafft zu haben.
Die Maasai Mara ist immer noch Spitzenreiter was den Wildbestand betrifft. Hier ein Auszug aus der Liste der Tiere, die wir nur heute schon gesehen haben:
Hippo, Sekretär, Mungos, Impala-Gazellen, Topi-Antilopen, Giraffen, Meerkatzen, Paviane, Thompson-Gazellen, Kongoni-Antilopen, Gnus, Elefanten, Warzenschweine, Büffel, eine Hyäne, ein Krokodil, Strauße, Kronenkraniche und Elen-Antilopen sowie unzählige bunte Vögel.

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Bild: Hippos

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