Lovely Days Festival – wieder genial!!

Wie viel Glück hat der Mensch? Meines schien gestern kurz sehr beansprucht zu sein. 13:30, ich hatte gerade getankt, die Regenkombi angezogen und fuhr auf die Südautobahn. Kurz vor Wr. Neudorf, Tempo 120, dichter Verkehr, liegt ein Kühlschrankteil (oder so was in der Art) auf meiner Spur.

Die Griechen nennen das „kairos“, was in etwa „Augenblick“ heißt – so lange hatte ich Zeit, um den Lenker nach links zu verreißen. Mit dem rechten Vorderrad hab ich das Ding leicht touchiert, sonst ging alles gut.

Bei Wr. Neustadt kam dann das Gewitter, das an Wiesen jedoch vorbeizog, alles war trocken, wenn auch stark bewölkt.

Die Fakten: Das Lovely Days Festival fand heuer zum vierten Mal statt, zum zweiten Mal in Wiesen und war das erste Mal ausverkauft – übrigens 8.000 Gäste.

Mother´s Finest kamen gut an, waren in Spiellaune und flirteten mit dem Publikum. Ten Years After spielen seit 2004 ohne Alvin Lee, aber der Sänger/Gitarrist Joe Gooch machte seine Sache sehr gut, daher auch die Zugabe, die beim Festival unüblich ist, wegen der notwendigen Umbauzeiten (es konnten übrigens alle Startzeiten eingehalten werden).

Ein erster Höhepunkt war Eric Burdon, der das Publikum wirklich begeistern konnte, auch er wurde nicht ohne Zugabe von der Bühne gelassen. Alte Hits passen zum leicht geriatrischen Publikum und dieses wiederum zum Alter der Künstler. „When I was young“ als Opener trifft die Sache, mit „Boom Boom“ und „Don´t let me be misunderstood“ folgen zwei Kracher, bei denen das Publikum den Großteil des Gesangs übernimmt (das ist wiederum ein Vorteil des hohen Altersschnitts). Bei „House of the Rising Sun“ lehnte sich ein gut gelaunter Eric Burdon ohnehin weitgehend zurück.

Die Pausen zwischen den Konzerten können auf der Wiese liegend oder im Gastrobereich stehend verbracht werden. Lange Schlangen vor jeder Gastro-Bude, auch vor der Negativ-Gastro-Männerbude (WC), weshalb erfahrene Wiesenbesucher das Gelände verlassen und gegenüber in das kleine Wäldchen gehen. Es ist das einzige kleine Wäldchen, das ich kenne, in dem schmusende Paare, pinkelnde Rocker und freundliche Kiffer friedlich nebeneinander ihrer Freizeitbeschäftigung nachgehen bzw. -stehen.

Die Gastro war wie immer schwer überfordert – können solche Leute das Vorausdenken nicht irgendwann lernen? Bei 8.000 Gästen und einem über 10 Stunden dauernden Festival sollte man mehr als 10 Hot-Dog-Brötchen herrichten. Den Leuten ist eh wurscht, was sie essen, Hauptsache sie bekommen was. Merke: Der Stand mit der schnellsten/kürzesten Schlange macht das meiste Geschäft, die Gäste checken das blitzschnell.

Als es dunkel wurde, waren die Plätze auf der Wiese nur mehr von wenig Vorteil. Ersten standen alle, zweitens drängten sich ständig Leute durch und es kam zu Szenen wie: „Hey, du bist gerade über mein Bett gelatscht“ – „Jo, waaß i eh!“

Von mir schwer unterschätzt waren Foreigner – sie brachten erstklassige Stimmung und es erschreckte mich, wie viele von ihren Nummern ich kannte. Wer Wiesen noch nicht kennt: Decke mitbringen und sich einen Platz auf der leicht ansteigenden Wiese suchen. Man kann in der Sonne liegen und den Wolken zusehen (das war gestern nicht unspannend) und zugleich die Musik hören und die Festival-Stimmung aufnehmen. Für einen feinen Sommertag ein herrliches Menü! Von „Cold as Ice“ und „Waiting for a girl like you“ über viele sehr gute Hardrocknummern bis zur Schlussschnulze „I wanna know what Love is“ – alles da, alles in alter Pracht und Herrlichkeit gespielt. Nur dafür hätte es sich schon ausgezahlt hinzufahren!

Danach ein Leerraum meiner Phantasie: „The Australian Pink Floyd Show“. Es stellte sich jedoch heraus, dass der einzige Nachteil darin besteht, dass die nicht Pink Floyd SIND, aber das ist nur theoretischer Natur. In der Praxis war es egal, sie spielten extrem gut und das Publikum war hingerissen. Vielen Dank übrigens für „Wish you were here“ und „Comfortably numb“, Hymnen meiner Jugend.

Sie schafften den Spannungsbogen von Pink-Floyd-typischen düsteren Teilen ihrer Show, gepaart mit knackiger Rockmusik, eine gute Mischung… hey, teacher, leave us kids alone! Sensationell und sehr zu empfehlen!

Leider folgte dann eine Enttäuschung. Aus dem geplanten Höhepunkt Deep Purple wurde, äh, irgendwie nichts. Sie spielten brav, aber der Sänger sah aus wie einer dieser älteren Therapeuten, die irrsinnig verständnisvoll sind, viele probiotische Biokulturen in ihrem Darm pflegen und urgern ins Waldviertel auf Schlapfenseminare fahren. AND I WANTED A ROCKER!

Das sahen auch andere Konzertgäste so und als ich nach 45 Minuten (sie hatten gerade drei wimmernde Instrumentalnummern gebracht) das Weite suchte, ging ich gemeinsam mit vielen anderen hinaus. Irgendwie war die Luft bei Deep Purple draußen, es wirkte kraftlos, wenn auch sicher gut und routiniert gespielt. Aber im Publikum waren keine Hände in der Höhe, es wurde brav applaudiert, das war´s.

Zum Abschluss noch die Sieger des T-Shirt-Spruch-Kontests:

Platz 3: „Kein Alkohol ist auch keine Lösung“

Platz 2: „Ottarocker“ (schwarzes T-Shirt mit gelber Aufschrift in Ottakringer-Schrift)

Platz 1: „Tausche Frau gegen Benzin“

Nächstes Jahr wieder? Yessssss!

Autobahnwerbung – mir graut davor!

aus der Rubrik „Dinge, die die Welt ECHT nicht braucht

gerade eben im medianet entdeckt: „Brandboards an der nächsten Ausfahrt“
– das wird als der neueste Schrei angepriesen, denn man könne damit endlich „die Autobahn als Österreichs Hauptschlagader effizient als Medium nutzen“ (Quelle: medianet, 7. Juli, S. 16)
Mit anderen Worten: Auf der Rückseite der Geisterfahrer-Warnungen kommt Werbung. Genau in den unübersichtlichsten Kurven, die ich auf unseren Straßen kenne – man kommt schnell daher und sollte konzentriert runterbremsen und zugleich noch eine recht scharfe Kurve fahren.

Und jetzt kommt dort die Werbung. Mir graust´s! Statt netter Landschaft gibt es eh schon links und rechts Wände (auch dort, wo dahinter kilometerweit kein Haus steht – meiner Ansicht nach ein Fall für den Anti-Korruptions-Staatsanwalt oder so), und jetzt noch Werbung, Werbung, Werbung, Werbung, Werbung…

Argumentiert wird damit, dass dadurch die Geisterfahrerwarntafeln finanziert werden. Was kommt als nächstes? Branding an Polizeiautos, damit die bezahlt werden können?

Ich werde alle Artikel, die dort beworben werden, konsequent boykottieren.

Bruce Springsteen und der Donauwalzer

20:05 Uhr – die E-Street-Band betritt die Bühne und einer spielt auf dem Akkordeon den Donauwalzer. Ein würdiger Beginn.

21:00 – der Titel der Süddeutschen Zeitung „gefühlte 3 Stunden Zugabe“ stimmt bisher nicht, die Hälfte der Nummern sind vom neuen Album. Die Sonne ist noch nicht untergegangen und das Stadion rockt gut, aber nicht sehr gut.

21:30 – Springsteen sammelt im Publikum Plakate, auf denen Wunsch-Musiktitel stehen. Er macht das mit Akribie und viel, viel Spaß. Er flirtet mit dem Publikum wie eh und jeh. Dann spielt er „Proud Mary“ (stand auf einem der Plakate) und hat ab diesem Zeitpunkt die Menge im Griff. Ich muss pinkeln, aber nicht jetzt.

22:00 – Ich muss dringend pinkeln, finde aber immer noch keine Nummer, die nicht obergeil wäre, so dass ich meinen Platz verlassen könnte.

22:05 – Nein, es ist nicht in die Hose gegangen und das Konzert entwickelt sich zum absolten Reißer. Bis am letzten Juchee stehen die Leute, klatschen, singen mit und sind bester Laune. Ich habe seit zwei Stunden einen breiten Grinser im Gesicht und weiß, dass sich das noch eine weitere Stunde nicht ändern wird. Ein Mädchen aus dem Publikum hat ein feuerrotes T-Shirt an, auf dem „Jersey Girl“ steht. Bruce grinst mörderbreit und will das Shirt. Sie sträubt sich, die Menge tobt, sie zieht das Shirt aus und hat darunter einen feuerroten BH (den durfte sie anlassen). Bruce hängt sich das Shirt auf den Mikroständer und spielt in fast totaler Dunkelheit die Nummer. Nur das feuerrote Shirt wird beleuchtet. Wenn das geplant war, dann war es gut geplant. Gänsehaut.

22:30 – Die Fakten: Keine Vorgruppe, jede Menge alte Nummern, jung wirkende Musiker, ein tobendes Publikum (wer diesmal behauptet, das Konzert wäre – so wie 2005 – eher schwach, war schlicht und einfach nicht dort bzw. ist taub und blind), eine unbeschreiblich gut gelaunte Band und ein Boss, der rockt ohne Ende. So sieht es aus, wenn professionelle Musiker Spaß an ihrer Arbeit haben. Und es hört sich auch so an.

22:45 – Was sich unten am „Rasen“ bei „Twist And Shout“ abspielt, darf mach sich gerne vorstellen – ich hab es vom 3. Rang aus gesehen. Da Sommer ist, hatte das Meer an hochgestreckten Händen echte Fleischfarbe. Zweite Gänsehaut.

23:00 – Das Konzert ist pünktlich zu Ende. Danke für die sensationell gemischte Setlist (und ganz besonders für „Waiting on a sunny day“). Der Typ, der vor mir rausgeht, hat ein Tour-Shirt von 2009 mit allen Stationen am Rücken, da steht drauf „Vienna, AUS“ – die Amis haben noch viel zu lernen.

In diesem Sinne: Tramps like us – Baby we were born to run!

Hier die Setlist des Wien-Konzerts:

July 5, 2009
Vienna, Austria
Ernst Happel Stadion

Jackson Cage
Badlands
Cover Me
My Lucky Day
Outlaw Pete
Darlington County
Working On A Dream
Seeds
Johnny 99
Darkness On The Edge of Town
Growin‘ Up
Rendezvous
Proud Mary
4th of July, Asbury Park (Sandy)
Because The Night
Waiting On A Sunny Day
The Promised Land
The River
Into The Fire
Lonesome Day
The Rising
Born To Run

Cadillac Ranch
Jersey Girl
Tenth Avenue Freeze-Out
American Land
Bobby Jean
Dancing In The Dark
Twist & Shout