Was Macht bewirkt

Als Grüner hat man es nicht immer lustig, vor allem nicht, wenn man eine Wahl verliert, was bei den Grünen meistens der Fall ist. Dann gibt man allen möglichen Menschen und sonst noch allem (inklusive sich selbst) auf dieser Welt die Schuld und bekommt das Gefühl, dass die ganze Welt den edlen grünen Ideen feindlich gesinnt ist.
Das ist nicht besonders angenehm.
Was aber passiert, wenn man eine Wahl gewinnt, möchte ich hier kurz berichten.

Ich habe letztes Jahr zwei Wahlen gewonnen, und zwar zwei für mich besonders wichtige: die Wirtschaftskammerwahl, wo wir als Grüne Wirtschaft jetzt fast um die Hälfte mehr Mandate haben und die Bezirkswahl in Währing, wo wir jetzt Bezirksvorsteherinpartei sind.

Zuerst konnten wir es kaum fassen, dass wir die ÖVP nach 69 Jahren als stärkste Partei im Bezirk abgelöst hatten. Dann kam der Alltag und mit ihm die Arbeit. Sehr viel Arbeit, die nicht immer lustig ist, manchmal anstrengend, sehr oft interessant (weil neu) und hin und wieder sogar schon Routine. Als Bezirksrat wird man zu Ortsverhandlungen geschickt, bekommt Anrufe von engagierten oder sonstwie emotionalisierten BürgerInnen und hockt in Sitzungen, Kommissionen und Ausschüssen. Man geht zu Empfängen, wird gegrüßt, beschimpft und bekommt Sekt.

Doch da ist noch etwas anderes. Etwas, das ich vorher nicht kannte und das eine Entwicklung bei mir verursacht. Ich kannte es bisher in kleiner Dosierung von Vorträgen, wenn ich in einem Saal fünfzig oder gar hundert Menschen dazu bewegen konnte aufmerksam zuzuhören. Ein wenig auch wenn Freunde oder Bekannte Dinge taten, die ich ihnen vorgeschlagen hatte.
Meist war ich erstaunt und dachte mir: Wie hast du das geschafft? Was war das jetzt?
Das Gefühl dazu war und ist immer ein Gutes, vielleicht nicht gerade euphorisch, aber doch sehr gut.

Es ist Macht, die ich spüre. Die Möglichkeit etwas so zu beeinflussen, dass das geschieht, was ich will. Damit können Grüne normalerweise nicht gut umgehen, weil sie ihre Kraft aus dem Widerstand zu ziehen pflegen und den findet man in der Politik nun einmal in erster Linie in der Oppositionsrolle. In dieser Hinsicht bin ich ein echter Grüner.
Dass die Tradition und damit die eigenen Wurzeln aus dem Widerstand kommen, merkt man bei den Grünen heute zwar immer weniger, aber sie gehen nach wie vor gerne demonstrieren, kommen bei Sitzungen und Seminaren notorisch zu spät und rauchen wie die Schlote. All das ist konterdependentes Verhalten, hat stets einen pubertären Touch (die Pubertät ist eine in der menschlichen Entwicklung notwendige Konterdependenzphase, in der es darum geht, gegen den Willen der Autorität zu sein ohne zu wissen, was man selbst will) und sollte eigentlich irgendwann überwunden sein.

Wenn es Grünen nun passiert, dass sie an die Macht kommen, dann entwickeln sie unterschiedliche Methoden damit umzugehen. Eine Möglichkeit besteht darin die Macht abzulehnen. Dann versucht man jede Entscheidung basisdemokratisch zu legitimieren und trifft viele nicht, weil das nicht funktioniert. Man weist sie von sich, wirft sie herum wie ein glühendes Stück Kohle und findet sie irgendwie schlecht. Wer das Stück aufgreift, wird verschmäht.
So geht nix weiter und man scheitert so lange, bis man die Macht erfolgreich wieder los geworden ist.
Eine andere Variante ist der Machtrausch, in dem eiskalt agiert wird, stets aber mit dem Hinweis, dass man es eh viel besser macht als die eigentlichen Machtmenschen – oder sogar eigentlich eh ganz anders als diese.
So geht was weiter, es spaltet aber meistens die Anhänger- und Mitstreiterinnenschaft. Und es hinterlässt das flaue Gefühl, dass man den Verdacht nicht mehr zurückweisen kann, so zu sein wie alle anderen, wenn sie Macht haben.

Ich weiß nicht, ob es noch weitere Umgangsformen für Macht gibt. Ich möchte aber noch über eine Auswirkung berichten, die für mich neu, interessant und betrachtenswert erscheint:
Macht öffnet Gedanken und Räume. Sie macht frei für Zukunftszuversicht, für konstruktive Energie und auch Glücksgefühle. Auf einmal werden Veränderungen möglich, Weiterentwicklung ist nicht mehr ein Wunsch, sondern Tatsache. Ich merke das bei der Arbeit im Bezirk, wenn Projekte umgesetzt werden können und man dafür Lob bekommt. Plötzlich ist Anerkennung da, manchmal sogar gewürzt mit einem Schuss Bewunderung.
Bei Ortsverhandlungen drehen sich g´standene Herren verschiedener Magistratsabteilungen alle zu mir um und warten gespannt darauf, was ich sage. Davon hängen nämlich gar nicht so unwichtige Entscheidungen ab, zumindest für das zu verhandelnde Projekt.
Natürlich ist das oft nur die Markierung einer Garageneinfahrt und die Macht hält sich in Grenzen, aber so etwas passiert oft und in ganz unterschiedlichen Bereichen.
Und doch – etwas ist anders. Die Ideen und Visionen, die Pläne und Konzepte, die ich jetzt entwickle, haben mehr Kraft und Selbstbewusstsein. Ich denke sie weiter, höher und um einen Hauch kühner als noch vor einem Jahr. Vielleicht liegt das an der Zustimmung, die ich an vielen Ecken und bei sehr unterschiedlichen Gelegenheiten bekomme. Ich bin etwas mutiger geworden und Rückschläge treffen mich nicht so hart.
Ich hatte vorher schon ein sehr vielfältiges und großes Netzwerk, aber jetzt kommen nicht nur viele neue wichtige und weniger wichtige Kontakte dazu, sondern auch noch eine Position, die dem Netzwerk eine zusätzliche Qualität gibt. Das System wirkt selbstverstärkend: Weil ich die Position (Bezirksrat einer Bezirksvorstehungspartei plus Nahversorgungsbeauftragter) habe, hören mir Menschen zu, die glauben, dass die Position wichtig ist. Und weil sie mir zuhören, wird sie erst wichtig.
Die Macht entsteht quasi aus dem Nichts und durch sie wird aus dem Nichts ein Etwas, auch wenn ich trotzdem nur ein Schoitl (oder Gneisser) bin.

Ich werde das weiter beobachten und berichten.

Die große Mauer

Auf chinesisch heißt die Mauer „10.000 Li lange Mauer“, was für „unendliche Mauer“ steht. Nur in der Ming-Zeit wurden 8.800 km gebaut, allerdings stammen die ersten Teile schon aus dem 7. Jhd. v.Chr. und insgesamt wird auf Wikipedia eine Gesamtlänge von 21.196,18 km angegeben.

Es muss unfassbare Kraftanstrengungen gekostet haben diese Mauer zu bauen, Historiker sprechen von bis zu einer Million Toten. Sie ist heute ein Nationalheiligtum und für Touristen sicher einen Besuch wert.
In der Ming-Dynastie hatte sie die größte Ausdehnung und wurde von 300.000 Soldaten ständig bewacht, auf insgesamt 25.000 Türmen plus weiteren 15.000 Signaltürmen.
In ihrer höchsten Ausbaustufe war die Mauer ein durchaus effizientes Instrument um Angriffe v.a. der Mandschuren bzw. Mongolen abzuhalten. Spezielle Waffensysteme waren vorhanden und die Mauer selbst war sehr stabil gebaut.
Trotzdem erfüllte sie nie ihren eigentlichen Zweck, allerdings nicht aus technischer Schwäche, sondern weil ihr Bau und Unterhalt so viele Ressourcen verbrauchte, dass im Land Hunger und Elend einkehrten. Das schwächte letztlich auch die Verteidigung und die Invasoren hatten irgendwann leichtes Spiel.

Ich finde, dass wir von der Geschichte der chinesischen Mauer einiges lernen können: Mauern können Bauwerke oder kleinere Gebiete gegen ganz bestimmte Gefahren sichern, aber sie können kein ganzes Land wirksam abschotten, außer eine Gesellschaft steckt all ihre Kräfte in eine solche Mauer. Das birgt dann jedoch die Gefahr der Selbstvernichtung.

Derzeit gibt es in Europa starke Kräfte, die wie seinerzeit in China das Heil und die Lösung in der Abschottung von ganz Europa sehen. Allein Griechenland hat 14.000 km Küstenlinie. Selbst wenn man dort eine ca. 20 m hohe Mauer bauen würde, wäre das ein ähnlich großes Unterfangen wie die chinesische Mauer. Auch fortgeschrittene Technik würde nichts nützen, ganz abgesehen davon, dass man unglaubliche menschliche und materielle Ressourcen benötigen würde.

Ich finde, wir sollten nicht den Fehler der alten Chinesen wiederholen. Sie konnten damals nicht auf historische Erfahrungen zurück greifen, wir können das schon.

Wenn wir rund um Europa eine Mauer (oder irgend eine andere Form von Befestigungsanlage) bauen, werden wir genau so zugrunde gehen wie die mächtige chinesische Ming-Dynastie.

„A erstickter Schrei“ (Zur Flüchtlingsdebatte)

Vor nicht langer Zeit spielte eine meiner Lieblingsbands, die „Feinen Leute“, eine mir bis dato unbekannte Nummer vom Georg Danzer, bei der ich schlagartig verstand, was in Menschen vorgeht, die aus ihrer Heimat vertrieben werden, sei es durch Krieg, Hunger, Perspektivenlosigkeit oder sonstwie.

Er spürt die Sunn in seine Augen, er spürt den Wind in seine Haar, er riecht des Wasser drunt am Ufer und alles ist so nah und klar.
Er siecht die Hügel und die Felder, des grüne Land in seine Tram.
Was is von alldem no übrig? Verbrannte Erd‘, verkohlte Bam.

Er spürt a grenzenlose Panik wie ana, der im Fluss ertrinkt. Umgeb’n von Menschen, die nur zuaschaun und eam wird schwarz und er versinkt.
Ka Mensch geht freiwüllich so afoch fuat vo dort, wo seine Wurzeln san.
Ka Mensch wü sterben an an fremden Ort – verkauft, verraten und allan.

Ka Mensch verlasst sei Heimat ohne Grund, ka Mensch wü gern a Fremder sei.
Und sei Verzweiflung in der letzten Stund‘ is stumm wie a erstickter Schrei.

Hier ein Link zum Konzert der „feinen Leute“ am 11. März 2016 im Cafe Kriemhild. (Wessen Herz dadurch nicht gerührt wird, sollte sich überlegen, ob er/sie es nicht verloren hat):

Hier ein Link zum Konzert von Georg Danzer auf der Donauinsel 2005:

Und hier ein Konzert von Austria 3:

Das Lied vom „Schurli“ stammt aus 1999 und ist heute aktueller denn je. Die Profiteure unserer Angst versuchen uns einzureden, Flüchtlinge wären keine Menschen, sondern böse Kreaturen, die nur zu uns kommen, um uns das wegzunehmen, was wir besitzen.
Vielleicht nehmen sie uns ja unsere Angst, von der besitzen wir nämlich reichlich.

Es mag unter den Menschen, die zu uns kommen, auch böse geben, aber unsere eigene Menschlichkeit werden wir nur daran erkennen können, wie wir bereit sind zu differenzieren. Da auch die besten unter uns nicht an der Nasenspitze erkennen können, ob jemand gut oder schlecht ist, werden wir uns mit diesen Menschen auseinandersetzen müssen, indem wir uns mit ihnen zusammensetzen.
Dort, wo wir das schon tun, erkennen wir stets, dass die meisten gut sind und Menschen wie wir. Die schlechten waren und sind immer in der Minderzahl und können einer gesunden Gesellschaft nichts anhaben, so wie Krankheitserreger einem gesunden Körper nichts anhaben können.
Also dürfen wir uns als Gesellschaft nicht krank machen lassen. Die Erreger kommen übrigens in diesem Fall nicht von außen, sondern von innen, wir haben sie selbst produziert und zugesehen, wie sie sich vermehren konnten. Sie infizieren gesunde Teile unserer Gesellschaft, vor allem jene, die schon geschwächt sind, also Angst haben. Je mehr, desto leichteres Spiel haben sie.
Dagegen hilft als Medizin der Mut. Er entsteht in der Gemeinschaft, die an sich selbst glaubt und ein attraktives Ziel vor Augen hat.

Ich war im September 2015 am Hauptbahnhof und wollte meine Hilfe anbieten. Allerdings bin ich nach kurzer Zeit wieder gefahren, denn um die ankommenden Flüchtlinge gab es ein richtiges „G´riss“, wie man auf Wienerisch so schön sagt. Ich stand eigentlich nur im Weg herum und hatte keine Ahnung wo und wie ich helfen sollte. Es schien alles wie am Schnürchen zu laufen, meine Unterstützung wurde schlicht und einfach nicht gebraucht. Vielleicht nur heute, eventuell sieht es morgen ganz anders aus. Und ich wollte dann auch nicht dort bleiben ohne sinnvolle Beschäftigung. „Flüchtlinge schaun“ liegt mir nicht.

Was ich gesehen habe: Alles läuft in ruhiger Ordnung ab. Ein junger Mann ruft auf Arabisch Infos durch einen Volksverkünder, in der Halle sind jede Menge Kojen abgetrennt (das ist von gestern auf heute passiert), wo die Menschen sich umziehen können, ausruhen oder essen. Es ist weder schmutzig noch stinkt es, alle Leute wissen scheinbar, was sie wollen und was zu tun ist. Überall flitzen HelferInnen herum und tun irgendwas. ÜbersetzerInnen haben Schilder auf der Brust, auf denen geschrieben steht, in welchen Sprachen sie helfen können. Angeblich gibt es auch genug davon. Sehr viel Essen wird herumgetragen, es gibt eine Krankenstation und eine Kleiderausgabe sowie einen eigenen Bereich für Hygieneartikel. In den sozialen Medien wurde bereits durchgesagt, dass von allem genug vorhanden ist, zumindest zurzeit. Die Stimmung ist ruhig und nicht hektisch und ich habe das Gefühl, dass alle Flüchtlinge gut versorgt sind. Ständig kommen Züge an und fahren wieder ab. Außerhalb des Bahnhofs merkt man fast nichts, nur ein paar Zelte stehen herum und einige Krankenwägen. Ständig kommen Menschen zum Bahnhof, die irgend etwas mitbringen, spenden bzw. abgeben wollen. (Auf einer Website hab ich gesehen, dass jemand seine alten Eislaufschuhe gespendet hat. Nun ja.)

Das war irgendwie nicht meine Veranstaltung. Auch okay. Zur Sache habe ich allerdings etwas zu sagen und werde versuchen, das einigermaßen systematisch aufzuarbeiten. Ich möchte bei Adam und Eva beginnen (das hat sich immer schon bewährt), bekanntermaßen die ersten Flüchtlinge der Welt, Vertriebene aus dem Paradies, Opfer des alttestamentarischen Gottes Jahwe. Asylantrag mussten sie keinen stellen und damals waren auch weder Schlepper schon erfunden noch das Geld, um sie zu bezahlen.
Sie mussten dort weg, obwohl sie gerne geblieben wären – das ist wohl die einzige Gemeinsamkeit mit den heutigen Flüchtlingen. Wobei – auch Syrien war bis vor kurzem schön und die meisten Menschen haben sicher gerne dort gelebt. Es gab auch meines Wissens keine Flüchtlinge vor dem Krieg, obwohl man Syrien sicher nicht als Paradies bezeichnen kann, dafür gab es auch dort schon zu viele Spannungen.
Die Bilder, die von dort zu uns kommen, zeigen einen der Gründe, warum die Menschen flüchten. Hier ist eines davon, es zeigt angeblich eine Straße der syrischen Stadt Homs vor dem Krieg und jetzt (ich habe keine Quellenangabe):

Homs.jpg

In den Foren liest man immer wieder, dass die Syrer doch gefälligst dort bleiben sollen, denn bei uns sind die Menschen nach dem 2. Weltkrieg ja auch nicht weggelaufen.
Dieses Argument ist aus mehreren Gründen falsch. Erstens gab es eine Menge Menschen, die Österreich verlassen haben, viele davon weil sie hier keine Zukunft mehr sahen, und zwar wirtschaftlich. Zweitens war nicht ganz Österreich zerbombt und die Menschen in der Stadt bekamen Hilfe vom Land, wo eine funktionierende Landwirtschaft für die notwendigen Lebensmittel sorgen konnte, zumindest ab 1946, davor gab es Hilfslieferungen, die vor allem aus USA kamen. Die polizeiliche Sicherheit wurde mehr oder weniger durch die Alliierten gewährleistet.
In Syrien ist das anders, die sonst übliche landesinterne Flucht ist fast zum Erliegen gekommen, weil es an den meisten Orten so aussieht (angeblich Kobane, auch hier keine gesicherte Quellenangabe):

Kobane.jpg

Dort kann man nicht leben oder zumindest können das nicht viele. Außerdem ist ein Ende des Krieges nicht in Sicht, das war 1944 und 1945 bei uns anders. Ich persönlich glaube nicht, dass die Menschen dort aus Jux und Tollerei flüchten. Auch dass sie bei der Überfahrt in Schlauchbooten „Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön“ anstimmen, kann ich mir nicht vorstellen.
Neueste Zahlen sagen, dass von 20 Mio SyrerInnen bisher 6 Mio. geflüchtet sind. Die meisten davon befinden sich in Auffanglagern in den Nachbarländern, also in der Türkei, dem Libanon und Jordanien, einige auch in Ägypten. Nur etwa ein Zehntel (angeblich 350.000) sind nach Europa geflüchtet, die arabischen Bruderstaaten (Saudiarabien, Emirate) nehmen keine Flüchtlinge auf und auch die USA oder Kanada zeigen nicht gerade mit beiden Händen auf, wenngleich Justin Trudeau, der neue kanadische Premierminister, neulich mit einer Aktion eine ganze Partie syrische Flüchtlinge ins Land holte.
Also kommen sie nach Europa, das vielen als gelobtes Land erscheint (also eh nicht ganz Europa, eher Deutschland und Skandinavien und mit Abstand dahinter England und einige andere Länder, darunter auch Österreich).

Wie geht es weiter?

Es werden so lange Flüchtlinge kommen, wie die Ursache der Flucht besteht – so einfach ist das. Im nahen Osten sind das die Kriege und die politischen Unruhen, in Afrika ist dies ebenso, nur kommen auch noch Armutsprobleme dazu. Das bedeutet, dass es so weiter geht, wenn z.B. der Krieg in Syrien weiter befeuert wird. Krieg funktioniert nur mit Waffen, daher befeuert der Waffenhandel den Krieg. Natürlich ist das Problem nicht europäisch lösbar, denn wenn Europa mit den höchst lukrativen Waffenexporten aufhört, steigt Russland ein, oder die USA oder China. Da diese Staaten keine Angst vor syrischen Flüchtlingen haben müssen, können sie risikolos Geld verdienen, sehr viel Geld. Derzeit hat Europa entweder kein Mittel um diese Staaten unter Druck zu setzen oder es will sie nicht verwenden. Dafür haben die europ. Staaten zugestimmt, dass die Hilfe für die Flüchtlingslager in Jordanien und im Libanon gekürzt wird.

Trotzdem müssen sich all die Länder, die Waffen in die Krisengebiete verkaufen (und daran prächtig verdienen) den Vorwurf gefallen lassen, dass sie an den dortigen Verhältnissen mit schuldig sind. Österreich ist eines dieser Länder: Die Lieblingswaffe der IS-Terrorführer ist angeblich die österr. Glock-Pistole und eine österr. Firma hat viele tausend Sprenggranaten über den Umweg Saudi-Arabien nach Syrien geliefert – genehmigt vom Außenministerium unter der Leitung von Außenminister Sebastian Kurz. Auch das Steyr-Sturmgewehr STG 77 (die österr. Antwort auf die Kalaschnikow) wurde dort schon gesichtet.

Flüchtlingshilfe vor Ort kürzen, dafür eigene Waffen liefern und dann jammern, wenn Menschen zu uns flüchten – es gibt wohl nichts scheinheiligeres als das.

Es wird uns das Jammern nichts nützen. Die Menschen werden zu uns kommen und wir werden das, was wir haben, mit ihnen teilen müssen. Da wir in Österreich derzeit ca. 1/3 aller Lebensmittel wegwerfen, wird es uns auch dann an nichts fehlen, außer vielleicht an Xenophobie, die wir gerade so eifrig hegen und pflegen.

Die großen Lügen

Ich bin der Ansicht, dass die Bevölkerung zumindest in Österreich über einige Dinge belogen wird. Warum dies passiert, darüber müsste man diskutieren und könnte mit der Frage „Cui bono?“ beginnen.

1.) Die Wachstums-Lüge
Aus allen Medien tönt der Chor: Wir brauchen mehr Wachstum! Gemeint ist damit Wirtschaftswachstum im Sinne gesteigerter Produktion von Konsumartikeln. Das verlangt natürlich eine gesteigerte Ressourcenausbeutung von Material und Mensch plus eine Steigerung des Konsums.
Das wird aber nicht funktionieren und daher wird es nicht passieren. Und das wissen die Leute, die uns das verkaufen wollen. Also belügen sie uns.

2.) Die Trickle-down-Lüge
In den 1980ern wurde sie von Margret Thatcher und Ronald Reagan verbreitet, als diese einen neoliberalen Wirtschaftskurs einschlugen: Mehr reiche und mehr superreiche Menschen bringen Wohlstand für alle, weil der Reichtum sich quasi automatisch auch nach unten verteilt.
Das ist falsch.

3.) Die Mittelstands-Lüge
Wer hart arbeitet, wird einmal zur Elite gehören, zumindest zur finanziellen Elite.
Das ist aus mehreren Gründen falsch: Erstens ist harte Arbeit keinerlei Garant, denn es gibt ohne Ende Beispiele für sehr hart arbeitende Menschen, die gerade mal ihr Existenzminimum erwirtschaften können. Zweitens können es immer nur einige wenige schaffen. Und das gleicht einem Lotteriespiel.

4.) Die Green Economy-Lüge
Das ist eine ganz besonders perfide Lüge, denn sie schmeckt nach Wahrheit. Leider baut man auch hier auf Produktionswachstum und somit auf Ressourcenausbeutung und das ist um fast nichts besser als die Wachstumslüge. Green Economy ist gut, ändert aber nichts daran, dass das Produktionswachstum nicht mehr funktioniert. Und auch nicht funktionieren wird.

5.) Die New-Technology-Lüge
Die Menschen werden einfach neue, ganz tolle Technologien erfinden und die werden unsere Probleme alle lösen, denn das haben die Menschen in Krisen immer schon getan. Das ist gelogen – erstens haben sie oft keine neuen Technologien erfunden, zweitens sind sie gar nicht selten trotzdem untergegangen und drittens ist die Extrapolation in die Zukunft einfach unzulässig.

6.) Die Klimawandel-Lüge
Selbst die Skeptiker können nicht mehr leugnen, dass es Klimaveränderungen gibt. Aber sie lügen uns vor, das das ganz normal sei, somit auch nicht „man-made“ und somit auch kein Problem. Wenn es eh natürlich ist, brauchen wir an unserem Lebenswandel nichts verändern, denn er hat den Klimawandel ja gar nicht erzeugt. Eine äußerst dreiste Lüge, die aber der spontanen Bequemlichkeit nützt und daher gerne geglaubt wird.

7.) Die Migrations-Lüge
Wenn sich Lebensbedingungen verschlechtern, werden Menschen mobil – das ist seit Jahrhunderttausenden so und wird auch nicht aufhören. Der Grund dafür ist egal – Krieg, Erdbeben, Dürre. Migration war noch nie aufzuhalten, wenngleich wir mit der Atombombe oder chemischen Waffen heute die technische Möglichkeit dazu hätten. Sie kommen und wir werden mit ihnen leben müssen. Zu behaupten, dass dem nicht so sei – das ist eine Lüge.

So funktioniert propagandistische Hetze

Auf den ersten Blick nicht leicht zu durchschauen, aber genau darum geht es ja.

Seit einigen Tagen kreist ein Spruch auf Facebook, der von manchen Menschen gerne „geteilt“ wird. (Für alle, die sich mit Facebook nicht auskennen: Das ist eine Social-Media-Plattform, bei der man sich mit Freunden online vernetzen kann. Dort kann man etwas „posten“ also ein Bild einstellen oder eine Nachricht oder eine Statusmeldung. Wenn man ein hochgeladenes Bild sieht, kann man es „teilen“ und dann sehen es alle Leute, mit denen man selbst vernetzt ist.)

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Dieser Spruch sieht auf den ersten Blick irgendwie stimmig aus, das Problem liegt im Detail und daher müssen wir uns das auch detailliert ansehen.

1.) Die Verstärkung
Propaganda erzeugt keine Stimmung, sie verstärkt eine schon vorhandene. Sie schmarotzt sozusagen. Wo nichts ist, kann sie auch nicht viel ausrichten. Wo aber ein Nährboden da ist, kann sie sich prächtig entfalten und zwar in Form von Vermehrung. Oben angesprochenes „Teilen“ in einem sozialen Medium ist so eine Art der Vermehrung.
Der Nährboden für diesen Spruch ist die Debatte rund um „Asylanten“, Wirtschaftsflüchtlinge und Schwarzafrikaner, die man auf dem Bild auch gut sehen kann.

2.) Das Spiel mit der Angst
Wahrscheinlich seit Beginn der Menschheit bzw. auf jeden Fall seit Beginn der Sesshaftigkeit haben Menschen Angst vor Fremden. Diese Angst ist evolutionsbiologisch auch sinnvoll, denn das Fremde kennt man nicht und kann es daher auch nicht einschätzen, es ist unbekannt und man weiß nicht, ob von ihm Gefahr ausgeht oder nicht.
Die Propaganda nützt diese Angst indem sie verstärkend wirkt. Besondere Angst haben in unseren Breiten viele Menschen vor „Negern“, die man heute „Schwarzafrikaner“ nennt. Dazu eine kleine Anekdote, die mir mein lieber Freund Gerhard Ziegler erzählt hat:
Kurz nach dem zweiten Weltkrieg hatte seine Oma in Oberösterreich einen Unfall. Das nächst gelegene Krankenhaus war ein US-Militärhospital, in das sie gebracht wurde. Als sie aufwachte, sah sie einen amerikanischen Arzt mit schwarzer Hautfarbe, der sich gerade über sie beugte. Voller Entsetzen rief sie aus „Jessas, der Teufel!“
Das ist die Urangst vor dem „schwarzen Mann“, die in erster Linie daraus entsteht, dass man erstens den schwarzen Mann nicht kennt – selbst wenn man mit Neckermann in Mombasa Strandurlaub gemacht hat – und zweitens „Neger“ aufgrund der Hautfarbe ganz besonders fremd wirken, anders, als man selbst ist oder zu sein glaubt.
In diesem Spruch verwendet die Propaganda ganz bewusst diese Angst und zeigt „schwarze Männer“.
Dies wird noch dadurch verstärkt, dass nur junge Männer gezeigt werden, also keine alten Frauen oder etwa kleine Kinder. Die Flüchtlinge sind aber nicht nur junge Männer, wenngleich es verstärkt so ist.
Das ist einerseits logisch, weil kleine Kinder oder alte Menschen selten Revolutionäre und somit auch keine Regimegegner sind. Die Jugend demonstriert bzw. entwickelt Widerstand, in der Nazi-Zeit waren die meisten Widerstandskämpfer auch junge Männer und nicht Babies oder Greise.
In allen Kulturen dieser Welt und in allen Zeiten waren und sind die Kämpfer einer Bevölkerung die jungen Männer, weil sie jung und stark sind. Fast immer werden sie von alten Männern in den Krieg geschickt, deren Manneskraft schon erlahmt ist.
Diese alte „Regel“ macht sich hier die Propaganda zunutze und zeigt junge, starke Männer. Damit weckt sie die Assoziation, dass es Krieger sind, die zu uns geschickt werden. Es kommt sozusagen eine ganze Armee und fällt in unser schönes Land ein. Eine riesige Armee schwarzer Männer – wenn das kein Grund zur Angst ist!
„Angst essen Seele auf“ heißt ein berühmter Film und genau das benützt die Propaganda. Die Seele ist der Sitz des Gewissens und wenn sie aufgegessen wurde, fehlt ebendieses. Dann sind die Menschen bereit grausame Dinge zu tun oder zumindest wegzuschauen. Wer also grausame Dinge tun will, isst vorher die Seelen der Menschen auf. Die Propaganda bereitet genau das vor.

3.) Die Umdeutung von Begriffen
Propaganda spielt mit Worten und meist tut sie das sehr clever. Der hier diskutierte Spruch ist so ein typischer Fall. Das erste Wort, das hier umgedeutet wird, ist „Asylanten“. Das sind Menschen, die von irgendwo flüchten, weil dort ihr Leben bedroht ist. Sie können dorthin nicht zurückkehren und beantragen daher woanders Asyl. Im Idealfall dort, wo genau diese Bedrohung nicht vorhanden ist.
Alle Länder, die die Charta der Menschenrechte unterschrieben haben, müssen Asyl gewähren. Das ist keine Gnade, sondern ein Menschenrecht, und somit außerhalb der Diskussion: Asyl MUSS gewährt werden, wenn es sich um jemand handelt, dessen Leben dort bedroht ist, wo er/sie herkommt.
Das Wort „Asylant“ ist genau genommen ein künstlich geschaffenes, das ungefähr so viel bedeutet wie „Mensch, dessen Wesen (ev. sogar Beruf) darin besteht Asyl zu suchen bzw. zu verlangen“. Das ist aber nicht das Wesen eines Menschen, sondern eine Situation, in die er gerät. Das ist eine Ausnahmesituation, die nur durch die österr. Bürokratie für manche Menschen zur Dauersituation wird, wenn sie nämlich bis zu zehn Jahre warten müssen und sich in dieser Zeit in einer Grauzone befinden.
Der berühmteste österr. Flüchtling war Bruno Kreisky. „Wenn Sie mich jetzt zurückschicken, liefern Sie mich den Leuten aus, denen ich gerade entkommen bin.“ – Kreisky appellierte 1938 an die dänischen Behörden, ihn nicht ins an Nazi-Deutschland angeschlossene Österreich zurückzuschicken, sondern nach Schweden weiterreisen zu lassen.
Eine andere Zeit? Nicht vergleichbar? Kreisky ist ja kein Neger? Die Nazis waren Mörder, eine verbrecherische Kultur sozusagen? Aber Kreisky war Teil dieser Kultur, so wie die Schwarzafrikaner Teil ihrer Kultur sind. Und natürlich nehmen sie diese mit, genauso wie Kreisky die Nazi-Kultur nach Dänemark exportiert hätte.
Ja, das ist vergleichbar, denn jeder Mensch ist natürlich irgendwie Teil der Kultur, in der er lebt. Und hat sie irgendwie „in sich“. Aber genau hier ist das Problem mit der Propaganda. Sie nimmt etwas scheinbar Wahres und verdreht es, bis es wie ein genau passender Baustein in das erwünschte Konzept passt.
Kreisky hat natürlich keine Nazi-Kultur exportiert, denn er war ja Gegner dieser Kultur. Er war Teil der Gegen-Kultur sozusagen und genau deswegen musste er ja flüchten.
Hier passiert sehr schnell die Vermischung von Kultur und Politik. Am besten können wir das auseinander halten, wenn wir „Kultur“ richtig definieren, nämlich als „die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen“. Politik hingegen ist die „Kunst des Interessenausgleichs in einer Gesellschaft zum Zwecke des friedlichen Miteinanders.“
Beides kann man missbrauchen, so wie vieles auf dieser Welt.

4.) Die Bildsprache und die Phantasie
Der Spruch wird durch ein Bild verstärkt, das sehr genau ausgewählt ist. Als erste Person springt einem der „Neger“ leicht rechts der Mitte ins Auge. Es handelt sich um einen mehr oder weniger jungen Mann in dunkler Kleidung. Die Mütze, die er am Kopf trägt, verwenden manchmal auch Einbrecher, ebenso die neutralen, dunklen Jacken. Das Bild dürfte im Winter aufgenommen worden sein, deswegen tragen viele der Menschen eine Kopfbedeckung. Es befinden sich ausschließlich Männer auf dem Bild, die eher jung erscheinen. Was tun die da? Sie stehen herum und unterhalten sich. Worüber reden sie? Besprechen sie gerade, wie sie in Zukunft Drogen an Kinder vor unseren Schulen verkaufen werden, um damit steinreich zu werden? Oder checken sie Informationen für die nächste Einbruchserie? Vielleicht planen sie ja einen terroristischen Anschlag bei uns, ein paar von den Typen sehen arabisch aus. Die Gesichter sind unscharf, die Menschen sind schwer als Menschen zu erkennen. Es wird auch nicht erklärt, woher das Bild stammt und wer hier tatsächlich zu sehen ist. Die Information zu dem Bild ist der Spruch darunter.
Die fehlende Information über das Bild ist Teil der Propaganda. Sie zwingt uns die einzige Informationsquelle anzuzapfen, die uns immer und überall uneingeschränkt zur Verfügung steht: die Phantasie. Diese wiederum wird gesteuert durch unsere Erfahrungen, mehr aber noch durch die Informationen, die wir bekommen. Das ist übrigens der nächste Wirkmechanismus der Propaganda.

5.) Die selbstreferentielle Verstärkung
Wir hören, lesen, sehen etwas und nehmen die Information, die darin enthalten ist, selektiv auf. Damit ist gemeint, dass wir auswählen, was wir wichtiger finden (und uns daher besser merken) und was nicht. Weil es einfacher ist, tendieren wir dazu diejenigen Informationen als wichtiger zu erachten, die in unser bisheriges Bild passen. Dieses Bild ist immer das, bei dem wir uns am wohlsten fühlen. Damit ist aber nicht gemeint, dass es ein positives Bild ist, manchmal fühlen wir uns bei negativen Bilder wohl, etwa wenn sie eine gerne gepflegte und geliebte Angst widerspiegeln oder verstärken. Das ist der Grund, warum sich viele Menschen gerne Horrorfilme ansehen bzw. Thriller. Der „Thrill“ ist übersetzt die „Angstlust“ und gehört zu unserem Menschsein dazu. Einzig und allein die Dosierung macht es hier aus.

Bei unserem Bild werden bereits vorhandene Vorurteile bestärkt und geschürt und genau das ist das Ziel. Es macht aus keinem angstfreien Menschen einen ängstlichen, sondern es macht aus einem ängstlichen einen noch ängstlicheren. Das funktioniert über die darin enthaltenen Halbwahrheiten. Es ist nie ganz falsch, denn es könnte ja tatsächlich den einen oder anderen Drogendealer oder Einbrecher unter diesen Menschen geben. Sie sind auch nicht alle ehrlich und fleißig, genauso wie wir alle. Propaganda, die komplett auf Lügen aufbaut, funktioniert nicht oder nicht gut – mit einer Einschränkung: Wenn der Nährboden bereits sehr fruchtbar ist, dann kann die Propaganda mit frei erfundenen Informationen und Bildern arbeiten, dann sind alle Dämme hinweggespült und dann geht es sprichwörtlich den Bach runter.
Das ist dann der Schritt zum eigentlich geplanten Ziel, nämlich die Zerstörung eines differenzierten (z.B. demokratischen) Systems zugunsten eines autoritären Systems.

UPDATE 15. September 2015

Die derzeitige Flüchtlingsdebatte reisst nicht ab und im Gegenzug dazu nimmt die Hetzpropaganda zu. Besonders gefährlich getarnt kommt sie als „Erlebnisbericht“ – also scheinbar aus erster Hand, tatsächlich vor Ort erlebt und scheinbar objektiv. Wie sie funktioniert kann man erkennen, wenn man die Semantik zu Hilfe ruft. Hier ein gutes Beispiel:

hass2.jpg

Ein junger Mann berichtet von seiner Zeit am Hauptbahnhof (wahrscheinlich als Polizist, was der ganzen Sache noch einen prekären Touch gibt). Dieses Posting müssen wir uns genauer ansehen. Vorher aber noch die Bemerkung, dass dieser junge Mann wahrscheinlich die genauen Regeln und Werkzeuge der Propaganda gar nicht kennt. Das ist aber auch nicht notwendig, um eine solche zu machen.
Er schreibt „es gab erste Rangeleien unter den Flüchtlingen“. Was bedeutet das und wieso schreibt er es? Dort haben sich auch Menschen umarmt, wieso schreibt er darüber nichts?
Hier finden wir ein Werkzeug der Propaganda: Mach Angst!
In diesem Fall werden die Flüchtlinge als gewalttätig dargestellt. Man weiß, dass sie Fremde sind, allein das ist für viele Menschen schon ein Grund Angst zu haben. Und gewalttätige Fremde – das will man dann schon gar nicht.
Dann schreibt er von als Flüchtlinge verkleideten Caritas-Helfern, die zusammenräumen bevor das Fernsehteam zu drehen beginnt. Damit unterstellt er der Caritas Unredlichkeit und wir haben hier ein weiteres Werkzeug der Propaganda: Diffamiere deinen Gegner als unehrlich und unredlich.
Beweise dafür bleibt er schuldig, aber das ist egal, denn diejenigen Menschen, auf die die Propaganda wirken soll, erwarten genau das und wollen es gar nicht hinterfragen. Damit sind wir bei einer weiteren, sehr allgemeinen Propagandaregel: Gieße Wasser auf deine Mühlen.
Der nächste Satz gehört auch in diese Kategorie: „Selbst Caritas Mitarbeiter sehen ein, dass mindestens 70% junge Männer sind.“
Dies ist nur verständlich, wenn man weiß, dass frühere Propaganda schon Angst vor jungen Männern gemacht hat: Diese sind jung und kräftig und risikobereiter als andere und – so wird gerne argumentiert – auch krimineller und gewaltbereiter als z.B. alte Frauen oder Babies.
Hier zeigt sich das nächste Propaganda-Werkzeug: Nimm das Körnchen Wahrheit und blase es auf.
Und zwar muss es so aufgeblasen werden, dass es den anderen, größeren Teil vollständig verdeckt. Jeder, der dann auf die anderen Aspekte hinweist, kann als Lügner oder Irrer hingestellt werden.
Dieser Satz ist aber doppelt propagandabehaftet. Es wird behauptet, dass der Gegner seine Meinung bereits geändert hat, weil die scheinbaren Fakten ihn überzeugt haben – und zwar sieht sogar der schärfste Gegner es bereits ein, ausgedrückt durch das Wort „Selbst“.
Genau genommen ist noch ein drittes Element dabei, denn es wird von „mindestens 70%“ gesprochen. Damit wird behauptet, dass es eher mehr sein könnten und der Phantasie des Lesers bleibt es überlassen sich die „wahre“ Zahl zu überlegen. Wenn man nun schon auf den Propaganda-Zug aufgesprungen ist, dann liegt es nahe, diesen Prozentsatz möglichst hoch anzusetzen, also eher bei 80 oder 90 Prozent. Damit ist das Ziel der Propaganda erreicht: Fast alle (oder vielleicht doch eher alle) Flüchtlinge sind junge, gewalttätige oder gewaltbereite Männer.
Das soll vor allem Frauen Angst machen, denn vor solchen Männern hat man eher Angst, dass sie Frauen vergewaltigen als es andere tun. Männer haben wiederum Angst um ihre Potenz – entweder tatsächlich oder wirtschaftlich. Junge Männer nehmen alten Männern irgendwann die Frauen weg, nämlich dann, wenn die alten Männer impotent geworden sind. Und wer in seinem Innersten weiß, dass er eigentlich eher faul ist und irgendwie ohne eigene Leistung wie die Made im Speck lebt, der wird Angst vor jungen, kräftigen Männern haben, die eine anstrengende, riskante Reise geschafft haben.

Beim nächsten Satz sticht das erste Wort heraus: Hassprediger.
Hier sind wir beim nächsten Propaganda-Werkzeug: Wirf das, was du selbst machst, deinem Gegner vor.
Also wer selbst Hass predigt, wirft anderen vor Hassprediger zu sein. Vielleicht funktioniert es ja, auf jeden Fall wirkt es ablenkend von der eigenen Hasspredigt. Wenn man jemandem ins Auto hinein gefahren ist, dann steigt man aus und schreit „Warum sind sie mir ins Auto hinein gefahren??!!“ Selber Mechanismus.

Dass die Hassprediger „augenscheinlich ihre Schützlinge suchen“ ist ein weiteres Element. Es spielt mit der Angst vor radikal-islamistischen Menschen, die zu uns kommen, um a.) ihre radikale Religion auszubreiten und b.) irgendwelche sonstigen bösen Dinge zu planen und durchzuführen. Vielleicht sogar Terroranschläge?
Diese Hassprediger suchen also ihre Schützlinge. Es sind also scheinbar mehrere da, die alle zu den Hasspredigern gehören. Eine Art geheime Organisation? Wie viele von den Flüchtlingen gehören dazu? Sehr viele vielleicht?
Auch hier wird viel der Phantasie überlassen, die generell eher verstärkend wirkt, vor allem bei Menschen, die sowieso schon Angst haben und für die eine Verstärkung ihrer bisherigen Linie gerade recht kommt, denn es zeigt, dass man selbst die „richtige“ Meinung hat.
Interessant ist auch das Wort „augenscheinlich“ – es suggeriert, dass sich die Hassprediger gar nicht mehr verstecken müssen, sie können bereits ganz offen ihre Strukturen zeigen. Scheinbar sind sie sich ihrer Sache sehr sicher und scheinbar unternimmt bei uns niemand was dagegen. Stecken die mit denen unter einer Decke? Alles wird offen gelassen und scheint möglich.
Dahinter steckt gut sichtbar der Ruf nach jemandem, der etwas dagegen unternimmt.

Dieses Werkzeug wird gleich recycled, denn angeblich hat der Poster von einem Caritas-Helfer erfahren, dass die Flüchtlinge aus „allen Ecken dieser Welt“ kommen. Das nächste Propaganda-Werkzeug ist die Übertreibung: „alle“ Ecken sind es nämlich nicht, aber es soll suggerieren, dass die Flüchtlinge gar nicht aus Gebieten kommen, aus denen man flüchten muss. Sie sind daher gar keine Flüchtlinge, sondern Migranten.
Im nächsten Absatz finden wir bereits ein weiteres Werkzeug, das besonders gern verwendet wird: die Nachrichtenquellen werden als unseriös bzw. tendenziös und einseitig dargestellt – in diesem Fall der ORF. Im Idealfall kann man sich selbst dann noch in die Opferrolle begeben – man ist so arm, weil die Medien ja falsch berichten. Das ist ausgesprochen praktisch, denn man kann dann selbst ungestört falsch berichten. Wenn das auffliegt, kann man sich jederzeit auf die Medien ausreden, die ja falsch berichtet hätten.

Wenig später wird es noch viel subtiler: Der Poster berichtet von „seltsamen Konstellationen“ der Familien, die scheinbar anders sind als unsere Familien. Das „Seltsame“ ist das Unbekannte, das abgelehnt wird. Im Hintergrund schwingt jedoch noch etwas anderes mit: da sind sicher irgendwelche Inzucht-Sauereien im Spiel! Fazit: Die sind nicht normal, also abnormal, pervers – oder sie täuschen die Familienstrukturen nur vor, dann sind sie Lügner und Betrüger. Die Propaganda gelangt langsam an ihr Ziel, denn die Flüchtlingen haben jetzt nur mehr zwei Möglichkeiten: pervers zu sein oder betrügerisch.
Das ist übrigens auch ein aus der Nazi-Zeit gut bekanntes Propaganda-Mittel, nämlich die Sexualität und die Familienstruktur der Gegner als abartig darzustellen. Hier wird es allerdings nur sehr subtil angedeutet.

Nun kommt allerdings der Kern des Postings: Die Exekutive „steht quasi nur Zentimeter von den Flüchtlingen, welche Krankheit aus allen Ländern mitbringen, ohne Schutz.“
Das ist eines der kräftigsten Propaganda-Werkzeuge von Joseph Goebbels, der im Nazi-Reich oberster Propagandaminister war. Damals wurden die Juden angeklagt, die Überträger aller gefährlichen Krankheiten zu sein.
In diesem Posting läuft es exakt nach diesem Muster, fast wie aus der Maschinerie des Dritten Reichs übernommen. Die Flüchtlinge bringen nicht nur eine Krankheit mit, sondern viele, weil aus „allen Ländern“. Sie sind quasi Gefäße für alle gefährlichen Krankheiten, die es auf dieser Welt gibt. Und sie bringen sie nicht nur mit in unsere „gesunde“ Gesellschaft zu unseren „gesunden“ Menschen, sondern übertragen sie auch noch – deswegen bräuchten wir Schutz, der aber nicht vorhanden ist.
Die Flüchtlinge sind quasi mobile Bio-Waffen, die jederzeit unsere gesunde, saubere Gesellschaft infizieren und töten können – töten deswegen, weil unter Krankheiten aus allen Ländern auch die gefährlichen dabei sind. Sie sind es übrigens alle, denn es sind „die Flüchtlinge“ und nicht nur einige – sie sind es quasi als Art, also von ihrem Wesen her.

Was kann man dagegen tun? Eine Bio-Waffe muss man vernichten, und zwar am besten aus der Ferne und mit großer Hitze, weil da die Überträger und Keime absterben. In Filmen wird so etwas üblicherweise mit Flammenwerfern gemacht. Bio-Bomben sind übrigens keine Menschen mehr und genau das soll die Propaganda bewirken: die Flüchtlinge sollen als entmenschlicht dargestellt werden – wie Zombies, die man vernichten muss, damit man selbst nicht vernichtet wird. Vielleicht waren die Flüchtlinge ja einmal Menschen (daheim nämlich) – so wie Zombies einmal Menschen waren, aber jetzt sind sie es nicht mehr.
Dieses Propaganda-Phänomen kann man übrigens auch bei einem der meistgelesenen Autoren des 20. Jhd. finden, nämlich bei J.R.R. Tolkien. In seiner Mythologie sind die Orks auch ehemals edle Elben gewesen, bevor sie entartet wurden. Auch bei ihm kommen die Krankheiten aus dem Südosten seiner Welt.

Jetzt habe ich auch endlich die Erklärung für ein Phänomen, das mir lange Kopfzerbrechen gemacht hat. Im Sommer gab es den Fall der kleinen Dunja – ein Flüchtlingsmädchen, das von einem Fotografen im Zustand großer Freude abgelichtet wurde. Es entstand bei einer Aktion einer freiwilligen Feuerwehr in Oberösterreich, die an einem besonders heißen Tag ausrückte und in einem Flüchtlingsheim mit Spritzen und Wasserwänden den Flüchtlingen Spaß und Abkühlung brachte.
Daraufhin postete ein junger Welser Lehrling (17 Jahre alt), dass man statt Wasserwerfern wohl besser Flammenwerfer hätte benützen sollen. Das löste einen Sturm der Entrüstung aus und der junge Mann wurde von seinem Arbeitgeber rausgeschmissen.

Hier ist das Bild, das für den jungen Welser Lehrling der Auslöser für seinen Hass war:

Dunja.jpg

Wer dieses Bild sieht stellt sich normalerweise die Frage: wie kann man dieses kleine Mädchen so hassen, dass man ihr den qualvollen Tod durch einen Flammenwerfer wünscht?
Mich hat diese Frage nicht losgelassen und die Erklärung, dass das einfach aus Gedankenlosigkeit geschehen ist, war mir überhaupt nicht ausreichend. Jetzt weiß ich, dass es aufgrund der ausgefeilten Propaganda entstanden sein könnte. Wenn alle Flüchtlinge Bio-Bomben sind, dann muss man sie mit Flammenwerfern aus der Ferne vernichten, auch die kleinen Bio-Bomben, also die Kinder. Da sie ja keine Menschen mehr sind, darf man sie ruhig töten.

So verheerende Wirkung kann Propaganda haben und leider gehen ihr scheinbar viele Menschen auf den Leim.
Der Poster hat sein Ziel fast schon erreicht, er legt am Schluss noch einmal eins drauf und agiert mit einem der wirkungsvollsten Propaganda-Werkzeuge, die es gibt, nämlich der Angst vor Überflutung. Das ist in der Faschismus-Theorie ein bestens bekanntes Phänomen, dass vor allem Männer Angst vor der großen Flut haben, die ihre gepanzerten Körperdämme durchbricht.
Der Poster nützt dies geschickt (wenn auch nicht unbedingt bewusst) und berichtet von so einer Flut, die laut seiner einfachen Rechnung zu erwarten ist. Damit ruft er indirekt auf Dämme zu bauen, um die Flut aufzuhalten, was an unseren Grenzen Mauer, Zaun und Stacheldraht entspricht.

Genau das passiert derzeit in Europa. Die Propaganda hat gewirkt und tut es weiter.

UPDATE 1. NOVEMBER 2015

Allerorts geschieht es und glücklicherweise gibt es viele Menschen, die propagandistische Hetze erkennen und auch aufzeigen. Ein besonders unappetitliches Exemplar ist der Artikel von Christoph Biro, inzwischen abgesetzter Chefredakteur der Steirischen Kronen Zeitung. Es lohnt sich genauer anzusehen, was er hier schreibt.

**** ACHTUNG, AKTUELL AM 24. NOVEMBER: BIRO IST AUS DEM URLAUB WIEDER ZURÜCK UND SOMIT AUCH ZURÜCK VOM RÜCKTRITT. ALLES WIE VORHER. DIESER BLOG-ARTIKEL BLEIBT SOMIT AKTUELL ***
http://derstandard.at/2000026245826/Christoph-Biro-kehrte-am-Montag-in-Krone-Redaktion-zurueck

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Beginnen wir ganz vorne: „Die Stimmung ist ja längst gekippt.“
Nun, was heißt denn dieser Satz? „Längst gekippt“ bedeutet, dass scheinbar viele Menschen denken, dass es keine freundliche Stimmung ggü. den Flüchtlingen mehr gibt. Und Biro gibt vor, das zu wissen. Er versucht gleich zu Beginn die Weichen zu stellen: Wie kann man noch für Flüchtlinge sein, wenn doch die Mehrheit längst dagegen ist? Offensichtlich haben die Leute ja einen Grund, warum sie die Stimmung pro Flüchtlinge nicht mehr haben. Die nächsten Sätze untermauern das noch: Es ist zu viel passiert! Scheinbar was negatives – und zwar „zu viel“ davon, also eine ganze Menge. Mit diesen Sätzen bereitet Biro seine Beispiele vor.

„Wir erfahren“ gibt vor, dass nicht nur Biro hier seine Ansichten herauswürgt, sondern dass viele andere auch das erfahren haben, was er jetzt berichtet. Und zwar die erste Bombe: „junge, tesosteron-gesteuerte Syrer“ – sofort erschauern wir alle und vor allem das männliche Publikum, das nicht mehr jung und nicht mehr testosteron-gesteuert ist. Jetzt wird es gefährlich, und zwar für die Männer, denn hier kommt junge Konkurrenz, die auch nicht lange überlegt (weil testosteron- und nicht von Vernunft gesteuert), sondern sich sofort die heimischen Frauen holt. Biro versucht hier ganz direkt Ängste über Phantasien zu schüren. Wenn er schreibt, dass er es eh nur „harmlos ausdrückt“, dann suggeriert er, dass er erstens mehr weiß, es aber nicht schreiben will – weil es zu schlimm ist, um es zu schreiben. Was mag das sein, das schlimmer ist als „äußerst aggressive sexuelle Übergriffe“? Diese jungen Syrer müssen ja wirklich schlimm sein, richtige Tiere!

Auch die Afghanen bekommen ihr Fett ab und werden zu Gewalttätern, die nicht einen, nicht zwei oder drei, sondern „die Sitze“ in ÖBB-Waggons aufschlitzen. Also das Eigentum unserer ÖBB, die ja unser Eigentum ist. Die Afghanen schlitzen sozusagen unseren Besitz auf – und wir können froh sein, dass sie nicht uns selbst aufschlitzen. Dann schreibt er noch, dass sie „nicht nur ihre Notdurft“ verrichten. Wieder ein Versuch unsere Phantasie zu stimulieren: Was könnte noch schlimmer, noch grauslicher sein, als wenn Aufschlitzer ihre Notdurft verrichten?
Dann kommt ein Angriff auf unsere Religion, die ja bekanntlich christlich ist. Und wieder haben wir eine Verallgemeinerung: „sagen sie“ – also nicht einer oder wenige, sondern quasi alle.
Biro bleibt in der Fäkalabteilung und behauptet, dass „sie“ neben die Muschel scheissen und dann „weibliche Hilfskräfte“ auffordern, das wegzuputzen. Wieder eine Verallgemeinerung, wieder der Vorwurf, dass „sie“ unkultiviert, grauslich und frauenfeindlich wären. Und sie tun es „just“ – also absichtlich, was scheinbar auf ihren miesen Charakter hinweisen soll.

Dann kommt ein Teil, in dem Biro berichtet, dass „Horden“ die Supermärkte stürmen, Packungen aufreissen, sich nehmen, was sie wollen, und wieder verschwinden. Hier greift er auf ein Angstpotenzial zu, das bei uns durch die „Vandalen“ gut bekannt ist und seit Jahrtausenden in Europa immer wieder aktiviert wird: In immer neuen Wellen kamen Völker nach Mitteleuropa, meist aus dem Osten, irgendwo aus Asien. Davor hatten die Menschen Angst – obwohl sie selbst zu genau diesen Völkern gehörten – nur halt zu denen, die ein wenig davor kamen. Das war und ist vollkommen normal, seitdem es Menschen gibt, wandern Völker. Und seitdem hatten immer die Sesshaften Angst vor den Neuen. Meistens hat man sich einfach vermischt und so ziemlich alle Mitteleuropäer, die auf eine längere Ahnentafel in Europa blicken können, sind eine Mischung aus all den Völkern, die da im Laufe der Jahrhunderte kamen.
Es sind übrigens „Horden“ – was wohl eine leichte Übertreibung darstellen dürfte, aber es soll ja die Angst schüren, und da ist es am besten, wenn man sich eine Horde statt einem kleinen Grüppchen vorstellen kann. Und sie stürmen nicht einen Supermarkt, sondern „die Supermärkte“ – also scheinbar alle. Das müssen unglaublich viele Horden sein, in Summe zigtausende Menschen, die alle Vandalen sind, und natürlich Räuber. Und sie verschwinden wieder, wobei Biro schreibt, dass die Polizei machtlos ist.
Was soll das nun schon wieder? Ich finde hier leider nur eine einzige sinnvolle Erklärung: Er möchte einen Polizei- und Militärstaat, in dem an jeder Ecke eine Polizeihorde wartet, um gegen die Flüchtlingshorden einzuschreiten.
Sie können jetzt nur verschwinden, weil die Polizei machtlos ist – und warum ist sie machtlos? Weil es zu wenige Polizisten gibt und weil sie nicht die entsprechenden Möglichkeiten zum Einschreiten haben. Ein Schießbefehl auf alle Menschen, die wie Flüchtlinge aussehen – das wäre die angedachte Lösung. Das unterstelle ich dem Herrn Biro an dieser Stelle jetzt einfach einmal.

Das perfide an dieser Behauptung von Herrn Biro ist jedoch, dass das alles erstunken und erlogen ist. Es gab niemals Horden, die Supermärkte gestürmt haben. Auch keine Gruppen, keine Grüppchen, und es gab keinen einzigen Supermarkt, wo so etwas passiert ist. Die „machtlose“ Polizei hat das klar dementiert.
Das ist einfach Hetzpropaganda, sonst nichts – frei erfunden, und das von einem Chefredakteur der größten Tageszeitung Österrreichs. Es verwundert nicht, dass das sogar denjenigen zu viel geworden ist, die eigentlich Herrn Biros Meinung sind.

Biro macht weiter: „Integration? Ein schönes Wort, mehr nicht. Integration kann bestenfalls in Einzelfällen funktionieren.“
Damit meint er, dass sie de facto nicht funktioniert. Und da man nicht-integrierte Menschen nicht will, muss man sie also wieder loswerden. Am besten gar nicht reinlassen.
Nein, damit macht Christoph Biro noch nicht Schluss. Er muss noch das eine oder andere Schäuferl nachlegen, weiterzündeln, weiter aufstacheln. Nun schreibt er, dass „sämtliche Ordnungskräfte einfach überrannt wurden“ und dass „Tausende wie auf Kommando über unsere Grenze trampeln“ – allein die Wortwahl ist hier so delikat-abscheulich, dass mir die Spucke wegbleibt. Glücklicherweise brauche ich für diese Analyse keine Spucke.
Biro erzeugt Bilder in unserem Kopf: Wir sehen hier freundliche Ordnungskräfte, die nur ordnen wollen – und was muss man ordnen? Natürlich das Ungeordnete, das Chaos, das scheinbar in Gestalt der Flüchtlinge in unser so wunderbar geordnetes Land kommt. Und diese armen Ordnungskräfte, in denen wir uns selbst erkennen, weil wir ja auch alle gerne Ordnung haben, lieber als dieses grausliche Chaos, die werden jetzt „einfach überrannt“ – und zwar scheinbar niedergetrampelt, wie er einen Halbsatz später schreibt. Ich glaube, dass hier ganz bewusst die Nähe der überrannten Ordnungskräfte mit dem Wort „niedergetrampelt“ erzeugt wird. Wir alle werden somit überrannt und niedergetrampelt, und zwar von Horden, die das noch dazu „auf Kommando“ tun – also scheinbar geordnet.
Das ist besonders fies, denn er unterstellt, dass es Kommandanten gibt, die das Niedertrampeln der Österreicher präzise planen und die „Horden“ dann dazu verwenden, um unser Österreich niederzutrampeln, also unser schönes Land und uns alle. Wie lieben unsere kleinen Gartenzäune, die wir als klare Grenzen zum Nachbargarten aufbauen und hegen und pflegen und ein schöner Ausdruck für unseren Wunsch sind, uns abzugrenzen, sogar von unseren nächsten Nachbarn und daher sowieso von allem, was noch weiter weg ist. Die werden jetzt niedergetrampelt.

Dann kommt Biro zu seinem fulminanten Schluss und schreibt, dass uns ALLEN (JA, DA VERWENDET ER AUCH GROSSBUCHSTABEN) klar geworden ist, dass sie Grenzen dicht gemacht werden müssen. Jetzt ist es heraus, worum es ihm im ganzen Artikel geht: Grenzen dicht. Warum will er das? Vielleicht leidet er unter einer kleinen, aber fiesen Inkontinenz, zumindest im Kopf, wir wissen es nicht. Und wir sind vielleicht durchaus froh, das auch nicht erfahren zu müssen. Ich zumindest bin es.

Er schreibt noch, dass es gilt eine „humanitäre Katastrophe“ zu vermeiden, und zwar eine, die den Österreichern und ihrem Land droht. Witzigerweise hat er ganz zum Schluss sogar recht: es wäre eine humanitäre Katastrophe für uns, wenn wir uns davon trennen humanitär zu sein und Maria und Josef wegweisen. Interessanterweise kommen die meisten Flüchtlinge genau aus diesem Raum, in dem Maria und Josef gelebt haben.
Diese humanitäre Nächstenliebe, die die eigentliche Basis unseres Christentums darstellt, würden wir verlieren, wenn wir uns ein- und andere aussperren.

Herr Biro hat seinen Schlusssatz wohl anders gemeint. Dafür gehört ihm vor allem mein Mitleid.