Der Welthandel auf den Meeren

Ca. 53.000 Frachtschiffe verkehren weltweit auf den Meeren.
Sie transportieren 8 Milliarden Tonnen Güter pro Jahr.
Das sind 90% des Welthandels.
Mehr als die Hälfte der Weltflotte fährt unter den Flaggen Panamas, Liberias, der Bahamas und der Marshall-Inseln.

All dies funktioniert weitgehend unkontrolliert. Die Schiffe unterliegen keinerlei Umweltgesetzen und fahren daher mit dem Treibstoff, der als Abfallprodukt der Ölindustrie übrig bleibt: Schweröl. Dieser Brennstoff hat einen 40-fach höheren Schwefelanteil als Diesel, wenngleich der CO2-Ausstoß pro transportierter Tonne geringer ist als beim LKW.
Ein großer Frachter verbraucht 100 Tonnen Schweröl pro Tag und in Summe verursachen die Frachtschiffe mehr Luftverschmutzung als der Autoverkehr oder die Industrie.

Das größte Containerschiff der Maersk Line (Maersk McKinney Möller) ist 400 Meter lang und knapp 60 Meter breit und es kann 18.000 Container fassen. Sie würden eine Schlange von 120 km Länge bilden. Auf LKW verladen würde das eine Schlange von Wien bis Salzburg ergeben. Aus einem einzigen Schiff, das vor allem aus China Waren nach Europa bringt.
Alles, was in die beiden weltweit genormten Containergrößen (20 oder 40 Fuß) hinein passt, wird auch per Container transportiert. Er hat den Welthandel definitiv revolutioniert.

So viel zu den Fakten. Das Ergebnis der Entwicklung in der Containerschifffahrt besteht vor allem in massiv gesunkenen Preisen für den weltweiten Transport. Durch die elaborierte Logistik können die Kosten so gesenkt werden, dass es fast egal ist, wo auf dieser Welt ich produzieren lasse, der Preis bleibt fast gleich.
Das klingt nett und harmlos, ist aber die Basis für die weltweite Ausbeutung von Arbeitskräften, denn wenn mein Nachbar ausgebeutet wird, dann ist mir das weniger wurscht als wenn das mit einer Näherin in Bangladesch passiert. Den meisten Menschen ist das Nahe näher als das Entfernte und genau damit rechnet die Wirtschaftspolitik, und zwar zu Recht.
Es ist auch die Basis für die Profitmaximierung auf Kosten der Umwelt und damit auf Kosten der kommenden Generationen. Was interessiert mich der Schadstoffausstoß eines Containerfrachters? Ich rieche ihn nicht (in Hafennähe schalten die Schiffe auf Dieselantrieb um) und kann ihn mit dem Hochwasser in der Nachbargemeinde nicht in kausale Verbindung bringen. Wenn jemand dann doch die Verbindung aufzeigt, so kann er sie nicht beweisen und sie ist sehr leicht abzuleugnen.
Was ich jedoch als Konsument sofort merke sind billige Produkte bei mir um´s Eck. Und genau deswegen funktioniert das System so wie es jetzt ist.

Gegen globalen Handel ist nichts zu sagen, vorausgesetzt er ist verbunden mit globaler Verantwortung der Verantwortlichen, sprich der Verursacher. Dies ist jedoch nicht der Fall, und zwar gar nicht.

Was wäre zu tun?
1.) Gemeinsame Erkenntnis, dass die Umwelt durch den globalen Handel verschmutzt wird.
2.) Der gemeinsame Wille, dass man das nicht befürwortet und den kommenden Generationen keine verseuchte Erde zurück lassen und auch keine unmenschlichen Arbeitsbedingungen zulassen möchte.
3.) Der gemeinsame Beschluss, den globalen Handel sauberer und menschlicher zu machen.
4.) Das gemeinsame Verhandeln und Beschließen entsprechender Maßnahmen plus ihrer Kontrollen.
5.) Die Umsetzung und Kommunikation dieser Maßnahmen („Leute, Geiz ist nicht mehr geil sondern schädigt unsere Kinder und Enkel“ etc.)

In all diesen Vorschlägen steckt das Wort „gemeinsam“ und genau daran scheitert es. Bisher lautet das Credo „Des anderen Nachteil ist mein Vorteil“ – wir leben ausschließlich im Konkurrenzprinzip, Kooperation dient nur zur gemeinsamen Eliminierung eines Dritten.
Erst wenn sie die Vorteile der Kooperation wieder entdecken, wird sich am System etwas ändern.

Kenia von Nord nach Süd – Tag 16: Hotel und Strand

Thomy überredet mich zu einem frühmorgendlichen Strandlauf, der mir durchaus gut tut. Neben dem Hotel ist ein Felsvorsprung und dahinter beginnt ein weiterer Strandabschnitt, schnurgerade und nicht nur für Hotels. Einige Jugendliche spielen Fußball, wir sind aber die einzigen Läufer.

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Bild 105: Strand

Zu dieser Zeit ist die Sonne noch nicht so heiß und wir laufen den ganzen Strand zwei Mal auf und ab. Das dauert ca. eine halbe Stunde und danach haben wir uns ein Bad im indischen Ozean verdient.
Am Strand gibt es ein gewisses Angebot an Aktivitäten. Kamelreiten gehört etwa dazu.

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Bild 106: Kamelreiten

Das anschließende Frühstück enthält wieder deutsche Elemente, aber es gibt die internationale Mischung aus Bacon & Eggs, Eiomlett, Früchten, Toastbrot, Käse und Wurst. Das Buffet hält auch Müsli bereit und Joghurt sowie noch einiges mehr. Die Qualität ist gut, einzig die salzige Butter passt nicht zur Marmelade, gar nicht.
Leider gibt es unter den Gästen nur wenig Kontakt. Die Ehepaare sitzen zu zweit an einem Tisch, es gibt eine Gruppe (wie wir später erfahren lauter Damen einer gemeinnützigen Organisation aus Nairobi) und einige kleine Gruppen wie zwei befreundete Pärchen etc.
Ich habe nicht herausfinden können, warum sich die Leute nicht zu anderen an einen Tisch setzen, aber da es scheinbar nicht üblich ist, tun wir es auch nicht.
Da auch Thomy nicht nur am Pool hocken will, beschließen wir einen kleinen Spaziergang in den Ort. Es ist schon ca. 11 Uhr und die Sonne knallt gnadenlos runter. Es ist hier nicht üblich das Hotel zu verlassen, schon gar nicht zu Fuß. Daher kommen sofort ein paar Tuk-Tuk-Fahrer und bieten an uns zu führen. Sie sind sehr erstaunt, dass wir ablehnen und lieber zu Fuß gehen wollen.
Das ist aber gar nicht leicht. Es gibt keinen Schatten und eigentlich auch keinen Gehsteig. Wir befinden uns in einem reinen Touristenort und da braucht man keine Gehsteige, da ohnehin niemand zu Fuß auf der Straße geht. Wir drehen trotzdem eine Runde, aber es ist eher deprimierend. Es gibt keinerlei Infrastruktur, zumindest nicht in dem Teil von Nyali, in dem wir uns befinden. Nur Hotels und Privathäuser bzw- -villen, die alle mit einer hohen Mauer und viel Gitterwerk umgeben sind. Auch auf der Hauptstraße ist es alles andere als gemütlich, es gibt hier auch nichts zu sehen. Wir kehren verschwitzt ins Hotel zurück und ich ruhe mich aus. Das soll sich den ganzen Tag nicht mehr ändern – so denke ich. Doch dann kommt ein Anruf von Frank, der mir mitteilt, dass es leider Probleme mit dem Toyota gibt. Der Zoll lässt ihn nicht auf´s Schiff, weil die Bestätigung für die bezahlte Roadlicence fehlt. Zuerst verstehe ich überhaupt nicht, was er meint, doch dann erklärt er es mir und ich erinnere mich dumpf an das Gespräch mit Chris vor zwei Wochen, wo er mir erklärt hat, dass es sein kann, dass sie die Roadlicence verlangen.
Da es eine solche nicht gibt, ist guter Rat teuer. Ich rufe Chris an und der meint, wir werden wohl den Zoll bestechen müssen. Dann rufe ich meinen Bruder an und erwische ihn gerade am Sessellift. Er ist etwas ungehalten über die Störung und wir fangen ein wenig zu streiten an. Er meint, er könne jetzt auch nicht helfen und ich solle mir was einfallen lassen.

Also überlege ich wie viel wir dem Zoll anbieten können. Mein Gefühl sagt zwischen 100 und 200 Dollar. Ich rufe Frank an und biete ihm das an. Er stimmt mir zu und ruft mich wenig später zurück. Es kostet 150 Dollar.
Jetzt stellt sich nur die Frage, wie ich ihm das Geld zukommen lassen kann. Er schlägt M-pesa vor, doch ich habe keinen Account.
Das muss ich ein wenig erklären: Da es in Kenia nur wenige Banken gibt und diese vor allem in Nairobi und Mombasa, mussten sich die Menschen hier etwas einfallen lassen, um Geld transferieren zu können. So wurde M-Pesa erfunden, das „M“ steht für „Mobil“ und „Pesa“ heißt Geld auf Swahili.
Die Kenianer besitzen ein sehr gut ausgebautes Mobilfunknetz und fast jeder hat ein Handy. Es gehört hier zum guten Ton und ist natürlich auch ein Statussymbol, die Leute hier sind noch verrückter auf das Zeug als wir in Europa.
Also hat man die Technik, und darauf baut M-Pesa auf. Man kann Geld einfach von einer M-Pesa-Station zur nächsten Schicken und es gibt in Kenia inzwischen ca. 40.000 solche Stationen: im Supermarkt, an der Tankstelle, im Hotel, an einer Bar – einfach überall gibt es sie. Man braucht nur angemeldet sein und kann mittels eines SMS-Codes Geld schicken. Das funktioniert hervorragend und ist scheinbar auch vor größeren Betrügereien gesichert. Es ist weit verbreitet und jeder kennt es. Den Nachteil haben die Banken, die jetzt erst recht niemand mehr braucht, und den Vorteil hat der Mobilnetzanbieter Safaricom.
Ich marschiere zur Rezeption und jetzt zeigt sich, dass wir in einem wirklich guten Hotel sind. Die Kassierin meint, dass sie jetzt gleich Feierabend hätte und ohnehin ins Dorf hineinfahren würde. Sie könnte über ihren M-Pesa-Account das Geld an Frank schicken – einfach als SMS an sein Handy. Er kann es dann sofort abheben und dem Zoll geben.
Also gebe ich ihr die Dollar und sie führt die Transaktion durch. Es geht sehr einfach und blitzschnell.
Ebenso schnell erhalte ich die SMS von Frank, dass die Transaktion geklappt hat. Bei uns in Österreich funktioniert so etwas nicht, nämlich nicht anders oder schlechter, sondern gar nicht. Die Kenianer sind uns in diesem Punkt weit voraus.
Ich bitte Frank noch, dass er mir Bescheid gibt, wenn der Toyota durch den Zoll ist. Auf diesen Anruf warte ich bis heute und Frank weiß nicht, dass meine Mordpläne auch bis heute aufrecht sind. Die angenehme Entspanntheit ist gewichen, aber ich denke mir, dass ich jetzt sowieso nichts mehr ändern kann und dass es zu erwarten war, dass wir irgendwo noch was zahlen müssen, das ist in Afrika einfach so.
Stunden später rufe ich selbst Frank an und erfahre, dass alles geklappt hat. Zufriedenheit stellt sich ein und ich marschiere zum Strand, um mir die dort befindliche Tauchbasis anzusehen. Ein netter Angestellter erklärt mir, wie es hier abläuft: Man würde, sofern mehr als 3 Leute angemeldet wären, mit einem Motorboot zu einem Tauchplatz fahren und dort zwei Tauchgänge machen, mit einer recht kurzen Oberflächenpause von ca. 45 Minuten. Die Länge der Tauchgänge wäre aber auch auf 45 Minuten begrenzt, was mir persönlich einfach zu wenig ist. Ich empfinde das als Abzockerei und da ich sowieso nicht vor hatte hier tauchen zu gehen, stört es mich auch nicht weiter.
Sie würden mich sogar ohne Breviet und ohne Logbuch tauchen lassen – hier merke ich wieder, dass ihnen einfach die Touristen fehlen. Das trifft ein Land wie Kenia schon sehr hart, denn hier ist sehr viel vom Tourismus abhängig.
Am Strand spricht mich eine nette Kenianerin an und fragt, ob ich nicht eine Massage möchte. Ich bin etwas unschlüssig, wobei 12 Euro für eine Stunde Massage ein echt fairer Preis ist.
Als ich zögere und meine, dass ich das Geld bei Thomy im Safe hätte, schlägt sie vor, dass ich jetzt gleich zur Massage mit gehe und ihr das Geld morgen gebe. Wir könnten jetzt gerade noch vor der Flut über den Strand gehen und sie würde mich dann später über die Straße zum Hotel bringen.
Ich bin einverstanden und wir marschieren über den Strand, der jetzt schon sehr belebt ist. Heute ist Samstag und die Jugend aus Mombasa vergnügt sich hier – man macht ein kleines Picknick, spielt Ball oder vergnügt sich im Wasser. Das ist eine Szenerie, die mir komplett neu ist. Bisher kannte ich Strände nur mit Weißen, allerdings war ich schon seit zwanzig Jahren in Kenia nicht mehr hier im Süden am Strand und weiß außerdem nicht, ob sich das in Diani Beach auch so geändert hat.
Es ist eine Art neue Mittelschicht entstanden und diese pflegt auch die Gewohnheiten der europäischen Mittelschicht. Dazu gehört ein Strandausflug am Wochenende.

Die Massage ist angenehm, wenn auch nichts Besonderes. Ich erfahre von der Masseuse ihre Lebensgeschichte (mehrere Kinder, den Mann hat sie rausgeschmissen, nachdem er mit der Putze was angefangen hat etc.) und marschiere dann wieder den inzwischen gut gefüllten Strand zurück zum Hotel. Die Flut ist inzwischen recht hoch und ich überlege, ob ich die heikle Stelle am Felsvorsprung riskieren kann, vor allem, weil ich das Handy in der Hand halte.
Ich riskiere es und es geht gut. Ich bin um die Erfahrung reicher, wie sich ein Europäer an einem Strand mit lauter Afrikanern fühlt. Irgendwie seltsam.
Ich treffe wenig später noch die Masseuse und gebe ihr das Geld, danach ist noch ein wenig Entspannung bis zum Abendessen angesagt, das sich vom Vortag nicht wesentlich unterscheidet.
Das Entertainment ist auch nicht sehr aufregend, diesmal interessieren sich noch weniger Gäste für das, was sich da in der Mitte abspielt. Wir trinken den bewährten Gin Tonic und posten Fotos auf Facebook.
Dann neigt sich auch dieser Tag dem Ende zu und wir gehen ein letztes Mal in Kenia schlafen, hoffentlich nicht für lange Zeit.

Kenia von Nord nach Süd – Tag 15: Endlich Strand!

Das Bofa Beach Resort stellt sich als nicht ganz so super heraus. Erstens gibt es keinen Beach, man muss über die Straße, durch einen langen Gang zwischen zwei echten Resorts durch und kommt dann ans Meer. Mehr oder weniger ohne Strand, je nach Tidenhub. Die Zelte sind nett und es gibt den kleinen Pool, aber das Ganze Resort zu nennen, ist irgendwie übertrieben.
Im Frühstücksraum läuft ein Fernseher, außer uns gibt es nur ein Pärchen und die Kellnerin, die scheinbar daheim keinen Fernseher hat, weil sie äußerst interessiert zusieht. Weniger interessiert ist sie an unserem Frühstück, das sie eher lustlos herbeischafft.
Ich persönlich hasse Fernsehen zum Frühstück und frage sie, ob sie das leiser oder ganz abdrehen kann. Sie will nicht und daher tut sie so, als ob sie mich nicht versteht. Der Gast ist hier viel, aber sicher nicht König.
Der Toast ist in Ordnung, aber nicht getoastet. Das wiederum finde ich nicht in Ordnung und rufe die Kellnerin, was deren Unmut auslöst, weil ich sie dadurch vom Fernseher weghole. Widerwillig trägt sie meinen Toast in die Küche und bringt ihn mehr oder weniger ungetoastet wieder.
Thomy ist immer noch unrund und will hier nur noch weg. Mich selbst hält auch nicht viel und wir überlegen, wohin wir fahren könnten.
Ein wenig Sorge habe ich wegen der ersten Idee von Thomy, nämlich Diani Beach im Süden von Mombasa. Da gibt es ein Nadelöhr, nämlich die Fähre von Likoni, über die man drüber muss, um zum Flughafen zu kommen. Wir haben einen Flug am Sonntag Nachmittag und wenn wir den versäumen, dann erwischen wir auch den Flug von Nairobi nach Zürich nicht. Das wäre dann eher nicht so gut.
Drei Tage später erfahren wir übrigens von einer Fährenpanne: zwei der drei Likoni-Fähren waren ausgefallen, die Staus endlos und viele Stunden lang ging gar nichts mehr. Das hätte uns auch passieren können.
So suchen wir uns einen Strand nördlich von Mombasa und die Wahl fällt auf Nyali Beach. Eine Bekannte meines Bruders empfiehlt uns das Bahari Beach Hotel und wir nehmen ein Taxi, nachdem wir die Rechnung beglichen haben. Eigentlich hatten wir für drei Tage gebucht, aber unser Auschecken war der Dame an der Rezeption genauso egal wie unser Einchecken.
Das neue Hotel empfängt uns gleich ganz anders. Eine sehr nette Rezeptionistin freut sich sichtlich über unser Erscheinen, wir bekommen sofort ein kaltes, weißes Tuch zum Hände säubern und während des Eincheckvorgangs meldet sich eine Dame, die gerade daneben steht, und stellt sich als Geschäftsführerin vor. Sie heißt Katharina und ist Deutsche. Das stimmt mich zugleich froh (sicher sauber, sicher aufgeräumt) und weniger froh (sicher kein Essen jenseits des Mainstreams, wahrscheinlich leicht geriatrisches Publikum). Ich sollte mit beidem Recht behalten.
Die Zimmer sind zwar wesentlich teurer als im Bofa Beach Resort (hier 70 Euro die Nacht im Einzelzimmer mit Halbpension, dort 45 Euro zu zweit mit Frühstück), aber auch wesentlich besser. Uns geht es aber nicht um die Zimmer, sondern um den Strand und den gibt es hier, wenngleich er bei Flut auch fast zur Gänze verschwindet. Das ist egal, Thomy ist zufrieden und ich denke, dass ich es hier auch gut aushalten kann. Wir haben vorsorglich nur Halbpension genommen und sollten das die kommenden Tage auch nicht bereuen.

Bis wir unsere Zimmer beziehen können dauert es noch eine Weile und wir setzen uns in der Nähe des Pools nieder. Internet funktioniert, es gibt freies W-Lan und wir hängen gleich eine halbe Stunde in Facebook. Schnell ist es nicht, aber es funktioniert und wir sind zufrieden. Im Hintergrund dümpeln ältere Damen mit beachtlichem Leibesumfang im Pool, der sehr sauber wirkt.

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Bild 103: Dicke Damen

Hineinspringen ist verboten, Wellen schlagen auch, aber das macht mir nichts aus, mit Swimmingpools kann man mich sowieso jagen, ich halte Chlorwasser nicht aus.
Doch es gibt ja noch das Meer und das ist hier so wie es überall in den Tropen ist: blau und warm.
Das Hotel hat einen direkten Strandzugang und liegt auf einer Klippe, zum Meer geht man über zwei künstlich angelegte Terrassen hinunter, es gibt auf Wunsch schattige Plätze mit Sand und Liegestuhl auf den Terrassen, die man jedoch bitte in der Früh rechtzeitig samt Handtuch buchen soll. Hier merkt man sofort den deutschen Einschlag,
Handtuchplatzreservierungen sind eine Art deutscher Volkssport.

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Bild 104: Liegen

Später erfahren wir, dass hier sehr viele deutsche PensionistInnen ihren Winter verbringen, es wimmelt nur so von Stammgästen, allerdings sind wir schon ein wenig spät für dieses Ereignis.
Dann können wir unsere Zimmer beziehen und ich ruhe mich aus. Die letzte Nacht war angenehm und ich konnte lang schlafen, trotzdem bin ich sehr müde. Die letzten Tage und vor allem die anstrengende gestrige Fahrt nach Mombasa fordern ihren Tribut. Da das Hotel für mich sowieso keine wirklich interessanten Aspekte bereit hält und ich mich nicht länger als fünf Minuten an einen Pool setzen kann, bleibe ich halt im Zimmer – nicht die ganze Zeit, aber länger als sonst üblich.
Als es Abend wird meldet sich der Hunger. Wir treffen an der Klippe und der dort befindlichen Bar einen braungebrannten Steirer, der Jahrzehnte in der Schweiz gelebt und gearbeitet hat und daher mit einem witzigen Mischdialekt spricht. Er ist einer der Dauergäste und erzählt einiges über die letzten Abenteuer, die er bis vor ein paar Jahren mit und ohne Fahrrad hier erlebt hat. Wir trinken ein Bier und werden immer hungriger, bis es dann um 19.30 soweit ist.
Der nette Steirer verrät uns noch, dass man zum Abendessen lange Hosen anziehen muss, was uns etwas erstaunt, aber so ist.
Das Essen ist so wie erwartet: Schnitzel und gemischter Salat, Nudeln, Bratkartoffeln, Gemüse, Fisch – alles vom Buffet und in durchaus annehmbarer Qualität. Die dicken Damen schaufeln Mengen in sich hinein, die uns den Mund offen stehen lassen. Sie tun das übrigens auch zu Mittag, denn sie haben alle Vollpension. Der sportliche Teil des Tages besteht dann in Herumdümpeln im Pool – so ist das Leben hier im Hotel und ich weiß, dass mir drei Tage reichen werden.
Danach gibt es Entertainment. Das ist nicht nur in Clubs so, sondern auch hier. Jeden Abend ein anderes Programm, wobei ich mir sicher bin, dass sich das wiederholt. Wer mehrere Monate oder Wochen da ist, wird es sicher auswendig können.
Heute ist eine Akrobatengruppe da und zeigt uns Verrenkungen. Thomy ist glücklich, allerdings nicht wegen der Akrobaten oder der dicken Pensionistinnen, sondern weil er endlich sein Gin Tonic bekommt. Ich folge dem Beispiel und gemeinsam trinken wir das eine oder andere Glas.
Die Vorführung ist bemüht, es interessieren sich aber nur wenige Gäste dafür. Alles ist eher gedämpft, ein braun gebrannter Vokuhila-Typ flirtet mit einer langbeinigen Afrikanerin, die Musik ist auch bemüht und der Kellner bringt weitere Gin Tonics.
Dann geht auch dieser Tag zu Ende, durchaus nicht unangenehm, denn nach dem Safaristress tut ein wenig Entspannung und Nichtstun gut.

Kenia von Nord nach Süd – Tag 13: Die Fahrt nach Nairobi

Die Nacht war ruhig, allerdings mit seltsamen Geräuschen, als ob sich in unserem Lager irgend etwas abspielen würde.
In der früh merken wir dann, dass drei Solarduschensäcke und eine große hellblaue Plane fehlen. Sie wurden uns in der Nacht geklaut, und zwar von Hyänen. Das waren diese komischen Schleifgeräusche. Ich hatte am Vorabend vergessen die mit Wasser gefüllten Säcke auf einen Baum zu hängen und das war ein Fehler. Hyänen klauen alles, was sie bekommen können, Plastik gehört dabei zu ihren Favoriten.
Sie können es nämlich nicht nur essen, sondern auch verdauen, so wie sie überhaupt fast alles verdauen können.
Also machen wir uns auf die Suche und marschieren in den Wald, um die Säcke wiederzufinden. Das ist unbedingt notwendig, weil wenn die Game-Ranger die Säcke finden, bekommen wir ernsthafte Probleme, und zwar zu Recht.
Wir dürfen hier überhaupt nur sein, wenn wir nichts, absolut nichts hinterlassen. Eine Ausnahme ist eine kleine Feuerstelle, aber das war es dann auch schon. Das haben auch unsere Vorfahren vor vielen hunderttausend Jahren so gemacht.
Diesmal kommen wir schneller weg und sind um 8 Uhr bereits am Weg zu den Plains. Die Ashnil-Straße ist nicht schwer zu finden und wir kommen gut voran. Am Sekenani-Gate haben wir großes Glück, weil es hat der gleiche Game-Ranger Dienst wie bei unserer Ankunft und erkennt uns auch freudig wieder.
Er hat einen Freund dabei, den wir nach Narok mitnehmen sollen. Wir willigen ein und bekommen das Tor aufgemacht.
Wir haben echtes Glück, denn sie übersehen den vierten Tag. So ersparen wir uns 140 Dollar und sehen das als ausgleichende Gerechtigkeit für die überteuerten Parks davor. Vielleicht hat auch der handgeschriebene Zettel eine Rolle gespielt, den sie sich nicht mehr so genau angesehen haben wie eine Computerrechnung.
Die Fahrt verläuft unspektakulär und wir kommen gut bis Narok. Dort fahren wir zu der Tankstelle, bei der wir schon sechs Jahre zuvor den Bus aufgetankt haben. Als ich um den Toyota herum gehe, fällt mir der linke hintere Reifen auf. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass da Luft fehlt.
Bei der Kontrolle wird klar: wir haben einen Slow Puncture. Das ist ein Patschen, bei dem die Luft nur ganz langsam entweicht. Nun müssen wir entscheiden, was wir tun sollen. Wir können ihn gleich hier reparieren lassen, aber das dauert eine unbestimmte Zeit. Oder wir wechseln das Rad und fahren ohne gutes Reserverad nach Nairobi. Oder wir lassen den wieder aufgepumpten Reifen drauf und kontrollieren jede halbe Stunde den Reifendruck.
Wir entscheiden uns für die dritte Variante und fahren los. Ich bin schon gespannt auf die Strecke, die ich ja seit sechs Jahren nicht gefahren bin.
Der Asphalt ist hervorragend und die Straße ist deutlich breiter als früher – eine Arbeit der Chinesen.
Aber auch hier hat sich sehr viel verändert. Früher ist man durch menschenleere Gegend gefahren, da und dort waren Zebras, Giraffen und Antilopen zu sehen, sogar bis ins Riftvalley hinunter.
Jetzt gibt es das nicht mehr. Wo früher Dornstrauchsavanne war, sind jetzt riesige Felder. Wo früher ein paar Blechhütten standen, befindet sich jetzt ein Dorf. 1983, als ich das erste Mal hierher kam, hatte Kenia 18 Millionen Einwohner. 2013 hatten sie 42 Millionen. Diese Menschen gibt es und sie müssen irgendwo leben und wohnen. Es bedeutet auch, dass von den 42 Millionen 24 unter dreißig Jahre alt sind.

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Bild 97: Straßenverkäuferinnen

So kommt das Land unter Druck und wie immer gibt es Gewinner und Verlierer. Zu ersteren gehören clevere Geschäftsleute und korrupte Politiker. Die Verbindung von beiden prägt das Land massiv, denn so werden Projekte finanziert und genehmigt, die weder dem Land noch den dort lebenden Menschen auf irgend eine Art gut tun – es gibt lediglich kurzfristigen, hohen Profit für einige wenige Menschen, die diesen meist sehr schnell ins Ausland schaffen. Der ehemalige Präsident Kenias, Daniel Toroitich Arap Moi, galt als einer der reichsten Menschen der Welt und hatte mehrere Milliarden Dollar in der Schweiz.
So werden auch hier mit Entwicklungshilfegeldern landwirtschaftliche Projekte gefördert, die niemals Ertrag bringen. Brandneue Massey-Ferguson-Traktoren werden im Dutzend angeschafft, doch es gibt dann niemanden, der sie fahren kann bzw. nach einiger Zeit wird eine Kleinigkeit kaputt, es gibt aber kein Geld für Ersatzteile und irgendwann stehen sie alle da und rosten vor sich hin. Millionen werden ohne jeden Sinn beim Fenster hinaus geschmissen, die Verantwortlichen schieben ihre Verantwortung ab, kassieren ihren Lohn und verschwinden wieder oder sind schon längst beim nächsten Projekt.
Würde man die Entwicklungshilfe evaluieren, so müsste man ihre Sinnhaftigkeit hinterfragen und es ist für alle Beteiligten bequemer, das nicht zu tun.
Die Fahrt von Narok ins Rift Valley geht flott voran und mehrere Reifendrucktests zeigen, dass der Slow Puncture wirklich sehr slow ist. Die Entscheidung war gut und wir passieren noch eine weitere Polizeikontrolle, die wie alle anderen äußerst erfreulich verläuft.
Dann quälen wir uns hinter einer LKW-Kolonne das Rift Valley hinauf ins Hochland. Aber auch das ist bald vorbei und wir befinden uns am Wayaki Way, der uns fast bis nach Hause führt.
Leider versäume ich die richtige Abfahrt – nach sechs Jahren sieht das alles ähnlich aus und auch das GPS auf Thomys Handy funktioniert nicht wirklich. Aber mit einem kleinen Umweg kommen wir gut in Lake View an und haben noch Zeit, um die wirklich wichtigen Vorbereitungen für den nächsten Tag zu treffen.
Zuerst wird ausgeladen und wir verstauen die vielen Boxen in unserem Container. Leider muss der Wagen vollkommen geleert werden, bevor er auf das Schiff darf. Wir nehmen daher nur das allernötigste Werkzeug (Pannendreieck, Wagenheber) mit und unsere persönlichen Sachen, die wir als Fluggepäck wieder mit nach Wien bringen.
Dann geht es um die Reifen. Das ist ein ganz heikler Punkt und ich muss hier ein wenig ausholen.
Seit über dreißig Jahren sind Reifen ein wichtiges Thema für jede Safari. Zu Beginn hatten wir Leihautos, aber auch bei denen gab es Reifenpannen. Zu dieser Zeit hing die Anzahl der Pannen direkt mit der kenianischen Wirtschaftspolitik zusammen. Diese war nämlich so orientiert, dass es steuerliche Nachteile für Importprodukte gab. Wer also in Kenia etwas verkaufen wollte, musste es im Land produzieren. Ansonsten gab es Strafzölle, auf Reifen betrugen diese zwischen 100 und 300%.
Also baute die Firma Firestone eine Reifenfabrik. Die so produzierten Reifen waren zwar nicht billig, weil die Firma ja quasi ein Monopol hatte, aber einigermaßen leistbar. Das Problem lag in der Qualität. Es gab nur Gewebereifen zu kaufen, keine Stahlgürtelreifen. Das wichtigste Modell war der „Trans Lug“ mit – glaube ich – 8 Gewebeschichten. Leider gibt es in Kenia großteils schlechte Straßen und vor allem unglaublich lange und harte Dornen. Gegen die konnte der beste Gewebereifen nicht viel ausrichten und so hatten wir jede Menge Patschen, in schlechten Zeiten einen pro Tag. Das zermürbt, denn du musst massiv längere Reisezeiten einplanen und fährst sozusagen nur von einer Reifenwerkstatt zur nächsten. 1992 hatten wir neben dem Reservereifen noch einen zweiten Reifen ohne Felge mit dabei und das war gut so.
Dann – so gegen Mitte der 1990er-Jahre – beschloss Firestone (ist ein Konzern mit Bridgestone) auch Stahlgürtelreifen zu bauen. Der bekannteste in unserer Dimension für den VW-Bus war der „MS 212“ – sauteuer, aber haltbar. Ab diesem Zeitpunkt verringerte sich die Anzahl der Pannen drastisch, manchmal schafften wir eine oder sogar zwei Wochen ohne Reifenpanne.

Diesmal geht es wieder um die Reifen, Peter hatte auf seinem Toyota die Mud-Terrain drauf, breite und sehr gute Schlammreifen. Für die Straße sind sie brauchbar, nützen sich aber sehr schnell ab.
Daher hatten wir jetzt in der Trockenzeit und mit sehr viel Asphalt-Anteil die indischen Hardcore-Reifen drauf: hart, robust, langlebig, aber im Schlamm unterlegen.
Dummerweise gehören diese Reifen zum anderen Toyota und wir mussten sie in Nairobi tauschen. Luis kontrollierte sie und testete sie noch ausführlich am Vortag, jetzt kam Luis mit seinen Leuten samt Reifen bei uns in Lake View vorbei, um sie zu montieren.
Alles klappte und die Probefahrt verlief sehr vielversprechend: keinerlei Ziehen, kein Schlagen der Lenkung – Luis hatte tadellose Arbeit getan.
Langsam kommt die Zuversicht, dass wir den morgigen Tag gut überstehen können. Schließlich warten 500 Kilometer einer schwierigen Straße auf uns und die Fahrt wird auf jeden Fall anstrengend.
Doch noch ist es nicht soweit und wir fahren nach Westlands ins Einkaufszentrum. Das Sarit-Center hat sich im Laufe der letzten zwanzig Jahre verändert. Das betrifft in erster Linie die Parkplätze, die inzwischen kostenpflichtig sind, mit Schranken und seit neuestem auch mit einem automatischen Bezahlsystem. Noch vor drei Jahren haben hier Menschen gearbeitet und jetzt stehen an dieser Stelle Automaten.
Wir kaufen noch ein paar notwendige Dinge und ich schaffe es für 30 Meter fast eine halbe Stunde zu brauchen – im Stau steckend, während Thomy in den Blue Market geht um ein paar Souvenirs für die Kinder zu kaufen.
Als er zurück kommt, stehe ich mit dem Toyota noch an der gleichen Stelle, der Verkehr ist wirklich ein Horror.
Als uns der Hunger überkommt gehen wir in den Stock, in dem es gleich mehrere Gaststätten gibt. Sofort stürzen eine Handvoll Verkäufer auf uns zu, jeder mit verschiedenen Speisekarten in der Hand, und wollen uns an einen Tisch zerren.
Wir entscheiden uns für den Inder und wissen nachher nicht, ob unsere Wahl schlecht oder besonders schlecht war. Das Essen ist zwar essbar, kostet aber mehr als vergleichbares Fast-Food bei uns.
Hier zeigt sich die Teilung der Gesellschaft. Arme Menschen können sich das Essen hier nicht leisten, was aber noch nicht bedeutet, dass die Qualität in Ordnung ist und schon gar nicht das Preis-Leistungsverhältnis.
Ich fühle mich hier zunehmend immer weniger wohl, alles wirkt viel unpersönlicher als früher, obwohl sich objektiv gar nicht so viel verändert hat.
Wir verlassen die Fressmeile und ich schaffe es mein Parkticket im Automaten stecken zu lassen. Eine freundliche Dame sieht das und sichert es für mich – vielen Dank an dieser Stelle.

Unsere Nachbarin in Lake View hat sich um unsere Tickets gekümmert – ohne sie hätten wir wahrscheinlich keine mehr bekommen. Als wir am Abend wieder nach Lake View fahren, um bei ihr einen Drink zu genießen, ist sie bereits im Aufbruch – ein klassisches Missverständnis. Sie meinte, wir kämen zum Sundowner um 18 Uhr, ich hörte sie sagen „any time“ und so kommen wir erst um 19.30 zu ihr.
Der Drink wird auf das nächste Mal verschoben und wir verbringen noch einen sehr netten und kurzweiligen Abend mit Helge und Stephanie, den Mietern in unserem Haus. Aus dem Gin Tonic werden zwei Gin Tonics, aber gegen zehn Uhr wird es dann Zeit schlafen zu gehen, schließlich muss ich den Wecker auf 4 Uhr früh stellen, damit wir rechtzeitig weg kommen.

Kenia von Nord nach Süd – Tag 12: Die Great Plains und der Talek

Früh schlafen gegangen – früh aufgewacht. Einerseits ist das ein wenig nervig, andererseits ergibt sich sonst selten die Gelegenheit Minute für Minute mitzuerleben, wie sich die Nacht dem Ende zuneigt und der Tag beginnt. Die Geräusche, die sich verändern, dieses ganz langsame Erscheinen des Lichts – noch deutlicher habe ich das in meinem Leben nur einmal gesehen, beim Sonnenaufgang am Kilimandscharo. Da sieht man den ersten hellen Schimmer, während die andere Seite noch in tiefster Nacht liegt. Im Flugzeug gibt es auch manchmal ähnliche Eindrücke.
Hier jedoch ist es nicht nur visuell, sondern vielfältig: die Temperatur verändert sich, die Feuchtigkeit, das Licht, die Geräusche. Es fällt auch wieder ordentlich Tau und ein wenig davon nimmt man mit, wenn man aus dem Zelt kriecht.
Diesmal kommen wir um ca. 09.30 Uhr weg und beschließen, noch einmal eine Runde durch einen bestimmten Teil der Masai Mara zu fahren. Heute sind die großen Plains dran, einen Teil davon haben wir ja schon flüchtig mitbekommen, als wir am ersten Tag zum Zeltplatz gefahren sind. Diesmal halten wir uns weiter östlich und stoßen ins echte Herz der Mara vor. Diese Hügel sind für mich immer wieder faszinierend. „Serengeti“ heißt in der Maasai-Sprache (die wiederum heißt einfach „Ma“) nichts anderes als „große Ebene“ (oder weite Ebene). Hier auf den großen Plains sieht man warum das so ist. Kleine, flache Täler, dazwischen sanfte, sehr flache Hügel, hin und wieder ein Einzelkämpfer von einem Baum. Und Gras, sehr viel Gras, jetzt gerade recht hoch. Wenn der Wind weht, sieht das aus wie endlose grüne Kornfelder. Die Szenerie ist ruhig und wohltuend, irgendwie überirdisch schön.
Teile dieser Ebenen sind vollkommen leer, in anderen befinden sich Tiere, vor allem Antilopen. Aber die Vielfalt ist groß, es gibt Giraffen, Warzenschweine, hin und wieder Büffel, Zebras und natürlich Löwen, die wir aber auch heute nicht zu Gesicht bekommen.

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Bild 90: Warzenschwein

Eher in den kleinen Tälern bzw. bei den Flussläufen halten sich die Elefanten auf, aber auch Strauße sieht man hin und wieder, Nashörner sind dafür extrem selten. Giraffen dafür nicht, die immer für eine gute Show bereit sind.

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Bild 91: Giraffengerangel

Ich kann mich täuschen, aber ich habe den Eindruck, dass die Tiere in den letzten dreißig Jahren immer weniger scheu wurden. Manchmal kann man vom Auto aus einer Antilope fast auf den Rücken greifen und auch die Giraffen lassen einen auf wenige Meter heran.
Die Hügel sind aber nicht eintönig, sondern ausgesprochen abwechslungsreich. Alle paar Minuten fährt man in eine etwas andere Gegend. Plötzlich gibt es Büsche, dann ein kleines Wäldchen, dann wieder völlig andere Büsche inmitten von Felsbrocken, die aussehen, als hätte sie ein Riese hier einfach ausgestreut. Sie sind die kleinen Brüder der legendären Kopjes in der Serengeti. Dann ist das Gras auf einmal kurz und Buschreihen tauchen auf – wir nähern uns der großen Straße von der Keekorok-Lodge zum Talek-Gate, die wir viele Jahre lang gefahren sind, als wir noch zu unseren alten Zeltplätzen am Talek-Fluss wollten.
Kurz vor dem Gate wird die Gegend auf einmal irgendwie unfreundlich. Der Boden wird braun und kahl, jede Lieblichkeit ist verschwunden. Es ist keine schöne Ecke, ich weiß auch nicht warum.
Das Talek-Gate ist die Parkgrenze, dahinter geht der Park auf der linken Seite zwar weiter, auf der rechten jedoch nicht. Die paar Häuser, die früher hinter dem Gate standen, sind einer kleinen Stadt gewichen. Wir weichen nach links aus und fahren auf unserer alten Route den Talek entlang, vorbei am Figtree-Camp, das vor vielen Jahren auch massiv ausgebaut wurde.
Ich erinnere mich gut, wie wir in der Regenzeit hier alle paar hundert Meter durch einen der kleinen Zuläufe des Talek fahren mussten. Jedes noch so kleine Rinnsal wird zum reißenden Fluss und somit zur Herausforderung. Nach oben umfahren ist zwar theoretisch möglich, bedeutet aber erstens einen großen Umweg und zweitens kann es gut passieren, dass man oben im weichen Schlamm stecken bleibt. Es gibt Situationen, wo gar nichts mehr geht und man entweder in mühsamer Fahrt ganz oben auf den Plains bleibt und versucht, immer quasi am Kamm entlang zu fahren, wo sich kein Wasser sammelt. Das ist erstens nicht leicht und zweitens findet man dann den Platz nicht, der sich ja unten beim Fluss befindet. Wenn es dann noch dunkel wird, braucht man einen guten Plan B. Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir einmal zu Weihnachten so viel Wasser hatten, dass wir überhaupt nicht mehr weiter kamen und vor einem der Nebenflüsse die Nacht verbringen mussten. Damals hatten wir zwei alte Landrover gemietet, es muss so um 1986 oder 1987 gewesen sein. Draußen regnete es stark und Paula, die damalige Lebensgefährtin meines Vaters, kochte im schräg stehenden Auto irgendwie eine Art Abendessen. Das ist für mich bis heute eine bewundernswerte Tat.
Viele dieser Erinnerungen tauchen jetzt auf, weil ich diese Strecke seit zwanzig Jahren nicht mehr gefahren bin. Wenn ich in der Mara war, dann immer kürzer und da wollten wir stets andere Orte aufsuchen. Diesmal haben wir jedoch länger Zeit und fahren daher diesen alten Weg.
Unter einem Baum sehen wir zwei Touristen ein Picknick machen. Das wird von manchen Luxuscamps angeboten. Ein Tisch mit blütenweißem Tischtuch, Sekt und irgendwelche Leckereien, dazu ein Fahrer, der auf alles und vor allem auf die Touristen aufpasst. So etwas kann man von Europa oder USA aus buchen. Wir winken dem Paar am Tisch freundlich zu und sie winken zurück.
Ich versuche die Furt zu finden, die wir früher immer gefahren sind, um auf die andere Seite des Talek zu unseren damaligen Zeltplätzen zu kommen. Diese hatten immer das Risiko, dass wir wieder zurück kommen mussten. Wenn in den Bergen am Oberlauf ein Gewitter war, dann konnte es passieren, dass der Talek binnen weniger Stunden – meist in der Nacht – um mehrere Meter anschwoll. Dann war es unmöglich durch die Furt zu kommen. Auch das Talek-Gate war offensichtlich schwer zu erreichen, wir haben das nie probiert. Manchmal mussten wir sogar warten, bis das Wasser wieder zurückgegangen war, was mehrere Tage dauern konnte.

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Bild 92: Furt für die Tiere

In Afrika sollte man es nicht eilig haben. Bei der Intrepids-Lodge haben sie später eine Brücke gebaut, die es aber inzwischen nicht mehr gibt. 1992 sind wir sie mit dem VW-Bus gefahren und haben uns einen Reifen ruiniert, weil der Bus eine breitere Spur hat als die von der Lodge verwendeten Landrover.
Irgendwann finde ich die Furt und sehe, dass sie sich total verändert hat. Ich bin sie vor ca. 15 Jahren das letzte Mal gefahren und die alte Strecke gibt es nicht mehr. Es ist nach wie vor eine Furt, aber mit ganz anderer Auffahrt am drüberen Ufer.
So verändert sich alles im Laufe der Jahre. Auch den Passionfruit-Baum, unter dem wir ganz zu Beginn einmal gecampt haben, gibt es nicht mehr. Damals war die Safari in der Maasai Mara noch wesentlich unkomplizierter. Auch damals war Campen schon nicht erlaubt, aber nicht ganz so streng verboten wie heute. Damals durfte man die Wege noch verlassen, etwa wenn man Löwen entdeckt hatte. Das ist heute alles nicht erlaubt und man sollte sich auch nicht erwischen lassen.
Das Problem begann Ende der 1980er-Jahre, als das Safari-Business boomte und es plötzlich Unmengen an Minibussen von tw. billigen und schlechten Safariunternehmern gab. Irgendwann musste die Parkverwaltung zum Erhalt des Gebietes eingreifen und heute ist das irgendwie selbstverständlich, dass man auf den Wegen bleibt. Man ist inzwischen selten unbeobachtet und das Aufkommen des Handy-Booms hat das noch zusätzlich verschärft, denn jetzt rufen sich die Minibusfahrer gegenseitig an, wenn sie interessantes Wild zu Gesicht bekommen. Das ging früher maximal mit Funkgeräten und die hatten nicht alle und es gab auch nicht überall Empfang. Seit ein paar Jahren gibt es überall zumindest Telefonempfang und jeder, wirklich jeder Kenianer hat ein „Mobile“.
Wir suchen noch den Talek nach Krokodilen ab, sehen aber nur zwei kleinere. Dann fahren wir zurück zum Zeltplatz, diesmal noch nicht so spät am Nachmittag und genießen eine ruhige Zeit ohne Stress.
Camping ist Enge und Freiheit zugleich. Einerseits sind die Zelte eng und wenn man im Auto sein muss, ist es noch enger. Andererseits ist ein kleines Zelt wie meines in wenigen Minuten aufgestellt und mit einem Tisch und ein paar Sesseln ist es ebenso. Auch ein Essen ist bald gekocht, wir ernähren uns hier recht einfach: Gemüse kochen, Fleisch abbraten, dazu ein guter Salat – mehr brauchen wir nicht. In der Früh manchmal eine Eierspeis oder Toasts, zu Mittag Bananen oder Sandwiches, am Abend manchmal ein Fruchtsalat.
Natürlich kann es auch Probleme geben, etwa wenn der Kühlschrank seine Funktion aufgibt und man an einem Tag jede Menge Fleisch aufbrauchen muss. Oder wenn, so wie uns das passiert ist, die Eier fast alle zerbrechen und man sie nicht wegwerfen will. Den Müll sammeln wir übrigens in Säcken und bewahren ihn in der Nacht im Auto auf. Wir nehmen ihn dann bis zur Parkgrenze, oft sogar bis Nairobi mit, so dass er weit genug vom Nationalpark entsorgt wird.
Die Hygiene ist meist ein lösbares Thema. Wir haben im Toyota einen 140 Liter Wassertank mit einer Brause, die mittels einer Pumpe eine Dusche neben dem Auto möglich macht. Ansonsten gibt es auf Campingplätzen immer oder fast immer Duschen oder zumindest Wasser, das zum Duschen verwendet werden kann.
Zum Trinken, Kochen und Zähneputzen haben wir die 5-Liter-Plastikflaschen. Das ist nicht wahnsinnig umweltfreundlich, aber immer noch besser als die kleinen Flaschen, die man nach Gebrauch wegwirft.
Ich kaufe stets eine 1-Liter-Flasche, die ich dann täglich auffülle und nach einer Woche austausche. Früher mussten wir recht umständlich an Lodges Wasser schnorren, das oft keine gute Qualität hatte. Als Trinkwasser hatten wir immer einen 20-Liter-Edelstahlkanister mit, den wir in Nairobi mit sauberem Wasser auffüllten.
Wir fahren auch an diesem späten Nachmittag langsam wieder zurück zu unserem Zeltplatz, nicht ohne noch einige interessante Motive vor die Kamera zu bekommen.

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Bild 93: Hippo-Pool

Mara und Talek sind die beiden Flüsse, die die Mara bestimmen. An ihren Ufern liegen die lebensspendenden Galleriewälder, in denen viele Tiere leben.

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Bild 94: Büffel

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Bild 95: Elen-Antilope

Ganz zum Abschluss fahren wir noch an einem der beeindruckenden Termitenhügel vorbei, die in ihrer Größe erahnen lassen, welche Wichtigkeit diese kleinen Tiere für die Landschaft und das Leben darin haben.

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Bild 96: Termitenhügel

Da wir am kommenden Tag früh aufbrechen wollen, beschließe ich die Nacht im Pinzgauer zu schlafen und schon am Abend das trockene Zelt abzubauen. In der Früh wäre es patschnass vom Tau und müsste erst trocknen, da wir in Nairobi wenig bis keine Zeit dazu hätten.
So geht der letzte Tag in der Mara zu Ende und auch der letzte Abend. Wir trinken noch ein gutes Bier und lassen die schöne Zeit ausklingen.
Ich weiß nicht, wie oft ich noch an diesen wunderschönen Ort kommen werde, daher möchte ich die Eindrücke ganz besonders genau festhalten.