Die Omi ist nicht mehr

Heute um 17 Uhr ist meine Großmutter gestorben. Sie wurde 92 Jahre alt und hatte ein über weite Strecken bewegtes Leben.

oma

Als mein Onkel gestern eine Mail schrieb und meinte, sie hätten die Omi jetzt von der künstlichen Ernährung abgehängt und sie würde Morphium bekommen, war klar, dass es dem Ende zu geht. Die letzten Wochen hatte sich ihr Zustand verschlechtert, bis vor einer Woche gab es jedoch noch Hoffnung, dass sie sich erholen und wieder nach Hause zurück kehren könnte. Zugegeben – keine große Hoffnung, aber immerhin.

Die Omi war kein Fall für ein Pflegeheim. Sie musste nach ihrer Scheidung lernen alleine zurecht zu kommen und erarbeitete sich eine tadellose Selbständigkeit. Über dreißig Jahre wohnte sie in ihrer netten kleinen Wohnung in Dornbach und bis vor zwei Jahren fuhr sie engagiert und flott Auto. Sie hörte nicht mehr allzu gut, aber ihre Augen waren noch okay und sie fuhr auch nicht mehr so schnell wie früher, als wir sie die „flotte Omi“ nannten.
Als sie Anfang des Jahres ins Krankenhaus musste, war dies zwar beunruhigend, aber nicht tragisch. Eine Stomatitis machte ihr das Essen schwer und daher magerte sie noch mehr ab, als sie sowieso schon war. Einige Krankheiten, zuletzt ein hartnäckiger Virus vor einem Jahr, machten ihr zu schaffen. Aber wie war ein robuster Typ und erholte sich wieder.

Ich ging ihr die letzten paar Jahre ein bis zwei Mal die Woche einkaufen und zur Bank, sie nannte mich neckisch ihren „Finanzminister“. Pünktlich um acht Uhr in der früh rief sie mich an und gab mir die Einkaufsliste durch. So war ich auch weitgehend gut informiert darüber wie es ihr jeweils ging, wenngleich lange Gespräche nur mehr sehr selten waren. Der kleine Schmattes, den ich jedes Mal bekam, war mir mehr wert als nur die Geldsumme – immer wieder trank ich den einen oder anderen Spritzwein auf sie und ihr Wohl.

Sie sorgte bis zuletzt großteils für sich selbst, wenngleich sie eine Putz- und Haushaltshilfe hatte und nette Nachbarn, die ihr Besorgungen erledigten. Im Pflegeheim fühlte sie sich nicht wohl, das war nicht ihre Welt. Aufgrund ihrer Sturheit, die sie durchaus immer wieder an den Tag legte, konnten wir bis zuletzt nicht wissen, wie es mit ihr weitergehen würde.

Sie war Jahrgang 1922 und wuchs als Tochter eines Ottakringer Fleischhauers auf. Sie heiratete jung und bekam ihren Sohn mit 19. Ihr Mann, der Toni, war Fliegeroffizier und zu dieser Zeit (1941) schon als Hauptmann bei der deutschen Luftwaffe tätig, zuletzt als Staffelkommandant einer Aufklärungseinheit. 1943 kam meine Mutter zur Welt und nicht lang danach wurde er über Russland abgeschossen, bei einem Flug, der bei Nebel stattfinden sollte. Er wusste, dass er davon nicht zurück kehren würde.
Die widerlichen Nazis nutzten seinen Tod für ihre üble Propaganda – meine Großmutter hatte da sicher keine leichte Zeit.

Dann kam noch ihr Bruder verwundet aus dem Krieg zurück und rückte nach der Genesung wieder ein. Auch er wurde umgebracht – der nächste Schlag für eine junge Frau mit gerade mal ein wenig mehr als zwanzig Jahren und zwei Kindern.
Sie heiratete noch einmal – den Mann, den ich als „Opi“ kennenlernte. Er war auch mein Taufpate und ein sehr guter Zahnarzt. Als er sechzig Jahre alt war angelte er sich eine neunzehnjährige Zahnarztassistentin und gründete eine neue Familie.

Auch das war keine leichte Zeit für die Omi. Sie zog in ihre kleine Wohnung und machte den Führerschein. Ich erinnere mich noch an ihr erstes Auto, einen „DAF 66“. Das war ein Kleinwagen mit Automatik, den sie aber nicht lange hatte – ich glaube, sie fuhr ihn kaputt.

Sie war das, was man sich unter einer Omi vorstellt. Wenn wir Kinder krank waren, dann kam die Omi und brachte Süßigkeiten. Ich erinnere mich noch als ich Scharlach hatte und ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Die Quarantänestation war eine grausliche Erfahrung, die Verwandten durften nur durch eine Glasscheibe mit uns Kontakt haben, also Sichtkontakt.
Wenn es uns schlecht ging, dann war die Omi da, hielt unsere Hand und sprach uns Trost zu. Das konnte sie wirklich gut und sie brachte am liebsten Ildefonso mit – für uns ein stets willkommenes Geschenk.
Gestern hab ich eine halbe Stunde ihre Hand gehalten, um mich zu verabschieden. Ich weiß nicht, ob sie mich noch registriert hat, die Hand hat sie jedenfalls gespürt.

Niemand weiß, was mit uns nach dem Tod geschieht. Dass wir unsere Verstorbenen treffen, ist vielleicht nur ein Wunschglaube, aber ich wünsche ihr, dass sie ihren Toni wieder trifft und auch den Sepp, ihren Bruder. Beide hat sie schließlich verdammt lang nicht mehr gesehen.

Die folgenden Bilder umspannen einen Zeitraum von 1964 bis 2013:

Omi ca. 1964:

omi_1964

Brigitte, die beste Freundin meiner Mutter, Omi, und meine Mutter, ca. 1964:

brigitte_omi_mutti

Mutti und Omi in der Sommerfrische, auch ca. 1964:

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Meine Wenigkeit und Omi, 1967:

omi_1966

Mutti und Omi, wieder ca. 1964:

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Meine Wenigkeit und meine Schwester im Wagerl – Omi führt uns spazieren, ca. 1969:

omi_1969

Das war Omis 91. Geburtstag im April 2013 am Hohen Lindkogel:

omi_91er

Das ist 14 Jahre früher, April 2000:

omi_Lindkogel_2000

Auch das ist der Geburtstag 2000:

omi_Mai_2000

Noch einmal 1964 – hier sieht man die Ähnlichkeit mit meiner Mutter und auch mit meiner Schwester:

omi_1965

Was für ein April-Tag!

Schon in der Früh strahlender Sonnenschein, aber eiskalt – zumindest im Vergleich zu vorgestern. Dazwischen Wolken, wieder Sonne – so muss der April sein.
Heute ist der große Tag, ich möchte die von mir fertig zusammen gebaute Vespa Rally an ihren Besitzer, meinen lieben Freund Cody, nach Klosterneuburg liefern, damit er sie anmelden und danach zweitaktenderweise Ostern erleben kann.

Vor ein paar Tagen war mir der frisch restaurierte Motor kaputt geworden (Schwungrad abgedreht, Keil abgerissen, tiefe Riefen im Kurbelwellenkonus plus tiefem Seufzer meinerseits) und die Ablieferung des Fahrzeugs war in weite Ferne gerückt. Motor zerlegen, neue Kurbelwelle bestellen, alles tauschen und wieder zusammenbauen, noch dazu mit einem kaputten Schwungrad, für das es keinen Ersatz gibt (Rally 200 mit Femsatronic).
Also setzte ich alles auf eine Karte und diskutierte mit zwei guten Freunden, die glücklicherweise auch Vespa-Spezialisten sind (Danke Ronny und Christian B.) die Möglichkeit der Reparatur. Ja, das könne durchaus funktionieren, meinten sie, nur müsse man den zerrieften Schwungradkonus perfekt auf den Kurbelwellenkonus (ebenfalls zerrieft) einschleifen.
Auf dem Bild sieht man die zerriefte Kurbelwelle:

keil

Ich hatte so etwas schon früher gemacht und besitze seit dieser Zeit drei Tuben mit Ventilschleifpaste (grob, fein und ganz fein). Bei so viel Riefen wäre das allerdings ein heikles und vor allem sehr langwieriges Verfahren, weil man muss das Schwungrad mit der Schleifpaste einschmieren und dann auf den Kurbelwellenkonus aufsetzen. Danach so lange drehen, bis sich die beiden Teile aufeinander einschleifen und nach dem Anziehen bombenfest sitzen. Dann kann sich das Schwungrad nicht mehr auf der Kurbelwelle verdrehen und auch nicht mehr den Zentrierkeil abreissen.

Nur, wie mache ich das? Stundenlanges Drehen mit der Hand ist erstens eine blöde Hacke, zweitens sehr mühsam und drittens ist ja nicht klar, ob das funktionieren wird. Also muss ich etwas erfinden, um das Schwungrad schnell auf der Welle drehen zu können, eine Art Aufsatz für die Bohrmaschine.
Diesen baute ich mir aus einer dicken, zurecht geschnittenen Metallplatte, vier Schrauben, einigen Muttern und Beilagscheiben sowie einer dicken 12er-Inbusschraube, zum Ansetzen mit der Bohrmaschine.
Die folgenden Bilder zeigen dieses Gerät:

platte unten

platte

platte auf schwungscheibe

Von der Aktion habe ich auch ein YouTube-Video gemacht, das man unter folgendem Link ansehen kann:

Nun stiegen die Chancen beträchtlich, den Motor, ohne ihn zu zerlegen, wieder instand setzen zu können. Die erste Probefahrt würde zeigen, ob das Schwungrad hält. Dazu gibt es verschiedene Theorien:
1.) Wenn sie die ersten Kicks aushält, hält sie ewig (die Schwungscheibe nämlich)
2.) Wenn sie eine Zeit lang Vollgas aushält, steigt die Chance, dass sie hält.
3.) Die Rally hat einen schweren Schwung. Wenn man Vollgas fährt und dann abrupt vom Gas geht und es durch den Schwung die Scheibe nicht abdreht, hält sie.
4.) Nix genaues kann man nicht sagen. Das kann 100 Meter halten oder 100 Jahre.

Das sind Aussichten! Vor allem hält die ganze Geschichte jede Menge spannende Momente bereit: Ein hässliches, kreischend-krachendes Geräusch beim ersten Kick bedeutet wochenlanges Warten, viel unangenehme Arbeit, die Unsicherheit, ob wir überhaupt eine intakte Schwungscheibe finden und auf jeden Fall wird die Sache dann richtig teuer.
Leichtes Schwitzen beim ersten Kick. Springt an. Vorsichtiges Hochdrehen des Motors. Hält. Eine erste Proberunde, nur um den Block, dann kann ich sie im Notfall zurückschieben. Hält. Die Stimmung steigt. Jetzt muss sie nur noch eine längere Probefahrt aushalten, so knappe zehn Kilometer, und ich könnte sie fertig stellen und dem Cody abliefern.
Ich mache diese Probefahrten immer hinauf zum Salettl Pavillon. Das ist quasi der höchste Punkt und ich kann sie im Falle des Verreckens fast bis zu mir hinunterrollen lassen, mit nur wenigen und kurzen geraden Stücken dazwischen. Das hat sich schon ein paar Mal bewährt.
Wenn ich dann noch mutig bin, fahre ich bis zur Krottenbachstraße hinunter und bis zum Kreisverkehr nach Neustift.

Diesmal war ich mutig und kam auch problemlos bis zum Kreisverkehr. Danach blieb ich kurz am Straßenrand stehen um den Leerlauf und den Motorlauf generell ohne Helm besser hören zu können.
Auch da schien alles in Ordnung. Bis ich den fehlenden Hupknopf bemerkte. Shit! Doppelshit, eigentlich noch mehr Shit, aller Shit dieser Welt! Plötzliche Stimmungsschwankung, härter und schneller als jeder Lastwechsel.

Was war passiert? Dazu muss man die Vorgeschichte kennen. Die österreichischen Vespa-Modelle der Siebzigerjahre hatten am linken Drehgriff einen eigens für sie eingebauten Knopf, der als Lichthupe funktionierte. Kein Vespafahrer hat diesen jemals betätigt, denn zu dieser Zeit hatten alle Vespas eine 6-Volt-Lichtanlage und das entspricht von der Wirkung einer tapferen Kerze. Hier eine Lichthupe zu konstruieren war komplett sinnlos, musste aber aufgrund irgend einer bürokratischen Kraftfahrgesetzordnung gemacht werden. Nur für Österreich.
Dieser Knopf wurde daher nie nachgebaut und ist seit den frühen Achtzigerjahren außer Produktion. Und es gab ihn sowieso nie in hoher Stückzahl. Daher ist er seit mehr als dreißig Jahren schwer zu bekommen. Genau genommen bekommt man ihn gar nicht, er ist seltener als die blaue Mauritius. Wer noch einen hat, gibt ihn nicht her.

hupknopf

Und ich hatte ihn verloren.

Das kam daher, weil beim Ausbau die verchromte Kappe zwei Risse bekommen hatte und er daher nur lose oben saß. Der Knopf darunter hat eigentlich einen Stift, der ihn auf der Unterkonstruktion festhält. Diesen gab es auch seit dem Ausbau nicht mehr und als ich ihn für den Zusammenbau suchte, musste ich halt eine Eigenkonstruktion bauen um ihn zu ersetzen. Die hatte naturgemäß keinen Haltesplint und so hielt nur die Kappe den Knopf. Und daher war jetzt nicht nur die Kappe weg, sondern auch der Knopf.
Irgendwie nicht mein Tag, oder eigentlich doch, weil der klaglos funktionierende Motor war natürlich wichtiger und für die Hupe würde mir schon was einfallen.

Dann kam der nächste Tag, sozusagen der große Tag der Abgabe. Ich musste zuerst ins Rollerkabinett um dort einen Hupknopf aus einer anderen Rally auszuborgen, damit ich beim Pickerl die Hupe vorführen konnte. Dann die Probenummer montieren und nach Klosterneuburg zum Pickerl fahren. Danach, wenn alles klappte, könnte ich das Fahrzeug seinem Besitzer geben. Ein großer Moment stand bevor. Hoffentlich.

Da sich die Sache mit der Probenummer verzögerte, beschloss ich eine kleine Radtour, nämlich entlang der Route, die ich am Vortag mit der Vespa gefahren war, um vielleicht den Hupknopf zu finden. Die Chance darauf war extrem gering, denn bei flotter Fahrt müsste der Knopf sieben Mal aufgepeppelt sein und daher irgendwo liegen, bis zu mehreren Metern seitlich irgendwo in der Botanik oder unter einem der zahlreichen Autos, die da überall geparkt sind.
Egal, ich hatte Zeit und fuhr los, und zwar so langsam wie ich noch nie radgefahren war. Zu finden war der Hupknopf, der Kontaktbalken, die winzige Feder und vor allem die verchromte Kappe. Die Unterkonstruktion könnte man nachbauen oder irgend einen anderen Knopf kaufen und adaptieren, aber die Kappe war einzigartig.

Ich fuhr die gesamte Tour ab und fand nichts, gar nichts. Ich weiß dafür jetzt, wie viele Zigarettenpackungen und vor allem wie viele Alu-Folien von Zigarettenpackungen die Leute beim Autofahren einfach aus dem Fenster schmeißen. Die Alufolien schauen nämlich manchmal aus wie so ein verchromter Knopf, vor allem aus der hoffnungsfrohen Entfernung. Die Runde war somit voll von Enttäuschungen, so alle 200 Meter eine, quasi eine „tour de désillusion“.

Kurz bevor ich bei meinem Häuserblock war, fand ich sie, die verchromte Kappe.

kappe

Von einem Auto plattgewalzt. Was für ein Tagesbeginn!
Dann wurde es besser, denn ich schaffte die Fahrt bis Klosterneuburg problemlos und alles an der Vespa funktionierte. Beim ÖAMTC sind sie stets freundlich, ich musste jedoch den Cody anrufen und bitten, kurz am Stützpunkt vorbei zu kommen, höchstpersönlich quasi, weil er eine neue Motorradmitgliedschaft abschließen müsste, sonst könnte kein Pickerl gemacht werden.
Auch das ließ sich lösen und nach ca. 45 Minuten Wartezeit war ich dran. Keine Beanstandungen. Danach fuhr ich zum Cody, der in der Zwischenzeit eine Telefonkonferenz hatte und daher nicht mit mir gemeinsam auf die Überprüfung warten konnte.
Den Helm legte ich auf eine Mauer bei seiner Eingangstür, damit ich ihn nachher nicht vergessen konnte, denn der Cody hatte versprochen mich mit dem Auto zurück nach Wien zu führen. Probenummer demontieren, geborgten Hupfknopf abmontieren (dabei bemerkte ich, dass ich seinen Hupknopfunterteil im Rollerkabinett vergessen hatte, egal…) und dann gingen wir noch gemeinsam essen. Bei der Rückfahrt kam mir die Idee, dass wir ja noch einen Sprung beim Rollerkabinett vorbei schauen könnten, denn ich musste ja die Probenummer zurück bringen und wir könnten auch gleich den vergessenen Hupknopfunterteil mitnehmen, den der Cody montieren könnte, bis wir Ersatz gefunden hätten.
Als wir im Rollerkabinett gerade zugange waren, kamen zwei Teenager herein und fragten, ob wir einen lockeren Spiegel auf ihrer Vespa reparieren könnten. Ich nahm ein paar Gabelschlüssel und ging mit ihnen die Gasse hinunter zu ihrem Moped. Vorne am Eck stand die Feuerwehr, die Polizei, ein kleiner Menschenauflauf und eine Bim samt kleinem Stau dahinter.

Codys Auto. Mist.

Es stellte sich heraus, dass er sein Auto zwar schön nahe am Randstein geparkt hatte, dass aber ein paar Zentimeter fehlten. Mir war das nicht aufgefallen, weil ich immer mit dem Roller fahre und die Bim wäre auch vorbei gekommen, aber es gibt seit einiger Zeit eine Linie, die da gezogen wurde. Wer da auch nur das berühmte Eutzerl drüber ragt, ist fällig. Der Bimfahrer holt sofort Polizei und Feuerwehr. Wir wir dann erfuhren, hatten die Wr. Linien früher einen eigenen Einsatzdienst für solche Fälle, dann gab es einen Streit und nun machen sie es nicht mehr und holen statt dessen sofort die Kavallerie. Und die Kavallerie ist teurer, sehr teuer sogar.
Selbstverständlich hätte der Fahrer mit einem Handgriff den Spiegel einklappen können, aber das tut er nicht, weil wenn der Spiegel innen beschädigt ist und durch das Klappen abbricht…
Früher war das weniger oft ein Problem, aber seit einigen Jahren werden die Autos immer größer und breiter und daher steht die Bim häufiger.
So wurde es leider teurer, denn es wird der Feuerwehreinsatz fällig, die Polizeistrafe und eine Strafe der Wr. Linien wegen Aufhaltens der Bim. Dreifach-Mist sozusagen.

Teuer wird es übrigens auch für die jungen Herren mit der Vespa, weil da stellte sich heraus, dass das Spiegelgewinde ausgeleiert war, eine bekannte Schwach- bzw. Sollbruchstelle bei der LX-Vespa. Da wird ein Lenkertausch fällig, für Piaggio eine super Einnahmequelle.

Dann brachte mich der Cody nach Hause. Es war alles soweit gut gegangen. Dann bemerkte ich, dass ich in meinem Rucksack noch die Probenummer hatte. Was ich hingegen nicht hatte, war mein Helm. Den hatte ich auf der Mauer in Klosterneuburg liegen gelassen.
In dem Moment rief mich der Cody an und berichtete, dass er gerade eine Mail bekommen hätte, von einem netten Vespafreak, der vor über einem Jahr einen Hupknopf zum Verkauf angeboten hatte. Der wäre noch zu haben.
Mein Helm lag übrigens auch noch auf der Mauer, wie ich etwas später erfahren durfte.

Was für ein April-Tag!

Warum eigentlich nicht NEOS?

Sie sind jung, sie sind neu, sie sind zukunftsorientiert, sie stehen für ein Neues Österreich. Sie haben liberale Ansichten, stehen für Europa und sehen auch nicht so verschnarcht aus wie die älteren Herren in ihren grauen Anzügen, weißen Hemden und einfärbigen Krawatten. Sie wirken nicht so fundamentalistisch wie die Grünen und nicht so rechts wie die FPÖ.
Warum eigentlich nicht NEOS?

Die Antwort findet man erst, wenn man sich ihre konkrete Politik ansieht. Seit sie in der Regierung sind, müssen sie auch da und dort Stellung nehmen. Etwa zum TTIP, dem nordatlantischen Freihandelsabkommen.

Ich weiß, das ist kein geiles Thema, da geht es um internationalen Handel und um Rechtsverträge und anderes fades Zeug. Aber hier finden wir fundamentale Aussagen. Die NEOS sind z.B. für dieses TTIP, denn sie wollen eine Freihandelszone von Wladiwostok bis Los Angeles (was ich übrigens gut finde, nur sollten sie die andere Richtung nehmen, also von Wladiwostok nach Osten.).

Ich fasse kurz zusammen, worum es geht: Das TTIP ist ein geheim verhandeltes Abkommen zwischen den USA und der EU. Es besteht aus drei Teilen:
1.) Zollfreiheit = Fall aller Zollschranken
2.) Zulassungsfreiheit = Was in USA zugelassen ist, muss auch in der EU zugelassen werden und umgekehrt. Hier geht es um die Angleichung von Standards.
3.) Investitionsschutz = wenn in einem EU-Land ein Gesetz beschlossen wird, durch das ein US-Konzern weniger verdient, kann er den Gewinnentgang bei einem internationalen Schiedsgericht einklagen, wobei der Staat der Beklagte ist.

Wer mehr darüber wissen will: http://derstandard.at/1395363376912/Handelsabkommen-Frei-ist-nicht-fair

Nun sehen wir uns an, was die NEOS in ihrem Wahlprogramm 2014 („Pläne für ein neues Europa“) dazu schreiben:

„Wir stehen für ein Europa der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte.“ (S 5)

Der Investitionsschutz wurde ursprünglich für Unternehmen erfunden, die in einem Land ohne Rechtssicherheit investieren wollen und daher eine entsprechende Absicherung brauchen. Europas Staaten haben Rechtssicherheit, es wäre also nicht notwendig und somit ist dieser Investitionsschutz als Teil des TTIP abzulehnen, denn es hebelt die Rechtsstaatlichkeit aus, wenn ein Staat und seine demokratisch entwickelten Gesetze einem Schiedsgericht unterworfen wird, das aus drei Anwälten von einer Handvoll privater Anwaltskanzleien zusammengesetzt ist.

„Wir stehen für ein Europa der Freiheit der Individuen.“ (S 5)

Nun, ich sehe Freiheit als Entscheidungsfreiheit. Wenn TTIP in Kraft tritt, wird dies meine Entscheidungsfreiheit als Individuum stark einschränken, denn ich habe etwa nicht mehr die Wahl ob ich genmanipuliertes Essen zu mir nehmen möchte oder nicht, etwa weil es nicht gekennzeichnet sein wird.

„Die Erhaltung der Artenvielfalt ist überlebenswichtig.“ (S 37)

Monsanto oder Pioneer stehen für Monokulturen, Hybridsaaten und das Verbot der Artenvielfalt. Wer sie für überlebenswichtig hält, muss das TTIP mit allen Mitteln bekämpfen.
Derzeit argumentieren die NEOS damit, dass man ja nicht gegen das TTIP sein kann, weil man ja noch nicht weiß, was bei den Verhandlungen heraus kommt. Dummerweise werden sie nicht nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt, sondern auch unter Ausschluss des europäischen Parlaments. Es hat kein Mitspracherecht, verhandelt wird zwischen der Europäischen Kommission und den USA.

Was ist so schrecklich, wenn wir amerikanische Standards bekommen? Die Amerikaner kommen damit ja auch gut zurecht.

Ein Beispiel kann das erläutern:
Es gibt derzeit weltweit nur eine Handvoll Konzerne, die mit Saatgut handeln. Sie verkaufen nur Hybrid-Saatgut, d.h. es ist nicht keimfähig. In der traditionellen Landwirtschaft hat der Bauer einen Teil der Ernte als Aussaat für das nächste Jahr aufbehalten. Das funktioniert mit Hybrid-Saatgut nicht mehr, da es ja nicht keimfähig ist. Der Bauer muss jedes Jahr neues Saatgut von Monsanto kaufen, ob er will oder nicht, denn er bekommt es nur, wenn er sich vertraglich dazu verpflichtet, kein anderes Saatgut als das von Monsanto zu verwenden.
Sehr liberal, oder?
Was ist nun der Vorteil des Hybrid-Saatguts? Es gibt natürlich Vorteile, denn sonst würde es ja niemand kaufen. Sie liegen entweder im gesteigerten Ertrag, weil es etwa größere Fruchtmengen gibt oder weil die Pflanzen weniger Ausfälle haben.
Das muss ich erklären: Ausfälle entstehen durch Schädlinge oder Unkräuter. Dagegen verwendet man Pestizide und Herbizide. Letztere sollen die Unkräuter umbringen, die Fruchtpflanzen jedoch am Leben lassen.
Damit das funktioniert, verändert man die Pflanzen genetisch, und zwar so, dass sie gegen das Herbizid resistent sind. Monsanto nennt diese Pflanzen „Roundup Ready“ und verkauft sie gemeinsam mit dem darauf abgestimmten Herbizid „Roundup“. Für die Bauern ist das super, denn sie bekommen tolle Pflanzen und ein Mittel gegen das Unkraut.
Ohne das Mittel funktioniert der Anbau nicht oder nur sehr schlecht, da die Pflanzen so gezüchtet sind, dass sie ohne entsprechendes Herbizid gegen Unkräuter keine Chance haben. Wer den Ertrag will, muss das Herbizid mitkaufen.
Sehr liberal, oder?
Nun sind die Bauern zufrieden, allerdings nicht lange. Nach zwei bis drei Jahren werden die Unkräuter nämlich resistent, dann muss der Bauer mehr Herbizid einsetzen und dann noch mehr und dann noch andere Herbizide. Doch auch das funktioniert nicht lange, denn es entstehen so genannte „Super-Weeds“ – also Super-Unkräuter, wie etwa der „Palma-Fuchsschwanz“. Das ist eine neu mutierte Unkrautpflanze, die bis zu 6 cm am Tag wächst, 1 Million Samen pro Pflanze abgibt und bis zu 3 Meter hoch wird. Und sie ist resistent gegen fast alle Pflanzenschutzmittel. Die Bauern haben davor berechtigte Angst, denn sie pflanzen ja aufgrund der Verträge nur noch Roundup-Ready-Saaten und haben auch nur Roundup als Herbizid zur Verfügung. Dummerweise betrifft das immer gleich riesige Flächen, weil sie ja nur mehr Monokulturen haben und der Nachbar hat die auch und der andere Nachbar ebenfalls.
Jetzt hat der Bauer auf einmal eine ganz schlechte Ernte und daher wenige Einnahmen. Das Saatgut für das nächste Jahr muss er auf Schulden kaufen. Und im nächsten Jahr ist der Ertrag auch nicht besser, er muss noch einmal Schulden machen.
Nach einiger Zeit gehört sein Land dann Monsanto.
Sehr liberal, oder?
25 Millionen Hektar Land sind in den USA bereits betroffen – dort wächst nichts mehr außer den Super-Weeds.

Nein, ich will das nicht in Europa haben. Weder Monsanto noch seine Geschäftspraktiken und schon gar nicht seine Produkte. Und auch nicht die von Pioneer und den anderen Saatgut-Multis.
Wenn wir das TTIP bekommen, gibt es keine Wahlmöglichkeit mehr, ob wir Monsanto haben wollen oder nicht.

Deswegen kann ich die NEOS bei der Europawahl von 22. bis 25. Mai leider nicht empfehlen. Entweder wissen sie nicht, was auf uns zukommt oder es ist ihnen egal. Mir jedenfalls ist es nicht egal.
Nur weil etwas „freier Handel“ heißt, ist es deswegen nicht automatisch gut, auch wenn die Worte „frei“ und „Handel“ toll klingen. Mir ist wichtig, was dahinter steckt. Der Name interessiert mich nicht.

Mariahilfer Straße, noch einmal

Es war kein großartiger Sieg, sondern eine Etappe in eine neue Zeit. Mit knapper Mehrheit haben die Befürworter des Umbaus der Mariahilfer Straße gegen diejenigen gewonnen, die sich die alte Variante zurück wünschen.
Damit haben wir noch keine gute, funktionierende, neue Mariahilfer Straße. Aber wir haben eine Chance eine solche in Zukunft zu gestalten. Mit spitzer Zunge könnte ich sagen: trotz der zahlreichen Fehler hat sich das neue Konzept durchgesetzt. Die Wählerinnen und Wähler in den beiden Bezirken haben vernünftiger abgestimmt als es aus meiner Sicht zu erwarten war.

Hier die Zahlen:
185 ungültige, 57 ausgesondert
17630 JA
Querungen: Ja
Radfahrer: Ja
15.307 Nein

Das ist ein sehr knapper Ausgang und bedeutet viel Arbeit, denn die Gegner waren und sind zahlreich. Als ich letzten August die Erkundungstour über die „neue“ Straße gemacht habe, wurde schnell klar, dass hier noch viel fehlt.
Daher gab und gibt es berechtigte Kritik am Projekt, die jedoch oft von kontraproduktiven Emotionen und Fehlinformationen überlagert war. Zudem hat die ÖVP massiv Stimmung gegen die Grünen und ihr Projekt gemacht, in ihrem Windschatten die Wirtschaftskammer, die eigentlich die Interessen der Wirtschaftstreibenden vertreten sollte, in diesem Fall jedoch die Interessen des ÖVP-Wirtschaftsbundes vertrat. Das ist nicht neu, denn das tut sie meistens. Nur hat es diesmal nichts genützt.

Die SPÖ hat sich extrem zurück gehalten. Eigentlich war die Bezirksvorsteherin des 6. Bezirks eine der Initiatorinnen der neuen Mariahilfer Straße. Dummerweise mag sie die Grünen nicht und daher ließ sie eine Umfrage machen und danach die Querungen aus dem Konzept rausstreichen. Das veränderte die Gestaltung der neuen Straße massiv und mobilisierte zusätzlich Gegner. Im „Wahlkampf“ vor und während der Befragung hielt nicht nur sie sich zurück, sondern auch die gesamte SPÖ. Sie sahen erste Reihe fußfrei zu, wie die Grünen mitsamt ihrem Projekt in die Katastrophe schlittern sollten.

Glücklicherweise hatten sie nicht mit der Zähigkeit der Grünen gerechnet. Die starteten eine Kampagne und beschlossen, alle Haushalte der beiden Anrainerbezirke persönlich zu besuchen. Eigentlich ein fast unmögliches Unterfangen, weil man dafür keinen Euro Budget zur Verfügung hatte. Es mussten also genügend AktivistInnen motiviert werden, um in sechs Wochen 30.000 Haushalte zu besuchen. Und man wusste: Selbst wenn man das schafft, garantiert das noch keine gewonnene Befragung. Das Risiko war enorm hoch und es war durchaus wahrscheinlich, dass die Gegner stärker mobilisieren konnten. Auch die meisten Prognosen der Medien sagten den Grünen ein Debakel voraus.
Sie ließen sich nicht entmutigen und gingen das Risiko ein. 186 Aktivistinnen besuchten in Zweierteams möglichst viele Haushalte und schafften es tatsächlich. Die Herausforderung bestand darin, die eher jungen Befürworter zur Abgabe ihrer Stimmzettel zu bringen. Die Gegner waren wesentlich leichter zu motivieren und fanden sich eher in der älteren Bevölkerung, für die das Auto ein untrennbarer Bestandteil ihrer Identität war und immer noch ist. Für sie ist eine autofreie Welt nicht lebenswert. Die jüngeren Bewohner der beiden Bezirke sehen das großteils anders und haben oft selbst gar kein eigenes Auto mehr. Würden genügend von ihnen bereit sein ihre Pro-Stimme auch abzugeben?

Bis zum Schluss war das Ergebnis nicht absehbar, und es ist ja tatsächlich sehr knapp geworden. Die Wiener Grünen feierten daher schon am Abend vor der Auszählung ihre fleißigen AktivistInnen, denn es lag im Bereich des Wahrscheinlichen, dass es am darauf folgenden Abend keinerlei Gründe für eine Feierstimmung mehr geben könnte.

Was bedeutet nun das Ergebnis?

1.) Der Umbau wird stattfinden und zwar in ähnlicher Form wie geplant. Es wird jedoch noch durchaus weitgehende Veränderungen geben, denn etliche Fehler müssen ausgebessert werden. Dazu gehört vor allem die Einbeziehung der bisher durchaus vernachlässigten Interessen der Gewerbetreibenden. Die Grünen sind immer noch nicht sehr wirtschaftsaffin und verstehen zumindest teilweise nicht viel von den Sorgen und Nöten der Geschäftsinhaber. Das gilt es zu reparieren. Zu diesem Zweck hat die Grüne Wirtschaft eine eigene Umfrage unter allen Gewerbetreibenden durchgeführt und vor allem qualitative Ergebnisse erhalten. Die müssen nun ausgewertet und in das Umbaukonzept integriert werden. Das bedeutet natürlich nicht, dass alle Wünsche erfüllt werden, aber es sollte doch deutliche Verbesserungen möglich sein.

2.) Maria Vassilakou überlebt die Aktion politisch. Sie hat jetzt Himmel und Hölle durchlebt und geht hoffentlich geläutert aus dem Prozess hervor. In ihrem ersten Interview hat sie zumindest zugesagt auch die Interessen der Gegner mit ebendiesen zu diskutieren und eingeräumt, dass diese durchaus ihre Berechtigung hätten. Wir werden sehen, ob sie ihr Wort hält und was dabei heraus kommt.

3.) Die Grünen haben gezeigt, dass sie nicht so leicht klein zu kriegen sind, selbst wenn ihnen so mächtige Gegner wie die Wirtschaftskammer gegenüber stehen und sie von der SPÖ im Stich gelassen werden. Auch ÖAMTC, FPÖ und natürlich die ÖVP haben alle Kräfte mobilisiert um das Projekt zu Fall zu bringen. Dass dies der erste Rückbau einer Verkehrsberuhigungsaktion in ganz Europa geworden wäre, war es ihnen wert. Es ging ihnen offensichtlich nicht um Verbesserungen eines durchaus verbesserungsbedürftigen Konzepts, sondern um den politischen Sieg gegen die verhassten Grünen. Das ist misslungen. Die Grünen gehen intern gestärkt aus der Aktion hervor, weil sie trotz aller internen Streitigkeiten gemeinsam für eine Sache gekämpft haben. Das ist neu und hat sie selbst ein wenig überrascht. Wir werden sehen, ob sie aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.

4.) Die Mariahilfer Straße kann nun zu einem spannenden Projekt werden. Bisher wurde ja nichts umgebaut und daher war sie ein unfertiges Projekt, vergleichbar mit einem Haus ohne Dach, bei dem es bei Regen nass wird. In so einem Haus will niemand wohnen. Umso interessanter ist es, dass sich eine Mehrheit der Befragten das Haus mit Dach vorstellen konnten und entsprechend abstimmten. Die Querungen werden kommen und damit wird der notwendige Autoverkehr, den man ja nicht plötzlich aus der Stadt hinaus bekommen kann, wieder leichter fließen. Das wird einige Gegner versöhnlich stimmen. Weitere Gegner werden umschwenken, wenn sie die neue, umgebaute Mariahilfer Straße erleben.

5.) Nicht vergessen werden darf auf die angespannte Situation einiger Geschäfte. Nicht alle Probleme stammen aus der Zeit der jetzigen Veränderung, aber leicht wird die Umbauphase nicht. Hier sollte die Wiener Regierung entsprechende Kompensationsmöglichkeiten entwerfen. Wenn die größte Einkaufsstraße Österreich zu einer reinen Fressmeile plus internationalen Billigmodeketten wird, dann wird dem Projekt wohl kein echter Erfolg zu bescheinigen sein. Das ist zwar teilweise jetzt schon so, aber die Politik ist hier gestalterisch gefragt.

UPDATE JUNI 2015

Inzwischen hat sich viel getan, der Großteil der Mariahilfer Straße wurde umgebaut. Bereits während des Umbaus war sie tw. gut ausgelastet, man hört auch kein Schimpfen der Geschäftsleute mehr und selbst die Gegner tun sich schwer das angekündigte Geschäftesterben zu proklamieren, geschweige denn zu beweisen.
Jetzt im Sommer 2015 soll das letzte Stück fertig gebaut werden. Es wird noch zahlreiche Anpassungen und Verbesserungen brauchen, die versprochenen Querungen sind immer noch nicht umgesetzt, aber die Straße wird als Ganzes von den Menschen angenommen. Viele sagen mir „in ein, zwei Jahren schon wird man sich nicht mehr vorstellen können, dass hier früher Autos im Stau gestanden sind.“ Laut der Verkehrsplanertheorie, dass die Einschränkung der Verkehrsmöglichkeit für Autos auch tatsächlich dazu führt, dass sinnlose Autofahrten nicht mehr gemacht werden (genauso wie neue Straßen mehr Verkehr produzieren, der vorher nicht da war und auch sonst nirgends), wird es auch zu keinem Kollaps in den Nebenstraßen und auf den Alternativrouten kommen. Die Menschen werden sich daran gewöhnen, anpassen und genauso raunzen oder zufrieden sein, wie es Wienerinnen und Wiener immer schon waren und bis heute sind.
Hier noch ein Bild Stand Mai 2015, Ecke Neubaugasse.

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UPDATE AUGUST 2015

Heute am 1. August war die offizielle Eröffnung. Die Bauzeit wurde eingehalten, angeblich war es sogar um ca. 500.000 Euro billiger als geplant. Von einer ausgestorbenen Straße, auf die mangels Autozufahrt niemand mehr einkaufen geht, kann keine Rede sein – und zwar nicht nur heute, sondern auch an den meisten anderen Tagen. Sogar die Wirtschaftskammer gibt zu, dass viele Geschäfte steigende Umsätze haben.
Nun geht es aber nicht nur um Geschäftemachen, die Straße soll ja ein Ort zum Verweilen sein, zum Flanieren, zum Dasein. Ob es das sein wird, kann man auch heute noch nicht sagen, es sind sicher noch viele Nachbesserungen durchzuführen, einige Fehler müssen noch korrigiert werden, aber die Straße als Gesamtes wird funktionieren bzw. tut es jetzt schon. Die Bäume müssen noch wachsen, aber die Straße macht jetzt schon einen recht grünen Eindruck, der Lärmpegel ist mit vorher nicht vergleichbar und der freie Raum wird jetzt nach dem kompletten Umbau auch genützt.
Wer das nicht glaubt, wird selbst hinfahren müssen und es sich ansehen. Wer die neue Mariahilfer Straße kategorisch ablehnt (ich kenne einige solche Leute) soll halt nicht hingehen. Es gibt genügend andere, die das schon tun.
Spannenderweise waren die negativen Stimmen heute nicht sehr zahlreich, nicht sehr laut und kamen vor allem von griesgrämig dreinschauenden älteren und alten Männern. Wir haben es hier auch mit einem Generationenkonflikt zu tun.
Die wenigen SPÖ-ler kamen sich sehr verloren und fehl am Platze bzw. auf der Straße vor. Heute war grün dominant und nicht rot. Sie bekamen heute die Rechnung für ihren Widerstand, als sie sich vor der Abstimmung erste Reihe fußfrei gesetzt und genüsslich zugesehen haben, wie es die Grünen aufplattelt auf der Geraden, sozusagen.
Pech gehabt.
Dem Mountainbiker Christian aus der Stumpergasse, der mich mit viel Energie darauf hinwies, dass seine Gasse jetzt eine Fehlplanung sei, muss ich in gewisser Weise zustimmen – die Regelungen in den Quergassen sind tatsächlich verbesserungswürdig. Ob er mit seiner Kritik bis zur Vizebürgermeisterin durchgedrungen ist, kann ich nicht sagen. Sie war heute entspannt und fröhlich, ganz anders als über lange Strecken, als vieles, sehr vieles falsch lief und jede Menge Kompromisse forderte.

Hier noch ein paar Bilder von heute. Hier sieht man wie grün die Straße ist.

baeume

Maria Vassilakou entspannt bei unserem Lastenrad.

mary

Ein Eis beim Bortolotti – unbedingt sollte man „Zitrone-Basilikum“ probieren. Sensationell!

eis

Die grünen Taschen wurden heute in Unmengen verteilt und uns binnen einer Stunde aus den Händen gerissen.

taschen

Das ist der Blick auf den letzten Bauabschnitt Richtung Zweierlinie. Sieht gut aus, finde ich.

unten

Mein Dutzend Gründe für politisches Engagement: 12 – Eigentum

Politik ist die Kunst der Gesellschaft. Menschen leben nur dann friedlich in Gemeinschaften, wenn ihre unterschiedlichen Interessen ausbalanciert werden. Diese Vermittlungstätigkeit nennt man meinem Verständnis nach „Politik“. Sie regelt das Zusammenleben der Menschen.
Ich habe ein Dutzend Gründe gefunden um mich politisch zu engagieren. Heute ist der zwölfte Grund an der Reihe, es geht um das Eigentum.

Almenden haben deutliche längere Haltbarkeit als Staaten, das zumindest zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Auf Englisch heißen sie „Commons“ und bei uns „Gemeingüter“, und gemeint ist immer das Gleiche: Was uns die Natur zum Leben zur Verfügung stellt, soll nicht einzelnen Menschen oder Organisationen gehören, die es anderen vorenthalten können.
Auf der ganzen Welt wurden sie erfunden und funktionieren bis heute gut, die Genossenschaftsmodelle verschiedenster Art. Sie können keinen Staat ersetzen und auch nicht den Markt, aber sie bilden eine dritte wirtschaftliche Organisationsform, die Schwächen der beiden anderen ausgleichen kann.

Ich bleibe zuerst einmal bei der Idee, dass jeder Mensch durch seine Geburt aus und in der Mutter Natur das Recht hat, ihre Ressourcen zu seinem Überleben zu nützen. Dazu gehören vor allem:

Luft
Wasser
Schutz vor Witterungseinflüssen
Grundnahrungsmittel (Getreide, Salz und je nach Kultur Reis, Bohnen, Erdäpfel etc.)

Derzeit gehört fast das gesamte Getreide der Welt einigen wenigen Firmen, die ihrerseits wiederum ausschließlich profitorientiert sind. In den letzten 100 Jahren wurden ca. 75% aller Kulturpflanzen ausgerottet und die Vielfalt dadurch entsprechend dramatisch eingeschränkt. Das rächt sich bei Naturkatastrophen, weil durch die Ausdünnung der Vielfalt keine Resistenz mehr möglich ist.
Monopolisten sind an Vielfalt nicht interessiert, denn diese ist quasi eine natürliche Konkurrenz und schmälert den eigenen Gewinn.
Im Klimawandel garantiert nur die Vielfalt die Ernährung der Menschheit. Monopolbasierte Agrarkonzerne gefährden somit das Überleben unserer Art und sollten daher verboten werden.
Das Argument, dass nur Monokulturen entsprechende Erträge bringen, hat sich als falsch herausgestellt und wird daher von den entsprechenden Lobbys als Lüge verbreitet. Sie bringen vor allem nur bei optimalen Bedingungen gute Erträge und sind somit gerade in Zeiten der Klimaänderung keine Alternative und schon gar keine Lösung.
Nomaden in Afrika besitzen keine Landurkunden und daher wird ihr gemeinschaftlich genutztes Land von korrupten Politikern als Niemandsland betrachtet und an internationale Investoren verkauft. Die bisherigen Landbenutzer werden vertrieben und somit enteignet. Die neuen Besitzer haben übrigens ausnahmslos kein Interesse an der Erhaltung dieses Landes für zukünftige Generationen, sondern einzig und allein an dessen möglichst schneller Ausbeutung. Mit dem erwirtschafteten Geld können sie dann, wenn das ausgebeutete Land kaputt ist, weiterziehen und anderen das Land abkaufen – übrigens in der Regel nicht den Besitzern.
Ich fordere daher: Boden als Basis für die Ernährung der Menschen darf nicht einzelnen Interessensgruppen gehören, die kein Interesse am Überleben der Menschen haben.

Schutz vor Witterungseinflüssen („shelter“) ist auch eine Notwendigkeit für das Überleben, zumindest außerhalb tropischer Regionen. Es braucht kein Menschenrecht auf Luxuswohnungen, keine Frage, aber das unbedingt notwendige Minimum sollte für jeden Menschen zur Verfügung stehen, unabhängig von seinen finanziellen Ressourcen. Das ist auch eine meiner Forderungen.

Wasser ist ein noch dramatischerer Fall. Jeder Mensch braucht es. Seine Kommerzialisierung erachte ich als Verbrechen gegen die Menschheit und bin der Meinung, dass es rechtlich auch so behandelt werden soll. Nestlé als größter Nahrungsmittelkonzern versucht die Privatisierung des Wassers weltweit durchzusetzen. Sie kaufen den örtlichen Verwaltungen bzw. Regierungen die lokalen Quellen ab, füllen das Wasser in Flaschen und verkaufen genau das Wasser, das bisher allen Menschen frei zugänglich war, um viel Geld an eben diese Menschen.
Ich halte auch das für kriminell und fordere: Wasser muss Allgemeingut sein und jeder Mensch muss Zugang zu sauberem Wasser haben, und zwar auf der ganzen Welt.

Luft ist jedoch die heikelste Ressource. Jeder Mensch braucht sie in jeder Sekunde seines Lebens. Einen Menschen gewaltsam zu erdrosseln oder ihn in einen Raum einzusperren, in dem sich keine Luft oder Luft, die man nicht atmen kann, befindet, macht keinen Unterschied.
Luft so zu verschmutzen, dass die Menschen sie nicht mehr atmen können ohne krank zu werden oder zu sterben, halte ich für ein Verbrechen. Das ist vor allem dann entsprechend zu werten, wenn es mit Absicht geschieht, etwa um Profit zu machen.
Ich fordere daher das Recht auf gesunde Luft für alle Menschen.