Sind Korallenriffe bald Geschichte?

1.000 – das ist in etwa die Anzahl der Taucher, die ein Riff auf Small Giftoun Island betauchen. Täglich. Eine unfassbare Horde an Freizeitsportlern, von kleinen und großen Schiffen von allen Seiten herbeigekarrt, die meisten aus der in Sichtweite gelegenen Stadt Hurghada.
Wir befinden uns in Ägypten und es ist Hochsaison, Ende September. Da ist es unter Tags nicht mehr so knallheiß wie im Sommer, das Meer ist angenehm warm und es schein immer die Sonne. Das sind ideale Bedingungen und sie werden seit ca. dreißig Jahren gerne genützt.
Hans Hass hat sich diese Art von Massentourismus sicher nicht vorstellen können, als er vor über 70 Jahren das erste Mal in diese unglaublich schöne Unterwasserwelt eintauchte, als erster Mensch unter Wasser atmend, mit einem selbst entwickelten „Schwimmtauchgerät“.

Heute kann jedermann – und jedefrau – binnen drei Tagen und um wenig Geld den Tauchsport lernen und die Industrie lebt gut davon. Sowohl der Sportartikelverkauf als auch der gesamte Tourismus haben das Tauchen inzwischen professionalisiert und kommerzialisiert, und zwar weltweit bzw. überall dort, wo man tauchen kann.
In Ägypten am Roten Meer geht das besonders gut, es ist das Hausmeer der Europäer, die geographische und klimatische Lage erlauben einerseits eine schnelle Anreise, andererseits die Existenz tropischer Korallenriffe in einer eigentlich subtropischen Zone.
Die Touristen bewirken leider die Zerstörung der Unterwasserwelt, ironischerweise gerade weil sie es dort so schön finden.

Es sind allerdings nicht nur die Touristen, auch die ägyptische Industrie sowie der Schiffshandelsverkehr tun ihr möglichstes, um eines der größten Wunder dieser Erde zu zerstören. Korallenriffe gibt es seit Millionen Jahren und sie sind eine der Lebensgrundlagen dieser Erde.
Das Rote Meer ist quasi die Südost-Tangente der Meere, zwanzig Prozent des weltweiten Konsumgüter, die per Schiff transportiert werden, fahren dort durch und dann durch den Suez-Kanal. All diese Schiffe werden mit Schweröl betrieben. Wissen Sie, wie Schweröl aussieht? Es sieht so ähnlich wie Teer aus und wird in großen Blöcken auf die Schiffe gebracht, wo es mit hochgiftigen Chemikalien flüssig gemacht und dann verbrannt wird. Es Die Abgase sind hochgiftig und werden ohne jegliche Filterung durch die Schornsteine geblasen, mit dem 16.000-fachen Schwefelanteil von Superbenzin und noch jede Menge anderer Schadstoffe. Der weltweite Schiffsverkehr verursacht mehr Abgase als der Autoverkehr und ist gänzlich ungeregelt. Es gibt keine Vorschriften für Filter oder sonst irgend etwas, kein Gesetz gegen die Verschmutzung oder irgend jemand, der dieses international durchsetzen könnte. Lediglich die Schweden/Norweger haben ihren Schiffen die Umrüstung auf Diesel verordnet.
Dieser Dreck landet in der Luft und dann natürlich auch im Meer und wir alle profitieren davon, denn die Ölindustrie möchte das bei der Benzinerzeugung übrig gebliebene Abfallprodukt Schweröl los werden und die Eigner der Schiffe wollen möglichst billigen Sprit. Das ermöglicht, dass die Transportkosten per Schiff weltweit extrem niedrig sind und wir billige Waren aus der ganzen Welt kaufen können.

Den Preis dafür zahlen unter anderem die Korallenriffe, da sie durch die Luftverschmutzung und den Treibhauseffekt massiv gefährdet sind. Wenn sich die Meere erwärmen, sterben sie ab. Wenn El Nino kommt, sterben sie ab. Wenn sich durch Dreck und andere Faktoren die Balance unter Wasser verschiebt, haben die Schädlinge wie die Dornenkrone (riesiger Seestern, der Korallen frisst) Hochsaison und die Korallen sterben ab. Wenn Heerscharen von Tauchern die Riffe bevölkern und zertrampeln, sterben sie ab. Man wird auf der Welt wohl keinen einzigen Unterwasserexperten finden, der die Riffe nicht weltweit als äußerst bedroht einstuft.

Als Tourist merkt man von all dem nur etwas, wenn man genau hinschaut. An vielen Riffen muss man übrigens gar nicht genau hinschauen, denn es ist offensichtlich. Wo früher ein bunter Korallengarten mit einer Vielzahl von Lebewesen war, sieht man jetzt tote Korallenstöcke, die mit schleimigen Algen überzogen sind, die in dem mit Nährstoffen angereicherten Wasser gut gedeihen. Woher die Nährstoffe kommen? Rund um das kleine Fischerdorf Marsa Alam wurde vor ein paar Jahren ein internationaler Flughafen eröffnet und pro Jahr kommen 5-7 neue Ressorts dazu, jedes für 1.000 bis 3.000 Touristen. Woher die Touristen kommen? Wenn man durch Hurghada geht, dann sieht man alles auf Englisch, Deutsch und seit einigen Jahren auch auf Russisch angeschrieben. Die Russen haben Ägypten als billigen Ferienort entdeckt und holen sich jetzt ihren Teil vom Massentourismus westlicher Prägung. Es gibt billiges Fressen und Klimaanlagen wohin man schaut, Burger King und McDonald´s, Pizza Hut und Kebab, StarBucks und Kentucky Fried Chicken. Noch Fragen?

Jedes dieser Ressorts leitet seinen gesamten Dreck ins Meer. Es gibt keine Kläranlagen und der Strom wird aus riesigen Dieselgeneratoren gewonnen, die für die Entsalzungsanlagen sowie die Klimaanlagen gebraucht werden. Man darf nicht vergessen: Wir befinden uns in der Wüste und dort sieht es eigentlich auch so aus. Jetzt findet man Golfplätze und Swimming Pools, Stahlbeton-Hotels und Shopping-Center. Neben dem Flughafen von Marsa Alam wurde eine künstliche Stadt (Port Ghalib) rund um eine künstlich angelegte Marina gebaut. Das Vorbild war eine andere, schon ein paar Jahre länger existierende ähnliche Plastikstadt nördlich von Hurghada, nämlich El Gouna.

Ich war vor ein paar Jahren in El Gouna. Dort haben sie einen Golfplatz und eine Handvoll große Hotels (Steigenberger Golf Hotel etc.) hingebaut. Das Gras des Golfplatzes ist gentechnisch so verändert, dass es mit Salzwasser (bzw. teilentsalzenem Wasser) gegossen werden kann. Auch das verbraucht Unmengen an Öl, das es allerdings in Ägypten noch in ausreichenden Mengen und somit zu Spottpreisen gibt. Mit diesen Petrodollars sind einige Ägypter sehr sehr reich geworden, und sie haben sich dann jeweils eine eigene künstliche Stadt gebaut, mitten in die vorher komplett unberührte Wüste.

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Bild 1: Anlegestelle mit Stromtankstelle in Port Ghalib. Im Hintergrund sind die Appartements erkennbar, ein Stück Kanal und eine Brücke

Port Ghalib ist auch so eine Stadt und wenn man durch marschiert, sprich: an der Hafenmole entlang geht, dann kann es einem so vorkommen, als ob man in einem Potjemkinschen Dorf wäre. Ich hatte das Gefühl, dass die Häuser nur aus einer Fassade bestehen, hinten durch Holzpfeiler abgestützt, wie bei einer Filmkulisse.

Es ist eine Art Geisterstadt, denn die dort gebauten Wohnungen und Appartements sind großteils unbewohnt. Der Besitzer und Erbauer der Stadt hat ohnehin genug Geld und ist nicht darauf angewiesen, die Wohnungen billig zu verkaufen. Auch die Angestellten der zahlreichen Geschäfte und Lokale hängen gelangweilt herum, da und dort sitzt ein kleines Grüppchen Touristen und isst Hamburger mit Pommes.

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Bild 2: Abendspaziergang an der Hafenmole von Port Ghalib

Es gibt kleine Brücken über unbenützte Kanäle, wie in Venedig, nur sind sie hier aus Stahl-beton. Die Palmen sehen aus wie aus Plastik und das türkisblaue Wasser in der Lagune wirkt gefärbt. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, obwohl es ein sehr warmer Abend war. Übrigens: Auch in Hurghada, wo es eine neue Marina gibt, sieht die Hafenpromenade genau gleich aus, alles wirkt künstlich und ist es auch.

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Bild 3: Hafeneinfahrt Port Ghalib mit künstlich angelegtem Rasen und Lagune im Hintergrund

In Planung sind weitere Kanäle, die bis zum ca. zwei Kilometer entfernten Flughafen reichen sollen, so dass die Touristen ohne Bus direkt auf ihre Schiffe gehen können.

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Bild 4: Private Motoryacht „Port Ghalib“ im Hafen von Port Ghalib. Gehört wahrscheinlich einem Scheich namens Ghalib. Dürfte nicht ganz billig gewesen sein. Die große weiße Fläche am Heck ist übrigens eine Garage für Wetbikes.

Den Meeresbewohnern entgeht die Verschmutzung und der Druck auf ihren Lebensbereich nicht. Besonders hervorheben möchte ich die Korallen, denn sie sind die Basis allen Lebens am Riff. Ihre staatenbildenden Polypen dienen im Larvenstadium vielen Fischen als Nahrung und als Riffbauer erzeugen sie erst das gesamte Biotop, von dem unzählige Arten abhängig sind. Wenn sie sterben, stirbt das Riff und mit ihm alle Bewohner.
Auch die Menschen kommen dann auf lange Sicht nicht ungeschoren davon, so viel ist sicher.

Kommen wir wieder zu unserem Tauchausflug zurück. Um sechs Uhr früh geht es los, die am Riff festgebundenen oder gerade angekommenen Safariboote lassen die ersten TaucherInnen ins Wasser – je zwanzig Stück pro Schiff. Das sind meist noch diejenigen, die am wenigsten Schaden anrichten, weil sie meist gute und somit kontrollierte Taucher sind, die oft auch ein gewisses Verantwortungsbewusstsein mitbringen. Sie passen auf, was sie mit ihren Flossen tun und versuchen, nichts zu berühren. Aber auch sie üben Druck aus, weil sie seit der Erfindung der kleinen, billigen Digitalkameras viel öfter einen Fotoapparat mit haben und sich zum besseren Knipsen gerne auf den Korallen abstützen. Wenn das hin und wieder ein Taucher macht – kein Problem, aber die Masse ist für das Riff schwer zu verkraften.

Ab zehn Uhr geht es dann los. Im 5-Minutentakt treffen die Tagesboote ein, die ebenfalls zwischen fünfzehn und zwanzig Taucher an Bord haben. Bis zu Mittag habe ich etwa 40 Schiffe gezählt, allein für das eine Riff mit einer Länge von ein paar hundert Metern.

Auf diesen Booten befinden sich TaucherInnen jeglicher Güte, bis hin zu so genannten „Bubblemakern“ – meist Anfänger oder unroutinierte GelegenheitstaucherInnen. Auch sie wollen alle die fantastische Unterwasserwelt sehen und geben dafür gutes Geld aus. Auch sie zerstören nicht mutwillig die Korallen, aber sie tun es, denn sie wirken unter Wasser wie eine Dampfwalze, Millionen Flossenschläge setzen das Riff gewaltig unter Druck, denn eine abgebrochene Koralle hat oft Jahrzehnte gebraucht, um heranzuwachsen. Dazu kommen noch der ins Wasser geworfene Müll sowie die Fäkalien, die einem dann unter Wasser geschmackvoll entgegen treiben. Die meisten Boote haben nämlich als Abfluss für die Toilette einfach ein Rohr, das den Dreck unten raus lässt. Auch die großen Safariboote lassen sämtliche Fäkalien ins Wasser, jedoch meist bei einer Überfahrt auf hoher See, wenn es niemand merkt.
Dazu kommt noch das Öl und Benzin, das die Boote verlieren – es ist auch hier die Summe der Verschmutzungen, die das Riff belasten.

Am folgenden Bild sieht man die große Schar der Schnorchler und Taucher, die über das Riff herfallen. Die Tagesboote, die sie dorthin bringen, stehen unter starkem Konkurrenzdruck und müssen so auf ihre Kosten schauen. Die Umwelt steht da an allerletzter Stelle, was bei den Safaribooten nicht ganz so schlimm ist.

Die Schnorchler (darunter auch viele Kinder) bekommen eine Schwimmweste und dann dürfen sie über das Riff schnorcheln. Einen Vorteil hat das ganze: Durch die Weste können sie wenigstens nicht hinunter tauchen und unten nichts kaputt machen, zumindest nicht direkt.

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Bild 5: Tagesboote mit Schnorchlern und Tauchern vor einem Riff bei Small Giftoun Island, 5. Oktober 2011

Wer zu einem Korallenriff hinabtaucht, befindet sich plötzlich in einer anderen, uns sehr fremden Welt, und zwar als Eindringling. Unzählige Augenpaare starren die TaucherInnen an, manche neugierig, viele ängstlich und bei einigen lässt sich das nicht so genau sagen. Das System unter Wasser ist perfekt abgestimmt, viele Riffbewohner gibt es in nahezu unveränderter Form schon seit vielen Millionen Jahren.
Eiszeiten, Meteoriten, Vulkanausbrüche, Erdbeben, Klimaveränderungen – all das konnte dem System Korallenriff nichts anhaben, denn sie waren immer lokal oder fanden in einem so langen Zeitraum statt, dass sich die Riffe daran anpassen konnten.

Jetzt stehen sie vor einer neuen Herausforderung, denn der Mensch bedroht sie global (es gibt auf der ganzen Welt kein einziges wirklich unbelastetes Riff mehr) und extrem schnell.

Binnen weniger Jahrzehnte hat er es geschafft, die Meere gründlich zu verschmutzen und zu plündern. Einige Meeresbewohner stehen am Rand der Ausrottung. 95 % des weltweiten Haibestandes sind bereits verschwunden, das merkt man auch beim Tauchen ganz massiv. Noch vor ein paar Jahren sah man in einigen Gebieten bei jedem Tauchgang einen Hai. Wenn man heute dort taucht, ist man über 2-3 kleine Exemplare pro Woche schon zufrieden. Geldgier und mangelndes Verständnis führen eine Tierart, die es schon vor den Dinosauriern gab, wahrscheinlich bald zu einem Ende. Dafür können einige Menschen sagen, dass sie Haifischflossensuppe gegessen haben.
Haie sind insofern ein spezielles Beispiel, als sie beim Menschen (auch durch den Film „Der weiße Hai“) einen Angstreflex auslösen. Und wovor der Mensch Angst hat, das tötet er. Die Haie sind aber seit Jahrmillionen ein wichtiger Bestandteil der Nahrungskette der Meere, die man nicht einfach beliebig verändern kann, ohne mit drastischen Folgen leben zu müssen.

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Bild 6: Eine Pfötchen-Koralle kämpft ums Überleben. Im Hintergrund sieht man den noch intakten Teil (mit einer Fünfbinden-Demoiselle), im Vordergrund den abgestorbenen, von schleimigen Algen überzogenen Bereich.

Echte, d.h. verantwortungsvolle TaucherInnen stehen vor einem Dilemma: sie lieben die Unterwasserwelt und wollen sie schützen. Sie wollen aber auch genau diese Unterwasserwelt besuchen und erleben:

Am besten schütze ich diese Welt, wenn ich ihr fernbleibe.
Am besten schütze ich diese Welt, wenn ich sie besuche.

Wer nicht dorthin fliegt und taucht, bricht keine Korallen ab und trägt nicht zur Verschmutzung bei. Leider ist das nicht so einfach, denn wir alle konsumieren diejenigen Produkte, die durch das Rote Meer auf riesigen Containerschiffen und Tankern zu uns gebracht werden. Wir alle tanken das Benzin, wir alle kaufen das Plastik aus China und fast alle kaufen auch die Birnen aus Südafrika (statt aus dem Mostviertel).
Wer dorthin auf Tauchurlaub fliegt, sichert eine Menge Arbeitsplätze: die Werftarbeiter, die das Schiff bauen, die Crew der Schiffe, die Händler, die Bauern, die Tourismusmanager und noch unzählige Menschen mehr leben vom Tauchtourismus. Wollen wir ihnen das weg nehmen? Welche Verantwortung wiegt schwerer?

Wer die Unterwasserwelt kennen und lieben lernt, wird oft zu ihrem Botschafter. Diese Menschen erzählen ihren Freunden davon, wie traumhaft schön und somit schützenswert diese Lebensräume sind. Manche wählen dann sogar eine Partei, die sich wirklich für Umweltschutz engagiert, einige setzen sich selbst auch aktiv dafür ein.

Ich wage eine erste, vorsichtige Auflistung, was der einzelne Taucher tun kann:

1.) Boote buchen, die sich bemühen, die Umwelt zu schützen

Leider gibt es die nicht wirklich, denn die meisten Ägypter haben (zumindest meiner Erfahrung nach) keinerlei Sinn für die Umwelt. Es fällt ihnen gar nicht auf, wenn in einer leeren Kabine eine Woche lang die Klimaanlage auf voller Kraft läuft. Das Benzin ist in Ägypten staatlich subventioniert und immer noch spottbillig. Das folgende Bild zeigt einen Ausschnitt des Problems:

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Bild 7: Das 32-Meter-Safariboot von Greenforce.be. – es unterscheidet sich nicht von anderen Booten, links hinten kann man den Dreck sehen, den der Auspuff rausschleudert.

Mülltrennung ist überhaupt ein Fremdwort, hier wäre es jedoch sehr aufwändig, eine Veränderung zu versuchen, denn man müsste ja nicht nur auf dem Schiff trennen, sondern dahinter ein System wissen, das ebenfalls die Trennung weiter verarbeitet. Und das gibt es in Ägypten schlicht und einfach nicht.

2.) Möglichst wenig kaputt machen

Ein guter Vorsatz, er entspricht dem Taucher-Motto „Take only impressions, leave only bubbles“. Wer seine Tauchgänge so plant, dass er/sie möglichst wenig kaputt macht, entwickelt ein Bewusstsein der eigenen Fähigkeit dem Meer zu schaden: Wir entstammen dem Meer – was gibt uns das Recht, es kaputt zu machen? Das ist ein guter Anfang.

3.) Auf Kleinigkeiten achten

Da wird es schon schwieriger: Klimaanlage abdrehen, wenn sie nicht wirklich gebraucht wird, das gleiche gilt für Licht und andere Energiefresser. Wir hatten diesmal an Bord der „Golden Dolphin II“ pro Person eine beschriftete Wasserflasche, die an den diversen Tankstationen, die überall im Schiff verteilt waren, nachgefüllt wurde. Das hat eine Menge Plastik gespart.

4.) Initiativen unterstützen

Es gibt sie zuhauf und es ist gar nicht so leicht, die richtigen herauszusuchen: Wale, Haie, auch Riffe, Delphine, Tunfische – alles mögliche müsste geschützt werden und für fast alles gibt es Initiativen. Manchmal ist schon eine Unterschrift oder ein „Gefällt mir“ hilfreich, man wird sehen, wie es in Zukunft im Social-Media-Bereich weiter geht.

5.) Parteien wählen, die für den Schutz der Meere sind

Natürlich sind alle für den Schutz der Meere, aber sind sie das wirklich? Kann man zugleich der Ölindustrie huldigen und die Meere schützen? Bleiben nur die Grünen als in diesem Punkt wählbare Partei übrig, oder nicht einmal die? Letztlich muss das jede(r) selbst entscheiden.

6.) BotschafterIn der Meere werden

Artikel schreiben, mit leuchtenden Augen über die Schönheiten berichten, aber auch über die Zerstörung, die unter Wasser inzwischen unübersehbar ist. Das geht den Leuten mit der Zeit auf die Nerven, daher muss jeder die maximal zumutbare Dosierung selbst finden.

Irgendwie ist das nicht sehr viel, als TaucherIn fühlt man sich meist ein wenig hilflos. Es ist klar, dass die Belastung der Meere in den nächsten Jahren noch erheblich zunehmen wird. Noch mehr Menschen mit noch mehr Hunger und anderen Bedürfnissen, wie etwa dem nach endlosem Konsum und Luxus. Das verursacht bei unserem heutigen Lebensstil in der Wegwerfgesellschaft noch mehr Müll, der letztlich wieder in den Meeren landen wird. Mehr Plastik, mehr Öl, mehr Chemikalien, mehr Pestizide, mehr Phosphate und natürlich immer mehr Freizeitwünsche, die befriedigt werden wollen – jetzt gleich und für alle.

In Ägypten zeigt sich im so genannten „Tiefen Süden“ an der Grenze zum Sudan folgendes Bild: Ein Drittel jedes Riffs ist tot: abgestorbene Korallenstöcke, von schleimigen Algen überzogen, die sich von dem Dreck ernähren, den wir ins Meer leiten. Da und dort ein kleiner Fisch. Ein weiteres Drittel ist am Absterben und bereits massiv geschädigt. Das dritte Drittel ist noch ganz okay. Wenn Hans Hass mit einer Zeitmaschine aus den 1950ern in die heutige Zeit reisen würde, dann erschiene ihm auch das schöne Drittel als katastrophal, aber wir haben nichts mehr, mit dem wir es vergleichen könnten. Selbst die Erinnerungen reichen da nicht aus.
Die Zerstörung passiert blitzschnell – gemessen in erdgeschichtlichen Rhythmen, wie eine Explosion. Für einen menschlichen Rhythmus ist es überhaupt keine Explosion, sondern ein langsamer Vorgang, den man nicht wirklich mit freiem Auge beobachten kann. Ich war im Abstand von fünf Jahren zwei Mal auf den St. Johns-Riffen und bin entsetzt, wie sehr sich die Riffe zum Negativen verändert haben.
Nun passiert folgendes: Das gute Drittel wird umso mehr betaucht, da die TaucherInnen ja nur die schönen Plätze sehen wollen. Die Guides wissen das und drehen meist vor der Ecke, hinter der man den Korallentod gut sehen könnte, mit ihrer Gruppe um.
Damit ist es nur eine Frage der Zeit, bis das noch gute Drittel auch abstirbt, denn es wird die massive Dauerbelastung nicht mehr lange aushalten.

Nun könnte man einwenden, es gibt ja noch die arabische Seite mit genauso vielen schönen und spektakulären Riffen wie herüben auf der ägyptischen Seite. Und dann gibt es noch den Sudan und Eritrea, beide Staaten mit endlos langen Küsten. Dort müssten die Korallen eigentlich noch in Ordnung sein, quasi ein Paradies, wie wenn man mit einer Zeitmaschine zu den Zeiten gesunder Riffe zurückfahren könnte.

Leider ist dem nicht so. In all diesen Ländern wird auf Teufel komm raus mit Dynamit gefischt. Das ist die kurzfristigste Art wie man schnellen Profit manchen kann und somit sehr beliebt.
Irgendwie dürften Araber keinen Sinn für die Umwelt haben, denn die Saudis haben genügend Geld, um die Zerstörung ihrer Umwelt zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen.
Sie haben aber keinerlei Interesse daran, warum auch immer. Dafür plant der Saudische König den Bau von einem Dutzend Atomkraftwerke oder mehr.

Seit ein paar Jahren gelten Tauchsafaris in den Sudan als Geheimtipp. Dort befinden sich noch die unberührten Riffe, heißt es. Wenn man dann mehr Informationen einholt, dann ändert sich auch dieses Bild. Vor dem Sudan und vor Eritrea fahren die gleichen Supertanker und Containerschiffe, einzig und allein die Belastung durch Taucher und Industrie ist geringer. Aber das Rote Meer ist das Rote Meer und Strömungen kennen keine Nationalgrenzen.

Was wir jedoch sehr wohl tun können, ist unser Leben Schritt für Schritt ein wenig grüner zu machen, oder „ökologischer“, wem das Wort „grün“ zu sehr nach linkslinken Chaoten klingt. Man kann z. B. auf gestressten Fisch verzichten (Lachs, Tunfisch) und statt dessen Karpfen und Reinanken essen. Das fetzt nicht so rein wie Wolfsbarsch und Seeteufel? Mag sein, aber letztere spielt es dann auch nicht mehr so lange. Wer von uns möchte derjenige sein, der mit einem zarten Schmatzen und einem gepflegten Rülpser den letzten Branzino verschlingt?

© Guido Schwarz, 14. Oktober 2011

Bildquellen: Alle Bilder Guido Schwarz, außer Bild 6 (Andrea Blanzano)

Pain in the ass

„Schönen Guten Tag, spreche ich mit Herrn Schwarzzzz?“
„Äh, ja.“
„Herr Schwarzz, Sie erinnern sich noch, wir haben ja vor kurzem telefoniert, Firma Titan, Herr Schwarzz, und es geht um ihr Geld, Herr Schwarzz.“
„Äh…“
„Herr Schwarzz, unsere Fonds sind in den drei letzten Wochen nach oben geschossen, Herr Schwarzz, und das ist eine tolle Nachricht für Sie, Herr Schwarzz. Herr Schwarzz, was ich Ihnen jetzt anbieten kann, Herr Schwarzz, ist…“
„Moment, ich hab doch gesagt, ich hab kein Interesse.“
„Herr Schwarzz, Sie haben das letzte Mal mit unserem Junior Broker gesprochen, Herr Schwarzz, ich bin jetzt der Senior Broker, Herr Schwarzz, und, Herr Schwarzz, ich rufe nur eine kleine Anzahl auserwählter Kunden an, Herr Schwarzz, und mein Kollege hat mir gesagt, Herr Schwarzz, dass er bei Ihnen ein gutes Gefühl hatte, Herr Schwarzz.“
„Aber…“
„Herr Schwarzz, Sie müssen uns da gar nichts bezahlen, Herr Schwarzz, weil, Herr Schwarzz…“
„Wenn Sie noch einmal Herr Schwarzz sagen, leg ich auf.“
„Aber, Herr Schwarzz…“
(Tut, tut, tut)

Leider bekomme ich in letzter Zeit immer öfter so knechtende Anrufe von irgendwelchen ganz toll in Beschiss-Rhetorik geschulten dressierten Affen, die mir irgend eine Scheisse verkaufen wollen. Da gibt es die bemitleidenswerten Hausfrauen, die mich anrufen, um mir ein Inserat verkaufen wollen, das auf einer Anschlagtafel im Bezirksamt ein paar Monate hängen wird. Oder den oben beschriebenen Vollkoffer (meist aus Piefkonien), der irgendwo sitzt und mit unterdrückter Nummer oder (wie dieses Mal) mit einer Vorwahl von irgendwo (ich glaube, es war 0037) anruft und mich vollquatscht.

Meist bin ich einfach zu höflich, um sofort aufzulegen, und denke mir: Der da macht auch nur seinen Job. Aber langsam geht mir die Geduld aus. Ich überlege, mir eine Trillerpfeife zuzulegen, auf dass es ihm ordentlich die Ohren durchputzt und er nie wieder bei mir anruft. Eine Möglichkeit wäre auch eine kleine Decke neben dem Telefon, auf die ich den Hörer lege und ihn so lange quatschen lasse, bis er irgendwann aufgibt. Das kostet ihn eine Menge Zeit, die er nicht mehr dazu verwenden kann, andere Menschen zu quälen.

Sie werden mehr, die Keiler, die Telefonquäler, die Marketingprofis mit NLP-geglättetem Hirn und Rhetorik-Crash-Kurs. Sie werden auch immer penetranter und lästiger und ich frage, mich, ob das ein Teil der Endzeitstimmung ist, die mich des öfteren überfällt.

Jagd sie mitsamt ihren miesen Geschäftsideen davon, möglichst weit weg von anständigen Menschen, denen sie das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Mein Mitleid gehört weder ihnen noch ihrem Arbeitsplatz.

Der Heinz ist nicht mehr

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Bild: Heinz Kittenberger

Es muss Sommer 93 gewesen sein, als ich nach Liesing fuhr, weil dort ein geiles Fest stattfinden sollte. Ich bin bei Festen gerne früh dort, denn dann kann man interessante Menschen kennen lernen und langsam in das Fest hinein wachsen. Leider hatten mir meine Freunde noch dazu eine falsche Startzeit angegeben und so war ich tatsächlich zu früh dort.
Das Fest war eine House-Party und fand in einem Schießkeller statt. Ich wartete in der langen Auffahrt, als plötzlich ein hünenhafter blonder Typ mit etwas schlacksigem Gang vor mir stand und mich begrüßte.

Das war der Heinz und so hab ich ihn kennen gelernt. Wir entdeckten schnell, dass wir gemeinsame Freunde hatten und er lud mich gleich auf einen Stoli ein, denn er hatte gerade zufällig eine Flasche dabei, da er zu den Veranstaltern gehörte.
Beiderseitige Sympathie führte dazu, dass wir noch in diesem Sommer gemeinsam den Rathausplatz unsicher machten und Heinz im Winter 94 mit der Greifenstein-Runde mit nach Kroatien fuhr, über Silvester.

Heinz war das, was man „immer gut drauf“ nennt, und er war für jedes Fest zu haben. Mit der Zeit entdeckten wir, dass er da und dort ein klein wenig zu übertreiben pflegte. Er hatte eine Stahlbaufirma und war auf Inneneinrichtung spezialisiert. In diesem Job war er wirklich gut, bis auf die Zahlen, die mochte er gar nicht. Und Computer auch nicht. Also schrieb ich ihm mehrere Jahre lang die Angebote, und er schickte sie dann an die Auftraggeber.

Nebenbei jobbte er noch als Mitglied einer militärischen Spezialeinheit. Ich weiß bis heute nicht, was daran erfunden und was die Wahrheit war. Auf einer meiner Parties stand er plötzlich in der Eingangstür, mit Natojacke, Jeans, Sportschuhen und Baseball-Kappe und drückte mir eine Tasche in die Hand: „Bring die sofort in dein Schlafzimmer und versteck sie. Ich komm gerade von einem Auftrag und das soll niemand sehen.“
Die Tasche hatte einen offenen Zipp und so sah ich drin seltsame Dinge, wie eine Maschinenpistole mit Laser-Zielgerät und noch andere Waffen. So war der Heinz. Er war Profisurfer und Kickboxer, Fallschirmspringer und Weiberheld, Snowboarder und Trinker. Er war verrückt, liebenswert, manchmal unausstehlich und oft hilfsbereit.

Heinz erschien auf seinem eigenen Geburtstagsfest – nicht. Wir machten es beim Weihrauch und es war ein Überraschungsfest. Die größte Überraschung bestand darin, dass er nicht auftauchte. So blieb sein Platz leer und davor stand eine Torte. Für den Heinz, der nicht da war. Er meinte später, er wäre spontan nach Wr. Neustadt Fallschirmspringen gegangen und hätte sich dann mit Freunden versoffen. Und sein Handy hätte er nicht mit gehabt. Und auf die tolle Party, auf die ich ihn mitnehmen wollte, hätte er einfach vergessen.

Heinz war ein sehr begabter Mensch. Viele aus meinem bzw. unserem Freundeskreis haben Dinge, die er selbst hergestellt hat. Ich habe das Glück, gleich eine ganze Menge zu haben, einen Kasten, Couchtische, einen CD-Ständer und vor allem eine famose Sitzgarnitur.

ES gibt eine Menge Geschichten, die wir alle mit dem Heinz erlebt haben. Sie waren fast immer lustig und immer schräg.

Seine letzte berufliche Anstrengung war der Aufbau einer neuen Selbstverteidigungsmethode. Das Konzept war toll, seine Art zu unterrichten war professionell und gut. Leider konnte er es nicht mehr vermarkten, er war schon zu sehr in eine Welt hinüber gewandert, die nicht mehr die seiner Mitmenschen war. Diese nahmen ihn nicht mehr oder nur mehr zum Teil ernst. Hin und wieder blitzten seine Talente auf und es fanden Begegnungen statt. Leider nur allzu oft flüchtete er in verrückte Geschichten, die keiner mehr glaubte und die ihn als Mensch von uns abrücken ließen. Ob er dies selbst wollte, werden wir nie erfahren. Der Heinz konnte auch sehr verschlossen sein und gut abblocken, er wechselte einfach das Thema oder meinte: „Ich bin ein Blondchen, ich darf das.“
So konnte er seine letzte wirklich gute Idee nicht mehr umsetzen und driftete immer mehr in eine Welt, in die ihm keiner folgen wollte und konnte. Das Fluchtvehikel war letztlich der Alkohol und es war nur mehr selten der Fall, dass man ihn nüchtern sah. Ich selbst habe ihn seit meinem letzten großen Geburtstagsfest nicht mehr gesehen, das war vor fünf Jahren.

Bei unseren Telefonaten hatte ich nie das Gefühl, noch an ihn heranzukommen. Das war auch früher schwierig, aber nicht unmöglich. Seine Themen waren einseitig und immer die gleichen. Sie wiederholten sich und es war schwierig, das Interesse daran auch nur ein wenig aufrecht zu erhalten.

Die meisten Freunde hatten sich schon von ihm entfernt, und das aus gutem Grund. Heinz ließ sich nicht helfen, bis zum Schluss nicht. Er lebte ein einsames Leben, das immer einsamer wurde, mit Hund und alter Mutter, mit seinen Geschichten aus der Vergangenheit, die leider keine Zukunft hatten. In einem schönen Haus, gut gesichert gegen Eindringlinge, so wie der Heinz selbst auch.

Er ist in seinem Haus gestorben, in seiner Welt, zwischen Design und Alkohol.

Ich werde ihn vermissen, Heinz das Blondchen, Heinz den lustigen Kumpel, den Hundebesitzer, den kreativen Menschen, den Sportler, sogar den Aufschneider und Weiberheld.

Er geht uns voraus und irgendwann werden wir ihm folgen. Mach´s gut, lieber Heinz.

Hauptsache neu, Hauptsache irgendwie originell

…da darf die Funktionalität sich schon mal hinten anreihen. Die dümmste Form dieser Entwicklung habe ich jetzt bei Toyota erlebt. Eigentlich eine Automarke, die ich für hohe Fertigungsqualität und clevere Fahrzeugtechnik kenne. Unser Landcruiser in Afrika ist einfach aufgebaut, hart im Nehmen und hält lange.

Anders die rüschenbesetzten Schnick-Schnack-Kisten, die sie nach Europa bringen. Das neueste Beispiel ist der „Landcruiser 300“, ein Auto, das vor Sinnlosigkeit nur so strotzt. Der Kübel ist riesengroß außen, und kleiner als jeder Golf innen. Noch dümmer ist in dieser Hinsicht nur mehr der Audi Q7 gebaut.
Fast einen halben Meter dick sind die Innenverkleidungen und ich frage mich, was da dahinter steckt. Nur Querstreben und Dämm-Material wird es ja wohl nicht sein. Ich tippe auf heiße Luft. Der Wagen ist übrigens für die Stadt gebaut, dort gehört er hin, auch wenn sein Urahn ein Geländewagen reinsten Wassers war (der J7, das berühmte Buschtaxi, heute noch von allen NGOs weltweit und bei der UNO etc. im Einsatz). Der neue heißt „J15“ und ist nicht mehr vergleichbar. Geländefahren ist strikt verboten, außer man möchte sich alles kaputtmachen.

Design schlägt Funktionalität. Ein paar Beispiele:
1.) Hochglanzlackierte Stoßstangen bei einem Geländeauto. Bei jedem Kratzer darf man das halbe Auto austauschen. Die Werkstätten jubeln, die Kasko-Preise schnalzen gegen unendlich. Braucht kein Mensch, ist ein reines Design-Element, das mir persönlich nicht einmal gefällt.

2.) Bauchige, vielfach gekrümmte und gebogene Karosseriebleche. Das Ende des Autos ist weder vorne, noch hinten, noch auf der Seite auch nur zu erahnen. Deswegen hat sich mein Vater (seit kurzem in Besitz so eines Monsters) auch schon die Seitenflanken zerstört, an der Garagenwand. Auch hier: ein reines Designelement.

3.) Die Scheinwerfer. Undinger, riesig groß, vielfach gebogen, verklebt, jede Menge Plastik. Ein kleiner Steinschlag und man muss seine Kinder als Sklaven verkaufen, um sich eines von den Trümmern neu leisten zu können.

4.) Der Innenraum. Selten was so funktionsbefreites gesehen. Hellbeiges Leder, quasi schon beim ersten Einsteigen automatisch versaut. Alles eng zugebaut, subjektiv fühle ich mich wie in einem Puch 500. Es war mir nicht möglich, einen Platz zu finden, an dem ein Feuerlöscher angebracht werden könnte. Im ganzen Wagen nicht, auch nicht im Kofferraum. Absolut unmöglich, das ist nicht vorgesehen und geht einfach nicht.

5.) Das Mäusekino. Bildschirme wohin man blickt, tausend und eine Anzeige, in allen Farben, alles blinkt und es gibt ein halbes Dutzend Kameras außen, mit denen man die Umgebung betrachten kann. Überall piept es und je nach eingelegtem Gang zeigen die Kameras verschiedene Ausschnitte. Dazu gibt es noch farbige Linien, so dass man erkennen kann, was in der Kamera das eigene Auto und was die Elemente in der Umgebung sind. Ein Overkill an „Features“ und Sinneseindrücken. Die perfekte Ablenkung vom Fahren.

Fahren braucht man mit dem Ding eigentlich nicht mehr, es spielt schon im Stand das gesamte Entertainment-Programm und das verlangt 100% der Aufmerksamkeit. Dann auch noch zu fahren wäre absolut fahrlässig.

6.) Das absolute Highlight: der schlüssellose Zündschlüssel. Damit hat Toyota den größten Bock geschossen. Es ist frei von jeder Funktionalität, ein reines Designelement, in der Praxis völlig unbrauchbar. Zur Erklärung: Man steckt den Schlüssel in die Hosentasche und durch Funksignale erkennt der Bordcomputer, dass ein Schlüssel in der Nähe ist. Dann kann man aufsperren (natürlich mit Druckknöpfchen. Wehe dir, wenn die Batterie leer ist oder kaputt geht, dann bleibt man draußen, denn es gibt keinen Schlüssel und kein Schloss mehr.).
Man kann auch einen Knopf zum Starten drücken und dann wegfahren.

Mein Vater hat mich noch eingewiesen in die vielen Besonderheiten und ich fuhr los. Am Zielort angekommen stellte ich den Wagen ab, das geht auch mittels des Starterknopfes. Ein paar Minuten später wollte ich ihn wieder starten – keine Chance, der Knopf verfärbte sich nicht wie notwendig grün und ein schnarrendes Signal zeigte mir an: do geht jetzt nix!

Den Schlüssel hatte ja mein Vater in der Hosentasche. Während des Startens war er in meiner Nähe, daher hat das funktioniert. Danach nicht mehr. Glücklicherweise war ich nicht weit weg und konnte zurück eilen, um meinem Vater den Schlüssel abzuknöpfen.

Einem Freund meines Mechanikers war das Upgrade dieser Blödheit zuteil geworden. Er stieg in sein Auto und fuhr auf Geschäftsreise nach Tirol. Nach einigen Stunden Fahrzeit fuhr er in Tirol zur Tankstelle und als er vom Bezahlen zum Auto kommt, ist dieses abgesperrt. Manche dieser neuen Kübel haben zu dem saublöden Schlüsselsystem noch ein zusätzliches „Sicherheitsfeature“ – wenn man die Türen zuwirft, versperren sie sich automatisch nach ein paar Sekunden. Wofür das gut ist, weiß ich nicht, ich habe keine Angst vor Dieben und wenn, dann sperre ich mein Auto ab.
So hatte das zur Folge, dass der gute Mann draußen stand und auch dort blieb. Der Schlüssel war im 500 km entfernten Wien, das Handy lag natürlich im Auto und im Handy waren die Nummern für den Notfall. Bei den ständig wechselnden Nummern merkt sich das kein Mensch mehr und es ist eh im Telefonbuch am Handy gespeichert. Das im versperrten Auto liegt. Das war sicher eine gaudige Geschäftsreise.

Bewerben tut Toyota dieses Auto übrigens mit den Worten „Alles andere als Spielzeug“. Was genau sonst, erklären sie leider nicht.

Gebannt starren wir auf den Euro

In der heutigen Ausgabe von Medianet erklärt uns Erich Streissler (er wird dort als „Doyen der österr. Volkswirtschaft“ tituliert, was auch immer das heißen mag) gemeinsam mit Christian Helmenstein von der Industriellenvereinigung, dass der Euro uns mit 90 % Wahrscheinlichkeit bleibt.

Das ist aber beruhigend! Griechenland könnte vielleicht austreten oder werde austreten müssen – der genaue Wortlaut ist dem Artikel nicht zu entnehmen. Es wird nur geschrieben, dass immer mehr Volkswirte ein Scheitern des Euro „nicht mehr ausschließen“. Da wird von einem „Nord-Euro“ gefaselt und davon, dass dieser dann „eine sichere Sache“ wäre.

Spontan fallen mir da die „Gated Communities“ ein, die rund um die Welt gerade wie Schwammerln aus dem Boden wachsen. Das sind Hochsicherheits-Wohngebiete, in denen reiche Menschen im Luxus hausen. Blöd daran ist nur, dass sie sich erstens dort gegenseitig auf die Nerven gehen, zweitens zum Arbeiten rausfahren müssen (meist in ihren Hochsicherheits-SUVs) und drittens im Fall einer Krise dort ohnehin um nichts sicherer sind als woanders.

Und genauso geht es uns mit dem Euro bzw. dem Nord-Euro. Letztlich wird es niemanden geben, der in einer echten Weltwirtschaftskrise seine Schäfchen ins Trockene bringen kann. Hohe Mauern haben noch nie was genützt und Währungen kommen und gehen.

Sich mit diesem oder ähnlichen Gedanken anzufreunden fällt den meisten Menschen schwer, auch den Experten. Währungsstürze gab es immer und wird es in Zukunft auch geben. Sie führen meist zum Verlust der Ersparnisse, sofern diese in Geldwerten angelegt sind. Deswegen flüchten derzeit so viele Bankmanager in reale Werte wie Grundstücke, Wald, Immobilien – sie ahnen bereits, was sich abspielen wird.

Steht und bald der Tag bevor, an dem unerwartet der Herr Bundespräsident am Sonntag Abend eine förmliche Ansprache an die lieben Österreicherinnen und Österreicher hält, in der er ihnen erklärt, dass die Regierungen im Euro-Raum es zwar sehr bedauern, aber leider aufgrund von blablabla keine andere Möglichkeit sehen, als einen „Euro Neu“ zu erschaffen? Man könne diesen Euro neu ab kommenden Montag bei jeder Bank um zwei Euro alt kaufen. Der Euro alt sei übrigens ab jetzt nichts mehr wert, leider. Aber der Euro neu hätte einen tollen Wert, nämlich so viel wie der Euro alt. Wie EIN Euro alt, wohlgemerkt.

Ich darf die geschätzten Leserinnen und Leser beruhigen, es gibt noch andere Szenarien. Wenn uns eine Krise trifft, und ich rede nicht von so einem Mailüfterl wie 2008/2009, dann wird sie wahrscheinlich hart sein. So hart, dass ich nicht sicher bin, ob ich sie nicht lieber früher als später hätte, weil sie auf jeden Fall umso härter wird, je später sie uns trifft. Warum? Weil wir derzeit mit leichtem Wahnsinn die Blasen aufpumpen und die Entwicklungen fast überall exponentiell sind.
Dann werden die Konsequenzen auch entsprechend hart sein.

Kurz noch zurück zu einer möglichen Krise. Was könnte sie auslösen? Ein paar Hypothesen:
1.) Peak Oil wirkt sich aus. Die OPEC-Staaten schweigen beharrlich über ihre tatsächlichen Vorräte, in Texas pumpt J.R. schon lange kein Öl mehr und der größte Ölfund der letzten 10 Jahre ist ein Ölfeld im Golf von Mexico, das bei Vollausbeutung den Weltbedarf sechs Tage lang decken würde. Für das Schürfen von zwei Litern Öl aus Ölsand muss man einen Liter Öl verbrennen. Und doch wird überall mantrahaft nachgebetet: Wir haben viel Öl, wir haben noch lange sehr viel Öl, es gibt Öl ohne Ende. Das ist sehr bequem. Ob es stimmt, ist eine andere Frage.

2.) Eine Blase platzt. Anbieten würde sich etwa die chinesische Immo-Blase. Derzeit stehen in China ca. 60 Millionen Spekulationswohnungen leer, ähnlich wie die in den Geisterstädten an der spanischen Küste oder in Dubai. Hauptinvestoren sind die chinesischen Banken, die im Falle eines Problems ihre Unmengen US-Staatsanleihen verkaufen müssten. Zu einem miesen Preis, wie das halt so ist, wenn es plötzlich ein riesiges Angebot und wenig Nachfrage gibt. Dann krachen die US-Staatsanleihen und nicht nur die. Es könnte aber auch die US-Immoblase platzen oder die fondsgebundenen Lebensversicherungen, die in den gleichen Schrott investiert haben wie alle anderen. Oder die Kreditkartenblase: sehr viele Menschen leben derzeit auf Pump, vor allem was ihren Privatkonsum betrifft.

3.) Eine Umweltkatastrophe. So etwas wie ein überdimensionales Fukushima. In stabilen Zeiten locker handhabbar. In einer angeheizten, labilen Situation möglicherweise der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

4.) Ein Finanzcrash, der tatsächlich von einer Staatspleite ausgeht und nicht mehr in den Griff zu bekommen ist, weil es zu schnell geht. Die meisten Finanztransaktionen sind heute computergesteuert und automatisiert. Da passieren Milliardenverkäufe in Millisekunden – wir hatten das schon vor einiger Zeit, und man hat damals nichts dagegen unternommen, dass dies nicht wieder passiert. Erst vor ein paar Tagen hat ein Händler der UBS 1,6 Milliarden Euro mit einem Knopfdruck in den Sand gesetzt. Vier-Augen-Prinzip? Viel zu teuer!

Wie funktioniert eigentlich Entschuldung? Kennt jemand eine andere Methode als den Crash, wo die Zähler wieder auf Null gestellt werden? Gab es jemals schon einen langsamen Abbau von so etwas? Ich wüsste kein Beispiel.

Was wäre ein Alternativszenario? Wenn der politische Wille da ist, wäre gegen ein duales System nichts einzuwenden, auch wenn die Experten derzeit noch jammern, dass das nicht geht. Nach der Krise geht es dann doch. Das wäre eine Weltwährung für den internationalen Handel, die z. B. „Energo“ heißt. Da unsere derzeitige Weltwährung ohnehin schon die Energie in Form des Erdöls ist, wäre der Sprung gar nicht so groß. Und er würde bei einer Ölkrise ein schnelles Umsteigen auf alternative Energieformen bringen, denn: Windenergie ist dann Geld in Form des Energo, Wasserenergie auch, Sonne natürlich etc. Weil der Energo aber nicht das kleine, lokale Alltagsleben abfangen kann, gibt es zumindest für eine Übergangszeit regionale Komplementärwährungen (komplementär weil sie die zentral ausgegebene Fiat-Währung, die ja auch der Energo wäre, ergänzen). Es gibt sie übrigens schon und viele stehen in den Startlöchern. Sie basieren oft auf Zeittauschsystemen und wären so eine gute Basis für die Verabschiedung des Wertmonopols der Erwerbsarbeit. Ab da hat auch etwas anderes Wert. Verlierer sind dann übrigens die Herrschaftssysteme, weil sie das Druckmittel Geld für Erwerbsarbeit nicht mehr besitzen. Weniger Herren bedeutet auch weniger Knechte.
Der Energo wäre anfangs eher Buchgeld, um die Verhältnisse zwischen Staaten zu regeln, die Menschen brauchen aber konkretes Geld, mit dem sie ihr Leben organisieren. Da in einer Ölkrise der Welthandel (Transport) ein Riesenproblem hat, muss sich die dann stattfindende Regionalisierung auch in der Form des dazu passenden Geldes ausdrücken.

Es ist ein unangenehmes Gefühl, eine Krise zu ahnen und nichts dagegen tun zu können. Und dass aus Krisen auch immer etwas Neues entsteht, ist auch nur bedingt beruhigend. Es ist letztlich genauso nichts mehr oder weniger als die Hoffnung, dass der Euro eh keine Probleme bekommen wird. Womit wir bei der Frage sind, was wir tun können. Etwas fällt mir ein: Wir können das fassungslose Staunen schon mal üben, das wir anhand der schieren Größe der nächsten Krise ganz sicher haben werden. Immerhin, besser als nichts tun.