Warum der Tolino leider nicht so toll ist

Der „Tolino“ ist ein Reader, also ein elektronisches Buchlesegerät. Ich habe ihn geschenkt bekommen und natürlich sofort ausprobiert. Anlass war der Science-Fiction-Roman „Picknick am Wegesrand“, den ich vom edlen Spender des Tolino empfohlen und auch digital geschickt bekam, als pdf-Datei.
Also begann ich ihn zu lesen, bei mir am großen Bildschirm daheim. Das ist jedoch stressig und nicht die Art, wie ich Bücher lesen möchte. Es macht mich müde, andere Dinge lenken ab und ich kann mich nicht gut konzentrieren. Außerdem bekomme ich immer so eine Hektik und möchte die Datei ganz schnell gelesen haben, eigentlich nur überfliegen, wie eine lange Email, die mich nervt.
Keine guten Voraussetzungen für ein entspanntes Leseerlebnis und nachdem ich Gerhard angeraunzt hatte, bekam ich den Tolino. An dieser Stelle Dank dem edlen Spender!

Der Tolino ist das Lesegerät von Thalia. Und das bringt mich auch schon zum ersten meiner Rezessionspunkte:

1.) Die Zwangsbeglückung
Wenn man den Tolino startet, nachdem man den Akku entsprechend aufgeladen hat, wird man zart, aber konsequent dazu gebracht sich bei thalia.at im Shop anzumelden. Dort kann man dann all die schönen Bücher kaufen, die man eigentlich noch nie lesen wollte. Und noch ein paar mehr. Wenn man das eigentlich nicht will, kann man etwas versteckt auch den Hinweis finden, dass man das Gerät an den Computer anstecken und als „externe Festplatte“ benützen kann.
Wer sich nicht gut auskennt, lässt das lieber. Wer sich schon besser auskennt, versteht, dass dann auch Dateien (wie etwa mein pdf mit dem SF-Roman) auf den Tolino hinaufladbar sein müssten.
Sofern der Tolino mit Apple-Computern kommunizieren kann.

Also, er kann es. Daher lassen sich pdf-Dateien draufladen und auch verwenden. So weit, so gut.
Ein paar Dateien, also Bücher, sind auch schon drauf, was ganz nett ist, wenn man diese lesen will. Eines ist etwa „Max und Moritz“, samt Bildern. Aber der Thalia-Shop ist immer in Griffweite und ruft leise „meld mich an“ oder „kauf was“.
Die Internetverbindung läuft übrigens über WLAN und wer das nicht hat, hat Pech und sollte sich normale Bücher kaufen.

2.) Die Technik, also die Hardware
Auf den ersten Blick ganz nett. Die Oberfläche des Gehäuses ist ausgesprochen griffig und wirkt hochwertig. Der Bildschirm ist mit einer Schutzfolie bedeckt (bei mir ist sie immer noch oben) und das Gerät passt in eine Hand – zumindest in meine, und ich habe ziemlich große Hände.
Er ist nicht sehr schnell, der Aufbau des LCD-Bildschirms (ich weiß nicht, ob es so einer ist, aber er sieht wie so einer aus) dauert immer ein wenig, auf jeden Fall länger als es dauert eine Buchseite umzublättern. Das ist nur ganz wenig kürzer, summiert sich aber.
Der Bildschirm ist schwarz-weiß. Damit kann man keine farbigen Abbildungen sehen, was mich bisher nicht gestört hat. Es macht aber den Vorteil zunichte, den man etwa bei meinen Vespa-Büchern durch den Tolino hätte, denn in meinen Büchern sind die Bilder auch nur schwarz-weiß und wer sie in Farbe will, muss auf meine Website gehen, wo sie zu finden sind.
Am Reader könnte man sie gleich in Farbe haben. Nur halt nicht am Tolino.
Die Batterie hält angeblich ewig, bevor man sie aufladen muss. Meine war nach ca. 5 Stunden auf 50% und ich habe noch nicht ausprobiert, wie lange die restlichen 50% halten. Ich war auch nur wenige Minuten im Internet, die Akkukraft wurde also durch ganz normales Lesen verbraucht.
Wenn sich das nicht um eine Zehnerpotenz bessert (und warum sollte es das plötzlich tun?) wäre der Tolino für einen Urlaub nicht wirklich brauchbar, denn genau das ist eigentlich der Witz eines Readers, dass er nicht an jeder Ecke eine Steckdose braucht.

3.) Die Bedienbarkeit, also die Software
Es gibt nur einen Knopf, mit dem kommt man auf die Startseite. Das ist okay. Und man kann auf den Bildschirm tippen, was leider nicht so leicht geht wie auf einem iPhone, sondern irgendwie schwerer. Das muss nicht schlecht sein, ist aber gewöhnungsbedürftig.
Das Umblättern hat – wie schon gesagt – eine Verzögerungssekunde eingebaut. Das ist nicht ganz so super, weil das hätte ich gerne schneller. Der Tolino braucht immer etwas, bis er die nächste Seite am Bildschirm aufbaut und scharf stellt. Das nervt, weil es in der heutigen Zeit nicht sein müsste, schon gar nicht bei einem schwarz-weiß Bildschirm.
Nach einiger Zeit schaltet der Bildschirm in den Ruhezustand. Dann erscheint ein Smiley am Bildschirm und meint „Psst… Tolino schläft!“ Um ihn wieder aufzuwecken, muss man einen winzigen Schalter links oben einmal ziehen, dann ist er wieder einsatzbereit. Das schont die Batterie und ist prinzipiell nicht schlecht, man kann auch die Zeit einstellen, bis er sich ausschaltet.
Eine echte Bedienungsanleitung gibt es leider nicht, nur eine Kurzeinführung. Den Rest muss man sich irgendwie erarbeiten. Wahrscheinlich gibt es irgendwo im INternet eine ausführliche Version, aber auf die Idee, diese auf den Tolino schon vorzuinstallieren, ist scheinbar noch niemand gekommen.

Kommen wir zum wichtigsten Punkt, der Lesbarkeit.
Hier ist sicher der größte Kritikpunkt anzubringen. Das File mit dem „Picknick am Wegesrand“ lässt sich zwar problemlos abspielen, die Größe der Darstellung lässt sich jedoch nur in Schritten und nicht stufenlos verstellen. Das bedeutet, dass bei einer Größe die Schrift so klein ist (siehe Bild 1), dass ich sie auch bei bestem Willen nicht lesen kann oder sehr bald die Augen weh tun. Wenn ich eine Stufe größer gehe (siehe Bild 2), habe ich nur mehr einen Ausschnitt der Seite im Bild. Scrollen? Geht nicht. Also, es geht schon, aber nach drei bis vier Seiten bist Du ein nervliches Wrack und wünscht dir nichts sehnlicher als ein echtes Buch.

P1080994.JPG

P1080993.JPG

Der Bildschirm ist zu klein zum Leben und zu groß zum Sterben, zumindest für mich. Das Gewicht wäre okay, er ist echt leicht und handlich. Aber der Bildschirm misst 90 x 122 mm und ist somit deutlich kleiner als A6 (100 x 150).
Bei anderen Reader-Formaten kann man mehr skalieren. Die als Teaser aufgespielten Bücher können so etwas. Da kann man die Schriftgröße in kleineren Stufen verstellen, denn die Seiten sind nicht, wie beim pdf-Format, fix, sondern variabel. Das ist viel besser lesbar, aber jetzt gibt es keine Seiten mehr, zu denen man zurückblättern kann und auch keine Seitennummerierungen. Insofern erkauft man sich den Vorteil wieder durch einen Nachteil. Und man braucht dieses spezielle Format für den Reader (keine Ahnung wie das heißt).

4.) Die Haltbarkeit
Wie lange hält der eingebaute und verschweißte Akku? Das ist das ganz große Problem vieler moderner Geräte, bei denen man die Akkus nicht mehr herausnehmen und somit auch nicht tauschen kann. Die Hardware wird zur Wegware, also zur Wegwerfware. Wie lange hält er wirklich? Ein Jahr? Oder gar zehn Jahre? Und ist er dann mit den neuen Computern noch kompatibel, sprich: gibt es die normalen USB-Schnittstellen noch?
Der Umweltfreundlichkeitsaspekt ist auf jeden Fall ein dickes Minus, wobei man sich eventuell den Druck vieler Bücher spart, das könnte man in die Bewertung mit einbeziehen.
Dafür bleibt Elektronikschrott übrig, wenn der Tolino kaputt geht oder nicht mehr gebraucht wird. Ich bezweifle, dass man ihn wie ein Buch weiterschenken kann. Er ist auch nicht lagerfähig, denn das macht die Batterie nur eine Zeit lang mit, dann ist sie irgendwann tiefentladen und das ganze Gerät Schrott.

5.) Fazit
Ich bleibe beim Buch. Es ist nämlich auch das Weiterblättern um zehn, zwanzig oder hundert Seiten zwar möglich, aber extrem mühsam und genauso ist es mit dem Zurückblättern.
Ich werde bestimmte pdf aufspielen und dann mitnehmen, um sie für den Fall der Fälle dabei zu haben. Also zumindest habe ich vor das zu tun. Bücher werde ich auch darauf lesen, aber nur in Ausnahmefällen.
Und ich weiß jetzt, warum die Zahl der verkauften Reader in USA bereits wieder deutlich zurück geht.

Eine Studie zeigt jedoch, dass die Akzeptanz der E-Reader in USA ca. 10x so hoch ist wie bei uns. In Deutschland beträgt sie ca. 2 Prozent. Interessant ist die Erkenntnis, dass Menschen auf E-Readern schneller und effektiver lesen (siehe: bild der wissenschaft, August 2014) und die Inhalte besser aufnehmen als von gedruckten Büchern. Das stimmt mich nachdenklich, weil auch hier ein für mich sehr negativer Trend noch verstärkt wird. Ein Buch zu lesen bedeutete bis jetzt Entspannung, sich Zeit nehmen, vielleicht in eine gemütliche Ecke zurückziehen zu können. „Ich nehme mir zwei bis drei Bücher in den Urlaub mit, die ich eh schon lange lesen wollte und freue mich sehr darauf“ meinen zahlreiche Freunde des öfteren. Das gute Buch steht für die Welt der Entschleunigung, wo es nicht nur um Effizienz geht – möglichst schnell möglichst viel.
E-Reader bewirken genau das: Ich speichere mir hundert oder tausend Bücher darauf ab, viele davon vielleicht vorher bezahlt. Selbst wenn sie einzeln billiger sind, gebe ich dann letztlich doch mehr Geld aus. Bekomme ich dafür auch mehr Wert? Kann ich all diese hundert Bücher im Urlaub lesen, oder macht mir das genau den Stress, den ich eigentlich vermeiden wollte? Wie effizient muss ich dann lesen, um statt den üblichen zwei Büchern jetzt fünf oder gar zehn zu schaffen? Das ist ein Leistungsstress und vielleicht sagt mir dann ein guter Freund, dass er im Urlaub um zwei Bücher mehr geschafft hat als ich. Dann bekomme ich noch einen Post-Urlaubsstress dazu.
Welches Buch lese ich zuerst? Oder lese ich in viele hinein und entscheide mich dann? In der Studie wird auch erklärt, dass Wissenschafter daran arbeiten, uns die E-Reader noch schmackhafter zu machen, indem sie selbständig Erklärungen und Übersetzungen einblenden können, etwa wenn wir etwas nicht verstehen. Eine Kamera folgt unseren Augen (im Auto gibt es das ja schon, um Müdigkeit rechtzeitig zu erkennen) und registriert, wenn die Aufmerksamkeit nachlässt. Vielleicht gibt es dann automatisch eine Adrenalinspritze, damit wir wieder voll leistungsfähig sind. Das gemütliche Einschlafen mit einem Buch am Bauch können wir uns dann auf denselben pinseln, ganz abgesehen davon, dass durch die dann notwendige ständige Internetverbindung irgendjemand ganz nach Belieben jederzeit weiß, wo wir gerade sind und in welchem körperlichen Zustand.
Wenn ich in einem Buch etwas nicht verstanden habe, bekam ich Lust zu recherchieren. Vielleicht habe ich zurück geblättert oder mir ein anderes Buch gesucht, in dem ich eine Erklärung finden konnte. Nicht selten wurde meine Neugier geweckt und ich habe zu forschen begonnen. Das alles würde der Vergangenheit angehören und das wäre schlicht und einfach schade.
Ich werde diese Entwicklung nicht mitmachen. Glücklicherweise gibt es so viele gedruckte Bücher auf dieser Welt, dass ich keine Angst haben muss, in diesem Leben auf einen E-Reader angewiesen zu sein.

Bisher wollte leider noch niemand meinen Tolino haben. Er schlummert friedlich vor sich hin. Vielleicht lade ich seine Batterie demnächst auf.

Mein Dutzend Gründe für politisches Engagement: 6 – Des Kaisers neue Kleider

Politik ist die Kunst der Gesellschaft. Menschen leben nur dann friedlich in Gemeinschaften, wenn ihre unterschiedlichen Interessen ausbalanciert werden. Diese Vermittlungstätigkeit nennt man meinem Verständnis nach „Politik“. Sie regelt das Zusammenleben der Menschen.
Ich habe ein Dutzend Gründe gefunden um mich politisch zu engagieren. Heute ist der sechste Grund an der Reihe, es geht um Bekleidung und Konsumrausch.

In Deutschland ist die Menge der verkauften Kleidung in den letzten fünf Jahren um 30% gestiegen.
Warum das? Gibt es mehr Menschen, die mehr Gewand brauchen?

Natürlich ist das nicht so. Die Gründe sind vielfältig und die wichtigsten sind folgende:

1.) Als urzeitliche Jäger und Sammler (und -innen, in beiden Fällen!) haben wir für den Fall einer erfolgreichen Jagd ein chemisches Belohnungssystem. Jeder Konsumartikel belohnt uns, wenn wir ihn ergattert haben. Ein besonders gutes Beispiel ist die Freude über eine gewonnene Versteigerung bei ebay. Der „Thrill“ (Angstlust) kurz vor Ende einer Auktion kann enorm sein.
Dieses Belohnungssystem ist an sich nicht schlecht, problematisch wird es erst dann, wenn dies die einzige Form der Belohnung ist, die wir bekommen können. Wenn es etwa soziale Anerkennung nur für neue Konsumartikel gibt. Wenn es uns schlecht geht, gehen wir einkaufen. Wenn wir soziale Anerkennung wollen oder in der sozialen Hierarchie aufsteigen, gehen wir einkaufen.

2.) Die Marketingindustrie kennt die Mechanismen ganz genau und verstärkt diese gezielt, etwa durch Werbung. In letzter Zeit ist die wichtigste Zielgruppe die der Kinder, die schon früh auf endlosen und grenzenlosen Konsum hintrainiert werden. Übrigens gibt es hier keinerlei gesetzliche Reglementierungen. Die Lobbies haben ganze Arbeit geleistet. Die Problematik liegt hier auf der Hand, denn Kinder haben noch keine Abwehrmechanismen und die Industrie sorgt dafür, dass sie diese auch nicht entwickeln.

Was sind die Folgen? Einerseits haben wir es immer öfter mit verhaltens- und sozialgestörten Kindern und Jugendlichen zu tun, andererseits dreht sich hier eine echte Teufelsspirale, denn nur wer genügend Geld hat, kann beim Konsumrausch mitmachen. Alle anderen sind davon ausgeschlossen und somit auch irgendwann vom sozialen Leben oder zumindest seiner „Mitte“ ausgeschlossen, also stigmatisiert.
Wer nicht genügend Geld hat, versucht es zu bekommen, das funktioniert auf mehrere Arten:

a.) Einbruch, Raub, Diebstahl, Betrug etc.
Das ist deswegen schlimm, weil es nicht nur Kriminelle produziert, sondern auch die Gesellschaft Geld kostet. Die Gewinner sind hier außen vor.

b.) Schulden machen
Das ist vor allem dann problematisch, wenn es im Freundes- und Verwandtenkreis passiert, denn so zieht die Konsumindustrie auch dort Geld ab, wo es gar nicht dafür vorgesehen war. Das ist dann gefährlich, wenn der eigentliche Zweck ein wichtiger war, etwa die Altersvorsorge oder die Sicherheit oder gar die Abdeckung von Grundbedürfnissen wie Heizen oder Essen.

c.) Mehr arbeiten
Das ist der gefährlichste Punkt, denn das erzeugt Einerseits Workoholics, die arbeiten und einkaufen, aber keinerlei Zeit mehr haben das Eingekaufte auch irgendwie zu verwenden. Noch schlimmer ist die Entwicklung, dass Menschen zwei statt einem Job annehmen müssen. Das drückt nämlich die Löhne und schafft „Working poor“ und damit sozialen Sprengstoff besonderer Art.

Meine sechste politische Forderung: Gesetze gegen das Marketing mit Kindern und Jugendlichen.

Mein Dutzend Gründe für politisches Engagement: 5 – Ich will gutes Essen

Politik ist die Kunst der Gesellschaft. Menschen leben nur dann friedlich in Gemeinschaften, wenn ihre unterschiedlichen Interessen ausbalanciert werden. Diese Vermittlungstätigkeit nennt man meinem Verständnis nach „Politik“. Sie regelt das Zusammenleben der Menschen.
Ich habe ein Dutzend Gründe gefunden um mich politisch zu engagieren. Heute ist der fünfte Grund an der Reihe, es geht um´s Essen.

Immer wieder sind TV-Dokus der Auslöser für meine Gedanken hier im Weblog. Diesmal ist es ein erschütternder Film über Hunger im reichsten Land der Welt, in den USA. Dort hungern halb so viele Menschen wie Deutschland Einwohner hat. Also zwischen 40 und 50 Millionen. Mit anderen Worten: Jeder sechste US-Bürger (und -innen selbstverständlich) weiß regelmäßig nicht woher er die nächste Malzeit nehmen soll bzw. leidet echten Hunger. Der Grund dafür ist Armut, denn verfügbare Nahrung gibt es genug.
Zyniker sagen jetzt, dass diese Menschen faul und dumm sind und es nicht anders verdienen, dass es also gerecht und in jeder Hinsicht in Ordnung ist, dass diese Menschen zu wenig Geld haben.
Ich kann mich da leider nicht anschließen. Für mich ist das ein politisches Problem, oder anders ausgedrückt: dieser Hunger ist gemacht und gewollt, zumindest aber geduldet.
Wer sind nun die Nutznießer dieses Hungers? Für die Antwort braucht man sich nur anzusehen, wer daran verdient. Das sind in erster Linie die Produzenten minderwertigen Essens (Nahrung will ich das ganz bewusst nicht nennen), die daraus Profit schlagen. Je schlechter die Qualität, desto billiger lässt es sich erzeugen und desto schädlicher ist es für die Menschen. Ach ja, und desto mehr Profit bringt es. Dieser Profit dient allen möglichen Zwecken, eines jedoch tut er auf gar keinen Fall: den Hunger lindern.
Chips statt Gemüse, Limo statt Früchten – so in etwa kann man die Ernährungsgewohnheiten armer AmerikanerInnen beschreiben. Die Konzerne tun ihr möglichstes um diesen Zustand auszuweiten: Die Preise für frisches Obst und Gemüse sind in den USA seit den späten 1980ern um 40% gestiegen. Die Preise für industrielle Lebensmittel sind hingegen um 40% gefallen.
Um drei Dollar bekommt man 312 Kalorien gesundes Essen oder 3.767 Kalorien industrielle Nahrung.

Erster Gewinner ist die Agrarindustrie, zweiter die Verpackungsindustrie und dritter Gewinner die chemische Industrie. Diese Industriezweige haben ihre Lobbys in der Regierung und sorgen penibel dafür, dass ausschließlich die großen Konzerne Subventionen bekommen. Seit 1995 ist so eine Viertel Trillion (!) US-Dollar an diese Industrie geflossen. Das ist die erste Abwärtsspirale.
Das ist Steuergeld, das den Menschen am anderen Ende fehlt. Sie können sich so nur mehr Junk-Food kaufen, und zwar genau das Zeug, das von den Konzernen erzeugt wird, die die Subventionen erhalten. Der Weg zu gesunder Nahrung ist ihnen versperrt. Sie ernähren sich schlecht und werden daher dick und krank. Weil sie kein Geld haben, können sie sich auch nicht die (in den USA privatisierte) Bildung kaufen, die ihnen sozialen Aufstieg zwar nicht garantiert, aber leichter machen würde. Das ist die zweite Abwärtsspirale.

Übrigens ist auch das Transportsystem clever durchdacht und dient der Industrie: Kleine LKW sind teurer und große können nur bestimmte Orte anfahren um zu liefern. Daher profitieren nur die großen Betriebe in der Produktion und im Verkauf von billigem Transport. Das macht gesundes Essen noch teurer und schlechtes billiger. Dazu kommt noch, dass in den kleineren Ortschaften die Läden nur mehr Industrieprodukte verkaufen (Bier, Limo, Chips, Kuchen) und man für hochwertige Nahrung entweder lange mit dem Bus oder mit dem Auto fahren muss. Menschen, die wenig verdienen, müssen meist im Gegenzug sehr lange arbeiten und haben nicht die Zeit um gutes Essen einzukaufen, ganz abgesehen davon, dass ihnen dafür auch das Geld fehlt.
44 Millionen Amerikaner nutzen die US-Lebensmittelbeihilfe (Lebensmittelmarken), jedes zweite Kind in den USA braucht sie während seiner Kindheit zumindest einmal.
Für die Kinder ist der Hunger besonders schlimm, denn sie gehen zwar meistens in die Schule, können dort aber dem Unterricht vor lauter Hunger nicht folgen. Außerdem führt die Mangelernährung zu frühkindlichen Gesundheitsproblemen, die sie ihr ganzes späteres Leben mit herumschleppen.

Jedes dritte Kind, das im Jahr 2000 in den USA geboren wurde, ist an Diabetes erkrankt oder wird daran erkranken.

Diese Menschen sehen wir nicht, wenn wir dort Urlaub machen und sie kommen in den Nachrichten aus USA nicht vor. Sie haben weder eine Lobby noch die Mittel um sich medial bemerkbar zu machen.
Die US-Regierungen seit Ronald Reagan haben keinerlei Interesse dieses Thema aufzugreifen. Nein, auch Barack Obama nicht. In seiner Präsidentschaft stieg der Hunger zwar nicht mehr so rasant wie unter George Bush jun., aber immer noch merklich an.
Bis Ende der 1970er war das Hungerproblem fast zur Gänze beseitigt. Dann kam Reagan und gewährte den großen Konzernen Steuererleichterungen. Dadurch sanken die Einnahmen des Staates und die Anti-Hunger-Programme wurden beschnitten oder beseitigt. Dann wurden noch die Rüstungsausgaben erhöht und zwar um den Preis weiterer Senkungen in den Sozialprogrammen.

Daher meine politische Forderung: Agrarsubventionen sollten der Ernährungsgesundheit dienen und nicht wenige reiche Menschen noch reicher machen. Und ich will nicht, dass wir einmal so schändlich enden wie die USA. Sie ist Schlusslicht aller Industriestaaten weltweit punkto Ernährungsunsicherheit (= Hunger).

Mein Dutzend Gründe für politisches Engagement: 4 – Die Ökonomisierung der Wissenschaft

Politik ist die Kunst der Gesellschaft. Menschen leben nur dann friedlich in Gemeinschaften, wenn ihre unterschiedlichen Interessen ausbalanciert werden. Diese Vermittlungstätigkeit nennt man meinem Verständnis nach „Politik“. Sie regelt das Zusammenleben der Menschen.
Ich habe ein Dutzend Gründe gefunden um mich politisch zu engagieren. Heute ist der vierte Grund an der Reihe, es geht um die Freiheit der Wissenschaft.

„The king said to the priest: You keep them stupid, I keep them poor.“
Klarer hat es nur Rainhard Fendrich ausgedrückt: „Leute mit an Plastikhirn kamma leichter dirigiern.“ („Polyäthylen“, 1981, Album „Und alles is ganz anders wordn“)

Das Wissenschaftsministerium wird dem Wirtschaftsministerium hinzugefügt – so oder so ähnlich ist die offizielle Diktion. De facto wird es aufgelöst, so wie es bei Firmenfusionen danach eine Firma noch gibt und die andere nicht mehr. Ausnahmen zu dieser Regel sind entweder keine vorhanden oder sie sind extrem selten.
Die Regierung Faymann II hat es geschafft, die SPÖ ist auch in diesem Punkt komplett umgefallen und hat sich den Forderungen der ÖVP gebeugt.
Die Proteste der Wissenschaft sitzt man aus und die Spin Doctoren finden schon irgendwelche Argumente, warum Wissenschaft und Wirtschaft unbedingt eigentlich eh schon immer zusammengehört hätten („Klingt das nicht ohnehin ähnlich? – Eben!“).
Das Wissenschaftsministerium – gegründet 1970 vom SPÖ-Politiker Bruno Kreisky, abgeschafft 2013 vom SPÖ-Politiker Werner Faymann – ist somit Geschichte.

Aber was steckt wirklich dahinter? Ich sehe hier vor allem zwei Gründe:

1.) Der Primat der Wirtschaft
Das hat mit Wolfgang Schüssel begonnen und dem neoliberalen Schwenk, untermauert durch den unsäglichen Spruch „Geht´s der Wirtschaft gut, geht´s den Menschen gut.“ Gemeint ist hier jedoch nur, dass es denjenigen Menschen gut gehen soll, die das Geld haben. Und das sind nur einige wenige. Es ist nämlich schlicht und einfach nicht wahr, dass für die Armen mehr da ist, wenn die Reichen zu Superreichen werden.
Der ÖVP als Vertretung der Reichen war das Wissenschaftsministerium schon lange ein Dorn im Auge, vor allem den Bünden, die es 1.) für nicht notwendig und daher als überflüssigen Luxus und 2.) als unökonomisch betrachten.
Wissenschaft ist kein Profit Center und das stört diejenigen Menschen, die aus allem und jedem Profit ziehen wollen. Dass sich die Universitäten aufregen, stört nur wenig, wenn Faymann in seiner Regierungserklärung meint „Österreich ist in Europa ein Vorbild an Wirtschaftlichkeit.“ (ZIB 09 Uhr 14.12.2013)
Laut dem obigen Spruch ist somit alles der Wirtschaft unterzuordnen, in logischer Konsequenz auch die Wissenschaft bzw. gerade sie.
Wie funktioniert das in der Praxis? Das Stichwort hier ist „Drittmittelfinanzierung“ und es bedeutet, dass Wirtschaftsbetriebe die alleinige Entscheidung darüber treffen, welcher Teil der Wissenschaft Geld bekommt und wofür. Alle wissenschaftlichen Fächer, die keinen direkten Profit abwerfen oder dafür notwendig sind, werden aufgelöst oder zu Alibiinstituten verkleinert.
Das gibt den Konzernen die alleinige Macht über die Wissenschaft, sie definieren über kurz oder lang auch was Wissenschaft ist und was nicht. Als angenehmer Nebeneffekt bekommt man auch die „linken“ StudentInnen in den Griff, da sich diese meist in den „sozialen“ Fächern aufhalten (Politikwissenschaft, Publizistik, Psychologie, Soziologie etc.). Man kann diese beliebig beschränken indem man ihnen die Mittel kürzt.

2.) Ungebildete demonstrieren nicht
In einer Demokratie kann man die Macht der Mächtigen erhalten indem man folgende Akzente setzt:
a.) Panem et circenses – man gibt den Menschen entsprechende Ruhigsteller (fettes Essen, Barbara Karlich Show) und sie bleiben auf der Couch sitzen, auch am Wahltag. Das ist bisher hervorragend gelungen, die Wahlbeteiligung sinkt beständig.
b.) Die Bildung elitär machen. Bisher hat sich die SPÖ dagegen gesträubt, weil sie aus Tradition den sozialen Aufstieg ihrer ehemaligen Klientel gefördert hat. Diese Klientel ist jetzt zur FPÖ abgewandert, ein Aufstieg der Arbeiterklasse ist nicht mehr erwünscht, denn auch die SPÖ vertritt jetzt die Meinung, dass ein Arbeiter arbeiten soll und nicht studieren braucht.
Wer ist denn in einer Gesellschaft das Korrektiv, woher kommen die Dissidenten? Genau genommen nie aus der Elite, denn diese ist von ihrem Weltbild Macht erhaltend (nämlich die eigene) und niemals Macht zerstörend (das wäre nämlich auch die eigene). Aus der ungebildeten Unter- und Mittelschicht stammen die Revoluzzer auch nicht, denn die haben entweder zu wenig Bildung um entsprechende Schritte (kommunikativ, organisatorisch) setzen zu können oder sie sind – wie oben erwähnt – gut ruhig gestellt. Somit braucht man eine Gruppe von BürgerInnen, die erstens nicht im Machtapparat sitzen und zweitens genügend Bildung haben, um die Aufgabe zu bewerkstelligen.
Und genau diese Gruppe versucht man vor allem in der ÖVP klein zu halten.
Ein klein wenig erinnert mich das an das Pol Pot Regime in Kambodscha von 1975 bis 1979. Diese pseudo-kommunistische Diktatur hatte das Ziel alle Menschen zu Bauern zu machen. Sie wollten so an die glorreiche Vergangenheit des Khmer-Reiches anschließen, das durch seine Agrarwirtschaft reich und mächtig wurde. Daher räumte man die Hauptstadt binnen 24 Stunden und schickte alle Menschen aufs Land auf die Felder. Die Bildungsschichte und die Intellektuellen meinte man dafür nicht zu brauchen und so wurden alle getötet, die lesen und schreiben konnten oder auch nur so aussahen, als könnten sie es (z.B. Brillenträger wurden erschossen).
In Österreich geschieht es subtiler, aber mit dem gleichen Ziel: Eine Elite (die Kinder der Mächtigen) soll gute Bildung bekommen und kann dafür auch zahlen. So erreicht man zwei Ziele: Erstens wird Wissenschaft profitabel und zweitens hindert man weniger Begüterte am Zugang zu Bildung.

Meine politische Forderung Nr. 4 lautet somit: Wir brauchen für die gesunde Entwicklung unserer Gesellschaft eine gesunde Wissenschaft mit entsprechendem Stellenwert und dazu gehöriger Verankerung (etwa durch ein Wissenschaftsministerium mit entsprechenden Mitteln).

Mein Dutzend Gründe für politisches Engagement: 3 – Würdevolles Leben für alle

Politik ist die Kunst der Gesellschaft. Menschen leben nur dann friedlich in Gemeinschaften, wenn ihre unterschiedlichen Interessen ausbalanciert werden. Diese Vermittlungstätigkeit nennt man meinem Verständnis nach „Politik“. Sie regelt das Zusammenleben der Menschen.
Ich habe ein Dutzend Gründe gefunden um mich politisch zu engagieren. Heute ist der dritte Grund an der Reihe, es geht ums Geld.

Ich beschäftige mich seit ca. fünf Jahren intensiv mit dem Thema Geld und seiner Bedeutung. Das Ergebnis ist nicht spektakulär, dafür aber recht komplex. Jetzt greife ich nur einen Aspekt heraus, nämlich das Glück.
Forschungen haben es gezeigt und meine Beobachtungen bestätigen: Zu wenig Geld macht genauso unglücklich wie zu viel. Da Geld das Symbol für Lebenserhaltung ist, kommen wir schwer bis gar nicht ohne aus. Bis zu einer gewissen Menge macht es glücklich, weil es Sorgen nimmt und gesellschaftlichen Status ermöglicht. Wer so viel hat, dass er sich ein anständiges Heim, genügend zu Essen, da und dort etwas Besonderes plus den einen oder anderen Urlaub leisten kann und zusätzlich noch Ersparnisse anlegen kann, etwa um für schwere Zeiten eine Reserve zu haben, lebt stressfreier als jemand, der das nicht hat. Hier gibt es Ausnahmen, aber ich glaube, dass das für den Großteil der Menschen in unserer Kultur zutrifft.
Manche kommen mit weniger aus, andere brauchen etwas mehr. Aber irgendwann kommt eine Grenze, ab der beginnt die Zufriedenheit zu sinken und auch das Glück nimmt ab. Dann hat man an der dritten Rolex nicht mehr so viel Freude wie an der zweiten und auch die Breitling wird bald zu wenig. Okay, dann halt ein neues Auto, das mich glücklicher machen wird als das alte.

Ich kürze das jetzt ab. Viele Menschen lassen sich in den Konsumrausch hinein ziehen bzw. einreden, dass mehr Geld glücklicher macht als weniger und zwar mit einer nach oben unendlich steigenden Kurve.
Damit wird eine Spirale gestartet, die zugleich nach oben und nach unten geht. Die Gier als das Gegenteil des Glücks ist per se unendlich, ganz im Gegensatz zum Bedürfnis, das nach seiner Befriedigung weg ist, wächst die Gier nach ihrer Befriedigung.
Das erklärt die ins Unendliche wachsenden Geldmengen und auch, warum Menschen keine Grenze in ihrer Gier nach Geld kennen. Das betrifft natürlich nicht alle Menschen, sondern interessanterweise vor allem ältere und alte Männer. Was unterscheidet diese von allen anderen Menschen? Es ist in erster Linie die nachlassende Potenz („Kennen Sie schon die zwei Tragödien im Leben eines Mannes? Die erste erlebt er, wenn es beim zweiten Mal nicht mehr geht. Die zweite erlebt er, wenn es beim ersten Mal nicht mehr geht.“), die ihr Älterwerden bestimmt. Das bringt sie dazu nach Ersatzpotenz zu gieren. Geld bietet sich hier an und eignet sich hervorragend. Man kann es unendlich wollen und es macht einen alten Mann zwar nicht jünger, aber es lässt ihn jünger erscheinen. Er kann sich mit jungen, attraktiven Frauen umgeben und so tun, als ob diese ihn wegen seiner scheinbar immer noch vorhandenen Potenz mögen. Er kann Sportlichkeit simulieren und sich einen Sportwagen kaufen („Einst drückte ihn der forsche Pimmel – heut hat er einen Porschefimmel“) und sich bei teuren Chirurgen das Äußere auf jüngere Optik operieren lassen.
Mein Stiefgroßvater hat sich seinerzeit eine vierzig Jahre jüngere Frau geangelt und mit ihr ein Kind gezeugt. Als gut situierter Zahnarzt konnte er sich das leisten und hat tatsächlich mit 80 Jahren noch ausgesehen wie 65.

Für mich ist es höchst an der Zeit über einen anderen Umgang mit Geld nachzudenken bzw. dem Geld eine neue Bedeutung zu geben. Die Finanzmärkte haben längst schon abgehoben und auf gefährliche Weise zugleich viel und nichts mehr mit der wirtschaftlichen Realität der Gesellschaft zu tun. Einige Reiche werden zu Superreichen (in Ö gehört den reichsten 5% der Bevölkerung ca. 50% des Besitzes und wir sind in diesem Punkt noch kein extremes Land. Die reichsten 85 Menschen dieser Erde haben so viel Geld wie die ärmsten 3,5 Milliarden) und viele werden ärmer.

Derzeit ist ein Ende dieser Vermögensschere nicht in Sicht. Nicht einmal die Grünen reden von Gerechtigkeit, die für mich darin besteht, dass alle Menschen am Vermögen der Gesellschaft (und auch an den Reichtümern der Natur) zumindest so weit teilhaben, dass ihnen ein würdevolles Leben möglich ist.
Daher meine politische Forderung Nr. 3: Kein Mensch soll Hunger leiden, dürsten oder frieren. Und niemand soll vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sein.

Ich finde, das ist nicht zu viel verlangt. Allerdings gibt es in Österreich massive Kräfte, die da entschieden was dagegen haben. (z.B. diejenigen, die Wasser und Energie in den Besitz einiger weniger Milliardäre geben wollen).
Die gehören bekämpft, denn es ist für mich evident, dass Menschen mit zu viel Macht und Geld sich einen absoluten Scheißdreck darum kümmern, wie es anderen geht. Warum sollten sie auch? Sie können es manchmal nicht verhindern, dass ein bisschen was vom überreichlich gedeckten Tisch zu Boden fällt und von den Armen aufgesammelt wird. Daraus aber abzuleiten, dass es den Armen besser geht, wenn die Reichen noch reicher werden, halte ich für einen großen Irrtum. Die Entwicklung in der Welt beweist eindrucksvoll das Gegenteil.
Natürlich gibt es Ausnahmen – gütige und großzügige Industrielle im alten Stil, aber sie sind eben die Ausnahme. Und das reicht mir bei weitem nicht.