Wahlkampf im Internet

Verzeihung, Internet stimmt ja nicht mehr, ich müsste „Social Media“ sagen. Aber darum geht es nur am Rand, das spannende Thema taucht für mich bei der Frage auf, wie sich Wahlkämpfe seit ein paar Jahren verändern.
In Österreich dauert alles etwas länger und daher ist das der erste Wahlkampf, bei dem die „neuen“ Medien massiv zum Einsatz kommen. Ich möchte als Beispiel das kleine Scharmützel anführen, das sich ÖVP und Grüne am 3. September auf Facebook geliefert haben (oder in echt? Das ist noch zu klären).

Begonnen hat es mit Peter Pilz, dem altlinken Chaoten (zumindest aus Sicht der ÖVP) und niemals ruhenden Aufdecker. Er hat sich einen Bus grün anmalen lassen und geht damit auf Tournee („Peter Pilz Geld zurück Tour“). Sein Anliegen ist das Anprangern der Korruption regierender Parteien und heute war die ÖVP dran. Also gab es ein kleines Happening vor der Parteizentrale, von dem auch der ORF kurz berichtete. Man sah Transparente, die nicht gut lesbar waren, hörte laute Stimmen und sah eine Lautsprecherbox, die von der ÖVP zwecks Gegenbeschallung in einem Fenster aufgestellt war.

So weit, so gut. Aber damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Sie wechselt nur das Medium. Bisher waren beteiligt: die Realität, das Fernsehen und möglicherweise am nächsten Tag die eine oder andere Zeitung.

Jetzt kam Schwung in die Bude, die ÖVP schickte eine OTS-Meldung aus, in der sie bekannt gab, dass man jetzt eine Pizza bestellen würde, gewürzt mit ein paar Seitenhieben auf die Grünen. (http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20130903_OTS0149/oevp-pd-gibt-die-bestellung-einer-familienpizza-bekannt)

Darauf erwachten auf Facebook die Stimmen und riefen „Ablenkungsmanöver – alle schreiben über die Pizza und niemand über die Korruptionsinhalte der Tour von Peter Pilz.
Die ÖVP zögerte nicht lang (man weiß voneinander, schließlich ist man vernetzt über gegenseitige Freundschaften etc.) und schickte eine zweite Pressemeldung raus, und zwar mit einer Erfolgsmeldung: „Aufgrund der großen Nachfrage geben wir bekannt, dass die Pizza gemundet hat. Sehr sogar.“
(http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20130903_OTS0166/oevp-pressedienst-die-pizza-hat-gemundet).

Bei den Grünen rauchten die Köpfe, allerdings nicht sehr lang, dann folgte die Reaktion in Facebook. Das Medium eignet sich dafür scheinbar sehr gut und man schickte folgendes Bild durchs Netzwerk:

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Damit wird das Thema wieder in die Diskussion geholt, hat aber an Strahlkraft verloren, weil die Pizza hervorsticht und quasi selbst zum Thema wird. Das fiel auch den Grünen auf und so legte man nach:

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Damit wird das Bild wieder aus dem Blickfeld geholt und mit großen roten Lettern wird das Thema (in der ÖVP gibt es Korruption) wieder betont. Doch die Pizza bleibt virtuell sichtbar, vor allem durch die weitere Nennung in großen Lettern, noch dazu als krönender Abschluss des kurzen Satzes. Menschen, die nicht Englisch können, sehen sogar nur „Pizza“.
Also versuchte man das Blatt noch einmal zu wenden und hängte eine Karrikatur an, genauer gesagt eine sprachliche:

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Das zu verstehen verlangt eine gewisse Hartnäckigkeit und ein wenig Wissen in italienischer Sprache (Giovanni Fumos = ÖVP-Generalsekretär Johannes Rauch). Auf jeden Fall ist das Thema Korruption noch enthalten, wenn auch recht versteckt. Ohne das Wissen der Vorgeschichte ist das überhaupt nicht mehr zu verstehen.
Damit war das Scharmützel auch schon wieder vorbei. Halbwertszeit unter der Eintagsfliege. Danach gab es noch ein paar kleine Meldungen, wo Facebook-Nutzer auf das Wort „Pizza“ in Zusammenhang mit Korruption reflektierten. Der sozial-mediale Wind ebbte genau so schnell ab wie er aufgekommen war.

Was sagt uns das? Ich versuche eine vorsichtige Interpretation: Die meisten Parteien haben das Internet bzw. Social Media als wichtige Plattform erkannt, wenngleich sie darauf noch etwas unsichere Tanzschritte wagen.
Was sind die Vor- und Nachteile des Mediums?

Die Vorteile:
* Facebook erreicht in kurzer Zeit viele Personen.
* Eine Zielgruppe ist gut ansprechbar, nämlich die der Heavy-User, die jeden Tag mehrfach online sind. Die parallel stattfindende Twitterei ist noch schneller und noch eingeschränkter in der Zielgruppe.
* Die Kreativität erfolgt durch Multiplikation – irgendwem fällt ein halbwegs lustiges, treffendes oder zumindest passendes Zitat ein und irgendwer erzeugt blitzschnell die Bilder.
* Es funktioniert in „Echtzeit“, oder zumindest fast. Neue Meldungen sind binnen Minuten online und werden verbreitet – hier ist Twitter noch schneller, seit der Verlinkung mit Facebook geht es aber auch dort quasi sofort. Das können auch Tageszeitungen nicht leisten und Teletext ist nicht mehr modern.
* Worte, bewegte Bilder, Sinnesvielfalt – nur hören kann man nichts, außer es gibt ein Youtube-Video.
* Emotionalität kann vermittelt werden und wird es auch. Gegenseitige Aufschaukelung verstärkt dies noch.

Die Nachteile:
* Die Zielgruppe ist eingeschränkt, in diesem Fall ist das ein leichter Nachteil für die ÖVP.
* Das Thema kommt und geht auch sehr schnell wieder. Nachhaltigkeit ist fast nicht möglich, ein paar Screenshots in einem Datenarchiv, das ist die ganze Ausbeute. Ein wenig verlängern kann man das noch indem man das lustigste Bild zu seinem Titelbild macht und ein oder zwei Tage behält.
* Um so eine Diskussion samt ihren Pointen zu verstehen muss man von Anfang an dabei sein. Quer einsteigen funktioniert nicht. Die Threads wandern unerbittlich von oben nach unten und je intensiver man Facebook betreibt, umso mehr Freunde haben die meisten. Das macht den Thread noch schneller. Man kann das zwar einschränken, indem man die wichtigen Leute in den Status „enge Freunde“ versetzt, aber das nützt auch nur beschränkt etwas.
* Durch die Schnelligkeit schleichen sich besonders leicht viele Fehler ein. Man teilt ohne zu überprüfen und stellt Behauptungen auf ohne zu recherchieren.
* Emotionalität kann nicht abgearbeitet werden, kurz: es fehlt der echte Streit.
* Die Verfolgung der Themen kostet enorm viel Zeit. Wenn man sich wirklich einklinken will, muss man quasi ständig online sein. Eine Zeitung schlage ich einmal am Tag auf und lese sie. Das funktioniert bei Social Media nicht.

Schwer einzuschätzen ist die tatsächliche Kraft dieser Medien und sie wird auch sehr schwer zu analysieren und somit einzustufen sein. Wie erfährt man, ob sich Menschen dadurch in ihrem Wahlverhalten beeinflussen lassen? Dafür müsste man mehrere Filter durchdringen und ich glaube, dass alle Aussagen hier eher auf Schätzungen beruhen werden. Es könnte eher der Verstärkung der eigenen Meinung dienen und somit ohnehin vorhandene Wählerschaft binden oder vielleicht sogar beeinflussen, doch wählen zu gehen. Das wäre ja schon ein enormer Erfolg, aber auch der ist bisher spekulativ.

Roger Waters „The Wall“ – ein Konzertbericht

Wofür brauche ich eine fette HiFi-Anlage, wenn sie doch nur die meiste Zeit unbenützt herumsteht und Staub fängt?
Die Antwort ist einfach: Ich brauche sie, wenn ich Pink Floyd höre. Das bläst auch den Staub von den Membranen der Lautsprecher. Und putzt die Ohren der Nachbarschaft durch, eicht sie wieder für gute, für exzellente Musik.

Ich wandere in der Erinnerung ein paar Jahre zurück, in meine Jugend. Da fand im Sommer 1985 im damaligen Praterstadion (heute: Ernst-Happel-Stadion) ein Pink Floyd Konzert statt. Das war auch mein Beginn als Platzanweiser im Stadion, damals spannend und lustig. Pink Floyd hatte sich nur wenige Jahre zuvor von Roger Waters getrennt – oder er sich von ihnen, je nachdem, wessen Sicht man gerade in den Vordergrund rückt.
Es war später Nachmittag und den Platzanweisern war fad wie nur was. Daher gingen wir hinunter auf den Rasen (damals noch: Rasen) und hockten uns mit unseren Lunchpaketen auf den Rasen unter der Bühne.
Auf einmal kam David Gilmour nach vorne und fragte, was wir denn gerne hören würden. Sie wären gerade beim Soundcheck und so. Ich rief hinauf „Shine On You Crazy Diamond“.
So spielte Pink Floyd für mich, im Stadion, vor langer Zeit.

Gestern schloss sich der Kreis und 28 Jahre später hatte ich mit Roger Waters im Stadion den letzten Rest von Pink Floyd gesehen. Ich greife der Geschichte vor und sage: Es hat sich ausgezahlt, und wie!

Bei guten Konzerten lasse ich mich auch heute noch gerne als Platzanweiser einteilen. Man verdient ein paar Euro, kann sich im Rucksack mitnehmen was immer man will und das Konzert genießen, weil die Arbeit vor Beginn der Show mehr oder weniger erledigt ist. Ich mache besonders gerne den dritten Rang, weil dort meist am wenigsten zu tun ist – das kommt darauf an, wie ausverkauft das Stadion ist.
Gestern waren laut ORF ca. 40.000 Leute im Stadion und der dritte Rang war bis auf wenige Sektoren fast frei. Wir schoben die ruhigste Kugel seit vielen Jahren.

Eine der Besonderheiten: Am Rasen gab es Sitzplätze, es müssen so etwa 10.000 gewesen sein, natürlich ausverkauft. Zu solchen Konzerten im Stadion kommen immer sehr viele Besucher aus Tschechien, der Slowakei und Ungarn.

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Die zweite Besonderheit ist die Mauer, die aus vielen „Ziegelsteinen“ (424 Stück) aufgebaut ist, am Anfang so wie auf dem Bild. Sie ist zugleich eine Videowall – und was für eine! Laut Medienberichten ist sie knapp 150 Meter breit und 12 Meter hoch. Sie wird von 40 Beamern angesteuert und liefert gestochen scharfe Bilder. Die Technik für diese Show muss ein Vermögen kosten. Die Videowall ist angeblich die größte der Welt.
Zu Beginn ist sie noch nicht fertig und wird im Laufe der Show dann Stück für Stück höher. Am Schluss bleiben nur drei Löcher, durch die man die Band sieht, und auch die werden dann geschlossen (vor der Pause, die mit 25 Minuten recht lang war, aber es müssen ja auch viele Leute pinkeln und neues Bier holen).
Auf den folgenden beiden Bildern sieht man wie voll das Stadion war:

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Zu „Another Brick In The Wall“ wurde eine über zehn Meter hohe Lehrer-Puppe aufgebaut, die sich bewegt und wie aus einem Alptraum entrissen aussieht – ganz im Stil des Films „The Wall“ aus den 1980ern, für den man heute noch visuell starke Nerven braucht.
Dazu singt ein Schülerchor (aus der jeweiligen Stadt) den Refrain „We don´t need no education…“

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„Mother“ ist eine der wichtigsten Nummern des Albums. Ich weiß nicht, welche Jugendtraumata Roger Waters hier abarbeiten will, aber die Darstellung der Mutter ist sowohl auf der Bühne wie auch im späteren Videoausschnitt aus dem Film ein einziges Horrorszenario.

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Danach wird es noch düsterer. Roger Waters erscheint überdimensional, aber nur in weißen Umrissen auf der gigantischen Videowall, die nach oben hin von weiteren Videoelementen unterstützt wird. Die drei Farben rot-weiß-schwarz ziehen sich durch die ganze Show und sind eine ständige Ermahnung an die Schrecken des Dritten Reichs.
Das Bild unten taucht genau bei der Textzeile „Mother, should i trust the government?“ auf – passend und vielleicht eine gute Grundlage für die nächste Diskussion über die bevorstehenden Nationalratswahlen:

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Generell gibt es jede Menge Botschaften, die natürlich schon im Originalfilm zu finden waren, jetzt sind sie aber auf die heutige Zeit abgestimmt. Die politischen Botschaften sind unübersehbar, bei „Good Bye Blue Sky“ ziehen die schwarzen Bomber über den roten Himmel und lassen als Bomben die Schreckenssymbole des 20. Jahrhunderts und auch des 21. fallen: Kreuze, Davidsterne, Hammer und Sichel, Halbmonde, aber auch Mercedes-Sterne, Dollarzeichen und noch viele andere Logos (Apple, Shell, McDonalds…).

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Hunderte oder gar tausende Fotos von ermordeten Soldaten wurden von Roger Waters zu einer überdimensionalen Collage zusammen gesetzt und durchziehen als Einzelbilder mit Daten (Name, Einheit, Todesjahr etc.) die Show. Seine Abrechnung mit dem Krieg quer durch das 20. Jahrhundert ist unübersehbar und hat auch nach über dreißig Jahren nichts an Aktualität verloren:

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Die Show ist in jeder Sekunde bombastisch, ich habe bei weitem nicht alles mitbekommen, was sich abgespielt hat. Es ist hart an der Grenze der Überforderung, weil oft mehrere Videos gleichzeitig laufen, alles bewegt sich, Spots leuchten, dazu der wirklich gewaltige Klang – Waters hat die Akustik im Stadion gut in den Griff bekommen, nicht zuletzt Dank 6 großen Soundtürmen, die unterm Stadiondach aufgehängt waren. Es wurde vor der Lautstärke gewarnt, wer allerdings das AC/DC-Konzert gesehen oder besser gehört hat, den konnte das nicht beeindrucken. Trotzdem gab es bei uns zahlreiche Anfragen wegen Ohrenstöpseln.
Bei „Comfortably Numb“ wurde die Wand in silbriges Licht getaucht und Waters stand ganz alleine unten – auf dem Bild nur schwer zu erkennen. Ganz oben auf der Mauer stand der Gitarrist Dave Kilminster und spielte das legendäre Gitarrensolo von David Gilmour. Hier ist die Choreographie einfach gewaltig, und in Verbindung mit der Musik sehr stimmig, übrigens in der ganzen Show.

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Der Vater von Roger Waters starb im zweiten Weltkrieg und Roger rechnet mit „The Wall“ nicht nur mit seiner Mutter, seinen Lehrern und noch so einigem ab, sondern auch sehr gründlich mit dem Nazi-Regime. Das ist unübersehbar und auch heute noch sind die Bilder furchterregend, vor allem wenn sie in dieser gewaltigen Größe kommen:

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Das legendärste Motiv sind die im Stechschritt marschierenden Hämmer, hier ist in Bildform eine der besten Faschismuskritiken aller Zeiten entstanden:

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Doch auch moderne Symbole kommen quasi unter den Hammer, etwa Apple:

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Es bleibt nicht bei „iPay“, sondern die Elemente ziehen sich durch die gesamte Show: „iBelieve“ oder „iFollow“ bis hin zu „iKill“ – ob das allerdings die heutige Jugend kritisch sehen kann, bleibt fraglich. Was soll man tun? Eine der Antworten lautet: Weglaufen!

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Oder man bringt die eigenen Mauern zum Einsturz. So endet auch die Show und das Schwein (jede Show von Pink Floyd braucht eine „richtige Sau“) sinkt zu Boden.

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Wer die Möglichkeit hat sich das Spektakel anzusehen und ev. noch für die Musik von Pink Floyd was übrig hat, sollte sich das nicht entgehen lassen.

Die Mariahilfer Straße – in echt

Unmengen an Infos, Phantasien, Geraunze und Gejammere rund um den Umbau von Wiens wichtigster Einkaufsstraße. Was ist wirklich dran? Um das herauszufinden, habe ich mich selbst in die Höhle des Löwen geschickt, quasi mit vollem Risiko. Meine erste echte, gefährliche Fact-Finding-Mission, im Auftrag der Grünen Wirtschaft. Ich komme mir vor wie wenn ich nach Mogadischu müsste, um dort von einem blutigen Bürgerkrieg zu berichten.
Die Mariahilferstraße als Fußgängerzone – laut Medienberichten reinste Anarchie, wildes Chaos und der Untergang des Abendlandes.

Also setze ich meinen Helm auf, ziehe die Protektoren-Mountainbikehandschuhe an und begebe mich an den Ort des Schreckens.

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Der zeigt sich auf den ersten Blick eher friedlich, aber vielleicht ist das nur die Ruhe vor dem Sturm, wer weiß?
Auf zahlreichen Schildern wird aufgeklärt, dass die markierten Zonen keine Parkplätze wären, sondern Halte- und Parkverbot zu beachten seien.

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Allein die scheinbare Notwendigkeit dieser Schilder plus die wenigen, aber doch vorhandenen herumirrenden und sichtlich verwirrten Autofahrer mit NÖ-Kennzeichen zeigt sehr gut, dass Veränderungen punkto ihrer Akzeptanz Zeit brauchen. Die Mariahilferstraße war Jahrzehnte lang eine reine Einkaufsmeile und soll jetzt ihre Charakteristik vollständig verändern.

Dass das nicht in ein oder zwei Tagen vollständig gelingen kann, sollte auch den eher schlichten Gemütern einleuchten. Derzeit gibt es in den Medien und auch im „Social-Media-Bereich“ erhitzte Gemüter, viel heiße Luft und ein Mords-Trara, wie der Wiener sagt.

Ich fahre die Mariahilferstraße zur Mittagszeit ca. 1,5 Stunden lang ab, plaudere mit Passanten und Mitarbeitern der MA 28 und nehme mir Zeit um die Stimmung aufzunehmen.

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Die Eindrücke sind vielfältig und ich greife den wichtigsten heraus: Die Charakteristik hat sich schlagartig verändert. Ich bin die Straße in den letzten Jahren mit Fahrrad und Motorroller oft entlang gefahren, heute war es radikal anders.
Zuerst wusste ich nicht, was da so seltsam war, dann fiel mir auf, dass sich die Geräuschkulisse vollständig verändert hat. Es war teilweise fast gespenstisch leise, und das lag nicht an den dort einkaufenden und spazierenden Menschen, sondern einzig und allein am fehlenden Autoverkehr. Hin und wieder fuhr ein Klein-LKW durch oder ein Taxi, aber kein Vergleich mit früher.
Es war als würde die Straße warten, nur worauf? Vielleicht auf eine Art Wiedergeburt als Lebensstraße, als ein Ort, an dem man sich gerne aufhält und nicht nur von einem Geschäft zum anderen hetzt. Dafür war die alte Mariahilferstraße optimiert und auch durchaus optimal, mit Kurzparkzonen, die einen hohen KFZ-Umsatz erzeugten.
Jetzt ist das anders, sehr anders sogar. Die Autos wirken bereits wie Fremdkörper, wenngleich die Fahrbahnen immer noch frei von Fußgängern sind, als würden sie die Rückkehr der Autos erhoffen. Oder befürchten.

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Dass die FußgängerInnen die ehemaligen Fahrbahnen noch nicht in Besitz nehmen, hat meiner Ansicht nach mehrere Gründe:

a.) Das dauert. Jahrzehntelang angelerntes Verhalten ändert sich nicht von einem Moment auf den anderen. Ehrfurcht und Angst vor den tonnenschweren Blechkisten und ihren darin von der Umwelt abgeschotteten (Klimaanlage, getönte Scheiben, Geräuschdämmung etc.) Besitzern lassen sich nicht so schnell abschütteln.

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b.) Die vorhandenen baulichen Trennungen. Sie sind ja nach wie vor existent und verstärken Punkt a.) Die Fahrbahnen sehen aus wie Fahrbahnen und werden daher nur von RadfahrerInnen benützt. Die haben dafür Platz wie noch nie und nützen den auch für erhöhtes Tempo aus – natürlich nicht alle, aber auch mich hat es gereizt in die Pedale zu treten, so ohne störende Autos und LKW und Ampeln. Das ist ein weiterer Grund für die FußgängerInnen, die ehemalige Fahrbahn nicht in Längsrichtung zu benützen und in Querrichtung laut angelerntem Verhalten zu warten und Sicherungsblicke in beide Seiten zu werfen.

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Ich schätze, dass sich bei mehr Betrieb langsam eine Veränderung einstellen wird. Die Gehsteige waren in der Vergangenheit schon recht dicht begangen, das könnte sich auflockern, vor allem wenn sich die Gesamtcharakteristik ändert und die Menschen länger dort verweilen. Die neu gepflanzten Bäume würden das zusätzlich und gemeinsam mit den nett gestalteten Sitzgruppen fördern. Wenn dann noch die geplanten baulichen Entwicklungen abgeschlossen sind, wird sich das Antlitz der Straße massiv verändert haben. Ich bin durchaus gespannt, welche Art von Lebensraum hier entsteht.

c.) Die Busse. Sie sind groß und rot und fahren zwar langsam, aber sie fahren und da traut sich niemand so einfach auf die Fahrbahn (nein, es ist keine mehr, aber es ist eben schon noch eine) zu hüpfen.
Die Busfahrer selbst fahren langsam, aber sie steigen immer wieder mal so ganz leicht aufs Gas, fast unmerklich, aber doch spürbar. Drücken sie damit ihren Unwillen aus, trotz freier Straße nicht ordentlich und in entsprechender Geschwindigkeit fahren zu können? Vielleicht hat das auch ganz andere Gründe, aber die Straße ist nun mal so herrlich frei und sie haben so wunderbar viele PS unterm Hintern… Menschen sind schwach, Busfahrer sind auch nur Menschen.
Ein knallig roter Streifen verstärkt das noch: Das ist mein Revier und ich bin groß und stark oder zumindest stärker als Du!

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Möglicherweise war dieser rote Streifen keine sehr gute Idee. Vielleicht war er auch eine wirklich schlechte, ich jedenfalls weiß nicht, wie das zustande gekommen ist. Angeblich wird schon eine neue Routenwahl überlegt.
Die vielbeschworenen platt gefahrenen Fußgänger habe ich heute nicht gesehen und der nette junge Mann von der MA 28 hat mir auch versichert, dass es sie (noch) gar nicht gibt. Genau genommen will das auch keiner, außer vielleicht die oppositionsnahe Boulevard-Presse, die dringend Stoff gegen die Mariahilferstraße bzw. ihren Umbau braucht.

Ich stelle mir gerade vor, welche Grausbirnen manchen Politikern aufsteigen würden, wenn sich das neue Konzept bewährt. Das könnte dann sogar abfärben, vielleicht will dann die Währinger Straße auch FuZo werden, oder gar die Lerchenfelderstraße, oder die Taborstraße oder oder oder…
Schweißgebadet wachen sie vielleicht heute schon aus ihren Alpträumen auf, wer weiß.

Ich bleibe beim aktuellen Thema und fahre langsam weiter. Die Schanigärten sind voll und auch sonst herrscht in etwa das übliche Treiben. Scheinbar haben die Geschäfte noch keine schlimmen Rückgänge zu verzeichnen und möglicherweise löst sich das von Frau Präsidentin Jank gezeichnete Schreckgespenst ja auch in Luft auf.
Einige Ampeln sind inzwischen außer Betrieb, das dürfte aber niemand stören. Erst nach einiger Zeit fällt mir auf, dass es keine Zebrastreifen mehr gibt.

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Auch das funktioniert erstaunlich gut und ich beginne mich zu fragen, ob wir diese starken Regulierungen wirklich immer und überall brauchen. Muss jeder Meter vorgezeichnet sein? Bei den Radstreifen in ganz Wien ist mir das bis heute unklar, was die bringen sollen, außer dass die motorisierten ZweiradfahrerInnen daran gehindert werden rechts an den stehenden Kolonnen vorbei zu fahren. Das ist für mich übrigens keine sehr grüne Lösung, die maximal die Autofahrer freut.
Nun entsteht möglicherweise der eigentliche Kern des Konzepts: Die Menschen beginnen zu lernen, dass es wesentlich besser funktioniert, wenn man das tut, was jeder Fahrschüler in der ersten Stunde lernt: Kontakt mit anderen aufnehmen, Blickkontakt nämlich. Wer sich sieht, fährt normalerweise nicht zusammen. Das gilt für Radfahrer wie für Fußgänger wie für Autofahrer. Und alle –innen natürlich auch.
Die Autoindustrie macht es den Autofahrern hier schwer, Stichwort die schon erwähnte Abschottung nach außen. Wenn die Umwelt nur noch Kulisse zu sein scheint, wozu soll ich mit ihr Kontakt aufnehmen? Wenn die Personen draußen wie ein Videospiel erscheinen, wozu soll ich auf sie Rücksicht nehmen?

Auf der neuen Mariahilferstraße kann man jetzt entdecken, wie das anders funktionieren kann. Jetzt kann das Recht auf Vorfahrt der Verhandlung weichen. Ich lasse dich fahren und an der nächsten Kreuzung lässt jemand anderer mich fahren – eine ganz neue Erfahrung in einem vielleicht schon sehr überreglementierten Verkehr. Jeder Blickkontakt ist eine Begegnung, wenn auch nicht der dritten Art. Vielleicht ist das ja der tiefere Gedanke einer „Begegnungszone“. So könnte ja auch ein Aufreißerlokal heißen und vielleicht entwickelt sich die Mariahilferstraße ja auch noch in diese Richtung. Die Schanigärten werden wahrscheinlich wachsen und noch mehr Menschen anlocken, weil man jetzt genügend Platz zum Flanieren hat.
Die Begegnungszonen sind jedenfalls ausreichend beschildert, wer das nicht sieht, will es nicht sehen.

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Ganz wichtig sind dabei die Sitzzonen, von denen es ja schon ein paar gibt. Sie waren heute schon gut gebucht und die Lokale werden sich damit anfreunden müssen, dass es sie gibt und dass die Menschen dort sitzen können ohne etwas konsumieren zu müssen.
Das Museumsquartier hat es vorgezeigt, dass hier ein Miteinander durchaus möglich ist. Dort gibt es freie Sitzmöglichkeiten und Lokale – beide können existieren, ohne den jeweils anderen Bereich zu stören.

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Das schlimme und menschenverachtende Gegenteil dieses Konzepts kann man seit ein paar Jahren zunehmend in Bahnhöfen beobachten, wo die letzten Sitzgelegenheiten demontiert werden, damit die Menschen gezwungen sind, ihre Wartezeit in einem Lokal plus Konsum zu verbringen.
Die Freiräume könnten die Straße zu einem sehr lebenswerten Raum machen, der aus der ganzen Stadt Menschen anzieht.
Wahrscheinlich werden diese Menschen auch auf die Idee kommen die zahlreichen Geschäfte zu besuchen. So kann es durchaus zu einer Umsatzsteigerung kommen. Vielleicht werden nicht alle Geschäfte überleben, das ist durchaus denkbar. Aber das hätten sie ohne den Umbau möglicherweise auch nicht getan.

Es ist nicht alles eitel Wonne, das darf nicht verschwiegen werden. Es wird zu Konflikten zwischen Radfahrern und Fußgängern kommen, das ist anzunehmen. Hier wird man eventuell nachbessern müssen. Es war heute schon so, dass die Radfahrer ganz bewusst oder auch instinktiv die Mitte der Straße gewählt haben. Sie werden auch in Zukunft nicht mitten durch die Menschenmassen fahren, allein schon deswegen, weil das gar nicht geht. Sie legen auch Wert auf eigene körperliche Unversehrtheit und die geht beim Radfahren nun einmal Hand in Hand mit der Unversehrtheit der anderen. Bei einem Zusammenstoß gewinnen beide nicht, ganz im Gegenteil zum Auto, wo der Sieger immer vorher schon feststeht.
Inmitten der Menge kann man das Rad nur schieben, kein Mensch kann so langsam durchfahren. Also werden die Radfahrer tendenziell getrennt von den Fußgängermengen bleiben und auch die Fußgänger werden sich daran gewöhnen, dass in der Mitte viele Radfahrer schneller unterwegs sind. Es wird immer Raser geben, aber die gab es bisher auch schon. Und es mag durchaus sein, dass sie die Lust am Rasen verlieren werden.

Die Lösung mit den verhinderten Querungen ist vielleicht auch nicht wirklich durchdacht. Besonders provokant wirkt sie bei der Kreuzung mit der Schottenfeldgasse. Da konnte man von oben nach unten queren, jetzt muss man links abbiegen und wird in eine Einbahnspirale gelotst. Das hat schon manchen Autofahrer zur Verzweiflung gebracht und ich halte das für eine mäßig brauchbare Pädagogik.

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Drei bis vier Querungen würden nicht weh tun, auch nicht dem grünen Gedanken. Selbstverständlich bräuchte es dazu bauliche Maßnahmen wie gute Schwellen, um die Autofahrer am Durchrasen zu hindern. Für mich wäre eine Lösung ohne Ampeln und auch ohne Zebrastreifen durchaus sinnvoll. Man würde eben eine ganz spezielle Zone durchqueren und hätte darauf Rücksicht zu nehmen. Die Botschaft könnte eine friedliche sein: „Werter Autofahrer, wir wollen dir dein Recht auf Durchfahrt nicht nehmen. Nimm Du uns dafür nicht unser Recht auf eine beruhigte Zone. Danke!“
Das wäre ein anderes Signal als Einbahnschnecken und Behinderungslösungen.

Aus meiner Sicht sollte es nach drei Monaten eine ehrliche Evaluierung und daran anschließend Nachbesserungen geben. Und nach sechs Monaten noch einmal. Und dann noch einmal nach einem weiteren Jahr.
Und ich glaube nicht, dass man sich um die Wirtschaft Sorgen machen muss, da sieht es in anderen Straßen Wiens wesentlich trauriger aus. Es wird vielleicht sogar dringende Initiativen geben müssen um andere sterbende Straßen wiederzubeleben, weil die Mariahilferstraße eventuell zu einem noch stärkeren Magneten wird. Das wird die Aufgabe der Politik sein, die möglicherweise auch die etwas zahnlos und hilflos wirkenden Wiener Einkaufsstraßen neu definieren muss.

Ich persönlich finde den Anfang durchaus vielversprechend und empfehle allen, die jetzt schon wissen, dass das niemals funktionieren kann und wird, einfach einen Besuch auf dieser wirklich neuen Straße. Oder wie ein alter Kabarettist gemeint hat: Schau´n Sie sich das an!
So eine Geburt erlebt man nicht alle Tage! Und das Eis beim Bortolotti schmeckt immer noch ganz gut.

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UPDATE 3 WOCHEN SPÄTER: Ein Haus ohne Dach

Es sind nur drei Wochen, aber es zeichnet sich bereits ab was gut funktioniert und was nicht:

1.) Schwer einschätzbar ist das Geraunze der Wirtschaftskammer, die als Fast-Monopolbetrieb des ÖVP-Wirtschaftsbundes natürlich Wahlkampf betreibt und ständig unzufriedene Gewerbetreibende hervorzaubert, die mit unpassenden Ausdrücken („Berliner Mauer“) Agitation betreiben. Das ist deswegen unangenehm, weil dadurch die berechtigten Anliegen und Schwachstellen nicht konstruktiv diskutiert werden können – Emotion siegt.
Es wird auch klar, dass die Planer auf die Interessen der Gewerbetreibenden nicht ausreichend Rücksicht genommen haben.

2.) Die elende Diskussion um die Querungen. Die Grünen rechtfertigen sich damit, dass das rote Mariahilf und das grüne Neubau sich nicht auf ein gemeinsames Konzept einigen konnten. Und dass man doch die Schleichwege verhindern wollte.
Ich hätte da einen konstruktiven Vorschlag: Aufdoppelung bei den 3-4 notwendigen Querungen plus Speed-Bumps, und zwar richtige. Die Vorbilder findet man z.B. in Nairobi, die Afrikaner sind uns da einen Schritt voraus. Wer schnell drüber brettert, hat nachher entweder keine Plomben mehr im Mund oder ein kaputtes Auto. Oder beides. Plus Hinweistafeln: Achtung, Schrittgeschwindigkeit, Sie queren eine Begegnungszone!
Und dann schaut man, wie es sich entwickelt. Am Graben gibt es auch eine Querung und die funktioniert. Ich möchte das ideologiefrei diskutieren, denn es geht meiner Ansicht nach nicht darum den Bezirk autofrei zu bekommen, das ist sowieso eine Illusion. Es geht darum die notwendigen Fahrten zu erleichtern und die nicht notwendigen zu unterbinden, so einfach ist das Grundkonzept.

3.) Die Umbauten. Katastrophal geregelt. Wie ein Haus ohne Dach, in dem will auch niemand wohnen. Die Menschen bekommen in der Verkehrserziehung seit frühester Kindheite eingebläut, dass sie eine Fahrbahn nur mit eingeschaltetem inneren Warnsignal betreten dürfen. Und eine Fahrbahn erkennt man daran, dass sie wie eine Fahrbahn aussieht, und zwar unabhängig davon, ob da gerade etwas fährt. Das ist Verkehrspsychologie für Anfänger und die PlanerInnen der Mariahilfer Straße haben das entweder nicht gewusst oder geflissentlich übersehen. Die Menschen KÖNNEN dort nicht in Ruhe flanieren. Da rennt ständig die Alarmglocke: „Achtung, runter von der Fahrbahn, bevor was Schnelles, Großes daher kommt. Das ist verboten! Das ist gefährlich!“ Das ist anerzogen, ein notwendiger Reflex, gegen den man sich nicht einfach wehren kann indem man sagt: das ist jetzt erlaubt. Es sieht zwar super-verboten aus, aber es ist erlaubt.
Das funktioniert leider nicht.
Dazu noch ein Beispiel: Vor etlichen Jahren hat BMW einen Motorroller mit Dach gebaut. In dem war man angeschnallt und musste keinen Helm tragen. Für den Fall eines Unfalls war von BMW vorgesehen, dass die Fahrer die Beine am Trittbrett lassen und die Hände am Lenker. Dann gab es üble Verletzungen, weil der Mensch einen eingebauten Reflex hat, sich mit Händen und Füßen bei einem Sturz abzustützen. BMW wollte die Reflexe verbieten und ist damit gescheitert, das Projekt wurde wieder eingestellt.

Sie haben ein schönes Haus gebaut, nur leider ohne Dach. Und jetzt wundern sie sich darüber, warum niemand einziehen will.
Ohne Umbauten bleibt die Straße ein Gerippe ohne Fleisch.

4.) Das leidige Thema Radfahrer. Natürlich fahren die flott durch, ich würde das auch machen und habe es bei meinem letzten Besuch nur deswegen nicht gemacht, weil ich mir mantrahaft ständig „langsam, langsam“ vorgesagt habe. Das ist unnatürlich, weil die Fahrbahn ist eine Fahrbahn und sie ist breit und schön und die wenigen querenden Fußgänger stören nicht. Radfahrer sind so freie Strecken in der Stadt nicht gewohnt, sie müssen sich mit super schmalen Radwegen und fotografierenden Touristen herumschlagen sowie mit AutofahrerInnen, denen sie komplett egal sind, weil die in ihren hermetisch abgeschirmten Kisten gerade SMS tippen oder telefonieren oder laut Musik hören. Ich kann durch abgedunkelte Scheiben einen Radfahrer auch nicht sehen.
Also genießen sie die gerade, freie Strecke. Auch hier fehlen die Umbauten, die den Köpfen signalisieren: Achtung, das ist eine andere Art von Straße. Am Graben würde – wenn Radfahren dort erlaubt wäre und ich habe es schon ein paar Mal verbotenerweise probiert – niemand durchrasen, denn da rennen überall quer die Fußgänger hin und her. Die müssen auf Radfahrer auch nicht aufpassen und das ist gut so. Ich rolle dort langsam durch, nur einen Hauch schneller als ein Fußgänger, ungefähr so flott wie ein Jogger. Allen ist klar: der passt auf!

Vielleicht war das Konzept einmal gut. Aber dann haben die Bezirke hinein regiert und sonst noch einige Interessensgruppen. Und jetzt ist ein Gerippe da ohne Fleisch, ein Haus ohne Dach.
Wenn das nicht schleunigst repariert wird, besteht die Gefahr, dass das Konzept tatsächlich schief geht. Und das müssen die Grünen dann fressen, auch wenn sie jammern, dass sie nicht selbst Schuld sind, sondern die bösen Anderen.

Asylanten, Wirtschaftsflüchtlinge oder was?

Vorbemerkung: Als ich den Artikel geschrieben habe, fehlte mir eine wichtige Information: Das Wort „Asylant“ ist bereits diskriminierend, weil es bedeutet, dass jemand sozusagen von Beruf im Asylstatus ist. Das ist aber kein Beruf, damit verdient niemand seinen Lebensunterhalt und das sucht sich auch niemand freiwillig aus. Es ist daher ein Begriff, der von der rechten Szene sehr bewusst eingesetzt wird, um zu unterstellen, dass Menschen aus niederen Gründen zu Aslywerbern werden. Daher: Asylwerber ist der richtige Ausdruck.

Eine heftige Diskussion auf Facebook über die Abschiebung der Flüchtlinge aus dem Votivpark/der Votivkirche/dem Servitenkloster ist Anlass für diese Zeilen.

Ich war im Winter selbst in der Votivkirche und habe warme Kleidung vorbei gebracht, die mir von meiner Sammelaktion für Uganda übrig geblieben ist. Das war eine unspektakuläre Aktion, weil ich eigentlich nur hinein marschiert bin und nach jemand gesucht habe, der verantwortlich ist. Damals gab es noch das Camp, es war aber schon leer. Nach ein paar Minuten fand ich eine österr. Helferin, die einer Handvoll Flüchtlingen gesagt hat, dass sie mir beim Ausladen der Säcke helfen sollen. Wir haben sie ins Camp getragen (die Säcke, nicht die Helferin) und ich bin wieder gefahren.

Worum geht es hier eigentlich, vor allem in der aktuellen Debatte? Die Grünen pochen auf Menschenrechte, die Schwarzen auf Staatsrechte und das Recht generell und die Roten halten sich raus, ebenso die Blauen, bis auf den Gudenus, den kann man bei jeder Unappetitlichkeit vor die Kamera schicken. Außerdem ist Wahlkampfzeit und das heizt jede Diskussion emotional an.

Schon vor über zehn Jahren hat mir mein Bruder erzählt, wie es die Chinesen damals praktiziert haben. Sie kamen in Flugzeugen nach Wien Schwechat, zerrissen am Klo ihren Pass und sonstige Ausweise und konnten auf Englisch nur die Worte „No Passport, No Ticket“ sagen. Sonst sagten sie gar nichts. Da man ihre Identität nicht feststellen konnte und ein Zurückschicken mit der Airline, mit der sie gekommen waren, nicht möglich war (weil: mit welcher?) blieben sie eine Zeit lang im Anhaltezentrum und wurden dann entlassen.
Sie versickerten irgendwo als Untergrundarbeiter in Chinarestaurants oder wo auch immer. Man hat diese Praktik irgendwann gestoppt, aber es gibt ständig neue Schlupflöcher.

Seit Anbeginn der Menschheit (keine Sorge, ich komme gleich wieder in die Gegenwart) gibt es Migration und wahrscheinlich auch Flüchtlinge. In der sechsstufigen Skala der Konfliktlösung von Gerhard Schwarz ist „Flucht“ die Nummer 1 – als erste, archaischste Variante. Flucht ist immer dann gut, wenn folgende Voraussetzungen herrschen:
1.) Man ist körperlich in der Lage zu flüchten (und nicht eingesperrt, zu klein, zu alt etc.)
2.) Man ist nicht von dem Ort abhängig (Aus einer Oase in die Wüste zu flüchten ist ein schlechter Plan, auch wenn es in der Oase nicht nett ist oder jemand nicht nett ist.)
3.) Der Ort gefährdet Gesundheit und/oder Leben.
4.) Es gibt einen Ort wohin man flüchten kann und wo es besser ist als vorher. (Vor einigen Jahren betreuten wir eine Firma, einen Erzeuger von opto-elektronischen Geräten in Bayern. Die hatten 60 hoch qualifizierte Mitarbeiter, denen es aus bestimmten Gründen nicht gut ging. Sie konnten aber nicht flüchten, weil es in weitem Umkreis keine andere Firma gab, bei der sie mit ihrer Qualifikation arbeiten hätten können.)

Die Punkte drei und vier sehen wir uns genauer an.

Heutzutage unterscheiden wir zwei Arten von Flüchtlingen:
a.) Politische Flüchtlinge – sie müssen aus der Heimat fliehen, weil ihr Leben bzw. ihre Gesundheit bedroht ist.
b.) Wirtschaftsflüchtlinge – sie müssen aus der Heimat fliehen, weil ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage nicht mehr existiert. Das ist auch eine Gefährdung des Lebens bzw. der Gesundheit. Wenn Bangladesh im Meer versinkt, müssen die dort lebenden Menschen flüchten.

Beide „müssen“ fliehen, weil sie keine Alternative haben. Erstere können um politisches Asyl in einem anderen Land ansuchen und bekommen das auch gewährt, wenn sie nachweisen können, dass die Gefährdung wirklich gegeben ist. Edward Snowden ist ein gerade aktueller Fall. Aus dem immer noch existierenden Guantanamo weiß man, dass die USA die Folter offiziell praktizieren (offiziell heißt staatlich angeordnet) und auch Todesstrafen verhängen und durchführen. Das wäre ein guter Asylgrund, zumindest in einem Land, das nicht am Tropf der USA hängt und das Asylrecht daher nicht anerkennt.

Dann gibt es noch die Menschen, die woanders hin ziehen, weil sie die Hoffnung haben, es sich dort zu verbessern. Dafür bieten sich „reiche“ Länder an, also vor allem Europa und Nordamerika. Diese Menschen könnten auch daheim bleiben, sehen aber woanders bessere Möglichkeiten.

Leider verzweigt sich das Thema, wenn man es genauer betrachtet. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es eine Menge Flüchtlinge, die aus Deutschland in die ganze Welt emigrierten. Viele davon waren Angehörige der SS und viele davon Verbrecher, die Angst hatten, in ihrer Heimat für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen zu werden. Viele gingen nach Argentinien und leben tw. heute noch dort.
Ihr Leben war in ihrer Heimat bedroht, daher war ein Asylgrund gegeben.
Wie ist das mit Verbrechern? Muss man auch denen Asyl geben? Oder kann man sie zurück schicken? Wer beurteilt, ob man ein Verbrecher ist? In der Zeit ihrer Untaten waren sie ja keine Verbrecher, sondern Helden. Das erinnert an folgende Geschichte:

Drei Männer sitzen in einer Gefängniszelle und beginnen ein Gespräch.
„Wie lange sitzt Du?“
„Fünf Jahre, ich war für Popow. Und Du?
„Zehn Jahre, ich war gegen Popow. Und Du (zum Dritten)?
„Gestatten, Popow.“

So ändern sich die Zeiten und was heute Recht ist, gilt morgen als Unrecht. Wonach soll also ein Asylant beurteilt werden, wenn er um politisches Asyl ansucht? Was sind quasi die international gültigen Kriterien?
Diese Fragen lassen sich mit einem gut ausgearbeiteten Kriterienkatalog und einem weltweit gültigen System noch einigermaßen beantworten. Aber wie sieht das mit den so viel diskutierten „Wirtschaftsflüchtlingen“ aus?
Hier müssen wir über die Grauzonen diskutieren und auch über Ursache-Wirkung. Wenn etwa ein gut situierter Österreicher (oder nehmen wir jetzt zur Abwechslung eine Österreicherin, auch gut situiert) in ein Geschäft auf der Mariahilfer Straße geht und dort nach einer möglichst billigen Bluse sucht, ist sie dann verantwortlich für die wirtschaftliche Situation der Menschen, die ihre Bluse genäht haben? Die Bluse kann nämlich nur deswegen so billig sein, weil die Differenz zu einem „ordentlichen“ Preis von jemand anders bezahlt wird. In diesem Fall von einer Näherin, die ihre Familie vom Lohn nicht ernähren kann. Die Österreicherin kann sich um das ersparte Geld genau das Essen kaufen (und möglicherweise die Hälfte davon wegschmeißen), das den Kindern der Näherin fehlt.

Okay, das ist ein konstruierter Zusammenhang. Oder doch nicht? Wenn nun die Näherin samt ihren Kindern oder der Mann der Näherin nach Österreich „flüchten“, ist es möglicherweise genau die gut situierte Österreicherin, die sich darüber aufregt. Sie hat nicht das Gefühl, dass ihr aus den Rechten und Möglichkeiten (billig einkaufen können, Essen wegwerfen können etc.) auch Pflichten erwachsen. Welche sollten das auch sein?
Sie hat nicht die Pflicht sich darum zu kümmern, dass die Arbeitsbedingungen am anderen Ende der Welt menschenwürdig sind.
Sie hat nicht die Pflicht nur so viel zu kaufen wie sie essen kann.
Sie hat auch nicht die Pflicht eine Partei zu wählen, die für diese Dinge eintritt. Ganz im Gegenteil, das würde ihre Bequemlichkeit schmälern. Und vielleicht in Folge auch ihren Körperumfang, aber das ist eine andere Geschichte.
Diese Pflichten schiebt sie auf den „Staat“, er soll das regulieren oder auch nicht. Wenn nicht, dann macht das auch nichts. Es wäre aber fein, wenn er zumindest dafür sorgt, dass man die grauslichen Bilder verhungernder Menschen oder leidender Tiere nicht sieht. Die einfachste Variante, mit der man sich selbst aus all dem raushalten kann, was die eigene Bequemlichkeit stört, ist der sehr beliebte Satz „Ich interessiere mich nicht für Politik.“

Welches Recht haben also Menschen aus ihrem Land in ein anderes zu flüchten? Wenn das Land Menschen sucht, um seine Wirtschaft und damit das bequeme Leben aufrecht erhalten zu können, dann stellt sich die Frage nicht oder wird nicht zum Problem. Gut ausgebildete Europäer konnten und können tw. immer noch nach Kanada auswandern. Dort gibt es eine Menge Platz und wenn sie entsprechend sozialisiert und ausgebildet sind, bekommen sie ein Aufenthalts- und Arbeitsrecht und irgendwann die Staatsbürgerschaft.
Schwieriger wird es, wenn wenig Platz vorhanden ist. Man spricht gerne von „Das Boot ist voll“ und vergisst, dass das einzige Boot, das in der Diskussion wirklich voll ist, dasjenige der Flüchtlinge ist, die damit über das Meer kommen und vor Lampedusa stranden oder von der EU-Abfangtruppe nicht sehr freundlich willkommen geheißen werden.

Ich komme nach Österreich und zu unserer Debatte zurück. Ist bei uns genügend Platz für mehr Menschen? Wollen oder brauchen wir die? Österreich ist ein sehr traditionelles Land, in dem sich sogar Menschen Trachten anziehen, bei denen Tracht keine Tradition hat (Wiener z.B.). Inzwischen gibt es beim Hofer sogar ganz billiges Trachtengewand, das diejenigen Menschen anfertigen, die wir aufgrund der durch die Trachten symbolisierten Tradition ablehnen. Sie sollen uns das Zeug bitte möglichst billig anfertigen und aber bitte gefälligst dort bleiben, wo sie uns nicht stören, bitte schön. Danke. Und das gilt auch für Kaffee, Autos, Grundnahrungsmittel, Tierfutter, Rohstoffe und all die Konsumprodukte, die wir billig haben wollen. Also fast alle.
Als Gegenleistung exportieren wir unseren Müll zu den Menschen, die uns das Zeug billig erzeugt haben.

Wenn ich solche Geschichten erzähle, dann höre ich meist folgende Antwort:
„Wenn diese Menschen unzufrieden sind, dann sollen sie doch eine andere Regierung wählen als die korrupte Verwaltung, die sie haben und die für ihre Lebensumstände verantwortlich ist. Wir können da nichts dafür.“
Stimmt das? Kennen Sie „Budgethilfe“? Das sind riesige Summen, die von den westlichen Staaten an die Drittweltstaaten gezahlt werden. An genau die Staaten, in denen die Menschen leben, die unsere billigen Sachen erzeugen.
Diese Budgethilfe wird direkt an die Regierungen ausbezahlt. Und damit diese das Geld nicht verwenden, um die Lebensbedingungen der billigen ArbeiterInnen zu verbessern, sorgen wir dafür, dass sie es sich selbst einstecken und etwa in der Schweiz bunkern. Daniel Toroitich Arap Moi, ehemaliger Präsident von Kenia, hat es so zu einem der reichsten Männer der Welt gebracht.
Wie wir dafür sorgen? Indem wir auf einen Verwendungsnachweis verzichten. Das ist doch großzügig, oder? Die armen Leute sollen nicht noch gezwungen werden die Verwendung der Budgethilfegelder nachweisen zu müssen. Das wäre ja Kontrolle wie in der Kolonialzeit und so wollen wir nicht sein.
In den Bedingungen steht selbstverständlich, dass sie die Verwendung nachweisen müssen. Nur wird es nicht kontrolliert. Das ist ein einfacher und sehr bequemer Weg die Regierungen korrupt zu halten, nicht nur in Afrika.

Und jetzt kommen doch welche, obwohl wir das doch verhindern wollten. Sie machen uns das Leben schwer, weil sie aus unterschiedlichen Gründen kommen. Da sind echte politische Flüchtlinge dabei, aber auch Menschen, die etwas betreiben, was man bösartig als „Asyltourismus“ bezeichnen kann. Und wir stehen vor der mühsamen Aufgabe jetzt theoretisch auseinanderklabüsern zu müssen, wer jetzt wer ist. Das ist nicht immer leicht festzustellen und es kostet viel Geld und Zeit.

Kommen wir wieder zu den Asylbewerbern in der Votivkirche. Im Jänner 2013 wurde eine interessante Heimat-fremde-Heimat-Sendung gedreht, die auf Youtube unter folgendem Link zu finden ist:

In der Sendung wird kurz die Entwicklung dargestellt und dann kommt der interessante Teil. Die Asylwerber sprechen selbst, in gebrochenem Englisch. Einer erklärt, dass man hierher gekommen wäre, um den ÖsterreicherInnen zu erzählen, was quasi los ist. In der Heimat „they would have shoot us“ meint er. Stimmt das? Wer kann das kontrollieren? Kann und soll er es beweisen oder liegt die Beweispflicht (dass dem nicht so ist) bei uns?
Ein anderer erzählt: „We have lost our families, our businesses, our everything in our country.“ Er berichtet, dass sie 27.000 km weit geflüchtet wären und an den Grenzen ständig in Gefahr gewesen wären erschossen zu werden.
Sie alle bekamen negative Asylbescheide. Einer formuliert „demands“, also Forderungen: „Human rights, a normal live and some small businesses.“ Sie würden auch gerne unbehelligt in die alte Heimat reisen und ihre Familien besuchen können.
Es ist sehr schwierig aus diesen Interviewfetzen heraushören zu können, ob das „echte“ oder „unechte“ Asylwerber sind. Ob sie also zu Recht einen negativen Bescheid („Sorry, für Wirtschaftsflüchtlinge ist bei uns kein Platz. Das Boot ist voll, nehmen Sie das nächste.“) bekommen haben oder nicht.
Aber was heißt „zu Recht“? Welches Recht ist das? Das der gut situierten Österreicherin, die sich nicht stören lassen will? Die das Recht hat zu sagen „Unser Land für unsere Leut“?
Hier schließt sich für mich der Kreis zu obiger Problematik. Wir sind keine Insel, wenn auch relativ selig. Oder zumindest wohlgenährt. Oder zumindest tierisch fettreich genährt. Mit Flatscreen und Barbara Karlich. Mit Auto und Schnitzerl, mit stets neuestem Smartphone und einem sportlichen Rülpser auf den Lippen.

Ich mache ein kurzes Fazit:
Wir leben in einer globalen Welt und wir haben keine zweite. Wir leben nicht gut, weil wir so fleißig hackeln, sondern zumindest auch, weil andere schlecht leben. Wir können uns noch recht einfach gegen die Ansprüche der Menschen wehren, die wir ausbeuten. Wir wählen auch diejenigen Parteien, die das perpetuieren. Wir haben jegliche Bescheidenheit und Genügsamkeit verlernt, gemeinsam mit der Achtung vor der Umwelt und den Menschen auf dieser Welt, denen es nicht so „gut“ geht wie uns. Wir sagen „die sind selbst schuld“ und schauen weg oder „Reich und schön“ Folge 2.428. Wir pochen auf das „Recht“ und vergessen auf jede Form der Pflicht. Sie wird auch nicht eingefordert, zumindest noch nicht.

Was ich mir wünsche:
Ich möchte wissen, wie Asylbescheide zustande kommen. Wie wird da recherchiert? Welche Infos werden von wo eingeholt? Ich will mehr Transparenz.
Ich will ein anständiges Zuwanderungsgesetz mit klaren Richtlinien, streng aber fair. Und damit ein Ende der Debatte oder zumindest die Klarheit, die stets versprochen und von Politikern gefordert wird.

Geplante Obsoleszenz

Inzwischen wissen die meisten was dieser Begriff bedeutet und das nicht von ungefähr. Ein Freund hat mir erzählt, dass er in den 1980ern auf der HTL war und dass damals der Lehrgegenstand neu eingeführt wurde: Wie kann man Dinge so produzieren, dass sie nach einer bestimmten, möglichst genau bestimmbaren Zeit oder Benutzungsdauer kaputt gehen? Er berichtete mir, dass dies damals ein kompliziertes Fach war, da die Materialtechnik für dieses Problem noch nicht ausgereift war.
Inzwischen hat die Industrie dies perfektioniert und in vielen großen Unternehmen gibt es eigene Abteilungen, die dafür zuständig sind. Ich möchte hier nur von Beispielen berichten, die ich selbst erlebt habe bzw. solche aus erster Hand.

Das beste stammt von meinem Bruder Peter. Er hat einen Kühlschrank, der eines Tages nicht mehr funktionierte. Der Ärger war groß, da das Gerät noch nicht alt war und ihm dämmerte, dass eine Reparatur – sofern überhaupt möglich – wahrscheinlich teuer kommen würde.
Dann suchte er im Internet nach Leidensgenossen und fand ein Forum, in dem der Fehler genau seines Kühlschranks exakt beschrieben wurde. Und auch wie man ihn selbst günstig beheben konnte. Der Hersteller baut dort nämlich einen Kondensator ein, der unterdimensioniert ist. Ein Kondensator ist ein Verschleißteil, das normalerweise sehr lange hält. Wenn er jedoch zu schwach ist, steht er dauernd unter Stress und die Lebensdauer verringert sich drastisch. Das lässt sich übrigens ganz gut berechnen.
Mittels einer genauen Anleitung plus Bildern in dem Forum konnte mein Bruder den Kondensator gegen einen stärkeren (Kosten ca. 20 Cent) austauschen. Seitdem funktioniert der Kühlschrank wieder wie am ersten Tag.

Ein zweites Beispiel ist noch interessanter: Ein Freund von mir hat einen Fernseher, dessen Bild plötzlich nicht mehr stabil war. Die Garantie war noch nicht lange abgelaufen und er ärgerte sich dementsprechend. Als er beim RUSZ (Reparatur- und Servicezentrum) anruft meint der Chef „Sie haben Glück, ich habe gerade einen Fachmann für genau diese Marke hier“ und übergab den Hörer. Der Fachmann kannte das Gerät in- und auswendig und erklärte ihm am Telefon wie er einen bestimmten zylinderförmigen Teil finden konnte. „Das Ding nennt sich Bildstabilisator und sie müssen es entfernen und gegen einen Draht austauschen, also quasi überbrücken.“ Es stellte sich heraus, dass der Bildstabilisator eigentlich ein Bild-Destabilisator ist, der nach einiger Zeit in Funktion tritt und das Bild destabilisiert. Wenn man ihn entfernt, funktioniert der Fernseher ab dann einwandfrei.

Das klingt wie aus einem schlechten Film, ist aber nur konsequentes Marketing der Industrie. Nun zu meinen Teilen. Es sind drei Stück, die innerhalb eines Jahres kaputt gingen.

3 Geräte

1.) Scanner
Der Epson 1250 Perfection war seinerzeit ein günstiger, aber nicht sehr günstiger Scanner der bekannten Marke Epson. Er hat ein paar Jahre (4 oder 5) gut funktioniert, ich habe ihn allerdings nur ca. 1x pro Monat verwendet. Er hat also weniger als 100 x funktioniert. Dann eines Tages stand er still. Einfach so. Ich hatte ihn weder auf den Boden geworfen noch sonst wie beschädigt. Also anrufen bei der Epson-Hotline. Ein freundlicher Herr meinte, dass ich jetzt ein „Ticket“ hätte und versuchte mir zu helfen. Nach ca. einer Stunde Telefonat kam das Fazit: Scanner aus unbekannten Gründen kaputt. Ich solle mir einen neuen kaufen. Das „Perfection“ in der Produktbezeichnung des Scanners bezieht sich also auf die perfekte Geschäftsidee der geplanten Obsoleszenz. Außer das war alles Zufall, so wie beim Kühlschrank- und Fernseherbeispiel. Leider glaube ich nicht an diese Form der Zufälle, die sich zufällig ein bisschen häufen.
Jetzt habe ich einen Canon und bin schon gespannt, wie lange der hält.

Epson

2.) Switch
Ein Ethernet-Switch der Marke BenQ. Das ist kein sehr aufwändig konstruiertes Gerät und auch nicht rasend teuer, so um die 30 Euro. Er hat ein paar Jahre funktioniert und dann plötzlich seinen Geist aufgegeben. Das ist übrigens schon der zweite, sie halten immer etwa gleich lang. Übrigens von einem anderen Hersteller oder zumindest von einer anderen Marke. Ein Schelm, wer hier Absicht vermutet.

Switch

3.) Festplatte
Ein deutsches Qualitätsprodukt der Marke „Formac“. Sieht elegant aus und hat auch elegante 11 Monate gehalten. Kein Problem, weil da habe ich noch Garantie drauf? Theoretisch ja, praktisch nein, weil die Firma angeblich vor der Insolvenz stand und auf Anfragen nicht mehr reagierte. Außerdem ist das problematisch mit Festplatten, denn da befinden sich meine Daten drauf und die gebe ich lieber nicht in fremde Hände (einschicken zwecks Reparatur oder Tausch). Ich müsste die Daten vorher löschen und daher ebenfalls vorher auf eine andere Festplatte überspielen. Die auf meinem Rechner ist aber nur halb so groß. Ich müsste daher eine neue große kaufen…

Formac

Für mich ist es an der Zeit einen Gegentrend zur geplanten Obsoleszenz einzuleiten. Gibt es noch andere Konsumenten, denen das auf die Nerven geht und die nicht ständig was Neues kaufen wollen, weil das Alte eigentlich alles kann, was man braucht?