Strasser, ÖVP

Dass Josef Pröll jetzt mit Anzeichen der Entrüstung den Rücktritt und eine „Entschuldigung“ von Strasser verlangt, beeindruckt mich eher wenig.
Hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten niemand gemerkt, welche Gesinnung dieser Herr hat? Kein einziger seiner Parteifreunde hat gemerkt, dass jemand, der eine Lobbyingfirma hat, sich in Brüssel in erster Linie darum kümmern wird?
Oder liege ich da völlig falsch und Strasser ist nur die Spitze eines Eisbergs, der nach dem Motto „Du darfst alles tun, du darfst dich dabei nur nicht erwischen lassen“ handelt?
Ist das die moderne ÖVP?

Mein Bruch mit dieser Partei ist nicht endgültig, wird aber mit den Jahren immer tiefer. Begonnen hat es mit der Aussage von Schüssel: „(Read my lips), wenn wir Dritter werden, gehen wir in Opposition.“ Kurz danach hat er gemeinsam mit der FPÖ eine Regierung gegründet.

Dort sind solche Gewächse wie Strasser groß geworden. Ich kann leider noch keine Veränderung zum Schüssel-Kurs (Bildung so stark wie möglich beschneiden und das Gegenteil behaupten, Privatisieren auf Teufel komm raus, Deregulierung des Finanzsystems) in der ÖVP entdecken, es wird eher schlimmer. Die ehemals noch sichtbaren konservativen Werte (Programme für die Kinder und Enkelkinder und nicht nur Opportunismus bis zur nächsten Wahl) sind für mich komplett verschwunden.

Ich möchte nicht, dass Strasser zurück tritt. Ich möchte, dass diejenigen zurück treten, die ihn nach Brüssel geschickt haben. Und diejenigen, die denen Druck gemacht haben. Da würden einige interessante Namen auftauchen.
Vielleicht sind das auch die Herrschaften, die mit den Russen einen Vertrag über 25 Jahre abgeschlossen haben, bei dem es um Öl- und Gaslieferungen geht, die wir auch dann bezahlen müssen, wenn wir auf alternative Energien umsteigen und sie gar nicht mehr brauchen.

Warten auf Frau Godot

Montag Vormittag, ein Anruf. Eine nette Frauenstimme gibt bekannt, dass sie von Shell wäre und ich bekäme eine Kundenkarte, mit der ich in Zukunft stets billiger bei Shell tanken könne als offiziell angeschrieben, abhängig von der Höhe der Summe.
Ich bitte die Dame, mir die Karte zuzuschicken und sie meint, das wäre leider nicht so vorgesehen, aber die Frau Hörmann würde mich besuchen und sie mir persönlich vorbeibringen, wie wäre es denn mit morgen Vormittag?

Da das nicht geht, einigen wir uns auf Mittwoch 10 Uhr. Der Termin würde lediglich zehn Minuten dauern und sie würde mir die Details der Karte erklären.

Wir überspringen locker zwei Tage und schalten auf Mittwoch, 10 Uhr. Ich räume ein wenig die Wohnung auf, denn eine Dame von Shell kann ich sonst so nicht hereinbitten. Was tut man nicht alles für ein paar Cent Ersparnis. Wo doch alles teurer wird heutzutage.

Es ist 10 Uhr. Die Glocke läutet… nicht. Frau Hörmann ist nicht überpünktlich, aber das muss sie auch nicht sein, bei mir in der Gegend gibt es wenig Parkplätze und ein paar Minuten Verspätung gestehe ich jedem Gast zu, ungschaut, quasi.

10.15 Uhr. Die Glocke läutet… immer noch nicht. Frau Hörmann dürfte entweder ein klein wenig unpünktlich sein oder verdammt lange Parkplatz suchen. Vielleicht musste sie auch noch tanken, wär ja möglich. Da es bei mir weit und breit keine Shell-Tankstelle gibt, könnte das zu leichten Verzögerungen führen, denn sie würde sicher nicht bei der Konkurrenz tanken, wo sie ja keinen Rabatt bekommt.

10.30 Uhr. Die Glocke läutet… endlich! Die Warterei ist vorbei, jetzt beginnen die berühmten zehn Minuten der Frau Hörmann. Denke ich. Es ist aber nur der Feibra-Mann.

10.45 Uhr. Ich beschließe spontan, Frau Hörmann in Frau Godot umzubenennen und beschließe weiters, dass ich sie genauso lang warten lassen werde wie sie mich. Wenn sie überhaupt noch erscheint. Inzwischen schreibe ich ein Weblog-Kommentar über die sportliche Unpünktlichkeit einer angesagten Dame und sinniere darüber, wie gut diese Marketingaktion seitens Shell geplant wurde.

10.50 Uhr. Ich müsste dringend aufs Klo, aber was ist, wenn Frau Hörmann genau jetzt läutet? Vielleicht hatte sie einen Unfall und schleppt sich jetzt blutüberströmt zu meiner Haustüre, mit letzter Kraft die Glocke erreichend. Ich wäre ihre allerletzte Hoffnung, die Rettung vor dem Verderben. Außer ich sitze am Klo. Und sie verblutet.
Oder Frau Hörmann stellt sich als meine Traumfrau heraus, eine zarte Berührung unserer Hände bei der Übergabe der Shell-Rabattkarte… Und ich hocke am Klo, wenn sie läutet. Das geht natürlich gar nicht.

Andererseits, wenn ich nicht aufs Klo gehe, bin ich beim Termin unentspannt und das mit der zarten Berührung geht sozusagen in die Hose. Auch keine gute Lösung. Ich beschließe, das Fenster aufzumachen und laut „Frau Hörmann, erhören Sie mich“ zu brüllen, verwerfe die Idee aber sofort wieder, da das meine Darmtätigkeit nur unnötig anregen würde.

11.00 Uhr. Mein Körper beantwortet die Frage, ob ich noch länger auf Frau Hörmann warten soll. Das Darmhirn spricht „Scheiß auf Frau Hörmann“ und ich schreibe der Dame noch auf ihre virtuelle Pinwand „I shall not come late.“

Der Sanfte ist gegangen

Es ist dreißig Jahre her, seitdem ich Gabriel das letzte Mal gesehen habe. Der Anruf von seiner Schwester kam mehr als überraschend: „Mein Bruder ist gestorben und heute war das Begräbnis.“
Durch eines dieser Missverständnisse, die einem im Leben begegnen, wußte ich nichts davon und habe es daher leider versäumt.

Sie hat zwei Brüder und trotzdem wusste ich sofort, welcher gemeint war. Wenn ich die Uhr um drei Jahrzehnte zurück drehe, dann taucht sofort ein Bild auf, von einem sehr schlanken, dunkelhaarigen Jugendlichen, mit dem ich gemeinsam Lautsprecherboxen baute – die ersten und einzigen meines Lebens. Eine davon ist verloren gegangen, aber die zweite habe ich noch.

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Bild: Selbstgebaute Lautsprecherbox

Wie wir auf das Thema kamen weiß ich nicht, aber Gabriel ging in eine Schule, in der man lernte, mit Elektronik umzugehen, und das fand ich toll. Er besorgte die Teile und gemeinsam bauten wir die Lautsprecher, die ich noch viele Jahre bei unterschiedlichen Gelegenheiten verwendete – die übrig gebliebene Box funktioniert übrigens bis heute.
Gabriel war anders als seine Geschwister. So wie ich war er der Älteste. Sein Bruder fuhr ein paar Jahre später gemeinsam mit uns in den Urlaub nach Kroatien. Er war ein kräftiger junger Mann, sehr offen der Welt zugewandt und gerade auf Menschen zugehend. Seine Schwester war ein kleines Energiebündel, frech und mit großen Augen.
Gabriel war ruhig und ein wenig an der Grenze zu einer dunkleren Welt, der beste Ausdruck ist eben „sanft“, auch wenn ich nicht weiß, was dahinter verborgen schlummerte.

Das Leben stellte die Weichen und wir verloren uns aus den Augen. Jahre später gab es noch einen Versuch meiner Mutter, uns noch einmal freundschaftlich zusammen zu bringen, aber der scheiterte, aus welchen Gründen auch immer.
Der Weg, den er eingeschlagen hat, war sicher kein leichter und endete hinter der Grenze, die ihn immer schon angezogen haben dürfte.

Er hinterlässt stärkere Spuren als andere Menschen, die ich zu dieser Zeit kennen lernte. Er pflanzte den Keim für meine Leidenschaft zu Musikanlagen, die bis heute ungebrochen ist. Die aktuellen Lautsprecherboxen hat mir auch ein Freund gebaut, dessen Leben zahlreiche Ecken und Kanten hat – manche Dinge ziehen sich wie ein roter Faden durch das Leben jedes Menschen.

Vielleicht bleibt ja von jedem Besucher dieser Welt etwas zurück. Wer weiß das schon. Ruhe sanft, Sanfter!

Offener Brief an Christian Kornherr

Der Mann ist Chefredakteur der autorevue, der spritzig und witzig geschriebenen österreichischen Autozeitschrift. Ich erlaube mir sein Kommentar (Ausgabe 3/11) zu kommentieren.

Sehr geehrter Herr Kornherr!

Sie schreiben mehr oder weniger über ein Ende des Elektrobooms und ein Wiederaufleben des Verbrennungsmotorautos und umschreiben Ihre Meinung mit „ein wenig Skepsis ist wieder gestattet.“
Dann folgt jedoch nicht Skepsis, sondern eine klare Absage an das Elektrokonzept. Sie unterstellen „Umweltaktivisten, Journalisten und Politikern“, dass sie die von ihnen herbeigewünschten Elektroautos selbst gar nicht kaufen würden. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie damit sich selbst meinen (als Journalist) und bei Politikern bin ich mir selbst auch nicht sicher. Wieso werden aber die UmweltaktivistInnen (ein wenig gendern könnte auch Ihre Weltsicht erweitern) pauschal angegriffen? Wieso sollten sich diese Menschen nicht ihre Autos aus öffentlichen Töpfen finanzieren lassen? Die derzeitige Autoindustrie wird auch nicht zu knapp gesponsert, oder? Woher kommen denn die Milliarden Euro, die an Opel gezahlt wurden? Ist das die „freie Marktwirtschaft“, von der Sie im letzten Abschnitt sprechen?

Sie schreiben, dass die Menschen kaum 30.000 Euro für „deutlich weniger Nutzen“ ausgeben werden. Ist Ihnen schon in den Sinn gekommen, dass es noch einen Nutzen jenseits der Autobahnhetzerei nach Salzburg und zurück in einem Stück geben kann und dass die meisten Fahrten Kurzstrecken zur Arbeit und zurück sind? Könnte es auch einen Nutzen jenseits Ihrer Vorstellungswelt geben, etwa einen für die Umwelt? Oder einen Nutzen in Form der Vorbildwirkung?
Sie schreiben, dass staatliche Subventionen in Zeiten von Euro-Krise und Inflationsgefahr „geradezu absurd“ wären. Und die Subventionen an private Organisationen wie Banken oder Autofirmen, die sind nicht absurd? Eine seltsame Sicht, könnte da eine Scheuklappe im Spiel sein?

Ihre Angst, dass wir EuropäerInnen mit einer progressiven Umweltpolitik „zu viel Zimperlichkeit und Zurückhaltung“ auf dem globalen Markt zeigen könnten, ist mir gänzlich unverständlich. Macht Ihnen Veränderung Angst? Sie meinen mit Fritz Indra, das Elektroauto würde ein „Spielzeug für ökobewusste Reiche“ bleiben. Noch vor 25 Jahren war das Mobiltelefon das auch (ohne ökobewusst), und heute?

Sie schreiben von der Abenddämmerung des Elektroautos. Lehnen Sie sich zurück, gießen Sie sich ein gutes Glas Rotwein ein und denken Sie über folgenden Spruch (Hegel) nach: „Die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.“ Ich wünsche Ihnen ein wenig Zukunftsoptimismus und Freude am Neuen. Ich jedenfalls freue mich darüber, dass mein derzeitiger „Schüttelhuber“ mein letzter Stinker sein wird, auch wenn ich noch nicht weiß, womit ich in Zukunft fahren werde.

Verbindlichst, Guido Schwarz

10 Tage Optimismus – Tag 10: Die Zeit ist gnädig

10 Tage Optimismus. In den Nachrichten nur Negatives und auch mein Blick ist schon zu sehr auf den Mangel gerichtet. Daher 10 Tage lang je ein Beispiel für was Positives auf dieser Welt.

Tag 10: Ich wollte eigentlich schon am Mittwoch und damit „pünktlich“ die Serie abschließen, idealerweise mit dem Bericht über den Wandel in Ägypten. Und dann spuckt mir der alte Diktator in die Suppe, weil er nicht weiß, dass seine Zeit abgelaufen ist.
Es geht um Zeit und ich bin nicht ohne Grund Mitglied im Verein zur Verzögerung der Zeit und pflege die Tugend der Geduld. Und hier liegt auch die Wurzel für den Optimismus: Die Zeit ist immer gnädig, d. h. sie spült mit ruhigem Lauf alles hinweg – bis hin zu ganzen Gebirgen, die entstehen und wieder abgetragen werden. Man muss nur lange genug warten.

Mubarak hat ein Zeitproblem, er ist 82 Jahre alt und scheinbar auch im Kopf so versteinert, dass er nicht versteht, dass für jeden Mensch irgendwann die Zeit gekommen ist, wo jüngere die wichtigen Entscheidungen treffen. Das gilt in Ägypten übrigens für das gesamte Regime, Mubarak selbst ist ja nur dessen Aushängeschild.
Die Zeit lässt uns optimistisch sein, denn wir brauchen uns nur zurücklehnen und warten, bis Mubarak weg ist. Die Zeit lehrt uns: etwas kann sehr lange dauern, sich hinziehen, endlos wirken. Genauso kann es dann aber ganz schnell gehen.

Ägypten hat extrem viele junge Menschen, 40 % sind jünger als 25 und viele fühlen, dass sie sich nur verbessern können. Sie werden die Zeit nützen und dafür sorgen, dass die Zeit für das alte Regime abläuft. Sicher ist die Zeit auch hier gnädig und lässt sie nicht mehr sehr lange warten.

Fazit: Das waren 10 Tage Optimismus. Die Rückmeldungen waren positiv, aber spärlich. Ab Tag 4 hatte ich keine fix fertigen Geschichten mehr auf Lager, aber dann kamen sie daher, ganz von allein, und ich merke: Wenn ich die Aufmerksamkeit darauf richte, dann finde ich sie auch. Das allein war es schon wert.