Sarajevo, 2. Tag

Das Bett bequem, die Luft kühl und frisch – auch wenn es in Sarajevo tagsüber im Sommer sehr heiß ist, so kühlt es in der Nacht aufgrund der Seehöhe ausreichend ab, vor allem weil von den Hügeln kühle Luft hinabstreicht.
Peter hat mir für heute einen Führer engagiert, er heißt ebenfalls Tarek und ist 21 Jahre alt. Er studiert an der Uni von Sarajevo und spricht ausreichend gut Englisch. Seinen eigenen Renault hat er seinem Vater geborgt, der damit nach Kroatien auf den Campingplatz gefahren ist. Wir fahren mit einem alten Polo mit 255.000 km herum, den er sich von seinem Großvater geborgt hat.

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Bild 1: Tarek, er studiert Jus und Wirtschaft

Da mir mehr oder weniger wurscht ist, in welcher Schüssel ich herumgefahren werde, steht einem spannenden Tag nichts im Wege.
Ich erkenne schnell, dass Tarek ein guter Autofahrer und ein sehr netter Kerl, leider aber kein Fremdenführer ist. Er kann mich dorthin fahren, wo ich hin will und antwortet bereitwillig auf alle Fragen, sofern er die Antwort kennt, aber von sich aus erzählt er nichts.
Da ich fast keine Ahnung habe, was es in Sarajevo zu sehen gibt, versuche ich ihm Sehenswürdigkeiten zu entlocken. Das klappt einigermaßen und so machen wir uns auf den Weg zum „Tunnel of Hope“.
Sarajewo war ja von 1992 bis 1995 fast 3,5 Jahre lang belagert – etwas, das ich damals nicht so mitbekommen habe, da die Medien nur bruchstückhaft berichtet haben. Hin und wieder hat der Fritz Orter seinen zerzausten Lockenkopf in die Kamera gehalten und die eine oder andere Schreckensnachricht gebracht, aber so richtig verstanden habe ich erst zwanzig Jahre später, was da passiert ist. Die schon erwähnte Doku hat ausführlich gezeigt, welchen Wahnsinn die EinwohnerInnen dieser alten Kulturstadt aushalten mussten.
Ich komme noch einmal auf das Kochlöffelbeispiel zurück: Nur die untere Spitze des Stiels war damals die räumliche Verbindung zu Bosnien-Herzegowina, alles andere rundherum war von den Serben besetzt. Sie platzierten auf den Hügeln rund um die Stadt ihre Armee und die Artillerie schoss bequem ihre Granaten in die Stadt hinunter. Das hatte verheerende Folgen, denn man musste immer und überall darauf gefasst sein von einer Granate getroffen oder erschossen zu werden. Dafür gab es die Sniper, die serbischen Scharfschützen, die auch gerne Kinder und Frauen auf´s Korn nahmen.
Auch Tareks Vater wurde von einem Sniper erwischt, der ihm von hinten in den Hals schoss. Die Kugel ist dann in seinem Mund explodiert, interessanterweise hat er das überlebt und ist nach inzwischen neun plastischen Operationen wieder einigermaßen hergestellt. Er spürt halt seinen Unterkiefer nicht und braucht ein bisschen mehr Urlaub als andere Menschen, vor allem weil er einen anstrengenden Management-Job hat, deswegen auch der sommerliche ausführliche Aufenthalt in Kroatien am Meer.

Während Tarek mir das alles erzählt, erreichen wir das Museum, das für den Tunnel gebaut wurde. Weil die Stadt ja eingeschlossen war und man den genau in der Lücke liegenden Flughafen nicht oder nur mit sehr großem Risiko überqueren konnte, beschloss man einen Tunnel zu bauen. Das gelang tatsächlich und so konnte über längere Zeit ein gewisser unentdeckter Waren- und Personentransfer durchgeführt werden. Man baute Schienen in den niedrigen Tunnel und pölzte Decke und Wände mit dem ab, was gerade zur Verfügung stand. Kleine Wägelchen waren als Krankentrage ausgeführt oder als Warentransportmittel. Lustigerweise wurden die Eingänge lange Zeit nicht entdeckt.

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Bild 2: Das leuchtende Band quer drüber ist der Tunnelverlauf

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Bild 3: Der nachgebaute Tunnel

Heute steht ungefähr an der Stelle des südlichen Ausgangs ein kleines Museum und man hat ca. 15 Meter des Tunnels nachgebaut, so dass die Besucher das Feeling einigermaßen nachvollziehen können. Es gibt Video-Installationen und im Garten des Grundstücks auf der Wiese eine kleine Ausstellung über Minen und Sprengfallen.
Ich sehe mir das alles an und entdecke eine Wasserpumpe (um den Stollen freizuhalten) der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck, hergestellt von Rosenberger. Das ist alles nicht lange her, echt nicht lang.
Neben dem Museum ist ein geschotterter Platz, den man als Parkplatz benützen kann. Dort steht ein Typ herum, der Geld dafür kassiert. Tarek meint, er ist sich überhaupt nicht sicher, ob der offiziell dort steht oder einfach nur eine unbesetzte Einkommensquelle entdeckt hat. Egal, das Geld ist es mir wert.
Danach fahren wir nicht weit an den Fuß des südlichen Hügels – eigentlich ein Berg, an dessen Fuß ein Park ist, in dem die Quelle des Flusses Bosna zu sehen ist, der für das Land namensgebend ist. Auch dort gibt es einen Parkwächter, also genau genommen zwei, einen für den Parkplatz und einen am Eingang zum Park, beide sind zu bezahlen, wenngleich es sich hier um Summen wie einen oder zwei Euro handelt.
Der Tag ist jetzt schon heiß und wir sind froh unter die kühlen Bäume des Parks zu kommen. Dort ist es wirklich sehr angenehm und es gibt auch eine nette Anzahl an Besuchern, vor allem Familien, die den heißen Tag zum Teil hier verbringen.
Die Quelle ist beeindruckend, das Wasser sehr kühl und die gesamte Atmosphäre ausgesprochen einladend. In den zahlreichen Teichen schwimmen Schwäne und es gibt Bankerln, auf denen man sich ausruhen kann.

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Bild 4: Die Quelle ist groß und fließt stark

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Bild 5: Die Teiche haben glasklares Wasser, Schwäne ergänzen die Idylle

Tarek erzählt mir, dass er bald mit ein paar Freunden nach Griechenland auf Urlaub fahren wird, seine Freundin dürfe leider nicht mitfahren, weil ihr strenger Vater das verbietet – volljährig hin oder her.
Jungen Menschen haben es generell nicht leicht, denn die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Perspektiven dafür niedrig. Tarek meint, dass er es nach dem Studium ev. mit Hilfe seines Vaters schaffen wird einen Job zu finden. „Prinzipiell kann jeder einen Job finden, aber dann arbeitest du als fertiger Akademiker oder Facharbeiter halt als Kellner“, erzählt er mir am Weg zurück in die Stadt.
Deswegen gehen viele junge Leute nach Deutschland, weil sie dort als KrankenpflegerIn um die 1.600 Euro verdienen, hier allerdings nur 300 bis 400, bei zwar geringeren Lebenserhaltungskosten, aber der Unterschied ist trotzdem beträchtlich.

Wir fahren am Fluss auf der großen Hauptstraße (der schon erwähnten Sniper Alley) in Richtung Altstadt. Neben uns fährt die Straßenbahn, die Triebwägen und Waggons sind aus verschiedenen Ländern zusammengeschnorrt, auch die eine oder andere Wiener Garnitur fährt hier herum. Das ist mit den Autos und den O-Bussen nicht anders, Bosnien war und ist der Wiederverwertungsort für ausgemusterte Technik aus ganz Europa. Nur bei den Autos haben sie einen Riegel vorgeschoben, die dürfen für den Import nicht mehr älter als zehn Jahre sein. Mit Abgaswerten oder so dürfte das nichts zu tun haben, das spielt de facto keine Rolle, ebenso wie der technische Zustand der Autos generell. Da ist Bosnien noch viele Jahre hinter dem EU-Standard.
Die meisten Leute hier fahren übrigens recht rücksichtsvoll und die neu gebauten Straßen oder Kreisverkehre sehen aus wie bei uns – viel wurde und wird übrigens mit EU-Geld gebaut, so wie das ca. 25 km lange Autobahnstück von Sarajevo Richtung Mostar, das genau dort aufhört, wo die Berge und Schluchten beginnen. Diese Autobahn ist mautpflichtig und somit fast immer leer. Sie waren aber so schlau den letzten, bei Sarajevo gebauten Teil mautfrei zu machen, so dass die Menschen dieses Stück gratis benützen dürfen – schlauer als bei uns in Wien, wo die Nordbrücke nur mit Pickerl zu befahren ist.

Geparkt wird allerdings überall und irgendwo, auf Gehsteigen, Grünstreifen, im Kreuzungsbereich – ein Ticket kostet umgerechnet 40 Mark und wenn man es binnen sieben Tagen bezahlt nur die Hälfte, da bleiben also 10 Euro übrig, das ist für viele bequemer als sich umständlich einen freien Parkplatz zu suchen oder auf einen kostenpflichtigen zu fahren. Die Polizei ist meistens recht entspannt, mein Bruder berichtet, dass sie ihn, wenn er mit der Suzuki fährt, noch anfeuern, dass er schneller fahren soll.
Roller oder Motorräder gibt es fast keine, ich habe gerade mal eine einzige Vespa gesehen, die Motorräder waren meist Tourenfahrer aus Europa. Auch Fahrräder gibt es wenige und wenn, dann nur unten am Talgrund. Die Straßen hinauf auf die Hügel sind steil bis unglaublich steil, hier werden erst E-Bikes eine Veränderung bringen und das wird vermutlich noch dauern. Bis dahin staut man fröhlich durch die oft sehr engen Gassen und alle fahren mit dem Auto. Die Stadt wächst die Hügel hinauf und alle, die sich hier neu ansiedeln, tun das mit Auto und Garage.

Wir parken auf einem der Parkplätze linksseitig des Flusses. Genau gegenüber ist die Bibliothek, die von den Serben in Brand gesteckt wurde. Dabei wurden ca. 2 Millionen Bücher und Schriften vernichtet, viele davon waren uralte Einzelstücke, in Summe war dies die Bosnische Geschichte, die von den Serben erfolgreich ausradiert wurde, eine Art konzentrierte Bücherverbrennung.
Nachdem die Bibliothek jahrelang als Ruine herumstand, wurde sie vor ein paar Jahren sehr aufwändig wieder aufgebaut. Es sieht etwas kitschig aus, ist in Summe aber stimmig. Heute befindet sich darin keine Bibliothek mehr, es gibt Ausstellungen und Konferenzräume.

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Bild 6: Die wiederaufgebaute Bibliothek

Interessanterweise ist mir ein Haus aufgefallen, das genau neben unserem Parkplatz steht und irgendwie sehr nett aussieht. Ich habe erst später erfahren, dass es eine bewegte Geschichte im wörtlichen Sinne hat. Es stand nämlich früher dort, wo jetzt die Bibliothek steht und der damalige Besitzer weigerte sich es zu verkaufen. Man hätte ihn einfach davonjagen können, aber in der k.u.k-Monarchie gab es Gesetze, die jedem das gleiche Recht einräumten. Also konnte er nicht einfach enteignet werden und man bot ihm an, das Haus auf die andere Seite hinüber zu versetzen. Auf dieses Angebot ging er schließlich ein und heute ist das Haus ein schmuckes Restaurant.

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Bild 7: Inat Kuca, das kleine Restaurant gegenüber der Bibliothek

Dann marschieren wir in die Altstadt. Im muslimischen Teil gibt es besonders viele Moscheen und einen Bazar, der allerdings sehr touristisch ausgelegt ist. Man kann hier vor allem Kupfergegenstände kaufen, ein Stand reiht sich an den nächsten.

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Bild 8: Alles was der Touristen Herz begehrt

Es gibt aber auch einen uralten Bazar in einer Halle, allerdings findet man auch dort Gucci-Handtaschen und fast echte Rolex-Uhren. Jede Menge kleine Restaurants reihen sich in einer langen Straße aneinander, die als Fußgängerzone angelegt ist.

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Bild 9: Die Fußgängerzone mit Einkehrmöglichkeit ohne Ende

In der Altstadt gibt es fast keine Plattenbauten und sie wurde im Krieg auch wesentlich weniger kaputtgeschossen. Trotzdem finden sich noch an jedem fünften Haus Einschusslöcher der Maschinengewehrsalven. Die unzähligen Granattrichter wurden aber großteils ausgebessert, die Stellen sind aber oft noch gut sichtbar. Es muss grauenvoll gewesen sein, die Schändung einer uralten und sehr schönen Stadt.
Es ist sehr heiß und an einem zentralen Platz gibt es eines der Wahrzeichen von Sarajevo, einen holzverkleideten Brunnen mit Trinkwasser. Dort sehe ich auch die einzige Ansammlung an verschleierten Frauen, es dürfte sich um arabische Touristinnen handeln, von denen es ja hier jede Menge gibt.

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Bild 10: Der Brunnen

Wir schlendern durch die Gassen und erreichen den Teil der Altstadt, der stark an Wien erinnert – Gründerzeithäuser, Pflastersteine, Cafés – in eines davon setzen wir uns und beobachten bei einem Meinl-Kaffee die zahlreichen Vorbeischlendernden. Es gibt an jeder Ecke Eis zu kaufen, bei den Palatschinken zeigt sich allerdings, dass Jugoslawien seinerzeit zu Recht zum Ostblock gerechnet werden konnte. Es gibt sie mit Nutella (mag ich nicht) oder mit Marmelade. Das mag ich, außer Erdbeermarmelade. Der Kellner sinniert kurz und meint dann, es gäbe nur eine Marmelade, nämlich „mixed“ und da wäre auch Erdbeer drin. Also lasse ich es. (Die Geschichte geht später noch weiter.)

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Bild 11: Weil es sehr heiß ist, versprüht man Wasserdampf zur Kühlung.

Gleich um´s Eck befindet sich eine weitere Markthalle aus der österreichischen Zeit, die vor kurzem renoviert wurde. Dort wird vor allem Fleisch verkauft.

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Bild 12: Die Fleischhalle

Nur wenige Meter weiter, etwas versteckt im ersten Stock eines alten Hauses, befindet sich das Genozid-Museum. Man muss läuten, dann wird geöffnet und in einer großen ehemaligen Wohnung befindet sich das Museum, das man jedoch nur mit guten Nerven besichtigen sollte. Betrieben wird es von drei Studenten, die über die Gräueltaten im Krieg ihre Abschlussarbeit an der Uni geschrieben und dann gleich in die Praxis umgesetzt haben. Es kostet wohlfeile 10 Mark (also 5 Euro, Tarek muss als Führer nichts bezahlen) Eintritt und beherbergt eine Vielzahl an Artefakten und Schautafeln, vor allem über die zahllosen Kriegsverbrechen, die im ganzen Land begangen wurden. Die Tafel mit den Konzentrationslagern (mehrere hundert in ganz Bosnien-Herzegowina) ist beeindruckend und ich merke, wie viel ich bisher nicht wusste.

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Bild 13: Die Standorte der Lager

Das galt schon vor Jahren für die Genozid-Museen in Kambodscha und Ruanda, dieser Bürgerkrieg fand jedoch vor unserer Haustüre statt, mehr oder weniger.
Es gibt erschütternde Videos und das gesamte Museum ist sehr sorgfältig aufgebaut. Ich kann seinen Besuch durchaus empfehlen. Die wirklich schrecklichen Bilder von Folter, Verstümmelung und den zahlreichen Massengräbern erspare ich meinen LeserInnen jedoch an dieser Stelle.
Der Staat Bosnien hat übrigens kein Museum über die Zeit und unterstützt die drei Studenten auch nicht, was ich persönlich für eine Schande halte.

Hier sehen wir auch den Stabilisator der Granate, die 1993 auf einem zentralen Gemüsemärkte in der Altstadt eingeschlagen ist und 60 Menschen getötet und Unzählige verletzt hat.

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Bild 14: Der Stabilisator der Granate

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Bild 15: Der Markt wurde wieder aufgebaut, ist heute aktiv und überdacht

Wer Lust hat, kann sich ein Post-it schnappen und eine Botschaft drauf schreiben und den Zettel dann an die Wand pinnen:

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Bild 16: Zahlreiche bunte Zettel zeugen von der Anteilnahme der BesucherInnen

Eine katholische Kirche, daneben eine serbisch-orthodoxe, daneben eine Moschee und ich glaube, eine Synagoge haben sich auch noch – das ist Sarajevo, Jahrhunderte lang ein Ort für alle, jedenfalls bis in die 1990er-Jahre.
Wir marschieren weiter, nachdem ich im Internet den Ort des Attentats von 1914 herausgefunden habe – Tarek wusste das nämlich nicht. Er befindet sich bei einer Brücke am Fluss und ist nicht sehr spektakulär.

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Bild 17: Die Brücke und das Museum

Über die Jahrzehnte wurden immer wieder Heldenmonumente für den Attentäter Gavrilo Princip aufgestellt und wieder abmontiert. Heute steht dort eine Glasplatte, auf der ein Monument abgebildet ist. Und an der Ecke gibt es ein kleines Museum und das war es dann auch schon, obwohl hier natürlich europäische Geschichte geschrieben wurde, wenn auch auf sehr unrühmliche Art.

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Bild 18: Die Tafel, die an das Attentat erinnert

Dazu fällt mir folgende Geschichte ein:

Der arme Mann wünscht sich so sehnlich eine Fee herbei, die ihm drei Wünsche erfüllen kann. Plötzlich ein Knall – vor ihm steht tatsächlich eine Fee und gewährt ihm die drei Wünsche.
„Also, ich möchte ein schöner Prinz sein und eine schöne Prinzessin zur Frau haben und in einem großen Schloss möchte ich wohnen.“
Ein weiterer Knall – und der Mann wacht auf in einem riesigen Himmelbett in einem riesigen Schloss. Die Türe geht auf, eine schöne Prinzessin kommt herein und sagt:
„Aufstehn, Franz-Ferdinand, heut müss´ ma nach Sarajevo!“

Um 14:30 fahren wir dann noch hinauf auf einen der Hügel, der am Ende des Talkessels liegt. Vorbei am Friedhof, auf dem Izedbegovic, der erste bosnische Präsident nach dem Krieg, begraben liegt, geht es steil bergan bis auf die Hügelkuppe, wo ein nettes Kaffeehaus liegt, von dem aus man einen grandiosen Blick über die Stadt hat.

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Bild 19: Gestatten: Sarajevo

Am Heimweg besuche ich dann noch die Bibliothek, die am Vormittag wegen eines Staatsbesuches gesperrt war. Die Architektur innen ist beeidruckend.

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Bild 20: Innenansicht – das muss seinerzeit als Bibliothek auch grandios gewesen sein.

Den späteren Nachmittag ruhe ich mich bei Peter im Haus aus und verarbeite die vielen Eindrücke dieser interessanten Stadt. Am Abend beschließen wir die Reste der Grillerei vom Vortag aufzufuttern – da ist noch mehr als reichlich vorhanden, auch die Üppigkeit ist ein Teil Bosniens.
Es ist ruhig hier, nur die Kinder der Araber aus dem Nachbarhaus dürfen bis Mitternacht im Freien spielen und machen entsprechenden Krawall. Irgendwann ist auch das vorbei und ich genieße meine zweite Nacht in Bosnien.

Sarajevo 1. Tag

„Schatzi, was sagt dir Sarajevo?“ – so rief mein Bruder seine Freundin am Strand von Kho Samui, wo sie ihre Verlobungsreise verbrachten. Er hatte nämlich gerade ein Angebot für einen Job bekommen, der ihn für zwei Jahre nach Sarajevo führen könnte.
Vanessa wusste mehr oder weniger gar nichts über diese ferne Stadt, die uns ÖsterreicherInnen doch so nah ist. Letztendlich geschah es, dass mein Bruder vor ca. einem Jahr dann seine Koffer packte und ein kleines Haus in Sarajevo mietete.

Ich wollte schon seit längerer Zeit einmal dorthin und jetzt hat es sich ergeben, dass ein Wochenende genau passt. Mit Hitzewelle, aber Sarajevo liegt auf 550 Metern Seehöhe (also der Talgrund, dazu später mehr) und hat überhaupt ein interessantes Klima.
Für Unterkunft ist gesorgt, das Ticket für den Flug mit der AUA kostet erschwingliche 270 Euro und so starte ich in ein sicher spannendes Wochenende.

Zum Flughafen fahre ich mit der Honda, denn ich habe erstens nur einen bordgepäcktauglichen Trolley ohne gefährliche Flüssigkeiten wie Zahnpasta oder Rasierschaum (ist alles im Haus meines Bruders) und zweitens ist das Parken mit einem Zweirad das einzige, was am Flughafen Schwechat gratis ist. Übrigens seit Jahren, man fährt einfach bei der Teilung Abflug-Ankunft die Straße Richtung Ankunft ein Stück weiter und biegt dann rechts ab. Nach wenigen Metern befindet sich auf der rechten Seite ein überdachter Zweiradparkplatz, von dem aus man direkt in die alte Ankunftshalle gehen kann. Alles sehr einfach und bequem. Bei der Ankunft steige ich auf den Roller und bin 25 Minuten später daheim, Staus interessieren mich nicht.

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Bild 1: Honda, gut gepackt

Da ich am Vortag bereits online eingecheckt und meine Bordkarte ausgedruckt mit habe, marschiere ich flugs Richtung Gate und bin erstaunt, dass ich meine Schuhe bei der Sicherheitskontrolle nicht ausziehen muss. Sie haben Metallösen und ich musste sie die letzten fünfzehn Jahre immer ausziehen. „Das ist ihr Glückstag“ meint der freundliche Herr beim Stargate.
Im kleinen Warteraum am Gate wird es irgendwie bosnisch: Jede Menge schreiende Kinder, eine Frau mit Kopftuch, die auf ein paar Sitzen ausgestreckt ein Nickerchen hält und die Passagiere entsprechen ungefähr der Vielfalt, die man auch an einem Mittwoch Vormittag am Brunnenmarkt sehen kann. Selbstverständlich haben die meisten eine Unmenge Handgepäck (bis zu vier Stück) mit, was eigentlich nicht erlaubt ist. Also geht ein AUA-Mitarbeiter durch und sammelt die größten Trümmer ein, nicht ohne entsprechende Diskussionen auszulösen.
Letztlich funktioniert alles irgendwie und der Flug verläuft ohne Zwischenfälle. Die Maschine ist bis auf den letzten Platz ausgebucht, auf der kurzen Strecke machen mir die engen Sitze aber nichts aus. Ich schaffe es mit durchaus beachtlichem Erfolg einige Seiten eines Buchs zu lesen, was bei den schreienden Kindern vor, neben und hinter mir keine Selbstverständlichkeit ist.
Auch der Flughafen in Sarajevo ist okay – ziemlich neu und die Passkontrolle ist in wenigen Minuten erledigt. Eine Fluggastbrücke haben wir auch bekommen, was laut Aussage meines Bruders keine Selbstverständlichkeit ist.
Der wartet auch schon auf mich und wir entern seinen alten VW-Bus, um zu seinem Haus zu fahren. Der erste Eindruck: Plattenbauten, viele mit Granat- und Maschinengewehrlöchern, die auch nach 22 Jahren noch nicht repariert sind. Der Bosnien-Krieg ist hier immer noch allgegenwärtig und gehört zur Stadt untrennbar dazu. Ich bin mir sicher, dass ich die nächsten Tage noch mehr Eindrücke diesbezüglich bekommen werde.

Um die Stadt zu verstehen, muss man ihre Geschichte, aber auch ihre Topographie kennen. Man kann sich das wie einen kurzen Kochlöffel vorstellen, der am Ende des Stiels den Flughafen hat. Der Stiel selbst ist ein Tal, durch das ein Fluss fließt. Der eigentliche Löffel ist die Altstadt, das alles ist von Hügeln umgeben, die auf einer Seite am Anfang des Stiels durchbrochen sind. Dort geht es quasi links weg in ein Nebental.
Diese Topographie beherrscht die Stadt wie ich es noch bei keiner anderen Stadt gesehen habe. Sie formt sie nicht nur, sondern war auch für die Art und Weise des Krieges und der damit verbundenen 3,5jährigen Belagerung der Stadt verantwortlich.
Ich wusste das alles nicht, bis ich vor ca. 1,5 Jahren eine ausführliche Doku gesehen habe, die von der Zeit der Belagerung berichtet hat. Seitdem war mein Wunsch diesen faszinierenden Ort zu besuchen noch größer.
Rechts vom unteren Teil des Stiels liegt hinter der Hügelkette Nova Sarajevo, also der serbische, neu erbaute Teil. Im Krieg war Sarajevo von der serbischen Armee eingekesselt, nur am Ende des Stiels war ein schmaler Korridor in den Landesteil, der von der bosnischen Föderation beherrscht wurde.

Die Hügel sind zerhüttelt und diese Zerhüttelung schreitet auch oder gerade jetzt munter voran. Was früher noch Wald und Wiese war, ist jetzt Bauland und man braucht dafür keine komplizierten Genehmigungen wie bei uns. Grundstück kaufen, Haus bauen – so einfach ist das.
Nicht so einfach funktioniert das Zusammenleben der drei Ethnien (Kroaten, Bosnier, Serben), deren Differenz genauso künstlich geschaffen wurde wie die zwischen Tutsi und Hutu in Ruanda.
Erkennbar ist das daran, dass sie sich nicht nur äußerlich nicht unterscheiden, sondern in allen drei Gruppen die meisten Namen auf „-ic“ enden. Es finden sich leider immer wieder Menschen, die Spaß daran haben andere Menschen zu entzweien, was ebenso leider immer wieder zu Kriegen führt. Danach ist viel kaputt, auf allen Ebenen und es ist schwierig und teuer, das wieder einigermaßen zu reparieren.
Mein Bruder ist einer von denen, die den Auftrag haben hier ein kleines Stückchen mitzuwirken. Er organisiert den Ausbau der bosnischen Polizeiakademien, die vom ziemlich deutlichen Chaos in eine einigermaßen sinnvolle Struktur mit erkennbaren Qualitätsmaßstäben gebracht werden sollen. Kein leichter Job in diesem Land und es wird sich erst herausstellen, wie erfolgreich das Projekt ist.

Sein Haus ist jedenfalls sehr schön und gehört Mirela, die es an meinen Bruder vermietet hat. Ihr Mann ist aus Innsbruck, ihr Bruder Tarek hilft das Haus und das ebenfalls ihnen gehörende Nachbarhaus zu verwalten. Der Vater der beiden wurde im Krieg von einem „Sniper“, also einem Scharfschützen erschossen. Mirela war damals 13 und ihr Bruder 10 Jahre alt. Die meisten dieser Scharfschützen gab es bei der „Sniper Alley“, dem großen Boulevard entlang des Flusses. Wer ihn überqueren wollte, hatte über mehrere Jahre eine gute Chance erschossen zu werden. Brot kaufen gehen oder den Schwager besuchen war eine lebensgefährliche Angelegenheit.
Mirela erzählt uns ein bisschen was aus dieser Zeit, etwa als sie von serbischen Panzerfahrern Zuckerl und Schokolade bekam und drei Tage später miterleben musste, wie genau diese Panzer die Stadt beschossen.
Sie erzählt aber auch von den Menschen, die im Krieg flohen, in Deutschland Karriere machten, jetzt mit dem fetten Mercedes zurück kommen und großmäulig damit prahlen, wie toll sie sind. Das kommt nicht gut an bei denen, die damals geblieben sind und heute mit mehr oder weniger Armut kämpfen, meint sie.

Glücklicherweise sind Mirela und Tarek sehr lebensfroh und organisieren an diesem Abend eine Grillerei, zu der auch noch drei Kollegen meines Bruders eingeladen sind.
Zuvor fahren wir jedoch noch einmal Richtung Flughafen um einzukaufen. In Sarajevo gibt es eine Menge Einkaufscenter und wie bei uns liegen die meisten davon am Rande der Stadt. In einem davon kaufe ich die ersten Converse meines Lebens, die sich als exzellenter Kauf herausstellen und mich die nächsten Tage gut durch die Stadt tragen.
Auch eine unglaublich gute Zuckermelone und Gemüse können wir bei einem kleinen Stand neben dem Supermarkt erstehen, denn ich möchte heute Abend den Salat zum Grillfleisch zubereiten.

In unserem Nachbarhaus wohnen arabische Familien, die aber nur für kurze Zeit in Sarajevo sind. Die meisten fahren durch die Stadt bzw. das Umland und kaufen Häuser, manchmal sogar ganze Siedlungen. Ein guter Teil der Flugzeuge kommt aus dem arabischen Raum, speziell aus Dubai.
Den Bosniern gefällt das gar nicht, aber die Araber zahlen gut und das Geld kann man sehr gut gebrauchen.
Sollte Bosnien einmal zur EU kommen, dann sind die Araber automatisch drin. Daher meinen einige Experten, dass man das immer noch unterentwickelte Bosnien schnellstens in die EU holen sollte, um das Tor nicht zu weit aufzumachen.

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Bild 2: Der Blick von der Terrasse hinunter in das Tal mit dem Fluss. Zwischen zwei der Plattenbau-Hochhäusern steht ein Schornstein einer Heizungsanlage. Das rosa Haus rechts gehört Bosniern, die vor dreißig Jahren nach Deutschland ausgewandert sind. Mit dem dort verdienten Geld haben sie sich ein wirklich schönes und großes Haus hingestellt, ein Stock davon ist innen bereits ausgebaut und wird von ihnen ein paar Wochen im Jahr bewohnt. Sie sind schon in Pension und leben den Großteil des Jahres in Deutschland. Das ist für hier gar nicht einmal untypisch.
Das teilweise rostige Dach gehört zu einem Supermarkt, der sich direkt neben dem Haus befindet, klein ist aber 24/7-Öffnungszeiten hat. Das funktioniert hier deswegen so gut, weil Arbeitskraft sehr billig ist. Hundert Meter weiter unten an der Transit-Straße ist die „Pekara Ass“, eine hier bekannte Backwaren-Kette, die ebenfalls rund um die Uhr offen hat. Bei ihr treffen sich die Menschen ähnlich wie bei uns des nächtens in einer Bar.

Die Grillerei am Abend ist ein voller Erfolg. Tarek hat bei einem speziellen lokalen Fleischhauer eingekauft und es gibt bosnische Würstel, Pleskjavica, Cevapcici und Huhn. Dazu ein hervorragendes Fladenbrot (Pita), Ajvar und meinen Salat. Wir essen bis wir fast platzen und wissen: vegetarisch ist nicht bosnisch, ganz und gar nicht.

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Bild 3: Das hervorragende Essen

Das Bier ist aus Sarajevo, die Brauerei liegt fast am Fluss in der Altstadt und erinnert ein klein wenig an die Guinness-Brauerei in Dublin, nur ist sie viel kleiner. Ein guter Slivovic rundet das Gelage ab und wir plaudern noch weit in den Abend hinein. Mein erster Tag zeigt eine sehr positive Bilanz.

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Bild 4: Mein Salat und eine Dose vom leichten, aber trinkbaren Bier

Wieder in Afrika – Tag 17

Die Nacht war wieder heiß und ohne kühlende Brise.
Der letzte Tag bricht an, heute Nachmittag geht es zurück. Einerseits war der Urlaub ausreichend lang, andererseits gilt es jetzt Abschied vom Paradies zu nehmen.
Ich gehe noch einmal zum Strand – wobei, eigentlich gehe ich noch öfter zum Strand, weil erstens sind wir ja eh direkt am Strand und zweitens haben wir noch bis 16 Uhr Zeit, also fast den ganzen Tag.
Dann doch zuerst die Hängematte, noch einmal gut abhängen, den Wellen beim Rauschen zuhören, Sonne und ein wenig Regen genießen, der auf das Makuti-Dach prasselt. Es lebt sich echt nicht schlecht hier, irgendwie ist immer Sommer und die Menschen sind daher das ganze Jahr über freundlich.
Nach dem Frühstück versuche ich noch einmal eine Rückbestätigung für das Ticket zu bekommen. Das braucht man eigentlich nicht mehr, aber mein Bruder hat mir den Tipp gegeben, das trotzdem zu tun.
E-Mails an Precision Air bringen genau gar nichts, die Zeit kann man sich sparen. Zum Glück finde ich eine Telefonnummer und borge mir Pandus Handy aus. Ich erreiche auch tatsächlich eine Mitarbeiterin und kann unsere Flüge rückbestätigen.
Jetzt ist mir wohler und ich kann den letzten Tag besser genießen.

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Bild: Die Ferienhäuser mit ihren Makuti-Dächern

Unser Haus ist das mit dem geflickten Dach. Wie schon beschrieben stehen in der ersten Reihe nur Makuti-gedeckte Häuser von Ausländern, die hier aus Italien, England, Deutschland, Südafrika und Dänemark stammen. Sie wohnen nur eine gewisse Zeit im Jahr hier und viele der Häuser stehen dann monatelang leer, wenn sie nicht – so wie unseres – vermietet werden.

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Bild: Die Mauern als Schutz vor der Küstenerosion sind gut zu erkennen.

Noch einmal ins warme Meer baden gehen und ein wenig am Strand auf und ab marschieren. Ich schaue gerne den Krabben zu, die sich ihre Löcher buddeln. Sie sind extrem scheu und verschwinden bei der kleinsten Bewegung sofort in ihrem Loch. Wenn man eines zuschüttet, ist die Krabbe ohne Deckung und rennt irgendwie davon. Sie rennen ja seitlich und sind sehr flink, lustig zu beobachten.
So vergeht der Tag und als es Mittag wird kaufen sich Thomy und Philipp eine Pizza. Sie schmeckt ungefähr so wie man sich eine Pizza auf Sansibar vorstellt. Wie Lasagne in Schweden. Oder Matjes auf Kreta.

Pandu kommt pünktlich und ist somit sein Geld wert. Wir brauchen nur 57 Minuten bis zum Flughafen und sind dann doch ein wenig traurig, dass wir Abschied nehmen müssen.
Der Flughafen ist winzig und wir müssen hier auch nicht so viele Kontrollen über uns ergehen lassen. Eine genaue gibt es aber schon, und da holen sie die Muschelsammlung von Philipp aus seiner Tasche. Er hat über die Tage leere Schneckenhäuser und Muscheln gesammelt, um sie dann in Wien in ein Gurkenglasl zu geben, einfach als nette Dekoration und Erinnerung.
Das kommt der Dame von der Flughafensecurity seltsam vor und sie bespricht sich mit ihrem Chef. Dann wird entschieden, dass Philipp seine Muscheln mitnehmen darf.

Wir setzen uns in die Abflughalle, die dezent klimatisiert ist. Plötzlich hupft vor uns ein Spatz auf und ab. Er kommt über ein Loch in der Decke in die Halle und fliegt dort nach einiger Zeit auch wieder hinaus. Durch das Loch sieht man verschiedene offene Leitungen, witzigerweise wirkt der Flughafen trotzdem recht gemütlich, vielleicht gerade weil er so heruntergekommen ist.
Es gibt sogar Free Wifi, das aber nur sporadisch funktioniert. Immerhin, besser als gar nicht.
So vertreiben wir uns die Zeit und sind durchaus erstaunt, dass der Abflug fast pünktlich stattfindet. Wir haben nicht die letztmögliche Maschine genommen, damit bei Ausfall (das ist meinem Bruder passiert) immer noch die Option auf die nächste Maschine besteht.
Unsere fällt aber nicht aus und so sind wir nach kurzer Zeit und dem kürzesten Flug meines Lebens (20 min) in Dar es Salaam. Die Turboprop war übrigens von tadelloser Qualität, was man vom Flughafen in Dar es Salaam nicht gerade behaupten kann. So ein Drecksloch habe ich selten gesehen. Zuerst einmal bin ich nur mäßig erfreut, weil mir die Gepäckarbeiter den Leatherman aus dem Rucksack gestohlen haben. Er war zwar nicht ganz neu, aber ich mochte ihn, weil er sehr praktisch war.
Dann wird unser Gepäck beim Verlassen des Flughafens durchleuchtet, was in mir die Sinnhaftigkeitsfrage auslöst. Die verschwindet aber gleich wieder, denn man darf sie in Afrika genau genommen gar nicht stellen.
Wir erfahren, dass es in der Checkin-Halle keinerlei Gastronomie gibt und wir außerdem noch nicht einchecken können, da der Swiss-Schalter noch nicht offen hat.
Also schnappen wir unser Gepäck und betreten die Eishalle einer Fastfood-Kette („Tasty Life“). Das ist irgendwie schlüssig, vor allem für Philipp und Thomy, die ja heute schon mit Pizza begonnen haben. Jetzt gibt es Burger für Thomy und mich und Fried Chicken für Philipp. Das folgende Bild kann zu Recht nicht als Appetizer durchgehen:

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Bild: Fast food ist nirgends toll, auch hier nicht.

Nach einer ziemlichen Tortour beim Bezahlen (mit Kreditkarte, die von Thomy funktioniert, meine und die von Philipp nicht) und einer längeren Wartezeit, die von ziemlichem Frieren aufgrund der Klimaanlage gekennzeichnet ist, bekommen wir unser Essen. Der Burger ist gar nicht schlecht, wobei meine Erwartungen eher unterirdisch daher kamen.

Wir marschieren wieder über die Straße zur Checkin-Halle und durchwandern ein halbes Dutzend Kontrollen. Auch hier müssen wir unsere Fingerabdrücke hergeben und sind froh, dass wir nicht nach der Anzahl der Goldkronen im Mund oder ähnlichem gefragt werden.
Leider ist das Flugzeug vollkommen ausgebucht und ich schaffe es gerade noch einen Gangplatz zu bekommen. Vor dem Langstreckenflug graut mir jetzt schon.
Dann heißt es wieder warten, warten und weiter warten. Irgendwann ist dann Boarding und wir entern die Swiss, die uns nach Zürich bringen soll. Sie startet auch pünktlich um 23:40 Uhr und nach einiger Zeit meldet sich der Kapitän und meint, dass es ein ruhiger Flug wird, allerdings hätten wir starken Gegenwind und er rechnet mit einer Flugzeit von acht Stunden und fünfzig Minuten.
Mich trifft fast der Schlag, ich hatte mit einer Stunde weniger gerechnet. Fast neun Stunden in der Nacht und ich kann im Flugzeug aufgrund der extrem engen Platzverhältnisse eh nicht schlafen, selbst wenn ich hundemüde bin. Na das wird lustig!
Philipp hilft mir mit dem Angebot einer Schlaftablette. Ich habe so etwas noch nie genommen, aber heute ist ein guter Tag um damit anzufangen. Er gibt mir die kleine, blaue Tablette mit den Worten „Hoffentlich hab ich nicht das Viagra erwischt, sonst hast noch weniger Platz.“
Erstaunlicherweise wirkt die Tablette und ich kann sogar mehrere Stunden schlafen, auch wenn es sich nicht gerade um Tiefschlaf handelt.

Bei der Landung geht es mir gut und ich freue mich jetzt schon auf den letzten, kurzen Teil der Rückreise. Auch die Wartezeit in Zürich (2 Stunden) geht vorbei und über den Flug nach Wien gibt es nichts zu berichten.

Als wir ankommen, beschließe ich wieder ein Car2Go zu nehmen, das reicht völlig für Philipp und mich samt unserem Gepäck. Auch das funktioniert hervorragend und so beenden wir den Urlaub gesund und mit einer Vielzahl an tollen Erlebnissen und Eindrücken. Für Philipp waren die Farben am faszinierendsten und ich bin sehr zufrieden, vor allem mit dem Ausflug nach Sansibar, wo ich selbst noch nie war.

NACHTRAG

Precision Air hat bezahlt. Sie haben mir tatsächlich den doppelt gebuchten Flug rücküberwiesen. Die Variante, vor Ort mit den Leuten dort zu sprechen, war scheinbar erfolgreich. Das Geld ist schon eine Woche nach unserer Rückkehr auf meinem VISA-Konto eingetroffen. Precision Air hat uns somit sehr positiv überrascht und genau genommen können wir nichts Negatives über diese Fluglinie sagen.

Wieder in Afrika – Tag 16

Der vorletzte Tag bricht an. Die Luftfeuchtigkeit ist ziemlich hoch, irgendwie klebt alles, das Gewand und das Bett und heute Nacht gab es auch wieder vermehrt Moskitos, von denen einige einen Weg unter das Moskitonetz fanden.
Das Frühstück ist wie immer exzellent und Pandu verspätet sich ein wenig. Thomy möchte gerne einen kleinen Ausflug an die Südspitze von Sansibar machen. Das ist nicht weit und Pandu macht uns einen guten Preis, somit kommt es uns auch nicht teurer als wenn wir zwei oder drei Motorroller mieten und wir müssen uns nicht um die Strecke oder sonstwas kümmern.
Während wir auf Pandu warten unterhalten wir uns mit Asye und ich frage sie, wie das hier auf Sansibar mit den Muslimen so ist. Schließlich ist das die dominierende Religion auf der Insel.
Ihre Antworten und Ansichten sind für mich sehr interessant, weil sie das Bild, das wir von Muslimen haben, doch etwas modifiziert.
Kurz zusammengefasst:
1.) Mohammed hat gepredigt, dass die Kommunikation zwischen Menschen das wichtigste überhaupt ist. Dafür braucht man das Gesicht und die Hände. Deswegen ist es streng verboten diese zu verhüllen.
2.) Den Ramadan als Fastenmonat einzuhalten ist für sie ca. so wichtig wie es das Fasten bei uns ist. Wer es tun will – wunderbar, und wer nicht – auch kein großes Problem. Außerdem sei es jederzeit möglich das Fasten zu unterbrechen wenn man a.) krank oder b.) auf Reisen oder c.) schwanger oder d.) stillend ist oder sonst einen wichtigen Grund hat.
3.) Es ist vollkommen schwachsinnig Frauen das Autofahren zu verbieten, denn es gibt genügend Gelegenheiten, bei denen es notwendig ist, dass eine Frau das Autofahren beherrscht, etwa wenn der Mann einen Unfall hat und verletzt ist oder krank oder aus sonst einem wichtigen Grund. Dass Frauen das in Saudiarabien nicht dürfen, wusste sie nicht, findet es aber absolut daneben.
4.) Koran und Bibel sind für sie ursprünglich fast ident. Daher gibt es eigentlich keinen Grund Christen irgendwie abzulehnen oder abzuwerten.
5.) Im Koran steht, dass jeder Mensch die Pflicht hat seinem Nachbarn zu helfen, wenn dieser Hilfe nötig hat. Welchen Glauben der Nachbar hat, ist absolut egal.

Das klingt für mich alles recht vernünftig. Ich frage Asye dann noch, warum es auch in Sansibar Frauen gibt, die sich das Gesicht verhüllen (übrigens ähnlich viele wie bei uns, vielleicht einen Hauch mehr).
Sie meint, dass diese Frauen entweder leicht irre wären oder etwas Böses im Schilde führen und daher nicht erkannt werden wollen. Sonst gibt es für sie keinen Grund das zu tun.
Die Haare hat Asye allerdings auch bedeckt, das ist hier einfach Tradition und daher mache sie es. Junge Mädchen unterliegen keinerlei Bekleidungsvorschriften, erst ab der Geschlechtsreife.

Auch Juma ist schon aktiv und plant für heute eine Radtour mit einem Haufen Buben aus dem Dorf, die allesamt sehr motiviert erscheinen.

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Bild: Die Bubenpartie, die von Juma mit Helmen und anderer Ausrüstung ausgestatten werden.

Pandu taucht auf und wir starten unsere Tour. Sie führt uns an der Hauptstraße an dem mehrere Kilometer langen Ort Jambiani vorbei in den Süden. Pandu berichtet, dass jetzt immer mehr Plots verkauft werden, es entstehen neue Hotels und Ferienanlagen, aber auch Politiker aus der Hauptstadt würden sich hier das eine oder andere Haus bauen lassen.
Wir kommen in ein größeres Dorf an der Südspitze. Hier gibt es auch die berühmte „Dolphin Bay“, in der man Delphine besichtigen kann. Kaum sind wir aus dem Auto ausgestiegen, kommen auch schon mehrere junge Männer auf uns zu und wollen uns eine Delphin-Tour verkaufen. Gerade heute wäre es günstig und man könnte die Delphine tatsächlich sehen.
Wir lehnen dankend ab und besichtigen die für mich wesentlich interessantere Attraktion, einen riesigen Baobab-Baum.

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Bild: Durchmesser wie ein kleines Haus – der größte Baobab, den ich je gesehen habe.

Er ist unfassbar majestätisch und es ist Zeit für einen kleinen Exkurs über diesen phantastischen Baum.

Exkurs: Baobab – einer der afrikanischen Wunderbäume
Dieser Baum ist erstaunlich:
• Er wächst in verschiedensten Klimaten, meist jedoch tropisch
• Er wird bis zu 2.000 Jahre alt
• Er beherbergt jede Menge Leben, auf ihm, in ihm und um ihn herum, eine Art Mini-Universum.
• Er ernährt seine Umgebung und kann bis zu 140.000 Liter Wasser speichern
• Er erholt sich auch von argen Strapazen wie Elefanten-Angriffen
Ein paar Einzelheiten: (Quelle: www.safari-afrika.de/html/baobab.html)
Der Baobab kommt südlich der Sahara in ganz Afrika vor. Er ist die charakteristische Baumart der Trockensavannen, ist aber auch an der Küste und in Brackwassergebieten genauso anzutreffen wie in Höhenlagen bis zu 1500 m. Entsprechend seiner geografischen Herkunft kann er unterschiedlich in Form und Aussehen sein. In Regionen, in denen es jährlich kaum zu Niederschlägen kommt, kann er problemlos überleben, da er im adulten Stadium bis zu 140 000 Liter Wasser in seinem Stamm speichern kann. Somit ist er ein riesiges Wasserreservoir in der Trockenzeit für Mensch und Tier – quasi Ernährer und Lebensspender für seine Umgebung. Sein Holz ist daher auch als Brennholz völlig ungeeignet und sein schier unverwüstlicher Stamm widersteht sogar die Buschbrände fast unbeschadet. Ökologisch betrachtet ist diese Eigenschaft auch sein Bestandsschutz vor dem Raubbau der Menschen ihn als Brennholz zu verwenden. Bei einem mächtigen Stammumfang von bis zu 35 Metern und einer Höhe von bis zu 20 Metern käme eine Menge Holz zusammen. Mit diesem Maßen gehört der Baobab zu den mächtigsten Baumarten Afrikas.
Der sagenumwobene Baobab ist Afrikas Lebensbaum und Mythos zu gleich. Im Senegal ist er deshalb nicht ohne Grund auch im Wappen vertreten. In Kenia, Gambia und Senegal stehen noch viele Baobabs, die als Keimling heranwuchsen, als das Römische Reich in der Antike noch die Welt beherrschte. (der Baobab hat somit ein sehr langes Leben, geht also mit sich selbst sorgfältig um und hat die Langfristigkeit quasi in seiner Struktur).
In vielen Regionen ist er ein wichtiger Wasserspender und Rohstofflieferant für den täglichen Gebrauch. Seine zarte Rinde kann genutzt werden und wächst schon in kurzer Zeit wieder nach. Aus seinen Früchten kann man Heilmittel erzeugen und für die einheimischen Kinder ist die Baobabfrucht auch der Bonbon-Lieferant. Auf den Märkten in Dakar, Banjul und Mombasa kann man diese erwerben. Als Holz zum Kochen ist er durch seinen hohen Wassergehalt nicht geeignet. Die Rinde wird verwendet um Schnüre und Seile zu machen. Darüber hinaus werden daraus Netze, Matten, Gewebe, Hüte, Kanus, Tabletts, Kisten, Körbe und Papier gemacht. Die Asche der Rinde kann man noch als Dünger benutzen, und manche machen sogar noch Seife daraus. Die jungen Triebe und Blätter werden gegessen. Aus den gerösteten Samen und wird Kaffee gemacht und aus dem fleischigen Teil des Samens Bier, und man kann daraus auch Öl gewinnen.
Wie schon erwähnt, ist der Baobab von der Sahelzone in Westafrika über Zentral-, Ost- und Südafrika verbreitet, doch so viele Baobabs wie in Senegal gibt es fast nirgends. Ganze Baobab-Wälder befinden sich im senegalesischen Hinterland der Petite Côte, in der Region Kaolack sowie an der Strecke Kaolack – Tambacounda. Für jeden Senegalreisenden sind diese Regionen von besonderer Bedeutung, wenn man den Mythos Baobab erleben will. Auch in Kenia kann man in der Region um Mombasa stattliche Baobab-Exemplare sehen. So zum Beispiel den Kenyatta-Baobab bei Ukunda. Er ist ein mächtiger Baum von dem man fast annehmen könnte, dass er aus mehreren zusammengewachsenen Baobabs besteht. Doch der Schein trügt, der Kenyatta-Baobab ist nur ein Baum, benannt nach dem Staatsgründer der Republik Kenia. Wer also seinen Urlaub an der schönen Südküste Kenias verbringt, sollte unbedingt den Baobab bei Ukunda besuchen.

Mythen, Sagen und Legenden
Da die Menschen in Afrika den Baobab so vielseitig nutzen, ist es nicht verwunderlich, dass man sich vieles erzählt. Auch durch seine Heilkräfte und dem eigentümlichen Wuchs des Baumes gibt es viele Geschichten und abergläubische Weisheiten, die auf dem ganzen afrikanischen Kontinent berichtet werden.
Nach einer senegalesischen Redensart ist der Baobab unzerstörbar, je mehr man ihn auch verletzt und verstümmelt, er gräbt seine Wurzeln noch tiefer und fester in die Erde ein. Auf dem Lande erzählt man sich, dass man kein Land verkaufen darf, wo ein Baobab wächst. Er sei ein gutes Omen. Eine Legende berichtet, dass man von einem Löwen verschlungen wird, wenn man unvorsichtig ist und eine Blüte vom Baum pflückt. Eine Weisheit besagt, dass das Wasser, in dem die Samen des Baumes eingeweicht und umgerührt werden, als Schutz gegen Angriffe von Krokodilen wirken. Eine andere Weisheit besagt, wer einen Aufguss der Rinde trinkt, wird groß, stark und mächtig.
Die größte und bedeutendste Legende erzählt aber die Geschichte, wie der Baobab zu seinem Aussehen kam. Einst war der Baobab ein Baum wie jeder andere, aber er wollte anders sein und bat die Götter um mehr Platz zum wachsen. Der Wunsch wurde ihm erfüllt und er bekam seinen Platz in der Savanne. Wenige Zeit später hatte der Baobab erneut einen Wunsch. Jetzt wollte er einen mächtigeren Stamm haben um sich von jedem anderen Baum zu unterscheiden. Auch dieser Wunsch wurde erfüllt. Aber auch das reichte noch lange nicht aus und seine Wünsche wurden größer. Jetzt wollte er eine weiche und zartere Rinde haben und samtartige Früchte tragen. Auch dieser Wunsch wurde von den Göttern erfüllt. Doch die Wünsche nahmen kein Ende und der Baobab überspitzte jetzt seine Forderungen nach goldenen Blüten, um sich von allen Bäumen in der Savanne hervorzuheben. Jetzt zog sich der Baobab den Zorn der Götter zu sich und sie rissen ihn aus der Erde und setzten ihn verkehrt herum wieder ein. Von nun an schwieg der Baobab und hatte keine Wünsche mehr. Bis zum heutigen Tage können wir den Baobab beobachten, wie er sein bizarres Wurzelwerk in die Luft streckt.

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Bild: Hier der Baum in seiner ganzen Pracht. Leider gibt es davon nur ganz wenige. Und wir erleben ihn mit Blättern, was ich vorher noch nie gesehen habe.

Wir fahren weiter, durch eines der wichtigsten Dörfer der Südküste und Pandu gerät ins Schwärmen. Er berichtet wie enorm fruchtbar es hier ist und dass die Menschen ihr Dorf ständig weiterentwickeln würden. Viele Politiker kämen von hier, denn vor dreißig Jahren wurde an dieser Stelle eine Schule gebaut und das wirkt sich jetzt aus.
Die Insel ist übrigens punkto Nahrung Selbstversorger, Exportschlager sind vor allem Maniok-Knollen und Nelken. Leider gibt es wie überall so auch hier Korruption und Vetternwirtschaft.

Wir halten bei einer Frau, die aus zwei Bottichen Fische verkauft. Pandu kauft ein paar Thunfische für seine Familie und ein paar Freunde, die ihn darum gebeten haben. In Jambiani würden derzeit keine verkauft werden und deswegen würde er die Chance gleich nützen, meint Pandu.
Uns kommt eine Idee. Wir wünschen uns seit Tagen einen ganzen, großen, schönen Fisch, aber kein Restaurant konnte oder wollte uns das anbieten. Und hier gibt es auf einmal die Gelegenheit genau so einen zu kaufen.
Wir fragen Pandu ob uns Asye am Abend kochen würde – schließlich hat sie ja einen kleinen Sohn und es ist nicht sicher, dass sie eine Abendschicht einlegen möchte.
Pandu ruft sie an und sie ist einverstanden: ein ganzer Thunfisch mit einheimischem Gemüse bis wir platzen. Der Deal steht und Pandu kauft einen wunderschönen Thunfisch, der genau die richtige Größe für uns drei hat. Er kostet umgerechnet 2,80- Euro. Unglaublich, wenngleich Pandu diesen Preis bekommen hat, aber selbst etwas teurer wäre das noch spottbillig.

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Bild: Frische Thunfische, in der Nacht zuvor aus dem Meer gefischt.

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Bild: Leider wird hier auch an den Riffen gefischt, und zwar so, dass Riff-Fische herausgezogen werden. Das ist bei dem ohnehin schon stark gestörten ökologischen Gleichgewicht auf den stark unter Druck stehenden Riffen eine Katastrophe. Hier sehen wir Papageifische, die für den Großteil des Meeressandes verantwortlich sind. Sie brechen mit ihren scharfen Schnäbeln, die wie Papageischnäbel aussehen (daher ihr Name) Korallenstücke ab, zermahlen sie, verdauen die Nährstoffe und scheiden den Korallensand wieder aus. Als Taucher sieht man oft Papageifische vorbei schwimmen, die gerade eine Fontäne Sand hinten rauslassen.
Ohne Papageifische kein Sand, ohne Sand keine Strände und ohne Strände kein Schutz der Küsten – so einfach ist das.

Wir fahren zurück nach Jambiani und freuen uns, dass der Ausflug so erfolgreich war. Pandu zeigt uns noch einen schönen Baobab in Jambiani, der auch sehr toll ist, aber nicht vergleichbar mit dem anderen.
Als wir aussteigen, sind sofort ein paar Kinder da. Sie rennen hier den ganzen Tag irgendwo herum und spielen mit allem, was sich zum Spielen anbietet. Und wie alle Kinder dieser Welt sind sie neugierig und fangen sofort an uns anzustaunen, anzulächeln und anzugrapschen. Manche von ihnen sind gut angezogen, andere rennen in Lumpen herum, alle aber sind sehr fröhlich und freundlich. Sie freuen sich über „Sweets“ wenn wir welche haben und wenn nicht, dann ist es auch gut.

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Bild: Ein kleiner Bub in Jambiani

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Bild: Drei kleine Mädchen beim Baobab-Baum in Jambiani. Sie schneiden Grimassen und lachen die ganze Zeit.

Als wir zurück sind, macht sich Asye sofort an die Arbeit, und uns rinnt bereits jetzt das Wasser im Mund zusammen. Sie ist eine tolle Köchin und tatsächlich zaubert sie uns das hin, was wir in den Restaurants gerne gehabt hätten: Gewürzreis, Gemüse und exzellenten Fisch in mehreren Zubereitungsvarianten.
Vollkommen satt genehmigen wir uns noch einen guten Drink oder zwei und genießen den letzten Abend hier im Paradies.

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Bild: Das köstliche Abendessen von Asye

Wieder in Afrika – Tag 15

Pandu ist tatsächlich relativ pünktlich, denn wir planen um 10 Uhr zu einer Spicefarm zu fahren. Es gibt auf der Insel nur wenige Straßen, die Hauptstraßen sind sehr gut in Schuss und wir kommen flott voran, wenngleich Pandu generell einen sehr gemächlichen Fahrstil hat. Was mich ein wenig nervt ist die ständige Blinkerei. Immer wenn etwas entgegen kommt, blinkt Pandu. Er möchte damit hinter ihm fahrende Autos darauf aufmerksam machen, dass sie jetzt nicht überholen können. Das klingt einigermaßen vernünftig und passt irgendwie auch zum Stil des hiesigen Fahrens.

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Bild: Die Straße führt durch sehr fruchtbares Gebiet

Pandu blinkt aber auch, wenn hinter uns gar niemand ist. Er macht das aber sehr bewusst und akribisch und irgendwie macht mich das ein bisschen fertig.
Es gibt wohltuend wenig Autoverkehr auf der Insel, die meisten fahren mit LML-Rollern und oft wartet jemand am Straßenrand darauf, dass er mitgenommen wird.
Pandu meint, ca. 60% der Autofahrer haben gar keinen Führerschein. Da aber alle recht vorsichtig fahren, gäbe es eher wenig Unfälle. Wir wollten uns ja auch Roller ausborgen und ich hatte sogar einen Helm mit, es wurde aber nichts daraus, weil wir dafür einen internationalen Führerschein bräuchten, den Thomy und Philipp nicht haben. Es wäre ohnehin nur mäßig lustig gewesen, denn die Straßen geben nicht wirklich was her, und man hat überall Polizeikontrollen.
Pandu ist ja ein mehr als nur gemäßigter Salafist, auch sein sehr dezenter Bartwuchs lässt vielleicht nur dezente Radikalität zu. Das trifft auch auf seinen Fahrstil zu.
Wir fahren an 200 Jahre alten Mangobaum-Alleen vorbei und sind nach ca. einer Stunde Fahrzeit bei der Spice Farm. Es gibt davon eine ganze Menge und Pandu führt uns zu einer seiner Wahl. Da wir erstens den Unterschied zu anderen nicht kennen und ihm außerdem vertrauen, passt das sehr gut.
Es gibt private und staatliche Farmen, unsere ist eine Touristen-Farm, wo zwar auch Gewürze für den Verkauf erzeugt werden, das Geschäft aber in erster Linie auf Besichtigungen bzw. Vorführungen ausgelegt ist. Der Staat hat übrigens das Monopol auf Gewürznelken, die für den Export bestimmt sind und für den Export ganz generell.
Empfangen werden wir von „Mr. Spice“, wie ihn uns Pandu vorstellt (wahrscheinlich heißen die alle Mr. Spice). Sein Vater begründete die Farm 1972 und heute führt er sie als Familienbetrieb.
Die Tour selbst ist sehenswert, wir werden von einer Pflanze zur anderen geführt und Mr. Spice lässt uns raten, worum es sich jeweils handelt. Ich errate recht viel, aber auch für Thomy und Philipp ist die Tour sehr interessant. Thomy arbeitet ja in einer Gewürzfirma und sieht hier zum ersten Mal wie die Pflanzen der Gewürze aussehen, die sie in die Firma geliefert bekommen.
Wir bekommen so viele verschiedene Früchte und Gewürze präsentiert, dass ich sie weder alle fotografieren konnte noch kann ich sie jetzt hier aufzählen oder beschreiben. Ein paar davon darf ich als Beispiel präsentieren.

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Bild: Die tollste Frucht ist „Mangostan“, die ich bisher so überhaupt nicht kannte. Sie hat nichts mit Mangos zu tun, sondern sieht eher aus wie mehrere Lychis ineinander. Der Geschmack ist sensationell, leicht säuerlich und mir vollkommen unbekannt.

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Bild: Hochinteressant ist auch der Zimtbaum. Unter anderem wird hier die Rinde verwertet. Es wird jeweils ein Drittel heruntergeschnitten, dadurch überlebt der Baum und die Rinde wächst wieder nach. Es sind übrigens alle Bäume, die interessante Früchte haben, auch ausgesprochen attraktiv anzusehen.

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Bild: Vanille ist eher rar und unglaublich aufwändig in der Erzeugung. Mr. Spice erklärt uns genau wie die unzähligen Arbeitsschritte ablaufen.

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Bild: Eines meiner Lieblingsgewürze ist Kardamon. Er wächst auf unscheinbaren Sträuchern als Kapseln knapp über dem Boden. Sehr interessant.

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Bild: Das ist die Brotfrucht, die hier tatsächlich als Brot verwendet wird. Bei uns ist sie vollkommen unbekannt und man bekommt sie auch in exotischen Läden nicht zu kaufen.

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Bild: Besonders schön sind Muskatnüsse.

Als Abschluss der Tour bekommt jeder von uns ein Armband und eine Krawatte, die vom Assistenten aus Palmblättern geflochten werden. Wir bekommen außerdem ein erstklassiges Mittagessen in einer Art kleiner Halle serviert, Am Boden sitzend essen wir verschiedene Gewürzreisgerichte mit einem Gemüse, von dem ich noch nie auch nur gehört habe. Dazu gibt es Thunfischfilets und Mineralwasser.

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Bild: Das Mittagessen

Es ist das beste Essen des Urlaubs, jeder Bissen eine Geschmacksexplosion und gesund obendrein. Genau das würde ich in Jambiani auch gerne essen, da könnte ich auf all die Calamari fritti und Pommes locker verzichten.
Leider gibt es das nur hier, es ist einheimisches Essen, in dem Sinn nichts besonderes, günstig und gut zugleich. Mir ist unbegreiflich, warum wir das in Jambiani nicht bekommen können, in keinem der Restaurants.
Möglicherweise ist es so wie an vielen Orten dieser Welt, an denen die Touristen das Sagen haben, denn die meisten haben Angst vor allem, was nicht wie daheim schmeckt. Daher wollen Sie Schnitzel und Burger und Pommes und bekommen sie auch. Was ihnen entgeht, erfahren sie meistens nie.

Wir fahren gut gesättigt weiter, nachdem wir uns eine knappe Stunde auf den Palmblättermatten ausgestreckt und dem gerade niederprasselnden Regenschauer zugehört haben. Jetzt geht es nach Stonetown, der zweiten Attraktion Sansibars.
Die Fahrt dauert nicht lange, da wir uns sowieso schon im Norden der Insel befinden. Nachdem Thomy es strikt ablehnt einen Führer zu nehmen und die Altstadt unbedingt alleine erkunden will, machen wir mit Pandu aus, dass er uns in zwei Stunden wieder abholt.
Es ist superheiß und wir starten in die schattigen Gassen von Stonetown. Hier wurde Freddy Mercury geboren (er hieß eigentlich Farrokh Bulsara), damals war die Insel noch das Sultanat Sansibar, später wurde es dann von Tansania annektiert.
Ein klein wenig erinnert die Stadt an Venedig, ist aber natürlich noch deutlich exotischer und vor allem viel lebendiger, da sie ganz normal bewohnt wird, Venedig hingegen fast schon ein reines Museum ist.
Also ziehen wir los und lassen uns einfach durch die Gassen treiben. So richtig friedlich durchwandern kann man nicht, denn ständig kommen Mopeds, Roller und Motorräder durch die engen Gassen und man muss auf die Seite springen. Fahrverbote gibt es nicht oder sie werden nicht eingehalten, ähnlich halten es die Menschen auf Sansibar mit der Helmpflicht.

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Bild: Gasse mit Roller – aber auf dem Bild sind auch die Balkone gut zu sehen, die es fast überall gibt. Sie sind oft aufwändig gestaltet und passen gut in das Stadtbild.

Alles, was mit Vorschriften zu tun hat, wird hier lockerer gesehen als in Europa, viel lockerer. Das nächste Bild zeigt die elektrische Anlage an einem Häusereck in Stonetown.

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Bild: Für jeden Elektriker schöner als jeder Horrorschocker

Die Stadt ist natürlich gewachsen, verwinkelt und sehr authentisch. Alt trifft neu und man merkt, dass es sich nicht um ein Museum handelt.

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Bild: Irgendwo in Stonetown – uralte Häuser, dazwischen eine Wassertonne und ein modernes Auto.

Aber es wird nicht alles dem Zufall überlassen, es gibt Planung und staatliche Stellen, die sich um die Erhaltung der Altstadt kümmern. Das zeigen etwa die Kanaldeckel wie der folgende:

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Bild: Die „Stonetown Erhaltungs- und Entwicklungsbehörde Sansibar“ – es dürfte sie wirklich geben.

Die Stadt spiegelt ihr eigenes Image wieder – leicht geheimnisvoll, eine Mischung aus orientalisch und afrikanisch, traditionell, ein wenig verträumt, vielseitig und alt. All das stimmt irgendwie und gibt in seiner Mischung der Stadt ein gewisses Flair, das man erleben kann, wenn man sich nicht dagegen sträubt. Ein Symbol der Vergangenheit ist das alte Fort, das seinerzeit wohl zur Verteidigung gedient hat.

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Bild: Ein Blick auf das alte Fort

Es gibt aber nicht nur alte Steine in Stonetown. Moderne und teure Hotels, die aber so gebaut wurden, dass sie stilistisch nicht negativ auffallen, zumindest von außen. Und es wird renoviert, wenn auch auf die afrikanische Art:

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Bild: Ein Haus wird renoviert. Das dazu gehörige Gerüst würde bei uns sofort zu einem Großeinsatz der Feuerwehr führen, zur Sperrung einer ganzen Straße und zu einer Lawine von Anzeigen. Hier ist das alles ganz normal.

Da die Stadt natürlich gewachsen ist, sind ihre Gassen sehr verwinkelt und da wir keinen Führer haben, gehen wir hin und wieder im Kreis. Dann hilft es einen Einheimischen zu fragen, wo denn etwa der Weg zu der großen Kirche ist, die wir suchen. Dann hat man eine gute Chance eine Zeit lang das Kreisen fortzusetzen, denn die Antwortkombi „da vorne links, dann rechts, wieder links und dann seht ihr sie eh schon“ führt genau irgendwo hin, aber nicht zum gewünschten Ort. Wir hatten aber den Eindruck, dass sich die Leute ehrlich bemühen uns den richtigen Weg zu erklären. Geschafft hat es dann eine Amerikanerin, die uns die richtige links-rechts-Kombination verraten hat.
Dazwischen spazieren wir durch Gassen, die Touristenshops enthalten. Das Angebot entspricht mehr oder weniger dem vom Blue Market in Nairobi, nur steht auf den T-Shirts halt „Sansibar“ und nicht „Kenya“. Ich kaufe mir eine kleine Schatztruhe aus Ebenholz um freundliche zehn Euro, was mich eine Viertelstunde feilschen kostet und ein paar Nerven von Thomy, der weiterziehen möchte.

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Bild: Geschäfte gibt es nicht überall, aber in ausreichender Menge um daran nicht wirklich vorbeigehen zu können.

Das nette an Stonetown ist vor allem, dass man den Eindruck bekommt, dass sich die Stadt selbst nicht so wichtig nimmt. Sie ist ein ganz normaler Ort zu leben und daher gibt es auch schönere und weniger schöne Ecken. Etwas Besonderes sind jedoch die Türen, die seit Ewigkeiten aufwändig geschnitzt werden und zu den Sehenswürdigkeiten gehören, die in keinem Reiseführer fehlen und einen guten Teil des Images von Sansibar ausmachen.

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Bild: Eine der verzierten Türen. Sie sind nicht alle in gutem Zustand und auch nicht alle gleich aufwändig, aber sie gehören zum Bild der Stadt untrennbar dazu.

Weniger schön sind die Häuser, die krampfhaft versuchen modernen Komfort mit traditionellem Aussehen zu verbinden. Das wirkt gekünstelt und schlicht und einfach schiach:

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Bild: Ein Gebäude, das mit Plastikfenstern versucht alte Fenster nachhzuahmen. Dazu die Geschwüre der Klimaanlagen.

Das wichtigste der Stadt sind jedoch ihre Menschen. Sie machen Stonetown erst lebendig und bunt und vielfältig. Als wir um eine Ecke biegen kommen uns drei junge Damen entgegen, die Rollen in der Hand tragen. Aus irgend einem Grund spreche ich sie an, was mir in dieser Sekunde als Wagnis vorkommt, denn erstens wissen wir nicht, ob das erlaubt ist, und zweitens kann ich nicht abschätzen, wie sie reagieren werden. Egal – ich frage sie, was die Rollen bedeuten und sie antworten sehr offen und freundlich, dass sie gerade ihren Abschluss einer Hochschule gemacht hätten. Ich beglückwünsche sie dazu und sie haben eine Riesenfreude.

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Bild: Als die drei weiterziehen mache ich noch ein schnelles Bild. Sie ganz normal zu fotografieren hab ich mich nicht getraut.

An dieser Geschichte können wir selbst den Kulturunterschied erkennen, aber auch, wie schnell man ihn zumindest teilweise überwinden kann. Die Brücke, die ich zu den drei jungen Damen geschlagen habe, war schmal und nicht belastbar, aber sie war da.
Leichter ist der Kontakt zu den Kindern. Es gibt sie hier in größerer Zahl und wie auf Sansibar scheinbar üblich, rennen sie hier einfach herum, stets auf der Suche nach etwas Neuem bzw. ein wenig Spaß.

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Bild: Die Kinder in Stonetown sind genauso süß wie sonst überall. Sie sind nicht verschreckt und fangen sofort an Grimassen zu schneiden und herumzutanzen, ganz wie Kinder eben. Und sie betteln nicht, wenngleich sie natürlich etwas nehmen, wenn man es ihnen gibt. Sobald sie alt genug sind, um alleine gehen zu können, sind sie auf der Straße und begleiten ihre älteren Geschwister.

Es ist sehr heiß und wir rennen schon seit gut 1,5 Stunden ohne Pause durch die Altstadt. Da kann ein kühler Drink nicht schaden und wir schlagen uns zum Meer durch, denn die Strandpromenade ist nett und dort finden wir auch ein Lokal mit ein paar Plätzen. Ich bestelle ein „Soda“ – so heißen alle klassischen Limonaden, meist mit einer Unmenge an Zucker, weswegen sie wahrscheinlich so beliebt sind.
Mein Soda ist mit Tamarindengeschmack und wird wie so viele dieser Produkte von Coca Cola erzeugt.

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Bild: Cola, nur mit anderem Aroma

Wir hängen ein wenig an der Promenade herum und beobachten drei Ausflugsschiffe, die sich dem Hafen nähern. Ihnen entsteigt eine Unmenge an Pauschaltouristen, die meisten glaube ich Italiener. Sie mieten als große Gruppe so ein Schiff und fahren damit zur Sandbank hinaus, die zwischen Ufer und Riff entstanden ist. Sie ist nicht permanent, als Ausflugsziel aber scheinbar sehr geschätzt.
Wir machen uns langsam auf den Weg zum Treffpunkt, wo Pandu auf uns warten soll. Ach ja – Katzen gibt es auch auf Sansibar und sie sind so entspannt wie die Menschen.

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Bild: eine Katze am Motorroller, nicht sehr schreckhaft.

Pandu ist pünktlich und verlässlich und so machen wir uns wieder auf den Weg nach Jambiani, voll mit einer Menge toller Eindrücke und Erlebnisse. Auf der Fahrt sehen wir LKW mit Korallenblöcken. Pandu bestätigt meinen Verdacht, dass hier sehr viel mit solchen Blöcken gebaut wird. Das gefällt mir nur bedingt, weil die Korallenriffe sind der Schutz der Insel und ich kann mir nicht vorstellen, dass die „Ernte“ dieser Blöcke sich auf uralte und abgestorbene Korallen in unwichtiger Lage beschränkt.

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Bild: Lastwägen mit Korallenblöcken als Baumaterial.

Nach einer unspektakulären Rückfahrt kommen wir am späteren Nachmittag wieder in Jambiani an und können den Rest des Tages noch nützen um ein wenig schwimmen zu gehen oder ein gutes Buch zu lesen.
Als der Abend hereinbricht machen wir uns wieder auf die Suche nach einem guten Restaurant. Die Wahl fällt auf das „Sea View“, das sich als nicht besser oder schlechter als die anderen herausstellt. So gutes Essen wie zu Mittag werden wir wohl nicht mehr bekommen.