Wieder in Afrika – Tag 9

Auch in dieser Nacht gab es wieder extrem starken Tau, der jedoch durch die ersten Sonnenstrahlen sofort auftrocknet. Als ich gähnend die Fahrertüre vom Toyota öffne, entdecke ich Kacke auf der Motorhaube. Da in der Nacht keine Paviane unterwegs sind, die Kacke aber sehr nach Affenscheiße aussieht, bleibt es ein Rätsel, welches Tier in der Nacht unser Fäkalgast war.
Thomy kocht uns ein ordentliches Power-Frühstück mit geschätzten 100 Eiern, ich koste ihn dafür seinen letzten Nerv mit meiner Toastbrotbraterei. Noch bevor wir fahren taucht plötzlich Salomon auf. Er hat eine alte klapprige Geländewagenkiste, deren Motor er nie abstellt, weil der Starter kaputt ist. Ich bilde mir ein, dass das vor zwei Jahren auch schon war, bin aber nicht allzu erstaunt. So ist Afrika.
Salomon kassiert Länge mal Breite, er ist sicher der bestverdienende Maasai in der Mara, Dank der verrückten Schwarz-Familie. Trotzdem ist uns dieser unglaublich schöne Platz in der Wildnis das Geld wert.

Heute geht es wieder über die Plains zum Talek, wo wir unser Glück bei einer Furt versuchen wollen, die wir gestern schon besichtigt haben. Das mit den Furten ist so eine Sache, denn es bleibt immer ein gewisses Restrisiko, weil der Fluss kein statisches Flussbett hat. Es kann passieren, dass er eine Vertiefung auswäscht, in die man mit dem Auto einfach hineinfällt, weil das Wasser ist braun und somit undurchsichtig. Deswegen sind die meisten Furten auch dort angelegt, wo es felsigen Untergrund gibt und die Gefahr des Ausschwemmens geringer ist. Wir schauen auch meistens darauf, dass bereits Spuren von anderen Fahrzeugen vorhanden sind. Das ist auch keine Garantie, macht die Sache aber einen Deut sicherer.

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Bild: Eine der Furten durch den Talek

Wo es viel Wild zu sehen gibt lässt sich nicht vorhersagen. An diesem Tag sehen wir enorm viele Tiere schon auf unserer Seite des Talek. Wir bleiben einfach stehen, schalten den Motor ab und genießen eine Viertelstunde lang die Szenerie. Rund um uns sind friedlich grasende Tiere, hin und wieder blökt eine Antilope, ansonsten hört man nur den Wind, der durch das Gras pfeift. Das sind genau die Momente, die mich und andere dazu bringen immer wieder hierher zu kommen. Vergleichbares habe ich noch nie woanders erlebt.

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Bild: Eine Maasai-Giraffe. Sie hat handförmige Flecken und sieht anders aus als die Netzgiraffe, die es im Nakuru-Park gibt.

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Bild: Sie gehören zwar nicht zu den „Big Five“, sind aber trotzdem sehr beeindruckende Tiere.

Der Talek ist noch ein wenig gesunken und wir befinden, dass eine gefahrlose Überquerung möglich ist. Auf der anderen Seite verändert sich die Landschaft, die Hügel sehen anders aus und wir sind enttäuscht, dass sich hier wesentlich weniger Wild befindet. Salomon hat uns erzählt, dass es herüben jede Menge Löwen gäbe und natürlich wollen wir welche sehen, vor allem wegen Philipp, der noch nie in seinem Leben einen Löwen gesehen hat.
Wir fahren auf einen langgezogenen Hügel hinauf, auf dem ich selbst auch noch nie war. Auf der anderen Seite kann man die Parkgrenze erblicken und dahinter quasi die Zivilisation. Glasscheiben und Wellblechdächer blinken im Sonnenlicht und der Unterschied zum Park ist auf den ersten Blick klar zu erkennen. Gäbe es die Nationalparks nicht, wären bereits alle Wildtiere aus Afrika verschwunden.
Auf einem Ast eines großen Baumes sehen wir die Reste einer Antilope – eine typische Leopardenbeute. Den Leopard selbst bekommen wir nicht zu Gesicht, dieses Glück hat man leider extrem selten.
Dann kommen sie uns entgegen – Mr. und Mrs. Großwildjäger. Sie sitzen in einem umgebauten Landrover und lassen sich von einem Fahrer durch die Gegend kutschieren. Sie sitzen jeder in einer Art Sofa, das in Summe den gesamten Fahrgastraum einnimmt, ein Art Landaulet, mit einem Baldachin darüber, während der Fahrer im Freien sitzt.
Wir sind so baff, dass wir vergessen sie zu fotografieren. Ich habe so etwas in 33 Jahren Gamedrive hier in der Mara noch nie gesehen. Leider konnte ich auch den Namen der Lodge nicht lesen, von der sie kamen. Wir fragen den Fahrer nach Löwen, aber er hat auch noch keine gesehen.
Also fahren wir weiter durch die Savanne Richtung Governors Camp. Alles ist wie ausgestorben, aber wir haben ja auch schon wieder Mittag und es ist sehr heiß.
Wir rasten unter einem der riesigen Solo-Bäume, die hier herumstehen. Sie faszinieren mich schon seit Anbeginn, denn Bäume sind genau genommen soziale Wesen, denen es alleine nicht gut geht. Trotzdem gibt es hier einige Kämpfer, die sich gegen alle Unbilden zur Wehr setzen: Elefanten, Giraffen, Wind und Wetter und noch einiges mehr.

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Bild: Einer der Kämpfer

Exkurs: Die Solo-Bäume, Kämpfer in der Savanne
Hin und wieder gibt einer dieser Kämpfer auf und beendet sein Leben. Dann steht er meist noch eine Zeit als kahles Gerippe herum, bevor er umfällt. Danach liegt er noch etliche Jahre als alter Baumstamm herum bis er vermodert. Diese Bäume sind immer aus hartem Holz geschnitzt und haben meine vollste Bewunderung.
Unter so einem Riesen machen wir jetzt eine kleine Pause. Ein Teil von ihm wurde vom Blitz getroffen und ist abgestorben, er ist aber immer noch sehr beeindruckend und bietet einer Vielzahl von Lebewesen eine Behausung: Bienen, diverse Vögel und eine Unzahl an Insekten. Dazu spendet er Schatten und unter seinem Dach wachsen noch ein paar andere Pflanzen.
Seit ich die Mara besuche nimmt die Anzahl dieser Solo-Bäume nicht mehr zu und ich frage mich, wie es sein wird, wenn der letzte dieser Kämpfer gestorben ist. Es gibt keinen Nachwuchs. Sind die Solo-Bäume die Reste eines Waldes? Die Savanne ist hier seit Jahrtausenden so wie sie jetzt ist, da gab es keine dichten Wälder. Wie also funktioniert das mit den Kämpfern? Vielleicht werde ich es einmal herausfinden.

Wir treffen zwei Landrover und fragen nach Löwen. Diesmal haben wir Glück, denn sie haben zwei Gruppen gesehen: eine kleine mitten in der Savanne ein paar hundert Meter entfernt und ein paar andere Löwen, die einen Büffel gerissen haben. Wir lassen uns den Weg dorthin beschreiben und geben Gas.
Die erste Gruppe finden wir tatsächlich und sind verwundert, wie die Fahrer sie finden konnten. Löwen liegen meist zu Mittag im Schatten eines Baumes oder unter Büschen. Diese Gruppe von Löwinnen liegt jedoch völlig frei in der Savanne, es sind fünf Stück, zwei davon in einer kleinen Kuhle mit niedrigen Büschen.

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Bild: Mitten im Grasland – die erste Löwin

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Bild: Sie lassen sich von uns sicher nicht stören.

Wie üblich lassen sie sich von uns nicht stören und wir sind hoch zufrieden, weil wir endlich Löwen für Philipp gefunden haben. Und ich finde es immer noch erstaunlich, dass uns die Fahrer den Tipp gegeben haben. Sie haben nichts davon – ganz im Gegenteil, wir sind auf eigene Faust unterwegs und sie verdienen dadurch nichts an uns. Trotzdem waren alle Fahrer in diesen vier Tagen Mara äußerst hilfsbereit.

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Bild: Eine friedliche Szene mit einem gefährlichen Raubtier – oder einem Schmusekätzchen, ganz wie man will.

Nach einiger Zeit fahren wir weiter um das Löwenrudel mit dem gerissenenen Büffel zu finden. Die Beschreibung war gut und schien präzise zu sein, trotzdem scheitern wir grandios. Wir drehen mehrere Schleifen über die Plains hinunter bis zum Fluss, finden aber keine Löwen. Das ist ärgerlich, denn sie können nicht weit weg sein. Wir suchen weiter, aber irgendwann wird es fad und wir geben auf. Nach einem kurzen Besuch bei der Mara und einem der Hippo-Pools fahren wir zurück zur Furt, um wieder auf unsere Seite des Talek zu kommen.

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Bild: Philipp an der Mara mit Hippos.

Die Bilanz ist trotzdem gut, denn wir haben die ersehnten Löwen gefunden. Am Weg zurück bleibt noch ein Fahrer stehen und erzählt uns, dass ein wenig weiter ein Gepard mit einem Riss zu sehen wäre. Wir starten durch und tatsächlich sehen wir bald zwei Landrover stehen, was ein eindeutiges Zeichen ist, dass es hier etwas zu sehen gibt.
So kommt Philipp an einem Tag nicht nur zu seinem Löwen, sondern darf auch noch sehen, wie ein Gepard mit seiner frisch gerissenenen Thompson-Gazelle (Wer sich daran erinnert: das Foto am ersten Tag…) umgeht.

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Bild: Gepard mit gerissener Thompsongazelle beim Fressen. Im Hintergrund die ersten Geier.

Geparde haben ein Problem: Sie sind extrem schnelle und gute Jäger, aber sie sind nicht sehr schwer und nicht sehr stark. Das wissen auch andere Fleischfresser und versuchen daher jedem Gepard seine Beute möglichst schnell abzujagen. Auch der Gepard weiß das und hat gelernt möglichst viel Fleisch in möglichst kurzer Zeit hinunterzuschlingen. Das ist deswegen schwierig, weil er nach der anstrengenden Sprint-Jagd völlig fix und fertig ist. Er hat aber nie viel Zeit, weil hoch oben in der Luft gibt es immer einen Geier, der die Jagd beobachtet hat. Er beginnt sofort mit dem Sinkflug, was andere Geier aufmerksam macht. Wenn die dann angeflogen kommen und über der Beute kreisen, sehen das andere Jäger wie Hyänen oder Schakale und machen sich sofort auf den Weg.
Genauso ist es auch jetzt und wir können die gesamte Abfolge erste Reihe fußfrei beobachten. Die Fahrer der Minibusse und Geländeautos haben die strikte Anweisung nicht so nahe an einen Gepard heran zu fahren, dass sie ihn stören könnten. Die Touristen wollen aber möglichst nahe heran und winken mit fetten Trinkgeldern. Also sind die Fahrer im Stress, weil sie sich entscheiden müssen.
Die Fahrer der beiden Fahrzeuge fahren nicht zu nahe heran, auch weitere, sehr schnell eintreffende Autos halten Abstand. Dafür zückt einer ein großes Teleobjektiv. Der nächste ein noch größeres und wieder ein anderer holt ein wahres Monster an Tele heraus. Wir halten mit unseren Kompaktkameras dagegen und punkten mit wesentlich coolerem Gehabe.
Die Japaner sind die ärgsten. Manchmal ist das Teleobjektiv größer als sein Besitzer, das sieht sehr lustig aus.

Als die ersten beiden Hyänen eintreffen, räumt der Gepard freiwillig das Feld. Sofort streiten sich die zwei Hyänen um die Gazelle und reißen sie in zwei Teile. Eine Hyäne ist der anderen ihren Teil neidig und versucht ihn ihr abzujagen. Dabei vergisst sie auf die andere Hälfte, die in der Sekunde von den Geiern zerlegt wird. Es ist faszinierend wie schnell das geht, nach geschätzten zwei Minuten (maximal!) sind nur mehr ein paar ärmliche Knochenreste übrig, die von zwei Schakalen beansprucht werden, die sich mutig der Schar der Geier entgegenstellen.

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Bild: Mehr Geier sind da und breiten ihre Flügel aus – ich habe aber keine Ahnung warum.

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Bild: Der Gepard räumt das Feld.

Dann ist es ganz plötzlich vorbei. Der Gepard ist schon ein ganzes Stück weggetrottet und sucht sich jetzt einen schattigen Platz um zu verdauen. Die Geier streiten sich um die letzen Fleischfetzen und die Hyänen um ihr Beutestück.

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Bild: Die Hyäne hat einen Großteil der Gazelle erwischt und versucht nun abzuhauen und ihre Beute in Sicherheit zu bringen.

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Bild: Ein Schakal versucht einer Hyäne etwas abzuluchsen.

Wir fahren zurück zu unserem Camp, glücklich über dieses seltene Ereignis. Ich fabriziere wieder einen Fruchtsalat und auch ein gut gekühltes Bier darf durch unsere Kehlen wandern.
Dabei entdecke ich, dass eine unserer Bananen aufgegessen wurde. Fein säuberlich wurde ein Stück herausgenagt und wir rätseln, wer das getan haben könnte. Eine Maus, die sich im Toyota eingenistet hat? Diese Erkenntnis habe ich allerdings erst am dritten Tag, denn bei der ersten Banane dachte ich noch, dass ich eine kaputte gekauft hätte. Am nächsten Tag war dann klar, dass wir einen uneingeladenen Gast haben. (Wir haben nie herausgefunden wer oder was das war, auch bei der gründlichen Innenreinigung des Toyota fanden wir keine Spuren.)

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Bild: Die ausgenagte Banane

Der Rest des Nachmittags besteht aus Ausruhen und Nichtstun. Am Abend gibt es Bohnen und Salat und wir erwarten eine nächtliche Blähungsorgie (die dann nicht stattfindet).
Am folgenden Bild sieht man unseren (bzw. meinen) Waschplatz. Ein paar Meter vom Zeltplatz entfernt gibt es einen kleinen Teich unter einem umgestürzten Baumstamm. Man nimmt einen Kübel und holt sich frisches, klares Wasser aus dem Teich und leert es sich über den Kopf. Danach einseifen, noch ein paar Kübel und schon ist man erfrischt und sauber. Kein Mensch braucht hier ein Haus mit Dusche, oder besser gesagt: Ich brauche das nicht. Thomy und Philipp bevorzugen die Dusche vom Toyota, dessen Wassertank genügend Vorrat hat und zwar bis zum letzten Tag.

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Bild: Unser Waschplatz

Heute ist Vollmond und es gibt nur ganz wenige Wolken, die sich auch langsam auflösen. Dies wird eine ganz spezielle Nacht und als die anderen schon schlafen gegangen sind, nehme ich mir einen Sessel und marschiere hundert Meter in die Savanne. Dort setze ich mich einfach hin und genieße die afrikanische Nacht im Busch. Es gibt eine Unzahl an Geräuschen, viele kenne ich, andere sind mir vollkommen rätselhaft. Die Szene ist in helles silbernes Mondlicht getaucht – so hell, dass man problemlos ein Buch lesen könnte. Hin und wieder zieht ein kleiner Wolkenfetzen vor dem Mond vorbei, aber sonst ist es fast schon magisch. Ich sitze einfach da und genieße diese Augenblicke, die ich in dieser Intensität auch in den vergangenen dreißig Jahren nicht oder zumindest nicht oft hatte. Das ist jetzt Afrika pur, genau hier entstand die Menschheit und hat vor hunderttausenden von Jahren den gleichen Vollmond beobachtet. Die Landschaft sah auch damals genau gleich aus und auch die Geräusche waren die gleichen, wenngleich es seinerzeit sicher noch mehr Wildtiere gab.
Diese Momente sind alle Strapazen wert und mit Geld nicht bezahlbar. Ich bin dankbar, dass ich das erleben darf und gehe zufrieden zum Zelt, wo der friedlich schnarchende Philipp die afrikanische Nacht um ein weiteres Geräusch bereichert.

Wieder in Afrika – Tag 8

Da es um 06:30 hell wird stehe ich ca. um 7 Uhr auf. Länger schlafen geht irgendwie nicht, weil wir ja schon gegen 22 Uhr schlafen gehen. Die Nacht war okay, nur gab es bereits am Abend sehr viel Tau, was in der Früh auch ohne Regen zu einem waschelnassen Zelt führt, glücklicherweise nur außen.

Nach einem guten Frühstück beschließen wir eine Tour über die Plains zu machen, mit einem Besuch an der Mara. Zuvor müssen wir uns noch beim Verlassen unseres Zeltplatzes unsichtbar machen. Das geht so:
Wir fahren durch die Büsche bis zum Rand des Galeriewaldes und checken, ob irgendwo ein Auto zu sehen ist. Da wir antizyklisch fahren, ist das meist nicht der Fall. (Die Minibusse und Landrover der diversen Camps und Logdes sind schon zeitig in der Früh beim Early Morning Game Drive. Der findet tatsächlich kurz nach Sonnenaufgang statt und dauert ca. bis 9 Uhr. Dann fahren die alle zurück und bekommen ein gutes Frühstück. Wir starten etwa um 9 nach einem guten Frühstück. Der Nachteil besteht darin, dass wir weniger Tiere sehen, wobei sich die meisten zwischen 9 und 10 Uhr noch nicht vor der Sonne in die Wäldchen zurück gezogen haben.)

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Bild: Zu den schönsten Antilopen gehören die Ellipsen-Wasserböcke

Wir fahren zur Mara, die immer wieder beeindruckend ist. Dort gibt es fast überall Hippo-Pools und man kann diese urzeitlichen Tiere dabei beobachten, wie sie im Wasser herumdösen. Hin und wieder tauchen sie ab und wieder auf, schnaufen und grunzen und verschwinden wieder unter Wasser. Dazu muss man wissen, dass Hippos nicht schwimmen können. Bei Hochwasser müssen sie aus dem Fluss um nicht zu ersaufen. Dann sind sie sehr unentspannt, weil sie das Wasser zur Kühlung ihrer empfindlichen Haut brauchen und außerdem Raubtierangriffen ausgeliefert sind. So einem unentspannten Hippo begegnet man besser nicht zu Fuß.

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Bild: Die Mara, das ist der Fluss, durch den die großen Herden der Migration zwei Mal im Jahr durch müssen. Viele tausend Gnus und Zebras gehen dabei zugrunde und es ist ein Fest für die Krokodile

Diese Gnus und Zebras ziehen eine Achterschleife durch die Savanne. Ihre Zahl beträgt bis zu einer Million Tiere und wer einmal im Leben die Migration gesehen hat, vergisst das nicht. Hier in der Mara sind sie übrigens im August und September. Jetzt gibt es nur relativ wenige Gnus und Zebras, immer aber genügend für ein gutes Foto.

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Bild: Gnus und Zebras

In der Nacht war übrigens ein Hippo bei unserem Zeltplatz. Ich bin aufgewacht und habe gehört, wie es Gras abrupft. Es war so nahe, dass der Trittschall gut zu spüren war. Ich habe das schon oft erlebt, aber es ist immer wieder spannend, denn ich weiß nicht, was geschieht, wenn es z.B. über die Zeltschnüre stolpert. Das ist aber noch nie passiert und ich glaube, dass sie sehr genau wissen, dass wir da im Zelt sind und einfach das Territorium respektieren. Elefanten tun das übrigens auch.
Nach einiger Zeit hat es sich wieder getrollt und ich bin eingeschlafen.

Ich bin immer wieder neu von unserem Toyota begeistert. Er hat diesmal die Mud-Terrain Reifen drauf und die sind so gut, dass wir sogar bei Schlammlöchern und kleinen Furten nicht einmal den Allrad zuschalten müssen. Es ist höchst angenehm sich über das Auto keine Gedanken machen zu müssen.

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Bild: Der Toyota ist ein verlässlicher Begleiter

Danach fahren wir auf den Lookout-Hill, von dem man tatsächlich einen sehr guten Blick über einen großen Teil der Mara hat. Diese unglaubliche Weite fasziniert mich jedes Mal wieder, dazu die landschaftliche Struktur – es ist für mich der schönste Nationalpark Afrikas, ohne Zweifel. Und es ist jedes Mal wie ein Geschenk wenn ich hier sein kann.

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Bild: Der Blick vom Lookout-Hill über die Plains

Weiter geht es über die Meta-Plains, auf denen wir nicht mehr viele Tiere sehen, da es gegen Mittag zu heiß ist. Wir fahren die große Runde weiter und kommen an den Talek. Das ist der zweitgrößte Fluss der Mara und dort hatten wir einige Jahre lang den schönsten Campingplatz im Park. Leider wussten das auch andere und so steht dort seit vielen Jahren – ein Camp! Und nicht weit davon haben sie noch ein neues errichtet. Es ist unglaublich.
An einer Furt bleiben wir stehen und machen eine Mittagsrast. Wir steigen aus und setzen uns unter einen großen, schattigen Baum und riskieren, dass wir dabei entdeckt werden.
Plötzlich tauchen am anderen Ufer drei Buben auf, geschätzte 14 Jahre alt, wahrscheinlich Hirten aus einem der Dörfer, die hier nicht weit weg sind, da die Parkgrenze ein paar Kilometer weiter verläuft.
Für mich ist das eine Szenerie, die mich nachdenklich stimmt. Hier drei reiche weiße Männer, dort drei arme schwarze Buben. Wir schauen einander über den Fluss an, dann macht sich jeder wieder auf den Weg. Ein kurzes Aufeinandertreffen, ohne echten Kontakt, vielleicht ohne Bedeutung, für mich aber von großer Symbolik.

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Bild: Thomy und Philipp am Talek-Fluss. Wir sind mit unserem Outfit die Karrikatur des dortigen Standard-Safaripublikums, das fast immer mit khakifarbenen Safarihosen, khakifarbenen Safarihemden und khakifarbenen Safarischuhen ausgerüstet ist, wahlweise mit Tropenhelm und khakifarbenen Lederhandschuhen.

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Bild: Drei Maasai

Weniger romantisch ist der Dreck, den wir am Rande des Talek-Flusses finden. Es ist glücklicherweise nicht sehr viel, immer aber zu viel. Mir ist es unbegreiflich, wie Menschen ihren Mist einfach in die Natur werfen können, vor allem wenn sie von so atemberaubender Schönheit ist wie hier in der Maasai Mara.

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Bild: Ein weggeworfenes und vom Fluss angespültes Plastiksackerl

Bei der Rückfahrt treffen wir auf eine Herde Büffel. Einer davon mag uns irgendwie nicht und beschließt einen Angriff zu starten. Glücklicherweise habe ich den Motor laufen lassen und kann das Weite suchen, da die Straße gerade eben und ohne Löcher ist. Die Kerle sind sehr kräftig und würden uns zumindest eine fette Delle ins Auto machen. Da wir abhauen, lässt er nach einiger Zeit die Verfolgung sein und kehrt wieder zu seiner Herde zurück.
Spannend ist so etwas deswegen, weil es immer wieder Erdlöcher gibt, die sich mitten am Weg befinden. Nach einem Regen sind sie mit Wasser gefüllt und wer in so eines hinein fährt, riskiert eine kaputte Achse. Meist befindet sich auch irgendwas im Erdloch, sehr beliebt sind diese Löcher bei Warzenschweinen (die kleineren), Hyänen und Büffeln (die größeren).

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Bild: Warzenschweine

Wir kommen auch am Elefantenplatz vorbei. Das war eigentlich derjenige Zeltplatz, an dem wir die längste Zeit waren, bevor sich auch dort ein Camp gebaut haben, nämlich das „Little Naibor Camp“, das Thomy und ich vor zwei Jahren besucht haben. Wenn man über die Plains fährt, dann schauen die Savannenbuchten, die in die Galleriewälder hinein ragen, oft ziemlich gleich aus. Um die richtige zu finden, braucht man eine auffällige Landmarke. Das war in unserem Fall der „Bienenbaum“, den es heute noch gibt. Den konnte man von weiter oben von der Straße aus sehen und wusste: hier geht es hinunter“

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Bild: Der Bienenbaum

Gegen 15 Uhr sind wir wieder am Zeltplatz und ruhen uns aus. Ach ja – bei der Rückkehr zum Platz ist das Spiel mit dem Verstecken etwas komplizierter. Wir bleiben oben auf den Plains stehen und suchen mit einem Feldstecher die Hügel rundherum nach Autos ab. Wenn eines zu sehen ist, bleiben wir einfach stehen und tun so, als würden wir irgend welche Tiere beobachten. Sobald die Luft rein ist, fahren wir flott über die offene Savanne hinunter zu unserer Einfahrt in den Galleriewald und hoffen, dass uns niemand gesehen hat. Das ist fast wie ein altes, liebevoll gepflegtes Ritual.

Ich mache wieder eine große Portion Fruchtsalat, quasi unser verspätetes Mittagessen. Dann setzen wir uns einfach hin und tun das, was die Tiere in der Nachmittagshitze auch tun: ausrasten. Einfach nix tun, vielleicht ein Buch lesen oder in die Gegend starren.

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Bild: Der Blick von unserem Zeltplatz auf den Fluss. Unter dem umgestürzten Baumstamm links im Bild befindet sich unsere Quelle mit klarem, frischem Wasser.

Irgendwann wird es Abend und wir kochen – Süßkartoffeln, Zucchinigemüse und einen Salat. Nicht nur das Obst ist hier besonders schmackhaft, auch das Gemüse ist hervorragend und wir vermissen das Fleisch eigentlich überhaupt nicht.

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Bild: Gekocht wird mit einem zweiflammigen Gaskocher auf einem Klapptisch innen in der Hecktüre des Toyota. Links hängt das Mistsackerl, das wir bis Nairobi mitgenommen haben – also eines von mehreren.

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Bild: Der Salat wird zubereitet – Zwiebel, Paprika, Paradeiser, Avocado, Käsewürfel. Dazu ein gut gekühltes Bier und wir wissen: mehr Komfort braucht echt kein Mensch.

Wieder in Afrika – Tag 7

In der Nacht gab es ein heftiges Gewitter mit starkem Regen – drei bis vier Stunden lang. Da wir in einem der großen Zelte im Camp sind, war das nicht störend. Sollte dies der Beginn der Regenzeit sein, so würde unser Besuch in der Maasai Mara buchstäblich ins Wasser fallen.
Der Morgen ist jedoch sonnig und James meint, dass dies zwar der längste Regen seit langem war, er jedoch nicht mit größeren Regenfällen in den nächsten Tagen rechnet.
Trotzdem beschäftigt uns die Frage weiter, denn von unserer Abschätzung hängt ab, ob wir auf unserem Zeltplatz in der Mara das große Hauszelt aufstellen. Wir beschließen das am Abend spontan zu entscheiden.

Heute haben wir viel Zeit, denn zum Parkeingang sind es nur zehn Minuten Fahrt und wir wollen erst gegen 10:30 dort sein, damit wir am Abreisetag uns nicht hetzen müssen. Der Parkeintritt ist teuer und wenn wir auch nur wenige Minuten zu spät am Gate sind, müssen wir einen ganzen Tag mehr zahlen.
Ich habe daher viel Zeit für eine ausführliche Plauderei mit James und bin sehr neugierig, wie es den Maasai geht.
Er bestätigt meinen Verdacht, dass es viel zu wenige Touristen und viel zu viele Camps gibt. Selbst in der Hochsaison (Juli und August bzw. Dezember und Jänner) sind die wenigsten Lodges und Camps ausgebucht. Man hat einfach viel zu viele gebaut und leider dafür auch die Genehmigungen bekommen. Jetzt gibt es einen Baustopp, aber das nützt nicht viel, weil es ohnehin hinter jedem zweiten Busch schon ein Camp gibt.
Ein Problem sind auch die außerhalb des Parks gebauten Camps. Sie unterliegen nicht der Kontrolle der Parkverwaltung und können daher in großer Zahl und letztlich einfach irgendwo hin gestellt werden. Gegenüber vom Semadep-Camp gibt es sein ein paar Jahren eine riesige chinesische Lodge. Auch hier stellt sich die Frage, ob die gut gebucht ist und ob es das überhaupt braucht.
Dazu kommt noch der generelle Einbruch, den es vor ein paar Jahren aufgrund der Terroranschläge in Nairobi gab. Seitdem reisen mehr Touristen nach Tanzania, das zwar nicht sicherer ist, aber Fakten zählen hier nicht viel. Erschwerend kommt hinzu, dass heuer im Sommer Wahlen sind und die Vorwahlzeit nahezu immer von mehr oder weniger starken Unruhen begleitet wird.

Exkurs: Der Widerspruch der Ökologie
Ich möchte mir allerdings auch nicht vorstellen was passiert, wenn alle Camps ausgelastet wären, denn die Mara ist ein ökologisch höchst sensibles Gebiet und auch nicht groß genug um den Wildtieren ein Ausweichen zu ermöglichen. Schon jetzt sind einige Tierarten stark gefährdet, an erster Stelle der Gepard, der im Gegensatz zu Löwen sehr sensibel auf Störungen reagiert. Zehn Minibusse, die ihn umlagern, sind eine massive Störung.
Von meinem Vater habe ich gehört, dass die Straße in die Mara absichtlich nicht erneuert wird, damit weniger Touristen mit Bussen und generell mit dem Auto anreisen. Die bringen nämlich weniger Geld als die reichen Säcke, die sich mit dem Flugzeug einfliegen lassen. Das Argument ist aus ökologischer Sicht zugleich verständlich und bedenklich, denn Flugzeuge sind auch nicht gerade sehr grün. Kann man „wenige Flugzeuge“ gegen „viele Autos“ aufrechnen? Die einfliegenden Touristen brauchen in der Mara dann auch wieder Fahrzeuge, um auf Game Drive zu fahren.
James erzählt mir, dass das Vertrauen der Maasai in die lokale Regierung und Verwaltung in Narok ziemlich enttäuscht wurde. Vor der Wahl wurde ihnen alles mögliche versprochen und rein gar nichts ist bisher umgesetzt worden.
Wir haben am Vortag eine Handvoll Typen gesehen, die an der Straße etwas vermessen haben. James bestätigt, dass es sich hier um die Vorarbeiten für die neue Straße handelt.
Dazu muss man wissen, dass Straßen bzw. ihr Zustand enorm viel bedeuten. Auf den ersten Blick scheint es den Afrikanern (und Afrikanerinnen) hier in Kenia und auch in den Nachbarländern vollkommen egal zu sein auf welcher Straße sie dahin rumpeln. Sie hocken oft zusammengepfercht in oder auf LKWs, fahren mit klapprigen Rädern oder gehen weite Strecken zu Fuß. Mobilität ist sowieso nicht mit Komfort verbunden und es wird erst dann schwierig, wenn in der Regenzeit eine Straße unbefahrbar wird und die Versorgungsstränge abreissen.
Das stimmt jedoch so nicht, sie lieben genauso wie wir die „Tamark Road“ und sind auch stolz, wenn sie eine solche haben. Für den Tourismus ist es ohnehin entscheidend, ob eine Gegend erschlossen werden kann oder nicht. Das wirft jedoch einen ökologischen Widerspruch auf:
– Nur mit viel Tourismus gibt es genügend Geld um die Umwelt zu erhalten.
– Viel Tourismus zerstört die Umwelt.
Beides stimmt leider, den Ausschlag gibt die Art und Weise, wie mit dem Geld und den Ressourcen generell umgegangen wird. Wenn sich korrupte Politiker alles einstecken, bringt der Tourismus nur Zerstörung und wenn Projekte genehmigt werden, die einigen wenigen Menschen auf Kosten der Umwelt hohen Profit bringen, dann funktioniert es auch nicht. Vor ein paar Jahren war im Gespräch, dass der Fluss Mara gestaut und in riesige Plantagen geleitet werden soll. Das hätte das schnelle und radikale Ende der Maasai Mara bedeutet, weil ihr die Lebensader abgeschnitten worden wäre. Glücklicherweise durfte das Projekt bis jetzt noch nicht umgesetzt werden.

Angeblich soll jetzt bald die Straße kommen. Es gab ja schon einmal ein längeres Stück Asphalt, das ca. 1990 gebaut wurde. Einzelne winzige Reste sind bis heute sichtbar.
James hofft, dass sein Semadep-Camp (das steht für Sekenani Maasai Development) bald im Lonely Planet erwähnt wird, das dazu gehörige Maasai-Dorf steht schon drin. Dort kann man ein paar Nächte in einem mehr oder weniger authentischen Maasai-Dorf leben, wahrscheinlich inklusive der Milliarden Fliegen, die es traditionell immer gibt, wenn irgendwo Maasai leben. Er zeigt mir ein paar Fotos von den Unterkünften, die einigermaßen an den westlichen Standard angepasst wurden.

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Bild: Das Team vom Wajee-Camp, James ist der freundliche, aber unfreundlich drein schauende Herr mit der Kanga (dem Maasai-Tuch)

Wer sich das geben will, hier der Link zum Camp und zum Dorf:
http://semadepmaracamp.com/index.html
http://maasaimaravillage.com/

Das Camp ist derzeit geschlossen, soll aber renoviert im Juli wieder aufsperren. Ich kann es rundherum empfehlen, genauso wie das Camp, in dem wir jetzt sind.
Hier sind die Infos drauf:

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Bild: Das Wajee-Camp

Wir brechen auf und fahren in die Mara. Der Eintritt funktioniert problemlos, da heute das Computersystem mal wieder funktioniert und wir moderne Rechnungen ausgedruckt bekommen.
Gespannt fahren wir los und finden eine sehr grüne Mara vor. Das ist erstaunlich, weil es dieses Jahr eine extrem lange und harte Trockenzeit gab, die auch vielen Rinderherden zum Verhängnis wurde, wie James erzählt hat.
Die Bilder, die mein Bruder im Jänner geschickt hat, zeigten eine vollkommen ausgedörrte Savanne. Jetzt sehen wir aber die grünen Hügel Afrikas, wie sie Hemmingway beschrieben hat. In der Mara sind sie besonders malerisch und wir biegen bald von der Hauptstraße nach links ab, hinauf zur alten und jetzt verlassenen Research-Station und dann weiter hinein in einen Abschnitt, der wenig befahren wird. Es gibt dort auch wenig zu sehen, einerseits weil es zu Mittag generell wenige Tiere zu beobachten gibt, andererseits weil in den Seitentälern Maasai-Cattles grasen. Diese dürfen bei langer Trockenheit in den Park, meist jedoch nur in die Randgebiete. Das ist ein notwendiger Kompromiss, den es schon seit Jahrzehnten gibt und der einigermaßen funktionieren dürfte.

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Bild: Groß, schwarz, stark: Kaffernbüffel

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Bild: Topi-Antilopen, sie sind in der Mara recht zahlreich

Unser Game Drive führt uns quer durch die Mara in den Süden an den Sand River, der auch die Grenze zu Tanzania und der dortigen Serengeti darstellt. Gerne würden wir den Fluß durchqueren und uns drüben die „Kopjes“ ansehen, bizarre Granitblöcke, die frei in der Savanne stehen. Leider führt der Sand River so viel Wasser, dass die Durchquerung nicht möglich ist.

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Bild: Sand River mit Furt

Wir kommen an einem unserer schönsten ehemaligen Zeltplätze vorbei, wo jetzt ein Luxuscamp steht. Dann geht es zur Keekorok-Lodge, die exakt in der Mitte des Parks liegt. Sie ist die älteste Lodge und immer noch sehr beliebt, da man innerhalb des Geländes auf einem Fußweg Wildtiere (v.a. Büffel und Elefanten) beobachten kann. Zu Fuß gehen ist in der Mara generell verboten.

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Bild: Der Blick von der Terrasse der Lodge

Da wir uns am Ende der Saison befinden, ist die Lodge nur mäßig gebucht. Die Preise schwanken je nach Saison von 300 bis 590 Dollar für das Doppelzimmer – Vollpension, aber ohne Game Drives, die mit je 60 Dollar pro Person zu Buche schlagen. Wer also in der Hauptsaison zu zweit hier ist, zahlt 710 Dollar pro Nacht, zwei Game Drives pro Tag sind nämlich ein sinnvolles Minimum. Thomy meint zu Recht, dass die Lodge sicher deutlich billiger ist, wenn man sie in einer Pauschalreise bucht.
Wir setzen uns auf die Terrasse, genehmigen uns einen kalten Drink und legen eine wahre WiFi-Orgie hin, von der ich Philipp und Thomy nur schwer wieder losreissen kann.

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Bild: Die Jungs beim Internet checken

Für mich hat die Lodge eine besondere Bedeutung, weil wir vor allem in den 1980er-Jahren auf ihre Tankstelle, ihre Werkstatt und ihren kleinen Shop angewiesen waren. Damals hatten wir noch keine Camping-Fahrzeuge und mussten das mäßig saubere Wasser von der Lodge holen. Es gab in Narok nur eine Tankstelle und bei der gab es nicht immer Benzin. Wenn wir mehrere Tage in der Mara waren und entsprechend viele Kilometer bei Game Drives abspulten, war die Keekorok oft die letzte Rettung, auch wenn man gut verhandeln musste, um etwas zu bekommen.
Hin und wieder quartierten wir uns dort auch eine Nacht lang ein, wenn uns starker Regen vom Zeltplatz vertrieb. Billig war das schon damals nicht.

Nach dieser späten Mittagspause geht es über die Plains zu unserem Zeltplatz. Dieser liegt gut versteckt in einem Galeriewald an der Biegung eines kleinen Nebenflusses zur Mara. Noch vor einer Woche war mein Vater da, bis auf eine alte Feuerstelle ist davon jedoch nichts zu bemerken und das ist kein Zufall. Wir dürfen hier nur sein unter der Bedingung, dass wir den Platz exakt so hinterlassen wie wir ihn vorgefunden haben. Es darf nicht das kleinste Futzerl Plastik oder sonstiger Müll bleiben, darauf achten wir auch penibel.
Am Weg dorthin, mitten auf den Plains, sehen wir eine Hyäne, die bei unserer Annäherung beschließt ein Bad zu nehmen. Als wir drei Tage später wieder an dieser Stelle vorbei kommen, sitzt sie schon wieder drin.

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Bild: Eine Tüpfelhyäne

Der Fluss führt Hochwasser, weil es in der Nacht stark geregnet hat. Er kommt von den Plains und ist nicht sehr lang, ich schätze 3 Kilometer. Trotzdem sieht er gerade wie ein reißender Fluss aus, obwohl die tatsächliche Steigerung zu dem kleinen Rinnsal, das er normalerweise ist, vielleicht einen Meter beträgt.
Alle Flüsse und Bäche sind hier tief in die Landschaft gegraben, es gibt also jeweils eine Uferböschung mit Einschnitten, die vor allem von Nilpferden als Trampelpfade für ihre nächtlichen Ausflüge verwendet werden.
Ich teile Thomy und Philipp mit, dass ich dann zum Fluss gehe um mir eine kleine Dusche zu verpassen. Davor setzen wir uns aber erst einmal in aller Ruhe hin und beobachten den Fluss und genießen unser Ankommen an diesem paradiesischen Platz.
Ein großer Baumstamm treibt vorbei, das Wasser gurgelt und die zahlreichen Vögel ergänzen das Szenario. Ich habe das Gefühl, dass ich erst jetzt wirklich wieder in Afrika angekommen bin.
Plötzlich bleibt der Baumstamm stehen, dreht um und treibt stromaufwärts.
Hm, seltsam. Das machen Baumstämme nicht. Bei uns nicht und auch nicht in Afrika.
Jetzt gilt es blitzschnell den Fotoapparat zu zücken, denn der Baumstamm ist ein ca. 3,5 Meter langes Krokodil, das uns entdeckt hat und jetzt stromaufwärts flüchtet. Nicht, dass es dafür einen Grund hätte, aber Vorsicht ist Vorsicht.

Wir beobachten, wie sich das riesige Tier (es geht schon noch größer, sie werden bis zu acht Meter lang) ein Stück weiter oben anhält und sich auf die Lauer legt. Man sieht gut die Nüstern und Augen, die beim Krokodil erhöht liegen, damit es genau das tun kann, was es jetzt tut. 100 Millionen Jahre gibt es diese Echsen schon in weitgehend unveränderter Form, eindeutig ein Erfolgsmodell der Evolution.

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Bild: Ein Nilkrokodil, echt nicht weit weg

Ich beschließe doch nicht zum Fluss duschen zu gehen. Wieso gibt es hier Krokodile? Ich habe bei unserem Zeltplatz noch nie eines gesehen. Okay, meist ist der Fluss nur ein Rinnsal und die wirklich großen Krokodile gibt es einen Kilometer flußabwärts in der Mara, aber ich hätte das wissen müssen. Warum hat mir mein Vater das nie gesagt? Wenn mich so ein Krokodil beim Duschen erwischt, bin ich geliefert. (In der Fachsprache heißt das glaube ich „Afrikanische Enterbung“)
Das Krokodil blieb dann ein paar Meter weiter einfach liegen bis in die Nacht hinein. Beim Hinleuchten mit der Taschenlampe konnten wir das Auge in der Dunkelheit leuchten sehen.

Wir bauen das kleine Zelt auf und hoffen, dass es keine größeren Regenfälle gibt. Dann genießen wir den Rest des Tages ohne Eile am Zeltplatz, kochen uns ein gutes Abendessen (es gibt eine Riesenportion Nudelsalat), gekrönt mit einem Sundowner (Kenya Cane mit Fruchtsaft) und freuen uns, es problemlos bis hierher geschafft zu haben.
Die Maasai Mara ist immer noch Spitzenreiter was den Wildbestand betrifft. Hier ein Auszug aus der Liste der Tiere, die wir nur heute schon gesehen haben:
Hippo, Sekretär, Mungos, Impala-Gazellen, Topi-Antilopen, Giraffen, Meerkatzen, Paviane, Thompson-Gazellen, Kongoni-Antilopen, Gnus, Elefanten, Warzenschweine, Büffel, eine Hyäne, ein Krokodil, Strauße, Kronenkraniche und Elen-Antilopen sowie unzählige bunte Vögel.

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Bild: Hippos

Wieder in Afrika – Tag 6

Außer uns hat nur ein Pärchen auf der Makalia Falls Campsite übernachtet. Die dürften gut eingespielt sein, denn bei Sonnenaufgang hatten sie schon gefrühstückt, das Zelt und alles andere eingepackt und sind weggefahren.

Wir gehen es gemütlicher an, die Nacht war sehr laut – schreiende Paviane und jede Menge andere Viecher – kurz vor dem Schlafengehen habe ich noch eine Ginsterkatze gesehen, die nicht weit von uns die Nacht erkundet hat. Ein sehr seltenes Erlebnis.

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Bild: Unser Zeltplatz mit Philipp, der gerade aus dem Duschhaus kommt. Der Game-Ranger Felix holt Wasser.

Wir fahren durch den Park nach Norden, der Gamedrive ist aber sehr unspektakulär und wir sehen mehr oder weniger nichts. In Nakuru decken wir uns mit frischen Lebensmitteln ein, vor allem Bier und Kenya Cane, da es das in Narok (als letzter Ort, wo man etwas einkaufen kann) angeblich nicht gibt.
Die Strecke führt uns jetzt in nördwestlicher Richtung aus Nakuru hinaus und hinauf auf das Mau-Escarpment. Die Straße ist gut und wir ersparen uns so die etwas mühsame Rough-Road, auf der wir vor zwei Jahren die Berge erklommen haben.
Um von der großen Hauptstraße, die von Nakuru weiter nach Uganda führt, nicht falsch abzubiegen, wende ich meine altbewährte Fragetechnik an. Thomy ist davon zwar jedes Mal genervt, muss aber anerkennen, dass es hin und wieder richtig viel Zeit und Kilometer spart. Ich frage immer zwei bis drei Mal, möglichst unterschiedliche Menschen. Wenn sie alle das gleiche sagen, vertraue ich darauf und fahre in die angegebene Richtung. Das ist notwendig, weil es in Kenia fast keine Wegweiser gibt.
Am Weg hinauf überholen wir einen Motorradfahrer mit wagemutiger Beladung. (Den haben wir nicht nach dem Weg gefragt.)

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Bild: Alles lässt sich mit etwas gutem Willen mit einem Motorrad transportieren. Wirklich alles, zumindest in Afrika

Vor zwei Jahren noch nicht da – ganz plötzlich steht oben am Escarpment eine Plantage mit Gewächshäusern, nicht gerade klein. Das kann man – je nach Sichtweise – als Fortschritt betrachten, oder aber als Fehlentwicklung. Meist wird das Land den kleinen Farmern abgenommen, die produzierte Ware kann billig nach Europa oder sonstwohin exportiert werden und ein paar Leute werden reich. Eventuelle Umweltzerstörung muss als Kostenfaktor nicht eingepreist werden.

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Bild: Plantage

Exkurs: China ist überall
Auch wenn es in Kenia nicht zu so immensen Landgrabbing-Aktionen kommt wie in Äthiopien und die Inder schon seit Ewigkeiten die Handelswelt im gesamten Land beherrschen, die Chinesen sind inzwischen auch hier überall. Sie bauen Lodges und Fabriken und alle sehen gleich aus und sind auf den ersten Blick als chinesisch identifizierbar. Mitten im Rift Valley, gegenüber der alten amerikanischen Satellitenstation haben sie eine solche Fabrik aus dem Boden gestampft. Hohe Mauern, viele Gitter, bunt bemalt und mit chinesischen Schriftzeichen, aber alles sehr steril. Wenn ich daran denke, was sie dort alles bereits machen, kommt mir das Frösteln.
In Kenia gibt es in den Städten relativ wenige motorisierte Zweiräder, ganz im Gegenteil zu Asien. Das mag daran liegen, dass es auch innerstädtisch viele tiefe Schlaglöcher gibt, die vor allem in der Nacht eine immense Gefahr darstellen. Es wird jedoch mehr, vor allem in ländlichen Gegenden fahren Unmengen an chinesischen Motorrädern herum – alles 125er bis 250er, sicher sehr robust und mit einfacher, reparierbarer Technik. Ich habe zwar nicht erfahren, was die Dinger kosten, wir dürfen von einem ausgesprochen günstigen Preis ausgehen, der für kenianische Verhältnisse aber immer noch eine große Summe bedeutet.
Dazu gibt es jetzt arabische Tankstellen. Das erscheint mir zwar logisch, ist aber auch eine Entwicklung der letzten Jahre. Davor gab es „Kobil“ (die kenianische Mobil) und viele namenlose Tankstellen, dazu noch Shell und Texaco.

Oben im Ort Mau Narok fängt ein Stück Rough Road an, das uns schon vor zwei Jahren als äußerst beschwerlich aufgefallen ist. Davor ist die Straße gut, danach ist sie bis Narok sensationell, dazwischen eine Katastrophe. Staubig, steinig, zerfurcht und zum Glück nur 31 Kilometer lang. Diesmal wussten wir das schon, vor zwei Jahren hatten wir noch die Befürchtung, dass es so bis Narok weitergeht.

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Bild: In den Säcken wird meist Holzkohle transportiert, die zum Kochen verwendet wird. Gas können sich hier die wenigsten leisten.

Das Escarpment ist eine fruchtbare Gegend, in der es viele kleine Streusiedlungen und einige kleine Dörfer gibt. Eine Gegend, in die nur sehr selten Touristen kommen.

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Bild: Wir fahren durch ein Dorf kurz bevor die Asphaltstraße wieder beginnt. Das ist ein typisches Bild für Afrika: eine staubige Hauptstraße, an deren Rand sich das Leben abspielt – hier mit einer Art Dauermarkt.

Wir kommen am frühen Nachmittag in Narok an und wissen, dass wir es in absehbarer Zeit bis in die Maasai Mara schaffen werden. Mein Bruder hat mir allerdings berichtet, dass wir von Narok bis zur Parkgrenze die doppelte Zeit als üblich rechnen sollten, da sie Straße komplett kaputt sei.
Wir stellen uns auf das Schlimmste ein, sind dann aber sehr positiv überrascht, denn die Straße hat sich in den letzten zwei Jahren nicht verändert und ist in akzeptablem Zustand.

Kurz nach Narok fährt man durch Ewaso Ngiro, ein kleiner Ort, der sich nicht zu seinem Vorteil weiterentwickelt hat. Links und rechts der Straße ist alles voll mit Plastikmüll. Dieser passt in die Gegend wie die Faust auf´s Aug, und genau in dem Auge tut es auch weh das zu sehen.

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Bild: Plastikmüll

Ich bin immer wieder erstaunt warum die Menschen das nicht wegräumen. Eine konzertierte Aktion und binnen eines Tages wäre alles sauber. Es scheint aber so als würde das absolut niemand interessieren. Ich habe den Verdacht, dass es sich hier um das gleiche Phänomen handelt wie bei den Löwen. Wenn man mit dem Auto an ein Löwenrudel heranfährt, das gerade gemächlich unter einem Baum Siesta hält, so interessieren sich die Löwen genau überhaupt nicht für das Auto und die Insassen. Sie nehmen den Menschengeruch nicht wahr, weil er von den verschiedenen Gerüchen des Autos überdeckt wird. Das Auto wiederum ist ihnen egal, es ist evolutionsgeschichtlich für die Löwen gerade eben erst aufgetaucht und sie können damit nichts anfangen. Sie nehmen es gar nicht wirklich wahr.
Vielleicht ist es mit dem Plastik so ähnlich – die Menschen nehmen es möglicherweise nicht wahr, es passt nicht in ihr Schema, denn sie haben in den letzten Jahrtausenden gelernt, dass man Abfälle einfach in die Gegend werfen kann, weil sie sowieso schnell verrotten.

Nach Ewaso Ngiro gibt es noch ein paar Kilometer Asphalt, dann beginnt eine staubige Wellblechpiste. Entgegenkommende Fahrzeuge kann man anhand ihrer Staubfahne schon kilometerweit erkennen, wenn sie näher kommen empfiehlt es sich das Fenster zu schließen. Genau genommen macht das nicht sehr viel Unterschied, denn am Abend ist sowieso alles staubig. Oder schlammig – das kommt ganz auf die Jahreszeit an. Nichts gibt es nicht, man hat die Auswahl zwischen Staub und Schlamm.
Diesmal haben wir Staub am Programm, dafür geht es zügig dahin, denn 65 ist die richtige Geschwindigkeit für den Toyota auf Wellblech.
Die berühmten Wellblechpisten in Kombination mit dem Staub sind auch der Grund warum man mit einem modernen SUV, aber auch mit modernen Geländewägen hier keine Chance hätte. Klimaanlage, Elektronik – sie geben nach kurzer Zeit den Geist auf, der Rest des Autos folgt mit geringem Abstand. Deswegen fährt hier auch kein Mensch mit solchen Fahrzeugen.
Trotzdem sieht man hin und wieder eine Überraschung

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Bild: Ein VW-Bus (Typ 2) als Rechtslenker. Keine Ahnung wie der hierher kommt, aber früher gab es mehrere von den alten Bussen. Dieser hat sogar eine alte Camping-Ausstattung, wie man an dem Ausstelldach sieht. Gleiche Felgen sind übrigens überbewertet.

Nach nur einer Stunde und vierzig Minuten erreichen wir den Ort, an dem wir James treffen. Ich habe von Narok aus mit ihm telefoniert und er erwartet uns an der Straße, um uns in ein neues Maasai-Camp zu geleiten, weil das Semadep-Camp gerade renoviert wird.
Die Gesamtfahrzeit heute beträgt 6,5 Stunden und wir sind froh endlich an einem der schönsten und interessantesten Plätze der Welt angekommen zu sein. Wir folgen James in den Busch, das Camp liegt am Rande eines Hügels mitten in einem kleinen Wäldchen. Es ist zwar nicht so schön angelegt wie das Semadep-Camp, dafür aber besser ausgestattet. Es gibt die schon bekannten großen grünen Hauszelte mit gemauertem Badezimmer.

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Bild: Zwei der großen Zelte, mit gepflastertem Weg, alles sehr gepflegt

Alles ist sauber und sehr ordentlich, mehr Komfort braucht man hier wirklich nicht. Es gibt eine heiße Dusche und jede Menge Wasser, weil sie eine Quelle nützen können, die am Hügel entspringt. Das ist in dieser Gegend keine Selbstverständlichkeit, aber sehr erfreulich.

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Bild: Unser Bad

Mittels Solarstrom und Batterien haben sie eine Handyladestation gebaut und es gibt eine Art überdachten Aufenthaltsraum, der sich auch als Küche verwenden lässt.
Ich mache wieder einen Fruchtsalat und bin nach kurzer Zeit von drei Hunden umringt, die zwar sehr sympathisch sind, jedoch den Verdacht schüren, dass sich der eine oder andere Floh an ihnen finden lässt.
Sie leben offensichtlich in guter Kooperation mit ein paar Pavianen, die scheinbar unbeteiligt durch das Camp spazieren. Man ignoriert einander.

Exkurs: Die Afrikaner
Genau genommen ist es nicht sehr sinnvoll von „den Afrikanern“ zu sprechen, da sie so verschieden sind wie „die Europäer“ oder „die Amerikaner“. Ich schreibe von den Ostafrikanern, was auch schon eine Verkürzung darstellt.
Sie sind Menschen genau wie wir und doch so anders. Ich möchte das anhand einer sehr unvollständigen Liste an Phänomenen erklären, die nur für uns Phänomene sind, für die Ostafrikaner sind sie ganz normal. Die Liste ist der Einfachheit halber pauschalisiert, selbstverständlich gibt es immer Ausnahmen.
1.) Keine Haken
Egal wohin wir fahren, es gibt keine Haken. Du kannst nichts aufhängen, in keinem Hotelzimmer, in keinem Privatzimmer, in keinem Camp findest du auch nur einen einzigen Haken, an dem du dein Gewand aufhängen kannst. Ich habe noch nicht herausfinden können, warum das so ist. Sie haben dort auch Sachen, die wohin gehängt werden müssen, daran liegt es nicht. Es kann auch keine Frage der Finanzierung sein oder des Platzes und bleibt für mich rätselhaft.
2.) Der Händedruck
Ich bilde mir ein, dass ich noch nie von einem Afrikaner einen festen Händedruck bekommen habe. Bisher kenne ich nur die Varianten „sanftweich“ und „supersanftweich-flapp“.
3.) Die Kleidungskombinationen
Teurer dunkler Business-Anzug und dazu neonfarbene Schuhe. Solche und so ähnliche Kombinationen sind für die Afrikaner irgendwie ganz normal und fallen ihnen scheinbar gar nicht auf. Das Phänomen entdecke ich übrigens fast nur bei Männern.
4.) Modern und traditionell
Auch bei uns gibt es Menschen, die in der Lederhose das Smartphone tragen. Aber hier sieht man den Maasai mit Kanga (das sind die bunten, meist rot-gemusterten Tücher, die so typisch für das Bild der Maasai sind und eine Art traditionelle Tracht darstellen), Speer und Smartphone.
5.) Die fröhlichen Kinder
In diesem Reisebericht gibt es einige Bilder von fröhlichen Kindern. Die gibt es bei uns natürlich auch, aber in Ostafrika erscheinen sie mir noch ein wenig fröhlicher und stellen unser Konsumglück massiv in Frage. Meist besitzen sie wenig Spielzeug und auch das ist improvisiert – ein Stück eines alten Autoreifens, eine ausrangierte Fahrradfelge, ein kleines, aus Draht gebogenes Auto. Oftmals haben sie gar kein Spielzeug und nehmen einen Ast oder spielen mit ihren Zehen. Sie laufen irgendwo im Dorf herum oder am Strand, sind neugierig und lachen fast immer.
Sie sind ein unglaublicher Kontrast zu den „overprotected kids“, die ich bei uns immer häufiger antreffe, die nicht mehr ins Freie dürfen, außer vielleicht im eigenen Garten, gegen alles und jedes drei Mal geimpft sind und täglich zwei Mal geduscht oder gebadet werden. Dass ihnen trotz Bergen an Spielzeug das Lachen vergeht, wundert mich nicht wirklich.
6.) Die technischen Lösungen
Den Umgang könnte man als „locker“, jederzeit aber auch als „fahrlässig“ bezeichnen. Das betrifft die Fahrtüchtigkeit der Autos, aber auch die Elektrik und andere Dinge.

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Bild: Wenn die professionellen Ressourcen fehlen, dann muss es ohne funktionieren. Dass man aber nicht einmal Blockklemmen hat, sondern die Elektrokabeln einfach zusammenzwirbelt, das ist dann schon etwas schräg.

Die Art und Weise wie sie Probleme lösen lässt mich manchmal sprachlos zurück, oder es kommen Begriffe wie „naiv“ oder „kindlich“, die aber einer herrschaftlich-arrogant-überheblichen Sichtweise entstammen, über deren Unangemessenheit ich mir bewusst bin. Sie enthalten oft eine subtile Form von Humor, die unsere eigene Lebensweise karikiert und ganz und gar nicht als kindlich zu bezeichnen ist. Das folgende Beispiel lässt dies erahnen:

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Bild: Das ist die Raucherzone des Camps. Sie ist hervorragend ausgestattet und verfügt über einen Plastiksessel (Standardware) und eine Art Tischchen, das auch als Sitzbank verwendet werden kann. Aschenbecher gibt es keinen, schließlich kann man nicht an alles denken.

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Bild: Als das Schild angefertigt werden sollte, gab es einen, der schreiben konnte und einen, der malen konnte. Deswegen hat der, der schreiben konnte, dem, der malen konnte, eine Vorlage rechts unten auf das Schild gemalt. So konnte sicher gestellt werden, dass kein Fehler passiert.

Das Camp ist eines von mehreren, die alle in Sichtweite des Parkeingangs angelegt sind. Unseres existiert seit 1990 und gehört einem Kikuyu, betrieben wird es aber ausschließlich von Maasai. Wie auch die anderen Camps wird es ständig umgebaut und erweitert, die notwendige Anzahl an Gästen fehlt jedoch. Ich habe James schon vor zwei Jahren eine Handvoll Tipps gegeben, wie er das Camp noch attraktiver machen kann und auch diesmal sitzen wir länger zusammen und erzählen uns was es Neues gibt.
Ich habe vor zwei Jahren begonnen einem jungen, sehr aufgeweckten Maasai-Buben das Schulgeld zu bezahlen. Seit einigen Jahren ist die Primary-School in Kenia gratis, was jedoch nicht ganz stimmt, denn die Eltern müssen zwar kein Schulgeld mehr bezahlen, trotzdem kommen einige Kosten auf sie zu, wenn sie ein Kind in die Schule schicken. Mit 13 kann man dann in die Secondary-School gehen und Emmanuel befindet sich jetzt im dritten Jahr. Ich lasse mir regelmäßig seine Zeugnisse schicken, die leider nicht allzu tolle Noten aufweisen. James weiß auch nicht warum, betont aber, dass Emmanuel die Schule auf jeden Fall abschließen kann und wird und dass es sich um eine sehr gute Schule handelt, die jede Menge zukünftige Studenten produziert.
Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, ob ich nicht einem Riesenschwindel aufliege, aber das gehört zum Risiko dazu. Ich werde (einige sehr liebe Freunde von mir helfen übrigens mit, vielen Dank dafür) Emmanuel auch noch das vierte Jahr bezahlen. Wenn schon, denn schon.
Ich muss und will einfach darauf vertrauen, dass alles mit rechten Dingen zu geht.

Wir kochen uns eine Riesenportion Nudeln mit Sauce, für die wir eine Basissauce gekauft haben, die jetzt mit Zwiebeln, Knoblauch, Paradeiser und Paprika verfeinert wird. Das macht ordentlich satt und für einen der Nachtwächter, die in der Mitte vom Camp ein ordentliches Feuer errichtet haben, ist auch noch genug übrig.

Es wirkt immer als wäre es schon lang nach Mitternacht als wir schlafen gehen. Dieser Eindruck täuscht, es ist gerade mal halb elf, was unter anderem damit zusammen hängt, dass die Sonne schon um 18:30 untergeht.
In der Nacht jaulen weit weg die Hyänen und plötzlich lässt sich auch Donnergrollen vernehmen. Es kommt langsam näher und dann beginnt ein ordentliches Gewitter, das ca. drei Stunden andauert. Wir sind sehr froh, dass wir in einer komplett geschützten Unterkunft sind und nicht im Freien von diesem Regen erwischt werden.
Ab morgen sieht das anders aus, da werden wir uns sehr gut überlegen müssen, ob wir das große Hauszelt aufstellen, in dem wir zur Not auch kochen und vor allem während eines längeren Regengusses auch sitzen können.
Heute Nacht ist auf jeden Fall alles okay und wir freuen uns für die Natur und die Menschen, dass jetzt endlich etwas Regen kommt. James hat uns erzählt dass durch die lange Trockenheit schon einige Kühe der Maasai gestorben sind.

Wieder geht ein langer Tag dem Ende zu und wir freuen uns schon sehr auf die Maasai Mara.

Wieder in Afrika – Tag 5

Wir sind nicht sehr kreativ bei der Frühstückszubereitung (so wie gestern…), aber dafür beschließen wir nach einer weiteren sehr heißen Nacht heute unsere Zelte abzubrechen und in den Nakuru-Nationalpark zu fahren. Der Lake Bogoria ist fein, hat derzeit aber nicht mehr wirklich viel Neues zu bieten.
Unser Weg führt uns am westseitigen Seeufer entlang nach Norden, zum eigentlichen Haupteingang des Parks.
Gegründet wurde das Lake Bogoria National Reserve 1970, damals noch von der Kenianischen Regierung und dem Kenya Wildlife Service. Der See umfasst 32 Quadratkilometer und wird an der Ostseite durch das 600 Meter hohe Ngendelel Escarpment begrenzt, wo auch die beiden Wildbäche entspringen. Er liegt auf knapp 1000 Meter Seehöhe mitten im Rift Valley und ist ein alkalischer Soda-See, in dem es kein Leben gibt außer die speziellen Algen, die von den Flamingos gefressen werden.
Vor einigen Jahren ging die Verwaltung dann an das Baringo County. Seitdem tut sich das Management scheinbar recht schwer, die Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Kenia ist ein Land mit enormer Korruption und die macht vor den Verwaltungen der Landkreise wahrscheinlich nicht halt.
Die Einnahmen sollten der Bevölkerung zugute kommen, aber in welchem Ausmaß das tatsächlich geschieht, lässt sich wohl nur schwer eruieren.
Da die alte Straße am Seeufer überflutet wurde, baute man eine neue weiter oben. Die ist nicht schlecht befahrbar und wir kommen gut voran.

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Bild: Geysire – und im Hintergrund das Escarpment

Vom eigentlichen Highlight des Sees, den Geysiren, ist nicht viel übrig, denn auch sie wurden zur Gänze überflutet. Man kann noch ein kleines Stück mit kleinen Geysiren besuchen und in der Nähe sehen wir auch einen kleinen Schwarm Flamingos. Das ist aber auch schon alles, die Attraktivität des Nationalparks hat tatsächlich stark gelitten.

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Bild: Flamingos

So erreichen wir den Parkausgang und ich drücke dem dortigen Game Ranger und seiner Kollegin die Papiere in die Hand. Ein kleiner Smalltalk und dann frage ich, ob das eh passt.
Sie meinen ja und wünschen uns eine gute Reise. Also steigen wir in den Toyota und machen uns aus dem Staub. Die Nachzahlung für den zweiten Tag bleibt uns erspart, was uns einerseits natürlich freut, andererseits nicht gerade für die Professionalität des Managements spricht. Wir sehen es als Ausgleich für anderswo bezahlte Deppensteuer.

Ob ich jemals wieder an diesen Ort zurückkehren werde? Ich weiß es nicht, denn ich habe einerseits so unglaublich schöne Erinnerungen und andererseits ist so viel kaputt. Falls der Wasserstand wieder auf sein ursprüngliches Niveau sinkt und das alte Figtree-Camp wieder erreichbar wird, kann ich es mir durchaus vorstellen.

Exkurs: Ökonomie vs. Ökologie
Eine der schwierigsten Fragen ist die nach der Entwicklung der Nationalparks. Völlig sich selbst überlassen mit keinerlei Komfort bedeutet zwar wenig Eingriffe in die Ökologie, zugleich gibt es dann aber nur wenige Touristen, die sich die Strapazen antun. Das bedeutet auch wenige Einnahmen und in Folge kann so ein Park dann auch schlecht bewacht und beschützt werden. Dringend notwendige Forschungsprojekte sind nicht finanzierbar, die Wilderei nimmt zu und irgendwann krallt sich ein Spekulant einen Teil.
Die vollständige Ökonomisierung hat auch ihre Tücken. Sie kann derzeit in der Maasai Mara beobachtet werden. Vor dreißig Jahren gab es gerade mal drei Lodges und eine Handvoll kleiner Camps. Heute befindet sich fast hinter jedem Busch ein Camp und noch mehr wurden an der Parkgrenze gebaut. Ob die daraus entstehenden Einnahmen dem Park bzw. den Menschen zugute kommen, die rundherum leben und ohne die der Schutz des Parks undenkbar ist, lässt sich extrem schwer feststellen. Korrupte Provinzpolitiker zweigen ab was geht, vor allem, wenn man es ihnen so leicht macht. In den 1990ern wurde Richard Leakey der erste weiße Minister in einer kenianischen Regierung, zuständig für die Nationalparks. Unter seiner Führung wurde das Management straffer und er hat einige wichtige Entwicklungen eingeleitet. Nach ein paar Jahren wurde er jedoch abmontiert und ich kann nicht sagen, wie es sich seither wirklich entwickelt hat.
Dazu kommt noch das Problem, dass die Tourismuszahlen in den letzten Jahren massiv zurück gegangen sind und damit auch die Einnahmen. Die Gründe sind sicher in der einen oder anderen Finanzkrise zu suchen, aber auch in der Angst vieler Leute vor Terroranschlägen und der Sicherheit im Land generell. Die ist aus meiner Wahrnehmung durchaus okay und es gibt keinen Grund für die Angst. Da Menschen aber für ihre Ängste keinen Grund brauchen bzw. jeden nehmen, der sich anbietet, wenn sie gern Angst haben wollen, haben die Kenianischen Nationalparks ein Problem.

Die Straße zurück nach Nakuru ist in erstklassigem Zustand und wir überqueren den Äquator. Wenig später sind wir wieder in der Stadt und gehen in den Nakumatt einkaufen. Dann fahren wir zum Nakuru-Nationalpark. Er hat ein ähnliches Schicksal erlitten wie der Lake Bogoria, eigentlich noch schlimmer. Das merkt man sofort, wenn man in den Park hinein fährt, denn man wird auf einen kleinen Hügel umgeleitet, auf dem sich das Headquarter der Verwaltung und der eigentliche Parkeingang befinden.
Der alte Eingang ist eine überschwemmte Ruine, der dahinter liegende große und wunderschöne Wald ist verrottet, einzelne bleiche Baumstämme ragen wie Mahnmale in den Himmel.

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Bild: Am Bild sieht man gut die jetzige Ausdehnung des Sees – vom Baboon-Cliff hinunter fotografiert. In der Bucht links die abgestorbenen Bäume.

Da wir vor zwei Jahren schon einmal da waren und den Unterschied zu früher kennen, wissen wir schon was uns erwartet.
Neu ist das Problem, dass sie beim Parkeingang keine US-Dollar nehmen. Das Computersystem sei gerade kaputt und wir könnten nur entweder mit M-Pesa oder Kreditkarte zahlen.

Exkurs: M-Pesa
Es handelt sich hierbei genau genommen bereits um ein alternatives Währungssystem. M-Pesa heißt „mobiles Geld“ und bedeutet, dass man mittels einer SMS Geld von einem Handy auf ein anderes überweisen kann. Einzahlen und abholen tut man das Geld bei über 50.000 M-Pesa-Stationen im ganzen Land, es gibt eigentlich an jeder Ecke eine.
Dieses System ist binnen kurzer Zeit extrem gewachsen, hat sich weiterentwickelt und wird inzwischen in andere afrikanische Länder exportiert. In einer Gesamtbetrachtung sind uns die Ostafrikaner hier einen deutlichen Schritt voraus, denn bei uns geht so etwas schlicht und einfach nicht. Und dort ist es so populär und funktioniert so gut, dass M-Pesa inzwischen das wichtigste Kriterium einer Währung erfüllt: Vertrauen.
Und das ist genau der Grund weshalb sie hier im Nationalpark statt Dollar lieber M-Pesa nehmen.

Billig ist der Park nicht, die eine Nacht kommt uns auf 273,- Dollar und wir hoffen, dass Philipp wenigstens ein Nashorn zu Gesicht bekommt. Die kann man nämlich fast nirgends mehr beobachten, gerade hier am Nakuru-See gibt es noch eine Handvoll.

Über das Baboon-Cliff fahren wir zu unserem Campingplatz Makalia Falls. Dort gibt es einen Wasserfall. Also theoretisch, weil immer wenn ich dort bin ist er ausgetrocknet. Trotzdem ist das ein sehr schöner Platz, an dem man auch Wildtiere beobachten kann. Direkt hinter einer Anhöhe ist der Park zu Ende und die Zivilisation beginnt. Das ist überhaupt eine Besonderheit des Nakuru-Parks, dass direkt an seinen Grenzen hohe Häuser stehen und eine sehr lebendige Stadt liegt. Irgendwie funktioniert das aber, die kleinen Hügel rund um den Park begrenzen ihn auf eine Art und Weise, mit der auch die Wildtiere leben können. Trotzdem ist die Kulisse unheimlich.

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Bild: Die Stadt und ihr Nationalpark. Die Grenze ist hier gut zu erkennen.

Hinter unserem Zeltplatz hört man in der Nacht Hundegebell und hin und wieder ein Auto. Und keine hundert Meter entfernt hat der Game Ranger am nächsten Tag in der Früh einen Löwen gesehen. Angeblich gibt es in dem kleinen Wäldchen sogar Leoparden, aber das glaube ich erst, wenn ich einen gesehen habe.
Bei unserem Zeltplatz gibt es zwei neue Gebäude mit Dusche und WC. Sie sind gegen die Paviane mit Gittern gesichert, die Dusche in einem der Häuser funktioniert nicht, im anderen schon, zwar nur kalt, aber das ist bei der großen Hitze eh super.

Exkurs: Moderne Technik
Seit ein paar Jahren gibt es eine spezielle Form der Heißwasserdusche. Das ist ein Duschkopf, in dem sich eine elektrische Heizspirale befindet, die im Prinzip wie ein Durchlauferhitzer funktioniert. Wenn sie funktioniert, was ich noch nie wirklich erlebt habe. Das Zeug kommt wahrscheinlich aus China oder Indien und ist irgendwie Mist, dafür aber sehr beliebt, weil billig und einfach zu installieren.
Ähnlich schräg ist das moderne Personenerfassungssystem am Flughafen. Jeder Passagier muss seine Fingerabdrücke scannen lassen und manchmal wird auch ein Foto mit einer kleinen Kugelkamera gemacht. Die Obama-Blitze gehören auch in diese Kategorie.
Es gibt aber auch sehr positive Beispiele, das Mobilfunknetz gehört dazu. Da die Kenianerinnen und Kenianer ganz verrückt sind auf ihr Handy und es nie ein wirklich ausgebautes Festnetz gab, hat man viel Geld und Energie in den Ausbau gelegt. Dafür funktioniert eines der drei Netze jetzt fast überall in diesem doch sehr großen Land. Vor allem bei medizinischen und sonstigen Notfällen ist das wirklich hilfreich, das noch vor ein paar Jahren unersetzliche Satellitentelefon ist nicht mehr oder fast nicht mehr notwendig.

Wir fahren noch auf einen Abend-Gamedrive und Philipp bekommt tatsächlich sein Nashorn zu sehen.

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Bild: Ein einsames Nashorn

Der Park hat eigentlich einen großen Wildtierbestand – vor allem verschiedene Arten von Antilopen, viele Vögel, Büffel und vor allem Giraffen sind hier heimisch.

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Bild: Impala-Gazellen

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Bild: Netzgiraffe (Sie sieht ganz anders aus als die Maasai-Giraffe, die wir später noch sehen werden.)

Danach gibt es noch ein gutes Abendessen (Süßkartoffel, gebratene Zucchini und Salat), gestört nur durch die ziemlich aggressiven Paviane, die es mit viel Hartnäckigkeit und Dank ihrer großen Zahl schaffen uns ein paar Lebensmittel zu klauen. Das passiert auf allen Zeltplätzen, bei denen es Paviane gibt, da diese sehr schnell lernen wie sie sich mühelos Nahrung besorgen können. Glücklicherweise gehen sie bei Sonnenuntergang schlafen und daher hat man danach seine Ruhe.