Wieder in Afrika – Tag 4

Philipp behauptet, dass ich schnarchen würde. Ich wiederum behaupte, dass er schnarcht. Wahrscheinlich schnarchen wir um die Wette, zumindest manchmal. Er jedenfalls hat seine erste Nacht im Busch gut überstanden, es war so heiß, dass die dünnen Innenschlafsäcke fast zu viel waren. Ich darf anmerken, dass wir uns zwar in der Wildnis befinden, die wahre Herausforderung jedoch erst in der Maasai Mara auf Philipp wartet, da dort neben den üblichen Nachtgeräuschen (Frösche, Grillen, Affen und jede Menge Geräusche, die sich bei bestem Willen nicht zuordnen lassen) noch viele Wildtiere (Löwen, Hyänen, Nilpferde etc.) dazu kommen. Wir werden sehen, wie es ihm dann geht.

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Bild: Philipp taucht aus dem Zelt auf

Thomy zaubert ein üppiges Frühstück mit gefühlten zehn Eiern pro Person plus reichlich Paradeiser, Zwiebel und Paprika. Ich esse zusätzlich in guter alter Tradition und der längst vergangenen britischen Kolonialherrschaft geschuldet Toast mit Orangenmarmelade, dazu Tee.
Das ist jetzt nicht rasend originell, taugt mir aber sehr. Thomy macht das hingegen wahnsinnig, weil ich in Ermangelung eines Toasters die Toastscheiben in der Pfanne röste. Das funktioniert nur mittelprächtig gut und es bleibt stets ein wenig Angebranntes, das ich dann mühsam aus der Pfanne kratzen muss. Aber für einen englischen Toast tu ich fast alles.

Wir hängen noch ein wenig im Camp herum und warten auf den Game Ranger, der uns das Retourgeld bringen soll. In Afrika darf man „in der Früh“ jetzt nicht so genau nehmen, hier geht man mit Zeit und Terminen recht entspannt um.
Irgendwann taucht er dann auf und wir können ein wenig mit ihm plaudern. Ich erzähle ihm von unserem Plan eine kleine Wanderung zum alten FigTree Camp zu machen. Er meint, dass die alte Straße recht bald verschwinden würde und wir in den Busch ausweichen müssten. Dort wäre ein Pfad, der uns hin bringt. Auf die Frage, ob wir einen Führer bräuchten, lehne ich dankend ab – schließlich kenne ich den Weg gut und es gibt auch keine mir bekannte Möglichkeit sich da zu verirren. Einfach oberhalb des ehemaligen Ufers so lange dahin spazieren, bis man bei dem kleinen Wäldchen angelangt ist. Nichts leichter als das.

Also packen wir ein wenig Wasser in meinen Rucksack und machen uns auf den Weg. Ich habe vor, den Bach vom alten Camp aus hinauf bis zu seiner Quelle zu folgen – das war schon bei meinem letzten Besuch ein sehr lohnendes Abenteuer.
Es ist schon ziemlich heiß, aber die geschätzte Gehdauer von einer halben Stunde, vielleicht 45 Minuten, ist locker zu bewältigen und es wartet ja ein kühles Bad als Belohnung auf uns. Am frühen Nachmittag sind wir wieder zurück.
Der Weg führt die alte Straße entlang und wir kommen zum See, der das erwartete ziemlich schreckliche Bild abgibt: Tote Bäume, der See selbst eine stinkende Kloake, ein totes Alkali-Gewässer. Flamingos gibt es hier allerdings keine, auch keine toten.

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Bild: Abgestorbene Bäume im See

Nach einiger Zeit kommen wir an die Stelle, an der die Straße im See versinkt. An ein Weitergehen ist hier unten nicht zu denken und ich befürchte, dass auch wenn der Wasserspiegel wieder sinkt, die Straße noch eine Zeit lang nicht befahrbar sein wird. Somit ist unklar, ob wir jemals wieder an diesem unglaublich schönen Platz campen werden und das bestätigt mich in meinem Wunsch das Camp noch einmal zu sehen.

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Bild: Ende der Ausbaustrecke

Ein kleiner Pfad führt steil nach oben in den Busch. Wir marschieren munter drauf los und freuen uns schon auf das kühle Bad im Bach. Thomy war ja auch schon vor vielen Jahren im alten FigTree-Camp, ist allerdings nicht ganz so scharf darauf in der Mittagshitze zu wandern. Für Philipp ist sowieso alles komplett neu und er folgt uns einfach.
Nach einiger Zeit stellt sich der Weg als doch nicht so bequem heraus. Es gibt ständig kleine Abzweigungen, die nach oben und nach unten führen und meist ist nicht klar, welches der Hauptpfad sein soll. Wir müssen immer wieder umkehren, weil uns mehr oder weniger dichte Dornenbüsche den Weg versperren. Dazu befinden wir uns auf einem Berghang und der Untergrund besteht aus Felsen, losem Geröll und Sand. Man muss sich ziemlich konzentrieren um nicht zu verknöcheln.
Weil manchmal kein echter Weg sichtbar ist, müssen wir auf die Knie oder ein Stück am Hosenboden hinunter rutschen, uns immer wieder durch Dornenbüsche quälen und uns vor allem alle paar Meter bücken, weil die Pfade sonst scheinbar nur von niedrigen Tieren (Ziegen wahrscheinlich, vielleicht auch Antilopen) benützt werden.
Es wird langsam beschwerlich und zunehmend immer heißer. Ein Liter Wasser pro Person stellt sich als nicht allzu üppig dimensioniert heraus, aber wir marschieren tapfer weiter, ständig auf der Suche nach einem etwas besseren Pfad.

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Bild: Noch ist der Weg gut

Nach einiger Zeit kommen wir zu einem kleinen Tal und versuchen hinunter zum See zu gelangen. Das funktioniert auch und wir können ein paar Meter auf der alten Straße gehen, die dort gerade wieder etwas höher liegt und somit nicht überflutet ist. Dann müssen wir wieder in die Büsche, die immer dichter werden.
Die Zeit vergeht, von einer halben oder einer dreiviertel Stunde kann keine Rede mehr sein, wir sind inzwischen 1,5 Stunden unterwegs und es nervt schon ein wenig, dass das Ziel immer noch nicht in Sicht ist.
Dann kommen wir zu einem weiteren Tal und müssen steil absteigen. Es gibt genau genommen keinen echten Pfad mehr, wir kämpfen uns durch die Wildnis, ziemlich zerkratzt von den Dornbüschen und durstig. Thomy wünscht sich eine Machete.

Dann endlich sieht es so aus, als würde der Weg leichter, es ist wieder so etwas wie ein Pfad zu erkennen und in einiger Entfernung hört man schon den Bach rauschen. Eine Horde Paviane verzupft sich kreischend in einen hohen Baum und wir hoffen, dass der Kampf gegen die Büsche langsam zu Ende geht. Thomy ist schon etwas mürrisch und meint, dass das eine Schnapsidee gewesen wäre dieser Wanderung zu machen.

Egal – wir sind jetzt hier und müssen weiter. Dummerweise meldet sich genau jetzt mein Kreislauf zu Wort. Zuerst spüre ich nur einen leichten Zuckersturz, dann gehe ich jedoch ziemlich ein. Genau jetzt ist aber kein großer schattiger Baum in Sicht und ich muss mit dem Halbschatten eines Busches Vorlieb nehmen.
Irgendwie geht es mir nicht wirklich gut, ich bin durstig und frustriert, weil der Bach schon ziemlich nahe rauscht, ein Weg dorthin aber nicht in Sicht ist, der scheinbare Pfad endet einfach hier und jetzt.
Ich habe keine Vorstellung, wie wir das schaffen sollen und esse erst mal einen Apfel, den ich im Rucksack habe. Dann entdecke ich plötzlich, dass sich meine Schuhe auflösen. Es sind alte Laufschuhe, die vor der Wanderung ganz in Ordnung waren. Jetzt löst sich bei beiden die Sohle, und zwar fast zur Gänze. Mir ist das aufgrund des Stresses nicht aufgefallen, den unsicheren Tritt der letzten halben Stunde habe ich auf das Terrain und die leichte Schwäche zurück geführt.

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Bild: Schuh, in Auflösung begriffen

Das ist jetzt gar nicht gut, denn ohne Sohlen kann ich den steinigen, teilweise sehr steilen und rutschigen Weg nicht zurück gehen. Ich überlege Alternativen, aber es gibt keine. Wir sind zwei Stunden oder mehr von jeder Hilfe entfernt, Mobilfunknetz gibt es keines und selbst wenn man beim Gate den Ranger findet – was soll er tun? Außerdem würde das Stunden dauern. Wenn mein Kreislauf jetzt zusammenbricht habe ich ein echtes Problem. Ich habe zwar einen Hut auf, aber die Gefahr eines Sonnenstichs ist nicht zu unterschätzen. Es hat an die 40 Grad und die Äquatorsonne kann vor allem hier im Rift Valley echt lästig sein.

Durch den Apfel und den letzten Schluck Wasser aus meiner Flasche plus der Ruhepause erhole ich mich ein wenig, aber noch ist kein Weg zum Bach in Sicht. Wir müssen ihn aber erreichen, denn wir sind auf das Wasser angewiesen, das es dort gibt.
Thomy geht weiter und versucht am Seeufer einen Weg über riesige umgestürzte Bäume zu finden. Es kann ja nicht weit sein, aber ich weiß, dass ich nicht mehr allzu viel Kraft habe, wenngleich die Krise eher eine psychische ist, sich aber nicht so anfühlt.

Dann mache ich mich auf den Weg und folge Thomy und Philipp einfach in die Richtung, in die sie gegangen sind. Glücklicherweise dauert es nicht lange und ich erreiche das offene Gelände unter den Feigenbäumen. Geschafft! Das Gefühl der Erleichterung ist unbeschreiblich und ich ziehe mich sofort aus und lege mich in den Bach. Thomy und Philipp sitzen schon drin.

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Bild: Bad im Bach

Nach einiger Zeit kühlt der überhitzte Körper ab und ich beginne mich deutlich besser zu fühlen. Dazu kommt noch die Magie dieses Ortes, die trotz der Verwüstungen noch vorhanden ist. Der glasklare Wildbach unter den riesigen Feigenbäumen ist immer wieder faszinierend, trotz der immer noch eher bescheidenen Lage, in der wir uns befinden.

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Bild: Der Wildbach vom alten FigTree-Camp

Thomy schimpft, warum ich nicht andere Schuhe genommen hätte. Das bringt mich aber jetzt auch nicht weiter, denn ich muss eine Lösung finden, wie ich die Sohlen wieder an die Schuhe bringe, sonst ist an einen Rückmarsch nicht zu denken.
Glücklicherweise habe ich eine lange Schnur im Rucksack und binde mit ihr die Sohle einfach an den Schuh. Der andere Schuh ist nicht ganz so aufgelöst und ich verwende die langen Schuhbänder um auch hier die Sohle einigermaßen gut anzubinden. Irgendwie wird das schon halten und mangels Alternative muss es einfach halten. Dass der Rückweg kein Zuckerschlecken wird ist jedoch spätestens jetzt klar.

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Bild: notdürftig reparierter Schuh

Als wir bereit sind für den Rückweg schlägt Thomy vor das Glück weiter oben zu versuchen. Uns allen ist die Vorstellung ein Graus den gleichen Weg noch einmal gehen zu müssen.
Vielleicht sind die Büsche weiter oben am Hang nicht so dicht und dornig. Das ist einen Versuch wert. Ich weiß, dass ich mir die Kräfte sehr gut einteilen und außerdem wegen meiner kaputten Schuhe höllisch aufpassen muss. Ein kaputter Knöchel wäre hier und jetzt echt nicht lustig.
Also steigen wir am Rand des Waldes den Hang hinauf und tatsächlich befindet sich oben eine Art Pfad – ebenfalls nicht eindeutig, aber einigermaßen begehbar. Wir müssen uns trotzdem ständig hinauf- und hinabsteigend bewegen und das alles in der größten Mittagshitze. Aus der lockeren Wanderung wurde ein ziemlicher Alptraum.
Ich muss zusätzlich noch darauf aufpassen jeden Schritt sehr vorsichtig zu setzen, da meine Schuhe mehr oder weniger keinen Halt bieten und von der Performance etwa mit Flip-Flops vergleichbar sind.
Nur ein Irrer würde diesen Weg mit Flip-Flops gehen. Wenn es überhaupt einen Weg gäbe.

Ich habe mir im Bach die Wasserflasche randvoll angefüllt und gehe ganz bewusst das Risiko ein verdorbenes Wasser zu trinken. Ich glaube allerdings, dass es absolute Trinkwasserqualität hat, da ich die Quelle kenne, der es entspringt. Es fließt von dort einfach ein paar hundert Meter den Berghang hinab, ist glasklar und geruchsfrei. Menschen gibt es sowieso keine, die das Wasser verschmutzen könnten.
Thomy und Philipp verzichten auf diese Option, was ich nicht verstehe, weil man könnte sich das Wasser ja auch einfach über den Kopf leeren, zwecks Abkühlung etwa.

Wir kommen einigermaßen gut voran, trotzdem dauert der Rückweg eine gefühlte Ewigkeit. Am schwierigsten ist das kleine Tal, denn der Abhang ist wirklich steil und wir rutschen etwas würdelos und teilweise am Hosenboden hinunter.
Irgendwann ist es dann geschafft und wir haben die Straße wieder erreicht. Thomy und Philipp sind auch nicht mehr ganz erntefrisch und haben irgendwann dankbar meine Wasserflasche angenommen. (Das Wasser war wirklich absolut unbedenklich, niemand von uns bekam die Scheißerei.)

Als wir wieder im Camp ankommen sind mehr als vier Stunden vergangen. Wir lassen uns erschöpft in unseren Bach fallen (es macht drei Mal „Zisch!“) und haben vor dort heute auch nicht mehr rauszukriechen.
Nach einer ausführlichen Erholungspause gönnen wir uns ein isotonisches Getränk und ich mache eine große Portion Fruchtsalat. Langsam kehren die Kräfte zurück und als es Abend wird, geht es uns allen wieder gut.
Wir (also Thomy und ich) braten uns ein Filet und es gibt eine riesige Menge Salat, wir haben alle einen Bärenhunger. Dann bricht die Nacht herein und wir gehen nach einem sehr anstrengenden Tag recht früh schlafen.

Eine Frage bleibt allerdings noch offen: Wie knapp war es wirklich? Scheinbar habe ich einige Aspekte dieses Ausflugs ziemlich unterschätzt, trotz 33 Jahren Afrikaerfahrung. Es macht einen riesigen Unterschied in welchem Terrain man sich bewegt. Wie viel Wasser braucht der Körper tatsächlich? Ich war an diesem Tag kein einziges mal pinkeln – außer am Abend. Was wäre geschehen, wenn wir den rettenden Bach nicht hätten erreichen können? Ich glaube nicht, dass ich es ohne Wasser und Abkühlung zurück geschafft hätte. Eventuell hätten wir bis zur Abenddämmerung warten können, um der großen Hitze zu entgehen. Ein paar Müsliriegel hatten wir auch noch mit, die für dringend notwendige Stärkung gesorgt hätten.

Die zerkratzten Arme sorgten an den Tagen danach jedenfalls für reichlich Amusement bei den Einheimischen:

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Bild: mein zerkratzter Unterarm

Wieder in Afrika – Tag 3

Die zweite Nacht war deutlich angenehmer, vor allem weil wir jetzt beginnen uns an das Klima anzupassen. Dafür steht uns wieder ein heißer Tag mit einer mittelmäßig langen Fahrt bevor.
Nach einem kleinen Frühstück packen wir das Auto fertig und starten. Da Lake View am Westrand von Nairobi liegt und wir in den Westen fahren, sind wir sehr schnell draußen aus der Stadt und am Wayaki-Way, einer Art Autobahn, die zu Beginn noch zwei Fahrspuren in jede Richtung hat. Die Straße ist Teil der Überlandroute von Mombasa nach Kampala in Uganda und entsprechend viel befahren. Sie führt hinauf in die Uplands, einem sehr fruchtbaren Gebiet, das auch dicht besiedelt ist. Da Nairobi auf 1.700 Metern Seehöhe liegt, geht die Straße bis auf fast 3.000 Meter hinauf. Dort fahren wir durch eine Gegend, die an die Alpen erinnert, mit Nadelwäldern (oder was davon noch übrig ist) und Wiesen. Nur die Erde ist rot und zeigt, dass wir in Afrika sind.

Mit unserem linksgesteuerten Toyota sind Überholmanöver immer eine spannenden Angelegenheit. Der Beifahrer hat die Oberhoheit für den Überholvorgang und steuert („fahr einmal vorsichtig raus… okay… nein, geht noch nicht,… jetzt noch drei Autos, dann raus mit dir – JETZT!“) Fehler sind nicht erlaubt, aber Thomy und ich sind ein eingespieltes Team wenn es darum geht, eine LKW-Kolonne nach der anderen zu schnupfen.
Nicht sehr beliebt ist das Ansuchen um Pinkelpause, dann ziehen nämlich die mühsam überholten Kolonnen wieder an einem vorbei. Wir lernen daher schnell zu pinkeln.
Im Rift-Valley sehen wir dann plötzlich die ersten Zebras und Warzenschweine, frech neben der Autobahn grasend interessieren sie sich nicht für uns. Ich bin etwas erstaunt, dass es das noch gibt, inmitten der Zivilisation.
Nach genau drei Stunden sind wir in Nakuru, einer großen Stadt, in der wir noch einen Supermarkt besuchen um einige fehlende Dinge einzukaufen.

Exkurs: Einkaufen in Kenia
Bei uns gibt es den Merkur und den Interspar, in Kenia den Uchumi und den Nakumatt. Dort bekommt man wirklich fast alles, von Campinggas über französisches Baguette bis zu Handywertkarten und Sonnencreme. Es gibt diese Märkte schon seit den 1980er-Jahren, aber erst seit ca. zehn Jahren sind sie riesig und vielerorts anzutreffen. Die Preise sind ähnlich wie bei uns, was bedeutet, dass nur die obere Mittelschicht und die Oberschicht dort einkaufen kann. Es gibt somit zwei voneinander komplett getrennte Marktsysteme, wobei wir als Weiße nur eines davon kennen lernen. Vor einigen Jahren wurde ich von unserem damaligen Koch einmal in die andere Welt mitgenommen, wo alles anders läuft – in kleineren Mengen, ohne klimatisierten Markt und zu vollkommen anderen Preisen.
Die internationalen Konzerne haben sich an die hiesigen Bedürfnisse angepasst und erzeugen von lebensnotwendigen Artikeln ganz kleine Verpackungseinheiten. Man kann etwa einen einzelnen Suppenwürfel kaufen oder ein paar Gramm Waschmittel – das alles in tausenden winzigen Läden überall in Kenia. Zudem gibt es auch für die armen Leute frische Ware, die jedoch nicht im LKW angeliefert wird, sondern mit Eselskarren oder auf dem Rücken über weite Strecken getragen wird.
Als Muzungu („weißer Mann“) hast du keinen Zugang zu dieser Welt, man kennt sie maximal vom Hörensagen.

Wir haben das schon vor zwei Jahren erlebt und waren damals sehr erstaunt, aber auch diesmal kommen wir in keine einzige Polizeikontrolle. Es gibt sie zwar überall, aber wir werden immer durchgewunken. Anscheinend haben die Polizisten vor längerer Zeit aufgrund der Tourismuskrise die Anweisung erhalten, uns nicht mehr zu kontrollieren. Damit fällt ein Stressfaktor weg, wenngleich auch einige Anekdoten dadurch nicht mehr zustande kommen.
Ab Nakuru geht es in Richtung Norden hinauf zum Bogoriasee. Die Straße wurde ca. 1990 einmal ordentlich gebaut und ich erinnere mich noch, dass sie 1992 gut in Schuss war. Danach verfiel sie und bei meinen Recherchen über den Lake Bogoria musste ich im Internet einige sehr negative Berichte über eine komplett zerstörte Straße lesen, auf der man für wenige Kilometer viele Stunden brauchen würde.
Umso erstaunter bin ich, als sich die Straße als brandneu und exzellent herausstellt. Das ist in Kenia immer wieder eine Überraschung und kann sich auch ständig ändern. Die Bezeichnung des Straßentyps (A = Autobahn, B = Bundesstraße, C = Landstraße, D = Schotterpiste und E = Rough Road) hilft nur bedingt, denn selbst eine A-Straße kann in miserablem Zustand sein und eine E-Piste flott und gut befahrbar.

Somit kommen wir sehr gut voran und nach 25 Kilometern erreichen wir den Ort Mogotio, wo die E 461 abzweigt, die uns zur Südseite des Lake Bogoria bringen soll. Ich bin sie vor 13 Jahren einmal in die Gegenrichtung gefahren und habe von damals noch Aufzeichnungen (Km-Stände bei Abzweigungen). Ich kann das jedoch nur zum Teil rekonstruieren und habe mir daher Ausdrucke aus Google Earth gemacht, um den Weg zu finden. Die Straße (eher Piste) führt durch riesige Sisal-Plantagen und theoretisch muss man nur der jeweils größeren Straße folgen und darf zwei wichtige Abzweigungen nicht versäumen.
Wir testen aus, wie gut die Google Earth-Ausdrucke funktionieren. Zur Sicherheit hab ich mir noch GPS-Koordinaten notiert.
Wir sind glücklich dass es trocken ist, eine E-Straße ist in der Regenzeit manchmal unpassierbar und auch jetzt kommen wir vorerst nur sehr langsam voran. Es sind insgesamt 33 Kilometer bis zum Emso-Gate, dem Eingang zum Lake Bogoria National Reserve.

Es läuft erstaunlich gut und an den wichtigen Abzweigungen stehen sogar Hinweisschilder, die Richtung Park führen. Die Piste ist okay und wir kommen gut voran. Ich kann diese Straße nur sehr empfehlen, sie ist ein echter Abkürzer zum Südzipfel des Lake Bogoria.
Am Emso Gate warten wir zuerst ein paar Minuten, bis von irgendwo ein Typ daher kommt. Es ist unglaublich heiß und ich bin gespannt, wie die Lage am See ist. Vor ca. zehn Jahren sind die Seen im Rift Valley alle angestiegen, teilweise um mehrere Meter. Das hat vor allem im Lake Nakuru und im Lake Bogoria zu enormen Verwüstungen geführt, da die teils üppigen Wälder rundherum komplett überflutet wurden und abstarben. Bei beiden Parks kann man davon sprechen, dass sie teilweise zerstört wurden.
Am Lake Bogoria hat dies auch dazu geführt, dass die Hauptattraktion, die Geysire, nicht mehr vorhanden ist. Aber auch die Straße rund um den See wurde teilweise zerstört. Ich hatte mich im Internet ausführlich erkundigt und auf der Facebook-Seite des Lake Bogoria einige Besucher angeschrieben, ob sie mir etwas über den derzeitigen Wasserstand sagen können. Ich bekam leider keine hilfreichen Antworten, die Kommentare sind sehr widersprüchlich. Einige meinen, dass es sich überhaupt nicht mehr auszahlt den See zu besuchen, andere finden ihn nach wie vor sehenswert. Es war also notwendig sich selbst zu überzeugen.

Nun war die Stunde der Wahrheit gekommen. Der witzige Game Ranger war ganz alleine am Gate, was aber durchaus Sinn ergibt, denn wir waren die Besucher Nummer 7, 8 und 9 – in diesem Jahr. Mehr Leute sind heuer noch nicht durch dieses Gate hinein oder hinaus gefahren. Das ist erstaunlich, denn unweit von dort befindet sich einer der schönsten Plätze Ostafrikas – zumindest meiner Meinung nach.
Ich spreche vom Fig Tree Camp, unter uralten Feigenbäumen direkt am See und mitten durch fließt ein klarer Wildbach, der direkt bei 2/3 Höhe des Escarpments entspringt.

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Bild: Fig Tree Camp vor der Flut

Ich war dort vor über 25 Jahren das erste Mal und der Platz hat in mir immer eine starke Sehnsucht ausgelöst. 2004 war ich das letzte Mal dort, damals war gerade mal ein einziger Baum direkt am See abgestorben, was ich sehr bedauert habe.
Dann stieg der Wasserstand um geschätzte 2-3 Meter und ein Teil des Waldes wurde überflutet. Die mindestens hundert Jahre (angeblich gab es einen ähnlichen Wasseranstieg Anfang des 20. Jahrhunderts) alten Feigenbäume starben ab und es war nicht klar, wie viel von dem idyllischen Platz heute noch übrig ist. 2015 war ich mit Thomy im Nakuru-Nationalpark und dort sahen wir die unbeschreibliche Verwüstung, die der hohe Wasserstand ausgelöst hat.
Auf dem folgenden Bild von Google Earth sieht man gut die unter Wasser gesetzte ehemalige Straße zum Camp und in der Bucht auch die Reste des ehemaligen Waldes.

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Bild: Google Earth Aufnahme vom Südufer des Sees. Links unten sieht man den kleinen Wald, in dem unser Camp liegt. Weiter rechts ist das alte FigTree Camp, die Distanz beträgt ca. 2 Kilometer

Nun stehen wir also beim Gate und der Game Ranger kämpft mit dem Papierkram für unseren Parkeintritt. Wie in Kenia üblich legt er die Dollarscheine (der Parkeintritt kann nur bar in Dollar bezahlt werden) vor sich hin und starrt sie minutenlang an. Ich weiß bis heute nicht, was diese Prozedur soll und finde sie sehr skurril. Das machen sie auch in jeder Bank so: hinlegen und anstarren, als ob sie sich dadurch verändern würden, oder vermehren oder sonst irgendwas. Vielleicht gibt es ein altes schamanistisches Ritual oder sonst etwas – ich weiß es nicht.
Nach einiger Zeit kommt er aus seinem Häuschen und versucht eine Anleitung zu lesen, die außen auf einem vergilbten Papier angeschlagen ist und bei der es um die Echtheit von Dollarscheinen geht.
Die Gebühr für das Auto darf er wiederum nur in Kenia-Shilling kassieren, was ihn vor das Problem stellt, dass er kein Wechselgeld hat. Also verspricht er uns das Geld am nächsten Tag in der Früh in unserem Camp vorbei zu bringen, das sich übrigens gleich unten am See rechts in einem kleinen Wäldchen befindet.
Ich habe im Internet schon recherchiert und das „Little Fig Tree Camp“ ist sozusagen der Ersatz für das nicht mehr erreichbare Fig Tree Camp.

Wir fahren dorthin und finden einen durchaus ansprechenden Platz mit viel Raum für Auto und Zelte, das alles direkt an einem klaren Bach, der gar nicht so viel schlechter ist als der im alten Camp. All das ebenfalls unter alten Feigenbäumen.

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Bild: ein riesiger alter Feigenbaum

Was leider auch sofort auffällt ist der penetrante Gestank – wir tippen zuerst auf ein verwesendes Tier irgendwo im Wald, entdecken aber dann recht bald, dass der Gestank vom See kommt, der sich ca. 150 Meter weiter befindet. Wir hoffen, dass wir uns daran gewöhnen können und vermuten, dass er von toten Flamingos stammt.
Eine der Attraktionen des Lake Bogoria sind nämlich die tausenden rosa Zwergflamingos, die sich dort von Zeit zu Zeit aufhalten. Schon vor Jahren gab es den Gestank, jedoch nicht so intensiv.
Später entdecken wir, dass es stark von der Windrichtung abhängt ob es Gestank gibt oder nicht. Es schmälert zwar den Aufenthaltsgenuss, ist aber aushaltbar.
Wir hasardieren und beschließen, dass es mindestens zwei Tage nicht regnen wird und wir mit dem kleineren Kuppelzelt genug haben werden. Dazu ist es wirklich heiß, nahe an die 40 Grad, und wir wissen, dass wir auch in der Nacht sicher nicht frieren werden.
Ein erfrischendes Bad im Bach ist sicher eine der Attraktionen dieses Zeltplatzes, auf dem man mit ziemlicher Sicherheit immer allein sein wird, da sich der Besucherstrom auch in den kommenden Jahren in Grenzen halten wird, vor allem hier am Südufer des Sees. Maximal andere Kurzzeitbesucher aus Nairobi wären möglich.

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Bild: Es ist zum Baden angerichtet

Der Toyota hat für diese Tour nur drei Einzelsitze, der Rest steht für Gepäck zur Verfügung, das zum Großteil in stabile Alu- bzw. Kunststoffkisten verpackt ist. Die guten alten Zarges-Boxen sind staubdicht und sehr stabil. Sie bewähren sich jetzt seit knapp fünfzehn Jahren und zeigen noch keine Schwächen.
In der Hecktüre befindet sich ein abklappbarer Tisch, den wir zum Kochen verwenden, da er einigermaßen windgeschützt arrangiert werden kann. Hinter einer Klappe an der linken Außenseite kann man einen Duschschlauch anstecken und das Wasser (über 200 Liter) reicht bei sparsamer Verwendung eine knappe Woche. So lernt man mit wenig Wasser auszukommen. An diesem Platz haben wir unser Tankwasser jedoch nicht gebraucht, denn für Dusche und Abwasch steht der Bach zur Verfügung, was sehr komfortabel ist.

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Bild: Thomy g´schaftelt gerade am Toyota herum

Nach einem erstklassigen Abendessen sitzen wir noch mit einem guten Drink (Kenya Cane plus Fruchtsaft, gut gekühlt) und lassen Philipps erste Nacht im afrikanischen Busch hereinbrechen.

Wieder in Afrika – Tag 2

Die erste Nacht ist nie perfekt, denn mein Körper und mein Geist müssen sich beide auf Afrika einstellen. Und doch wache ich unglaublich gerne durch das Schreien der heiligen Ibisse auf, die jeden Morgen auf ihre Insel in Lake View einfliegen und ein ordentliches Getöse machen.
Wir sind heute zum Frühstück bei Louis eingeladen, unserem steirischen Mechaniker, der nur ca. fünf Autominuten entfernt in einem kleinen Haus lebt, das sich auf dem riesigen Grundstück einer alten Dame befindet. Dort treffen wir auch meinen Vater, die Frau von Louis (Marion) und deren Schwester Judy, die seit ca. zwei Jahren meinen Vater auf Safari betreut, denn er ist schließlich keine 70 mehr und braucht ein wenig Unterstützung.

Wir haben den heutigen Tag zum Ankommen und zur Vorbereitung auf die morgen startende Safari. Da wir komplett Selbstversorger sind, müssen wir gut darauf achten, das Richtige einzukaufen und einzupacken. Der Toyota Landcruiser ist seit Jahren das beste Auto, das ich mir für Afrika vorstellen kann und wir mieten ihn von meinem Vater.

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Bild: Toyota Landcruiser HZJ 78

Das Auto hat ein aufstellbares Schlafdach und sicherheitshalber die Mud-Terrain-Reifen, falls uns die Regenzeit erwischt. Wetter und Auto – das waren über Jahrzehnte die größten Unsicherheitsfaktoren bei einer Safari. (Das ist übrigens ein Wort auf Suaheli und heißt nichts anderes als Reise.)
Seit dem Toyota bleibt nur mehr das Wetter übrig, trotzdem wird der Wagen noch gründlich durchgecheckt: Wassertank voll, Batterien gut in Schuss – vor allem achte ich darauf, dass die Starterbatterie von den Campingbatterien getrennt ist, die den Kühlschrank betreiben. Wenn man die nicht trennt, kann es passieren, dass der Kühlschrank die Starterbatterie leersaugt und dann ist meist Schluss mit lustig – immer abhängig davon, wo man sich gerade befindet.

Exkurs: Campingkühlschränke
Ein eigener Exkurs für einen Kühlschrank? Ja, weil das ein seit ewigen Zeiten ungelöstes Problem für die Safari in Afrika ist. Zugegeben – es ginge auch ohne, aber am Abend nach einer anstrengenden Tour ein kühles Bier, das kann schon was. Außerdem eröffnet sich mit Kühlschrank die Möglichkeit Fleisch und Butter, Käse und Wurst mitzunehmen. Also quälen wir uns seit Beginn mit Campingkühlschränken herum. Die Menschheit kann in ferne Galaxien blicken, zum Mond fliegen und winzige Hochleistungscomputer bauen. Was sie nicht kann: funktionierende Campingkühlschränke herstellen. Oder auch verständliche Lautsprecherdurchsagen in U-Bahnstationen technisch auf die Reihe bringen. Geht einfach nicht, keine Ahnung warum.
Bleiben wir bei den Kühlschränken. Sie sehen aus wie kleine Tiefkühltruhen, sind also von oben zu befüllen, weil die Haus-Variante eines Kühlschranks (mit Schranktür) für das Camping unbrauchbar ist, da bei jedem Öffnen die kalte Luft nach unten rausströmt. Das ist daheim egal, wenn man aber Energieknappheit hat, macht das einiges aus.
Seit Jahrzehnten können diese Kühlschränke (also die besseren) sowohl mit 220 Volt (also daheim), wie auch mit 12 Volt (im Auto über den Zigarettenanzünderanschluss) und mit Gas betrieben werden.
12 Volt sind immer etwas brustschwach und kann oft nur die Temperatur halten, aber nicht ordentlich runterkühlen. Daher machen wir es meist so, dass wir den Kühlschrank vor der Safari im Haus gut vorkühlen und dann versuchen, mit der Autobatterie und mit Gas die Leistung einigermaßen hinzubekommen.
Seit Solarzellen leistungsfähiger sind, funktioniert die Kühlung mittels der Autobatterie deutlich besser, im Landcruiser meines Bruders konnten wir sehr gute Leistungen erzielen ohne mit Gas betreiben zu müssen. Das setzt aber leider voraus, dass man unter Tags viel fährt, denn dann kommt die Energie aus der Lichtmaschine und lädt die Batterie ordentlich auf, so dass man über die Nacht kommt.
Ganz schlecht ist es, wenn das Auto 2-3 Tage an einem Platz steht, vielleicht noch im Schatten. Dann funktioniert kein Kühlschrank mehr, vor allem, wenn es draußen 30 Grad oder mehr hat.
Das größte Problem war aber immer der Gasbetrieb. Man muss ausreichend Gasflaschen mitnehmen, deren Füllstand man nie wirklich überprüfen kann. Die Gewichtsprobe kann aussagekräftig sein oder auch nicht. Die Ventile müssen funktionieren, die Schläuche dicht sein und vor allem muss der Kühlschrank immer komplett waagrecht stehen. Da der Gasbrenner eine Kontrollflamme braucht, darf auch kein stärkerer Wind wehen, sonst bläst er die Flamme aus und der Kühlschrank funktioniert nicht mehr. Man muss ihn also am Abend aus dem Auto räumen, sauber aufstellen und dann unten durch ein kleines Loch mit einem langen Zündholz die Flamme anzünden und gewährleisten, dass sie brennen bleibt. Das hat viele Jahre lang bedeutet, dass wir in der Nacht immer wieder mal aufstehen und die depperte Flamme kontrollieren mussten, vor allem bei Wind und Regen. Da überlegt man sich ob es ohne knechtenden Kühlschrank nicht viel entspannter wäre. Das Bier braucht man dann um den Kühlschrankstress wieder loszuwerden.
Dem Erfinder eines einfachen und robusten Campingkühlschranks garantiere ich den Nobelpreis und den ewigen Dank aller bierdurstigen Camper weltweit.

Mein Vater hat uns schon ein großes Hauszelt eingepackt, das wir aber nur brauchen, wenn Regen in Sicht ist. Dann ist es allerdings wirklich wichtig, weil wir bei einem länger dauernden Regenguss sonst nur im Auto sitzen könnten. Falls das Wetter schön bleibt, reicht ein Kuppelzelt für Philipp und mich, Thomy schläft wie immer im Toyota oben im Aufstelldach.

Es ist sehr heiß in Nairobi und wir machen bei unserem Haus in Lake View eine kleine Pause. Mein Vater geht im See schwimmen – dieser See ist der Hauptgrund weshalb er das Haus im Jahr 2000 gemietet hat. Weil der Inder, dem es gehört, ein ziemlicher Raffzahn ist, kostet das Haus inzwischen so viel Miete, dass mein Vater es an eine amerikanische Familie untervermietet hat.

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Bild: Am See

Wir hängen ein wenig mit Louis im Garten herum und überlegen, was wir noch alles einpacken sollten und was wir nicht brauchen.

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Bild: Thomy, Philipp und Louis

Am trockenen Rasen kann man gut erkennen, dass wir noch mitten in der Trockenzeit sind und wir hoffen, dass sie noch zwei Wochen anhält.
Die Einkaufstour gestaltet sich mühsam, da in meinem alten Lieblingssupermarkt die Hälfte der notwendigen Dinge nicht zu bekommen ist. Also fahren wir in den Village-Market um den Rest zu besorgen. Wir werden uns vor allem von Gemüse und Obst ernähren, beides gibt es hier in sensationeller und mit der europäischen Ware nicht vergleichbarer Qualität.
Nach den diversen Terroranschlägen der letzten Jahre gibt es in den Einkaufszentren verstärkte Sicherheitskontrollen – oder sagen wir besser: es sollte sie geben. De facto müsste man als potenzieller Terrorist schon sehr ungeschickt sein um sich davor abschrecken zu lassen. Wir treffen aber keine Terroristen und allen künftigen Kenia-Urlaubern und Urlauberinnen darf gesagt sein, dass es sich um ein sehr friedliches Land handelt. Nairobi würde ich von der Gefährlichkeit in einer Reihe sehen mit Mürzzuschlag, Mitterstockstall am Wagram und der Axamer Lizum.

Am Weg in den Village Market kommen wir an der Baustelle für den Northern Bypass vorbei. Dort bauen sie den noch fehlenden Teil der Ringautobahn rund um Nairobi. Das wird sehr dringend gebraucht und wird (wahrscheinlich unter Mithilfe der Chinesen) auch nicht mehr lange dauern. Die Schneise wird einfach mitten durch die Gegend gezogen. Ich glaube nicht, dass Enteignungsverfahren hier lange dauern und statt dem Gericht entscheidet hier ein Weisenrat aus Caterpillar, Planierraupe und Abrissbirne. Afrika ist anders und die Umweltverträglichkeitsprüfung noch nicht erfunden.
Die Umweltzerstörung ist in und um Nairobi sowieso immens, es wird überall gebaut wie verrückt, der Wald wird gerodet und Hochhäuser werden in kürzester Zeit in die Höhe gezogen. Das verursacht in mir eine Mischung aus Wehmut und Schwindel.

Noch jongliere ich mit meinen drei Geldbörsen (Kenia-Shilling, Dollar, Euro), aber bald wird sich noch eine vierte (Tansania-Shilling) hinzugesellen.
Nach den Einkäufen sind wir etwas erledigt, gehen aber am Abend noch gemeinsam mit Louis, Marion und Judy äthiopisch essen. Das gibt es bei uns zwar auch, in Nairobi hat es allerdings eine andere Qualität. Das Lokal liegt sehr versteckt und wirkt mit seinen Plastiksesseln und Plastiktischen ein wenig uncharmant. Das Essen ist jedoch sensationell und so viel, dass wir es trotz großem Hunger nicht aufessen können.
Auf einem großen Tablett liegt eine riesige Flade, die an eine dickere Palatschinke mit vielen kleinen Löchern erinnert – sie ist übrigens sauer. Darauf werden die Zutaten verschiedenster Art gelegt und man isst sie mit der Hand, indem man ein Stück einer Flade abreisst und die Zutaten damit ergreift. Das ist gar nicht so schwierig und ein echtes Erlebnis.

Den Abschluss des Abends macht ein Besuch im Gipsys, einer Bar, die an diesem Sonntag jedoch fast leer ist. Die Getränke sind deutlich teurer als in anderen, vergleichbaren Lokalen und wir werden in Zukunft wohl woanders hinfahren.

Ein langer Tag geht zu Ende, aber morgen geht es auf Safari.

Wieder in Afrika – Tag 1

Dieser Reisebericht besteht aus dem Bericht selbst, den dazu gehörigen Fotos sowie kleinen Exkursen über Randthemen.

Tag 1 – die Anreise

Zwei Jahre ohne Ostafrika sind einfach zu viel. Zu lang. Zu schwierig. Ich brauche eine gewisse regelmäßige Dosis dieser „dunkel lockenden Welt“ (so nannte Tania Blixen ihren Roman, der später als „Jenseits von Afrika“ verfilmt wurde und dessen Schauplätze ich gerne besuche).
Nun ist es wieder soweit. Die Helden von heute heißen Thomas, Philipp und Guido, wobei Thomas bereits im Jahr 2000 vom Afrika-Fieber gepackt wurde und diesmal auch schon das sechste Mal mitfährt. Philipp hingegen ist Neuling und entsprechend gespannt auf das, was ihn erwartet.

Exkurs: Die Deppensteuer
Ich zahle immer Deppensteuer. Das ist Geld, das ich aufgrund eigener Blödheit oder weil ich reingelegt werde einfach verpulvere. Weil ich das weiß, habe ich in jedem Reisebudget einen Posten für die Deppensteuer. Ich zahle selten zwei Mal die gleiche, aber die Afrikaner lassen sich immer was Neues einfallen.
Diesmal ist es anders, denn ich zahle sie schon vor Reiseantritt, quasi als Vorschuss. Die erste Summe entsteht durch meinen Schlendrian punkto Reisepass. Ich habe viel Zeit, weil die Gültigkeit noch bis August 2017 reicht und die Reise schon im März ist. Das glaube ich zumindest bis drei Tage vor dem Abflug, denn dann entdecke ich auf der Website des Konsulats den Hinweis, dass der Reisepass noch sechs Monate Gültigkeit haben muss. Dummerweise haben wir den Urlaub wegen Thomys Terminproblemen vom Februar in den März verschoben und so fehlen gerade mal zwei Wochen. Blöd, aber nicht tragisch, denn in der heutigen Zeit ist ein Reisepass blitzschnell ausgestellt.
So die Theorie. Der Blick auf die Website des Passamts belehrt mich eines besseren: Fünf Tage bis eine Woche dauert ein neuer Reisepass, der 80 Euro kostet. Glücklicherweise kann man sich auch einen Express-Reisepass ausstellen lassen, das kostet nur 20 Euro mehr und dann bekommt man ihn in drei Tagen.
Das könnte sich knapp ausgehen, aber eigentlich ist das Risiko zu groß. Glücklicherweise geht es in dringenden Fällen noch schneller, nämlich mit einem 1-Tages-Pass. Den bekommt man schon am nächsten Tag, dafür kostet er sportliche 220 Euro. Das wären dann die ersten 140 Euro Deppensteuer, ganz ohne afrikanische Beteiligung übrigens.
Die Dame am Magistrat ist sehr nett und achtet penibel darauf, dass das Foto genau stimmt und alle Formalitäten zwei Mal überprüft sind, damit ich auch tatsächlich am nächsten Tag den neuen Pass bekomme.
Der wird auch geliefert und zwar von einem speziellen Botendienst, der mittels Handy recht genau terminisierbar ist und an Flexibilität nichts zu wünschen übrig lässt. Kostet ja auch genug.
Die zweite Deppensteuer schmerzt genauso. Als ich die Flüge buche, lasse ich zwecks Vergleich mehrere Masken am Bildschirm offen. Dann kaufe ich den ersten Flug (von Nairobi nach Sansibar) und auch den zweiten (von Sansibar nach Dar Es Salaam). Leider fällt mir nicht rechtzeitig auf, dass ich zwei Mal den gleichen Flug buche, weil ich die falsche Maske erwische. Für drei Personen. Mit Kreditkarte bezahlt, also weg.
Glücklicherweise war es nur der kurze und relativ billige Flug von Sansibar nach Dar Es Salaam, aber weh tut das trotzdem. Macht übrigens 265 Euro Deppensteuer. (Thomy und Philipp sind allerdings so nett und bereit ihre doppelten Flüge selbst zu zahlen).
Die Fluglinie heißt übrigens „Precision Air“ und wird von Insidern „Unprecision Air“ genannt, angeblich aus gutem Grund. Den erfahre ich jetzt auch, denn mehrere Mails an die Fluglinie bringen genau gar keine Antwort.
Ich stehe also noch vor Reiseantritt bei 225 Euro oder mehr und bin gespannt, was noch alles dazu kommt.

Da der Flug mit der Swiss nach Nairobi über Zürich schon um sechs Uhr in der Früh geht, machen wir einen Vorabend-Checkin. Das hat sich bewährt, weil man erstens eine größere Auswahl an Sitzplätzen hat und zweitens in der Früh keinen Stress, da man nur mehr hinfährt, durch die Passkontrolle geht und ins Flugzeug steigt.
Thomy reist aus Klosterneuburg mit einem eigenen Flughafentaxi an, Philipp und ich wählen ein Car2Go, was wegen des schon aufgegebenen Gepäcks eine reizvolle Alternative darstellt.
Das klappt hervorragend und kostet heiße 20 Euro, die wir uns teilen. Am Flughafen gibt es ein eigenes Parkdeck, dessen Schranken die kleinen Smarts automatisch erkennt und durchfahren lässt.

Der Flug nach Zürich ist unspektakulär und dann ist mir auch noch das Sitzplatzglück hold. Ich kann einen Gangsitz ergattern, dessen Nachbarsitz frei bleibt. Ich bin zu groß und auch etwas zu breit für die Sitze in der Holzklasse, die jedes Jahr um gefühlte 2-3 cm enger und schmäler werden. Auf Langstreckenflügen (7 Stunden und 40 Minuten bis Nairobi) ist das ein wichtiges Kriterium, vor allem in der Nacht, wo ich zusammengequetscht und gefaltet und auch sonst komplett geknechtet normalerweise kein Auge zutun kann.
Das Visum holen wir uns bei der Einreise, die ich im Verdacht habe eine afrikanische Aussenstelle der amerikanischen NSA zu sein. Fingerabdrücke, ein eigenes Bild und skeptisch dreinblickende Polizisten lassen bei mir die Frage auftauchen, was zum Henker die mit all unseren Daten machen.
Dann endlich haben wir unser Gepäck und marschieren in die warme, duftende und zirpende ostafrikanische Luft hinaus, um unser vorbestelltes Taxi zu entern. Wie immer stehen geschätzte hundert Typen mit großen Namensschildern herum, doch unsere Namen sind nicht dabei. Ich habe extra zwei Mails an die Reisebürofirma Amicabre Travel geschickt, die zweite bereits mit der Bitte um Antwort bzw. Bestätigung. Ich kenne die Firma schon sehr lange und habe bisher immer gute Erfahrungen gemacht. Erst im Dezember haben sie meinen Bruder abgeholt und da habe ich auch keine Bestätigungsmail erhalte. Also dachte ich, dass das diesmal auch so wäre.
Glücklicherweise stehen ohnehin jede Menge Taxis herum und wir finden eines, das uns um 3.000 Khs nach Lake View bringt, was etwa so weit ist wie von Schwechat nach Neuwaldegg (wer´s kennt).
Das ist um 1.500 Khs weniger als das Taxi von Amicabre Travel gekostet hätte und ich habe langsam den Verdacht, dass ich für die letzten Jahre mein Deppensteuerbudget nachträglich noch aufstocken muss.
Der Umrechnungskurs ist derzeit extrem praktisch, denn 100 Kenia-Schillinge sind 1 Euro und gut 1 Dollar. So lässt es sich leicht rechnen.

Die Fahrt in die Stadt hinein hat für mich immer etwas Magisches, auch wenn sie über eine Art Autobahn führt und nicht sehr romantisch ist. Aber es sind die ersten Meter wieder in einem Land, das ich sehr ins Herz geschlossen habe, die ersten hupenden Autos, das erste Mal nach meist langer Zeit die afrikanische Luft, die so ganz anders ist als die europäische. Und doch ist es jedes Mal anders, weil sich die Stadt sehr schnell verändert, nachdem sie jahrzehntelang eher konstant war. Sie wächst ungeheuer schnell und die Industrieviertel und Gewerbebauten reichen inzwischen bis fast an den Flughafen, während vor ein paar Jahren hier noch da und dort ein Schrottplatz oder ein paar kleine Hütten zu sehen waren. Und es blitzt ständig. Die Blitze kommen von zahlreichen Masten, die über die Straße montiert sind. Auf meine Frage werde ich aufgeklärt, dass es das seit dem Besuch von Obama gibt und dass jeder Blitz ein Foto wäre. Eine Sicherheitsmaßnahme, die aber jetzt außer Betrieb wäre – es würde zwar noch geblitzt, aber dahinter wären keine Server mehr, die alles speichern würden.
Ich habe keine Ahnung ob das so ist, aber es wirkt etwas bedrohlich und verstörend.

Weniger verstörend ist die Aussicht auf einen tollen Urlaub. Weil es vom ersten Tag keine interessanten Bilder gibt, füge ich hier jetzt eines ein, quasi als Vorschuss auf die vielen Bilder der nächsten Tage. Es handelt sich um eine Thompson-Gazelle, die es in ganz Ostafrika gibt und die sich dadurch auszeichnet, dass sie besonders flink ist. Und sie schmeckt gut, zumindest Geparden, die sie gerne jagen. Davon wird später noch zu lesen sein.

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Bild: Thompson-Gazelle

Wir kommen gut voran, der übliche Stau ist nicht vorhanden, was einerseits an der Zeit liegt (Samstag Abend) und andererseits an der großen Ringautobahn, die jetzt fast schon ganz Nairobi umfasst, gerade mal im Nordwesten fehlen noch einige Kilometer, die aber schon in Bau sind. So wird der enorme Schwerverkehr umgeleitet, der von Mombasa kommt, Richtung Uganda weiter geht und früher komplett durch die Stadt fahren musste. Die Staus waren legendär und zum Teil sind sie das heute noch, da das Straßennetz in den 1960er und 70er Jahren angelegt wurde und auf 1/10 des heutigen Verkehrs ausgelegt ist.

Nach nur 45 Minuten sind wir in Lake View und beziehen zwei Apartments in den „Lake View Studios“. Irgendwie ist noch Durst übrig und so entern wir den bereit stehenden Toyota und fahren nach Westlands, um uns dort das eine oder andere Gin Tonic zu gönnen. Davor finden wir noch ein indisches Restaurant, das punkto Küche okay ist, als einzige Gäste vermissen wir aber doch ein wenig Flair.

Der erste Tag war anstrengend und geht hiermit zu Ende.

Secret Island

Also genau genommen heißt die Insel ja Zirje, aber irgendwie klingt das sehr unspektakulär.
Wir befinden uns mitten in Dalmatien und die Insel ist ca. zwölf Kilometer lang, hat ein paar kleine Orte und jede Menge Felsbuchten – so wie hunderte andere Inseln in Kroatien.

Ich bin zum Tauchen da und möchte den einzigen Urlaub des Jahres genießen, immerhin fünf Tage – wenn auch inklusive Hin- und Rückfahrt, wobei wir auch gleich am Beginn des Reiseberichts sind.
Ich war seit zwei Jahren nicht Tauchen und als mir Werner letzten November die E-Mail schickte, zögerte ich nicht lange, vor allem weil der Preis (499,- Euro) ausgesprochen akzeptabel war.

Abfahrt drei Uhr früh – nicht gerade meine Zeit, aber um elf Uhr ist Treffpunkt in der Marina von Tribunj und von dort geht es mit dem Schiff nach Zirje. Die Fahrt nach Bruck an der Mur verläuft unspektakulär und nachdem ich das Auto abgestellt habe, fahren wir mit drei Autos Richtung Kroatien – neun SteirerInnen und meine Wenigkeit. Am Zielort werden wir noch drei TirolerInnen treffen, insgesamt dreizehn Personen, davon neun mit Tauchambitionen.

Gelernte Österreicher schimpfen gerne über Autobahnmaut, aber Slowenien und Kroatien sind auch nicht gerade billig, bieten dafür jedoch ebenfalls gute Autobahnen. Vor allem das letzte Stück, das spektakulär die enorme Kante von den Bergen hinunter zum Meer überwindet, kann nicht billig gewesen sein.
Das Wetter ist durchwachsen und eher kühl, ändert sich aber sobald wir uns dem Meer nähern. Von den Bergen bläst die Bora und auf der Autobahn ist eine windbedingte Geschwindigkeitsbegrenzung von 40 km/h.

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Bild: Tribunj

Tribunj liegt zwischen Zadar und Sibenik und ist ein netter kleiner Ort mit einer Marina, in der auch unser Tauchboot liegt. Es ist ein ehemaliges Rettungsboot, das 1945 gebaut wurde, jahrelang am Grund des Meeres lag, dann aber eine zweite Chance bekam. Der alte Perkins-Dieselmotor lag ebenfalls jahrelang unter Wasser, was ihn aber nicht sonderlich beeindruckt hat. Angeblich hat die Maschine 75 PS, tuckert aber trotzdem nur sehr gemächlich dahin, die Fahrt von der Marina zur Insel dauert so knapp zwei Stunden.
Damit ist auch klar, dass das Tauchrevier eng begrenzt ist und sich hauptsächlich rund um unsere Bucht erstrecken wird.

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Die Tauchbasis wird von Marin und seiner Frau Sanja betrieben.

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Bild: Marin am Steuerstand des Tauchboots

Er ist ehemaliger Soldat, sie studiert Jus und gemeinsam haben sie zwei Kinder, die jedoch während der Arbeitswochen ausgelagert sind. Dazu gibt es noch eine Aushilfe für den Service und eine Köchin. Die Basis liegt malerisch in einer Bucht, die sehr gerne von Seglern angelaufen wird. In den Nächten lagen meist zwischen zehn und fünfzehn Segelboote an den zahlreichen Bojen. Die Bucht ist nicht billig und jeden Abend fährt der Zahlmeister mit dem Motorboot von Segler zu Segler und kassiert die Übernachtungsgebühren.

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Bild: Die Tauchanzüge hängen parat für den nächsten Tauchgang

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Bild: Die Bucht mit ein paar Segelschiffen

Diese sind nicht billig, aber die Bucht dürfte günstig liegen und so macht die Tauchbasis samt angeschlossenem Restaurant in den Sommermonaten ein gutes Geschäft.
Wir sind die vorletzte Tauchergruppe in dem Jahr, nach der letzten wird Ende September die Basis bis zum nächsten Frühling komplett zugesperrt.

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Bilder: Das Restaurant

Das Essen ist gut und für uns ist die Atmosphäre sehr familiär – man hilft beim Abräumen und diskutiert gemeinsam, was es am nächsten Abend Gutes gibt.
Die Zimmer sind okay, leider holt uns hier die südländische Schlampigkeit ein, mit der wir zwar irgendwie zurecht kommen, die aber manchmal einfach nur nervt. Mitten in der Tauchbasis gibt es einen Schacht, in dem das Wasser steht. Das ist die Brutstätte für Gelsen – vollkommen unnötig, auf dieser wasserarmen Insel wäre es ein Leichtes vollständig ohne die Plagegeister auszukommen. Ein Netz über den Schacht und alles wäre erledigt. Oder wenigstens Moskitonetze an den Fenstern. Selbst einfache und billige Lösungen werden einfach nicht umgesetzt, obwohl man mit wenig Aufwand allen künftigen Gästen ruhige Nächte ermöglichen könnte. Da in der Nacht der Generator abgeschaltet wird, gibt es auch keinen Strom für Gelsenstecker.
Das mit dem Strom und dem Wasser ist überhaupt so eine Sache. Ersteren gibt es nur in der Früh und am Abend und somit ist sonst Pause für alle elektrischen Geräte. Die Küche kocht mit Gas und irgendwie funktioniert das alles eh ganz gut. Auch Wasser hatten wir genug, es wird mit einem Tankschiff auf die Insel gebracht und man bittet uns sparsam zu sein. Die Dusche ist aber okay und der Komfort aus meiner Sicht vollkommen ausreichend.
Regenwasser aufzufangen und zu nützen ist ihnen noch nicht eingefallen – obwohl es durchaus immer wieder regnet.

Weil wir pro Tag nur eine Ausfahrt mit dem Tauchboot machen, sind die Nachmittage frei für Erholung, das eh selten mögliche Nichtstun oder einen Spaziergang auf der Insel. Ich nütze die Gelegenheit jeden Nachmittag und erkunde das zwölf Kilometer lange Zirje, auf dem es genau eine Asphaltstraße gibt. Sie führt von Nord nach Süd und ist in sehr gutem Zustand, wohl auch weil sie selten befahren wird.

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Bild: Die Asphaltstraße

Sie führt über Hügel und durch kleine Täler, in denen Oliven und Wein angebaut werden. Es wirkt alles nicht sehr engagiert, die Weinstöcke sind in schlechtem Zustand und auch die Olivenhaine wirken eher vernachlässigt bzw. es sieht so aus, als ob sie gerade mal für den Eigenbedarf da wären. Es gibt eine Handvoll winziger Ortschaften, die bis auf eine (nämlich Zirje selbst) an der Küste liegen. Die meisten Menschen dürften vom Tourismus leben und es gibt eine größere Anzahl an Privathäusern, die Kroaten gehören, die am Festland leben. Es sind klassische Wochenendhäuser und sie wirken die meiste Zeit unbewohnt und sind es wohl auch.
Eine Besonderheit der Insel besteht darin, dass die meisten Autos dort keine Nummerntafeln haben. Sie werden vom Festland auf die Insel gebracht und tun dann noch einige Zeit ihren Dienst. Wenn sie kaputt sind, holt man die nächsten alten Kisten vom Festland. Die Wracks bleiben dann irgendwo stehen, so wie viele andere Dinge, die als Zivilisationsmüll auf der Insel verrotten, weil niemand das Geld bezahlen will um sie ans Festland zu entsorgen.

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Bild: Ein alter Zastava

Kroatien ist katholisch und so gibt es auch hier da und dort kleine Kirchen und Kapellen. Die meisten alten Gebäude sind aus den Steinen gebaut, die man auf der Insel zur Verfügung hat. Nur die modernen Ferienhäuser der wohlhabenderen Kroaten sind großteils aus modernen Materialien gebaut (Stahl, Beton).

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Bild: kleine Kirche

Zur Insel kommt man nur mit dem Boot, die Fahrt von Tribunj dauert ca. 100 Minuten. In den Buchten der kleinen Dörfer liegen die ebenfalls kleinen Boote, eine kleine Fähre gibt es auch, die nach Sibenik fährt.

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Bild: kleine Boote in einer Bucht

Die Zeit scheint auf Zirje teilweise stillzustehen und es hängt überall ein Echo der Vergangenheit in der Luft. Die alte Lebensform als Fischer und Hirte ist Geschichte und ich habe keine einzige Ziege und auch kein Schaf irgendwo gesehen. Hie und da fährt noch ein alter Fischer mit seinem Boot hinaus, aber auch das ist selten und ich hatte das Gefühl, dass die Zeit doch über Zirje hinweggerauscht ist. Zurück bleiben alte Menschen, die ihre letzten Olivenhaine bewirtschaften.

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Bild: verrottendes altes Fischerboot

Und dann gibt es da noch die Mauern. Laut unserem Tauchguide Marin sind daran die Österreicher Schuld, die vor langer Zeit einen Landkataster erstellt und dafür das Land vermessen haben. Danach gab es „meins“ und „deins“ und um das darstellen zu können, begann man Mauern zu bauen. Am folgenden Bild sieht man diesen Irrsinn, den es nicht nur hier auf dieser Insel gibt:

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Bild aus Google Earth: Mauern

Die Mauern hatten früher einen Sinn, da sie kleine Weidegründe absteckten und den Bauern ihr Stück Land zuwiesen. Es muss ein ungeheurer Aufwand gewesen sein all diese Mauern zu bauen. Heute wirken sie wie Relikte aus der Vergangenheit und sind es wohl auch. Da sie aus den Steinen der Inseln sind, verrotten sie nicht und werden wohl noch in Jahrhunderten zu sehen sein. Sie sind aber auch das Symbol einer verkehrten Entwicklung, denn das Mauerndenken hat sich tief in die kroatische Seele hineingefressen, wie auch Marin richtig erkannt hat. Der Eigentumsbegriff wird hier pervertiert, was gut an den vielen Häusern zu erkennen ist, die von den Kroaten hier gebaut werden. Am folgenden Bild sieht man so ein Haus, das irgendwo ganz allein auf einem Hügel steht. Rundherum sind nur Büsche und Mauern, aber der Erbauer hat großen Wert auf Zäune, Gittertore und andere Abgrenzungen gelegt – und nicht nur er, das machen hier alle:

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Bild: eingezäuntes Haus

Auch der Autoabstellplatz wirkt skurril, denn rundherum gibt es jede Menge freien Platz, der überhaupt nicht gebraucht wird. Aber vielleicht gehört er ja jemand anderem. Noch skurriler wird es, wenn man die frisch erschlossenen Grundstücke ansieht. Bevor irgendetwas geschieht, wird zuerst einmal eine große Mauer rundherum gebaut, wie auf folgendem Bild gut zu erkennen ist:

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Bild: Mauer

Wer will hier wohnen bzw. leben? Offensichtlich nicht mehr viele, denn die Insel hat weder Wasser noch Strom, der hier ausschließlich aus Dieselgeneratoren und ein wenig Solarstrom erzeugt wird. Es fehlt das Geld für eine Lösung für die ganze Insel und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich das so bald ändern wird. So wird jeder für sich weitermachen mit seiner Individuallösung und auf der Insel wird sich außer wachsenden Müll- und Schrottbergen wohl nichts ändern.

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Bild: Hier gibt es Land zu kaufen

Einer meiner Ausflüge führte mich auf einen Hügel, der bis vor einiger Zeit militärisch genutzt wurde. Im WK2 waren hier die Deutschen stationiert und einige Kilometer weiter auf der Insel Vis (früher „Lissa“) waren die Alliierten. Es gibt eine Bunkeranlage und man sieht noch gut die Befestigungen der Geschütze, die es hier aber schon länger nicht mehr gibt. Die gesamte Anlage ist aufgegeben und wird nur noch von Touristen besucht.

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Bild: Ausblicksturm

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Bild: Befestigung der Geschütze

Der Marsch auf den Hügel ist aber vor allem wegen des großartigen Ausblicks lohnend. Richtung Norden sieht man die südlichsten Kornateninseln (dort wäre das Tauchen genial, aber sie sind für unser Boot zu weit weg und wir hatten auch nicht die Spezialgenehmigungen, die man dafür braucht).

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Bild: Kornaten

Der Blick Richtung Südosten zeigt unsere Bucht mit ein paar Segelbooten:

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Bild: Die Bucht von Tratinska

Nun zum Tauchen. Ich war vorher noch nie auf oder bei Zirje und kannte die Spots somit nicht. Der Nachteil an den langsamen Tauchbooten besteht darin, dass die Reichweite sehr gering ist – zu einer kleinen Insel nicht weit weg fährt man gleich einmal eine Stunde oder zwei. Damit ist die Anzahl der betauchbaren Plätze natürlich eingeschränkt und viel mehr als 3-4 Tage zahlen sich auch nicht aus.
Wir hatten am Mittwoch einen Checkdive und dann am Do, Fr, Sa jeweils zwei Tauchgänge, die beide am Vormittag bzw. zu Mittag erledigt wurden. Am Donnerstag gab es zwei leichte Tauchgänge in einer Nachbarbucht, über die wenig zu sagen ist, außer dass es erstaunlich wenige Fische gibt. Das bin ich von Kroatien doch anders gewohnt, denn das Meer ist immer noch sehr sauber und wird meines Wissens nach auch nicht extrem befischt – aber vielleicht hat sich das geändert. So ein kleiner Schwarm wie am folgenden Bild war nur selten zu sehen:

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Bild: Schwarm an einer Steilwand

Bei einem Tauchgang konnten wir auch eine Amphore entdecken. Es blieb aber unklar, wie alt sie sein kann. Es gibt in Kroatien noch einige antike Amphorenfelder, etwa bei der Insel Vis, wo sie aufgrund des ehemaligen militärischen Sperrgebiets nicht geplündert wurden.
Der mangelnde Bewuchs deutet allerdings darauf hin, dass diese Amphore einen anderen Ursprung hat:

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Bild: Amphore

Generell waren wir ein wenig enttäuscht vom nur mäßig reichen Unterwasserleben. Einige Highlights gab es dann aber doch, etwa dieser Feuerwurm, der öfter zu sehen war. Auffällig war auch die hohe Anzahl an verschiedenen Seesternen und Seeigeln.

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Bild: Feuerwurm

DAS Highlight schlechthin ist dort jedoch der Stuka-Bomber (Eine Junkers JU 87) aus dem zweiten Weltkrieg. Er wurde erst im Herbst 2014 bei einem Apnoe-Lehrgang entdeckt und ist daher noch in gutem Zustand. Er ist genauer gesagt in hervorragendem Zustand, denn er liegt flach im Wasser auf ca. 30 Meter Tiefe und dürfte seinerzeit angeblich von der jugoslawischen Luftabwehr abgeschossen worden sein und ist dann abgestürzt.
Wie das genau passiert ist, kann nicht mehr rekonstruiert werden, aber ich schätze, er ist am Wasser aufgekommen, dann hat es den Motor abgerissen – er liegt einige Meter vom Flugzeug entfernt. Die Piloten konnten wahrscheinlich noch aussteigen, weil die Kabinendächer offen sind. Dann ist der Bomber auf den Meeresgrund gesunken und lag dort ca. 75 Jahre.

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Bild: Stuka-Bomber

Es gibt übrigens laut einem Tauchguide nur mehr drei Stück, eines davon in London, eines in Chicago und eines jetzt eben in Kroatien. Ich schätze, dass davon in ein paar Jahren nicht mehr viel übrig sein wird, wenn bestimmte Leute anfangen Teile zu demontieren. Wir wurden auch gebeten, dass wir uns nicht auf den Sitz setzen, denn wenn das jeder macht, ist bald alles kaputt.
Am folgenden Bild sieht man den Motor, ein 12-Zylinder (Jumo 211 mit bis zu 1.500 PS), bei dem aber scheinbar der Zylinderkopf abmontiert oder abgerissen wurde. Es ist trotzdem erstaunlich, wie gut die Teile noch in Schuss sind – das gilt für das gesamte Flugzeug. Damals zu Beginn des Krieges verwendete man in der deutschen Rüstungsindustrie scheinbar exzellente Materialien. Die Alu-Bleche der Flügel sind nahezu unbeschädigt und auch die Stahlteile sind nach immerhin 75 Jahren noch enorm gut erhalten.

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Bild: Motor

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Bild: Guido vor der tw. eingedrückten Kabine.

Am folgenden Bild sieht man den Sitz des Piloten samt dem Steuerknüppel. Sogar diverse Anzeigeinstrumente sind vollständig erhalten, das ganze Flugzeug ist nur wenig bewachsen.

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Bild: Pilotensitz

Der Schütze saß nach hinten gerichtet und bediente ein Maschinengewehr, das durch die runde Öffnung ragte. Es dürfte abmontiert worden sein.

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Bild: Heck der Stuka-Kabine

Heute wirft der Bomber keine Bomben mehr ab, sondern dient Fischen als Wohnstätte, wie etwa diesem Drachenkopf:

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Foto: Drachenkopf

Die weiteren Tauchgänge blieben auch unspektakulär, bei einem alten Leuchtturm waren wir jedoch bei einer sehr interessanten Steilwand, die schon an die Kornaten erinnert: guter Bewuchs, viele kleine Höhlen mit Sandboden, in denen man hin und wieder Hummer oder Langusten sieht.

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Bild: Steilwand, tw. mit roten Gorgonien bewachsen.

Am Sonntag in der Früh ging es wieder zurück nach Wien. Es war ein schöner Urlaub, erholsam, mit gutem Essen und ein paar interessanten Tauchgängen. Mein einziger Urlaub heuer.

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Bild: Rückfahrt nach Tribunj

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Bild: Abendstimmung in Dalmatien